Historische Kriminalfälle

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Historische Kriminalfälle
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Anna Marie B

Historische

Kriminalfälle

Eine Sammlung von

Schicksalen und Verbrechen

ab 1800 bis 1950

Band 3


Die Verzweiflung ist von dünnen Wänden umgeben, die alle ins Laster oder ins Verbrechen führen.

Victor Hugo, Die Elenden

Allgemeines

Aus meiner Sammlung "Authentische Kriminalfälle" habe ich einen Teil (von 1800 – 1950) spektakulärer Fälle ausgewählt, deren Veröffentlichung ich auch in den nächsten Bänden fortsetzen werde.

Zu unterschiedlichsten Verbrechen, sowie zu Personen, die diese Straftaten ausgeführt haben oder daran beteiligt waren und dafür hohe Gefängnisstrafen erhielten bzw. sogar mit ihrem Leben büßen mussten, sind alle sachlichen und möglichen Informationen zusammengetragen worden. Hauptsächlich dienten Bücher, Zeitungen, Akten, Verhörprotokolle, Autopsieberichte und andere verfügbare Medien als Basis.

Sämtliche Kriminalfälle sind auf den derzeitigen Stand gebracht worden, zumal sich bei einigen, auf der Grundlage neuer sachlicher Quellen, inzwischen Veränderungen ergaben.

Hinweise zu Quellen findet der Leser jeweils im Anhang des jeweiligen Bandes. Ich bemühe mich möglichst unbekannte und außergewöhnliche Straftaten zu dokumentieren, um das breite Spektrum der Kriminalität aufzuzeigen.

Eingang in diese Reihe erhalten nur Fälle, die aus wahrheitsgemäßer und sachlicher Recherche stammen.

Der an "Authentischen Kriminalfällen" interessierte Leser erhält somit den zutreffenden Sachverhalt vermittelt und nicht irgendeine Phantasieversion, welche letztendlich mit dem wahren Fall kaum noch etwas zu tun hat.

Verbrechen mit politischem oder terroristischem Hintergrund wird der Leser in dieser Fallsammlung nicht finden.

Diese Reihe beinhaltet teilweise Kriminal- und Todesfälle, deren Text- und Bilddarstellungen nicht für jeden erträglich und geeignet sind. Sollten Sie zu der Leserschaft mit schwachen Nerven gehören, dann verzichten Sie bitte auf den Kauf, denn es könnten Ihre Gefühle verletzt werden.

Ich bedanke mich für Ihr Verständnis. Anna Marie B

Vorwort

Österreich 1937

Das beschauliche Wien gerät im März 1937 in einen regelrechten Schockzustand. Inmitten ihrer idyllischen Stadt trug sich am Donnerstag, dem 11. März, spät abends im Hause Landstraßer Gürtel 252, eines der blutigsten Verbrechen der Wiener Kriminalgeschichte zu.

Der polizeibekannte Kokainhändler und frühere Chauffeur Leopold Kaufer wurde von der ehemaligen Prostituierten Rosa Hasel und ihrem Freund Karl Dudek, ein berüchtigter Einbrecherkönig, der aus der Tschechoslowakei stammte und zu jener Zeit staatenlos war, auf bestialische Weise abgeschlachtet. Beide wurden noch während der Tatausführung von der Polizei überrascht und unter gewaltigem Aufsehen auf das Kommissariat gebracht, wo sie den Mord gestanden.

Im November des gleichen Jahres mussten sich Hasel und Dudek für ihr begangenes Verbrechen vor dem Wiener Schwurgericht verantworten.

Dieser Sensationsprozess war für vier Tage anberaumt und reich an dramatischen Szenen. Die menschlichen Abgründe der beiden Angeklagten traten an jedem Verhandlungstag deutlich hervor. Beide waren bereit, für Alkohol und Geld ihre Seele zu verkaufen …

Es wurde ein Prozess des Grauens...im wahrsten Sinne des Wortes.


