Die Bruderschaft der Religionen

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Die Bruderschaft der Religionen
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Die Bruderschaft der Religionen

(The Brotherhood of Religions)

von

Annie Besant

Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft.

Autorisierte Übersetzung von

Helene Lübke.

Impressum

„Die Bruderschaft der Religionen“ von Annie Besant

Erstveröffentlichung: Leipzig 1908

Cover: © natalia9 - Fotolia.com

Überarbeitung: F. Schwab Verlag

Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de sagt Danke!

Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag

Inhalt

Impressum

Die Bruderschaft der Religionen

Symbole

Gemeinsame Lehren

Gemeinsame Erzählungen

Gemeinsame Ethik

Danke!

Anmerkungen

Die Bruderschaft der Religionen.

Ein Leser, der einen Augenblick bei der obigen Überschrift verweilt, mag berechtigterweise ausrufen: – „Wahrlich, was die Religionen auch sein mögen, brüderlich sind sie sicherlich nicht!“ Und leider ist das nur allzu wahr. Betrachten wir die Geschichte der Religionen in ihrer jüngeren Vergangenheit, so finden wir wenig Brüderlichkeit darin. Dagegen sehen wir, wie sich die Religionen gegenseitig bekämpfen, wie sie miteinander um die Herrschaft ringen, wie sie nach der Macht streben, ihre Rivalinnen zu zermalmen. Religionskriege sind die grausamsten gewesen; religiöse Verfolgungen die unbarmherzigsten. Kreuzzüge, Inquisitionen, Schrecken aller Art beflecken die Geschichte religiöser Kämpfe mit Blut und Tränen. Es klingt beinahe wie Hohn auf blutiger Wahlstatt, beim Widerschein lodernder Scheiterhaufen von der Bruderschaft der Religionen zu sprechen.

Auch ist es nicht allein Religion, die mit Religion in Fehde liegt. Selbst innerhalb der Religionen bilden sich Sekten, die miteinander Krieg führen. Deshalb sind religiöse Wirren zum Typus dessen geworden, was im Kampfe der Menschen untereinander am erbittertsten und unbrüderlichsten ist.

Das ist nicht immer so gewesen. Der Antagonismus zwischen den Religionen ist ein Gewächs modernen Ursprungs, entstanden aus dem Anspruch, den eine einzelne Religion erhebt: die allein wahre und allein inspirierte zu sein. Im Altertum gab es vielerlei Religionen, und meistenteils waren sie etwas Nationales, daher fiel es keinem Mitglied der einen Religion ein, das Mitglied einer anderen bekehren zu wollen. Eine jede Nation hatte ihre besondere Religion, wie sie ihre besonderen Gesetze und Gebräuche hatte. Die Menschen wurden in den Glauben ihres Vaterlandes hinein geboren und blieben darin. Blicken wir in die Geschichte der Vorzeit zurück, so wird es uns auffallen, wie selten da Religionskriege vorkommen. Selbst als die Hebräer in Palästina einfielen und die Götzendienst treibenden Eingeborenen niedermachten, handelte es sich nur um einen, von gewöhnlicher Habgier eingegebenen Eroberungskrieg. Die im Altertum so verbreitete Tendenz, die Götter der besiegten Volksstämme in die eigene Religion hinüberzunehmen, tritt auch bei den Hebräern wiederholt hervor. Wohl haben die Propheten diese Tendenz stets scharf getadelt, allein sie tadelten sie nicht als Ketzerei, sondern als nationalen Abfall von der eigenen Gottheit; diese hatte die Hebräer aus der ägyptischen Gefangenschaft befreit und Palästina für sie erobert. Wir sehen ferner, dass es innerhalb einzelner Religionen verschiedene philosophische Schulen gab, die ohne Hass nebeneinander bestanden. So hat der Hinduismus heute noch seine sechs Darshana’s (Gesichtspunkte), und obgleich die Anhänger der verschiedenen Systeme miteinander streiten und disputieren, und eine jede Schule ihren besonderen Standpunkt verteidigt, fehlt doch nicht das brüderliche Empfinden. Auch werden sämtliche philosophische Systeme heute noch innerhalb der nämlichen Pâthashâlâ (Sanskrit Schule) gelehrt. Selbst in einem einzelnen philosophischen System, in dem Vedânta, gibt es drei anerkannte und gleichberechtigte Unterabteilungen: Advaita, Vishishtadvaita und Dvaita existieren friedlich nebeneinander, obgleich sie in den wichtigsten Fragen – in Fragen über das Verhältnis zwischen Gott und der Einzelseele – zu schroff entgegengesetzten Schlüssen kommen. Es kann sich jemand zu dieser oder jener oder zu keiner der drei Unterabteilungen des Vedânta bekennen und dennoch als orthodoxer Hindu gelten, obwohl auch in Indien das Sektenwesen heutzutage erbitterter geworden ist.

Im mächtigen Kaiserreich des alten Roms wurden alle Religionen geachtet, ja selbst geehrt. Im Pantheon der Siebenhügelstadt waren die Bildnisse der Götter aller unterworfenen Volksstämme zu finden, und der Bürger Roms erwies ihnen insgesamt Ehrerbietung. Wurde ein neuer Volksstamm dem römischen Reiche einverleibt und dieser Stamm betete eine andere Form der Gottheit an, als sie im Pantheon zu finden war, so wurden die Abbildungen oder Symbole auch dieser Gottheit mit aller Ehrerbietung dahin überführt und dort würdig aufgestellt. So völlig war das Altertum von dem liberalen Gedanken durchdrungen, dass Religion eine persönliche oder mindestens eine nationale Sache sei, in die sich zu mischen niemand ein Recht habe. Gott war überall. Er war in allen Dingen. Kam es auf die Form an, in der er angebetet wurde? Er war ein unsichtbares, ewiges Wesen mit vielerlei Namen. Was tat es groß zur Sache, unter welchem Titel man ihn anrief? Die religiöse Freiheit des Altertums kommt in den herrlichen Worten Schrî Krischnas zum Ausdruck: „Auf welche Art auch ein Mensch sich mir nähern möge, ich heiße ihn willkommen; alle Menschenwege sind meine Wege“ (Bhagavad Gîtâ). So dachte das Altertum.

Erst als das junge Christentum in Konflikt mit dem Staate kam, geschah es, dass religiöse Verfolgung die Annalen des kaiserlichen Roms befleckte. Das Blut der Christen wurde vergossen, nicht weil man sie als religiöse Sektierer, sondern weil man sie als Friedensstörer und politische Verräter betrachtete. Die Christen griffen die Religionen an, die bisher einträchtlich nebeneinander bestanden hatten, indem sie erklärten, dass nur sie allein Recht, alle andern jedoch Unrecht hätten. Durch ihr aggressives und unduldsames Gebahren erregten sie Unwillen, und verursachten sie Ruhestörungen, wohin sie kamen. Auch gerieten sie in den Verdacht illoyale Staatsbürger zu sein, weil sie sich weigerten, der hergebrachten Sitte zu folgen, und Weihrauch in das Feuer zu streuen, das vor dem Standbild des regierenden Kaisers unterhalten wurde. Diese Sitte brandmarkten sie als götzendienerisch. Das alte Rom sah seine Staatsgewalt durch die neue Religion bedroht. So gleichgültig tolerant Rom jedoch in allen Glaubenssachen war, ebenso strenge und intolerant pflegte es sich politischer Unbotmäßigkeit gegenüber zu verhalten. Als Rebellen, nicht als Ketzer warf Rom die Christen den Löwen vor, und jagte sie aus dem Weichbild der Städte in Felsenhöhlen und Wüsteneien.

Diesem Anspruch des Christentums, die allein wahre Religion zu sein, ist alle religiöse Verfolgung zuzuschreiben. Zuerst wurden die Christen verfolgt, später waren sie die Verfolger. Wenn man sagt: „Eure Religion ist die Eurige und meine Religion ist die meinige“, kann es keine Verfolgung geben. Sage ich jedoch: „Euer Gottesbegriff ist falsch. Meiner ist richtig. Ich allein bin im Besitz der Wahrheit. Ich allein kann den Weg zur Erlösung weisen. Nehmt Ihr meinen Gottesbegriff nicht an, so geht Ihr der ewigen Seligkeit verlustig“, – so muss ich, falls ich logisch und in der Mehrzahl bin, zum Verfolger werden. Ist es doch liebevoller, Ungläubige hienieden zu rösten, als ihnen zu gestatten, ihre Irrlehre zu verbreiten, und dadurch sich selbst und andere für ewig zu verdammen. Bin ich aber in der Minderzahl, so werde ich es sein, der verfolgt wird; erträgt doch kein Mensch bereitwillig die Anmaßung eines anderen, der ihm nicht gestatten will, anders als durch sein persönliches Fernrohr zum Himmel emporzublicken.

Mit der Zeit hörte das Christentum auf, verfolgt zu werden. Es kam ans Ruder und riss die Staatsgewalt an sich. Das Bündnis zwischen Staat und Kirche gab religiösen Verfolgungen einen politischen Anstrich. Unglaube wurde Illoyalität. Die Weigerung, wie das Staatsoberhaupt zu glauben, wurde zum Verrat an demselben. Und so wurde die traurige Geschichte des Christentums geschrieben, die kein Freund der Religion, – sei er Christ oder Andersgläubiger – ohne Schmerz und Scham zu lesen vermag. Unverkennbar hat jedoch die Geschichte Unbrüderlichkeit in religiösen Dingen mit nationalem Ruin gebrandmarkt. Spanien verfolgte seine Juden und Araber; zu Tausenden wurden sie verbrannt, gefoltert, verstümmelt. Des Schlachtens müde, verwies es sie später des Landes. Aber der Wehruf der Schwachen stürzt den Thron der Großen. Weil Spanien die Kinder des Allvaters so grausam behandelt hat, musste es seine Stellung in Europa einbüßen und von einer Großmacht zu einer Macht dritten oder vierten Ranges herabsinken.

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