(Bildarchiv – AMB)

3. Der Fall – Rosa Hasel und Karl Dudek (1937)

Am Abend des 11. März 1937 erschien der Tischlermeister Leopold Hasel völlig erregt im Wachzimmer Arsenal um den Beamten mitzuteilen, dass in seiner Werkstatt, im Hause Landstraßer Gürtel 252, eine entsetzliche Bluttat geschehen sein müsse, da in der Küche alles voller Blut sei. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Wachkommandant allerdings noch nicht ahnen, dass er in einigen Minuten den schrecklichsten Mord der Zwischenkriegszeit entdecken würde.

Der Polizeibezirksinspektor Fechtner eilte sofort mit Leopold Hasel und mehreren Leuten seiner Wache in das kleine Haus an der Grenze der Bezirke Landstraße und Favoriten am Gürtel. Dort angekommen, fand man tatsächlich in der Küche eine große Blutlache und in der Werkstatt einen Mann, dem der Kopf grausam vom Rumpf getrennt worden war.

Der Tote wurde als der polizeibekannte Kokainhändler und Einbrecher und mehrfach gerichtlich abgestrafte Chauffeur Leopold Kaufer identifiziert. Die Tat hatten augenscheinlich die Wohnungsinhaberin, die Private Rosa Hasel gemeinsam mit ihrem Geliebten, dem am 22. April 1889 in Karwin in der Tschechoslowakei geborenen, staatenlosen Einbrecher Karl Dudek, aus der Leimrutengasse 14, begangen.

Nur Hasel und Dudek wurden in der Wohnung angetroffen. Man brachte beide sofort auf das Kommissariat. In der Zwischenzeit eilte eine Kommission unter Führung des Stadthauptmannes Hofrat Dr. Tornay mit dem Journalbeamten Polizeikommissar Dr. Eyner und dem Amtsarzt Sanitätsoberkommissar Dr. Remecek an den Tatort.

Auf dem Kommissariat Favoriten vernahm der Bezirksinspektor zunächst erst einmal die Frau.

Sie gestand in kurzen, knappen Worten, die Tat gemeinsam mit Karl Dudek begangen zu haben. Sie hätte, so ihre Aussage, mit Leopold Kaufer bis zum Abend mehrere Lokale besucht und dort Wein, Wermut und andere alkoholische Getränke in größeren Mengen genossen. Danach sei sie mit ihm in ihre Wohnung zurückgekehrt, wo sich alsbald auch Dudek einfand.

In der Wohnung wäre Leopold Kaufer plötzlich zudringlich geworden. Dagegen habe sie sich gewehrt. Kaufer, der daraufhin in Wut geraten sei, hätte einen Sessel genommen und auf sie losgeschlagen. Nun habe sie Dudek zu Hilfe gerufen und dieser sei mit einem Lavoir (Waschbecken, Waschschüssel) auf Kaufer losgegangen, bis dieser nach mehreren Schlägen auf den Kopf besinnungslos zu Boden gesunken sei. Dann hätten sie und Karl Dudek noch eine Weile auf dem Bewusstlosen mit den Füßen herumgetreten, ihn anschließend in die Werkstatt geschleppt, sich vorher noch mit je einem Küchenmesser bewaffnet, um dann in der Werkstatt an die Ausführung des Mordes zu schreiten. Zunächst, so gestand Rosa Hasel, hätte sie dem Bewusstlosen mit dem Messer einen tiefen Halsschnitt beigebracht, um anschließend gemeinsam den Kopf vom Rumpf besser abtrennen zu können.

Als ihr Gatte, der Tischler Leopold Hasel abends nach Hause gekommen sei, hätte er das viele Blut entdeckt, wäre zur Polizei gegangen um dort Lärm zu schlagen.

Das kleine Haus, indem diese Bluttat verübt wurde, liegt in dem unverbauten Viertel zwischen dem Arsenalweg und dem Landstraßer Gürtel, direkt an der Linie „118“ der Straßenbahn. Im Bericht der Polizei wird die Adresse als „Landstraßer Hauptstraße Nr. 252“ vermerkt. Das Häuschen des Ehepaars Hasel, als auch die nebenan befindlichen Wohnbaracken, führten keine Straßenbezeichnung. Der Eingang zur Mordstelle befand sich direkt an der Linie der Straßenbahn - 118.

In einer der Baracken gegenüber hatte sich eine Gastwirtschaft mit dem wohlklingenden Namen „Zur Technischen Hochschule“ einquartiert. Planungen zufolge sollte auf diesem Gelände einstmals das neue Gebäude der Technischen Hochschule errichtet werden. Da das Objekt allerdings jenseits der Gürtellinie lag, wurde es noch zum 10. Bezirk zugeordnet.

Das Haus, besser gesagt das Häuschen der Hasels, glich eher einer etwas größer geratenen gemörtelten „Hütte“ mit Schieferdach, bestehend aus mehreren Räumen und gehörte zu gleichen Teilen den Brüdern Joseph und Leopold Hasel. Bewohnt wurde es jedoch ausschließlich von Leopold Hasel und seiner Gattin. Joseph Hasel selbst wohnte in Utzgersdorf, denn dort besaß er eine Tabakfabrik.

Leopold Hasel, der seine Gattin und Karl Dudek dabei ertappt hatte, wie sie gerade den Rumpf des ermordeten Kaufer zerstückelten, besaß bis zum April 1936 bei der Baugesellschaft „Grundstein“ als Tischlergehilfe eine Arbeitsstelle, kündigte dann und arbeitete anschließend eine Zeit lang in den Gaswerken. Schließlich arbeitslos geworden geriet er in arge Not.


Mit seiner Gattin Rosa war Leopold Hasel bereits seit mehreren Jahren verheiratet. Diese Ehe konnte jedoch als halbwegs glücklich bezeichnet werden, obwohl seine Ehefrau, wie es so schön im Polizeibericht vermerkt wurde:„…keineswegs das Muster einer Hausfrau“ war. Von den vielen Männerbekanntschaften seiner Frau hatte Leopold Hasel, wie er gegenüber der Polizei aussagte, nicht die geringste Ahnung.

Die am 20. Dezember 1900 in Wien geborene Rosa Hasel, die später nach Utzgersdorf umzog, war bereits einmal verheiratet. Kurz nach der Scheidung heiratete sie dann Leopold Hasel.

Früher war sie einmal als Prostituierte polizeilich gemeldet gewesen, setzte aber auch in der Ehe die Männerbekanntschaften kontinuierlich fort, jedoch immer so geschickt, dass ihre Ehegatten stets unwissend blieben. Außereheliche Bekanntschaften zu Männern boten sich ihr ja bei jeder Gelegenheit, ob auf der Straße, oder in Gasthäusern. Trotz dieser vielfältigen „gelegentlichen“ Verhältnisse hatte Rosa Hasel auch noch nebenbei ständige Verehrer.

Zu diesen Männerbekanntschaften gehörte auch der ehemalige Chauffeur Leopold Kaufer. Sie lernte ihn im Jahr 1936 als „Reisenden“ kennen. Kaufer war zwar verheiratet, lebte aber bei seiner Mutter, einer Friseurswitwe, in der Humboldtgasse 12. Alle seine Geschwister, die ebenfalls in Wien lebten, wurden als nette und brave Leute geschildert. Nur Leopold Kaufer ist aus der Art geschlagen und auf Abwege geraten. Früher war er einmal als Chauffeur tätig. In der letzten Zeit so erzählten seine Angehörigen brachte er sich als „Zuckerhausierer“ durch.

 

In Wirklichkeit lebte er vom Schleichhandel mit Kokain. Das war auch der Grund warum er sich im ständigen Konflikt mit den Behörden befand. Das Bild von Leopold Kaufer verschönerte auch das Verbrecheralbum der Wiener Polizei.


BQ: Wiener Bilder

Es ist ohne Zweifel erwiesen, dass er (Leopold Kaufer), genauso wie Karl Dudek - der neue Verehrer von Rosa Hasel -, einer der berüchtigtsten Einbrecher und Kokainschleichhändler, zur Unterwelt in Wien die allerbesten und engsten Beziehungen unterhalten hatten.

Äußerlich verbreitet Rosa Hasel das Bild eines kaltblütigen Weibes und zeigt sich überaus herrisch und brutal. Alle an sie gestellten Fragen beantwortete sie gefühllos und zeigte nicht die geringste Regung. Als man sie aufforderte, alle Einzelheiten des Mordes und der darauffolgenden Zerstückelung zu schildern, beschrieb sie den Hergang der Tat so, als hätte es sich um eine Tierschlachtung gehandelt. Als sie nach den Hintergründen dieser unheimlichen Bluttat gefragt wurde, blieb sie, ebenso wie ihr Mordgehilfe Dudek, unzugänglich und verschlossen. Auch bei der Vernehmung der Polizei über das Zusammentreffen mit Karl Dudek und Leopold Kaufer am Donnerstagnachmittag gab sie nur ausweichende Antworten.

Aus den Angaben des Gatten Leopold, der inzwischen völlig gebrochen war, ging hervor, dass er seiner Frau bereits am Vormittag gegenüber geäußert hatte, daß er am Nachmittag nicht zu Hause sein werde und erst am späten Abend wieder zurückkomme. Unmittelbar nach dem Mittagessen machte er sich auf den Weg und fuhr nach Utzgersdorf, um seinem Bruder einen Besuch abzustatten.

Die lange Abwesenheit ihres Gatten nutzte Rosa Hasel sofort aus, um sich mit Leopold Kaufer, von dem sie angeblich nichts mehr wissen wollte und mit Karl Dudek, der nun, allem Anschein nach, die Rolle des neuen Zuhälters einnehmen sollte, zusammenzutreffen. Sie wollte, so ihre Aussage, mit beiden nach längerer Zeit mal wieder einen richtigen „Umtrunk“ veranstalten. Die Kosten dieser Zecherei wollte sie übernehmen. Deshalb hatte sie vorab schnell zwei Ringe versetzt.

Wo sich alle drei, Rosa Hasel, Karl Dudek und Leopold Kaufer zuerst getroffen hatten, konnte zunächst nicht geklärt werden. Jedenfalls besuchten sie gleich danach gemeinsam ein Gasthaus, das sie aber schon nach kurzer Zeit wieder verließen, um ein zweites Gasthaus aufzusuchen. Die drei saßen dort gemeinsam an einem Tisch - allein. Rosa Hasel saß zwischen Dudek und Kaufer.

Sie hatten sich beim Wirt gerade den zweiten Liter Wein bestellt, als Kaufer anfing „plötzlich zudringlich zu werden“. So jedenfalls behauptete es Rosa Hasel bei der Polizeivernehmung. Dudek bekräftigte zwar diese Angabe, doch es war zu vermuten, dass beide ihre Zuständigkeiten vorher genauestens abgesprochen hatten.

Eher als missglückt erschien daher der Versuch der beiden, die Frau, die früher als Prostituierte tätig gewesen war und auch sonst während ihrer Ehen ständig Männerbekanntschaften gesucht hatte, urplötzlich über die Aufdringlichkeit eines Mannes, der lange Zeit ihr „ständiger“ Geliebter war, als sehr ungehalten darzustellen. “Der Poldl hat mir recht schön getan …“ so beschrieb Rosa Hasel diese Situation weiter, „… er hat auf mich hineingeredet und immer gesagt, daß er ohne mich nicht leben könne. Er wollte mich auch umarmen, doch hat mir das nicht gepaßt. Ich wollte von ihm nichts mehr wissen!“

Im krassen Widerspruch zu dieser Behauptung steht aber, daß die Hasel zum Umtrunk mit Dudek den Leopold Kaufer, von dem sie angeblich ja nichts mehr wissen wollte, gleich mit eingeladen hatte.

Als Dudek sah, daß der Kaufer sich leidenschaftlich um die Gunst der Hasel bemühte, wollte er, so seine Aussage, angeblich das Feld räumen und die beiden allein lassen. Rosa Hasel aber befahl Dudek: „Du, Karl, verlaß mich nicht, geh, bleib da!“

Und Karl Dudek gehorchte aufs Wort.

Den weiteren Ablauf schilderte Rosa Hasel wie folgt: „Als wir den Erlös der beiden versetzten Ringen vertrunken hatten, gingen wir zu mir nach Hause. Auch Kaufer ging mit. Daheim hatte der Kaufer wieder den Versuch unternommen, den Dudek wegzuschicken. Er wollte unbedingt mit mir allein sein. Er hat einige Male gesagt: ‚Schau, Roserl, du weißt ja, was ich von dir jetzt will!’ Ich habe auch gewußt, was er wollte. Ich habe ihn aber wieder abgewiesen und den Dudek gebeten, daß er unbedingt dableiben soll. Aber Kaufer hatte trotzdem noch versucht, sich mir zu nähern. Als dann der Dudek auf einen Sprung hinausgegangen ist, hat der Kaufer nun das erreichen wollen, was ich ihm bisher verwehrt hatte. Ich rief nun den Dudek um Hilfe. Der Dudek kam gleich herein, und in diesem Augenblick ergriff Kaufer einen Sessel, um gegen Dudek loszugehen.“

Diese Szene hatte sich im Vorraum der Hütte abgespielt, der auch gleichzeitig als Küche benutzt wurde. Neben dieser Küche befand sich das Wohnzimmer, welches, so die Auskunft der Beamten, sehr geschmackvoll eingerichtet war. An den Wohnraum schloß sich ein, nur vom Hof aus erreichbarer Schuppen an. Hier legten beide den Leichnam ab, um ihn anschließend zu zerstückeln.

Dudek und Hasel gaben gleichlautend an, dass es in dem kleinen Vorraum zu einer Prügelei mit Leopold Kaufer gekommen sei. Die erst endete als Dudek den Kaufer zu Boden geworfen hatte. Als der am Boden liegende wieder aufstehen wollte, fingen Dudek und die Hasel an, heftig auf ihm herumzutrampeln. Um diesen Tritten zu entgehen, unternahm Kaufer den nächsten Versuch sich zu erheben und auf die Hasel loszugehen. Die hatte sich währenddessen eine im Vorraum herumliegende Hacke gegriffen. Mit ganzer Kraft schlug sie damit auf Kaufer ein. Kaufer stürzte, als ihn die Hacke empfindlich am Kopf traf, wieder zu Boden, konnte sich aber anschließend noch einmal halb erheben. In der Zwischenzeit hatte auch Dudek eine herumstehende Hacke ergriffen. Er drosch nun seinerseits so lange auf Leopold Kaufer ein, bis der wieder auf den Fußboden zurückfiel, in seinem Blut liegenblieb und sich nicht mehr rührte.

Als sich beide vom Tod Kaufers überzeugt hatten, schleppten sie den Leichnam aus dem Vorraum, über den Hof in den angrenzenden Schuppen, um ihn dort zu beseitigen.

Sowohl Dudek als auch die Hasel wurden jeweils einzeln vernommen. Aus den Protokollen der Verhöre geht hervor, dass Dudek und Hasel gemeinsam an der Zerstückelung der Leiche beteiligt waren.

Im Schuppen befand sich seit Jahren ein kleiner, offener Kanalabfluss. Dort hinein wollten sie die Leichenteile werfen. Neben diesem Kanalabfluss habe man die Leiche dann ja auch zerstückelt, damit, wie Rosa Hasel schilderte, „…das Blut gleich abrinnt.“

BQ: Wiener Bilder

Zunächst trennten beide mit einem Messer den Kopf vom Rumpf. Den „…ersten Schnitt“ soll angeblich Rosa Hasel vollbracht haben. Anschließend wurden dem Opfer die Augen ausgestochen! Rosa Hasel wollte es so, weil „…der tote Poldl die Rosa so schiach angschaut“

hat. Nun zog man die Leiche splitternackt aus und begann mit der Zerstückelung. Das vollzog man im matten Schein der Straßenbeleuchtung des Arsenalweges. Nach der „Enthauptung“

begannen beide, dem Mordopfer die Arme und die Füße aus den Gelenken zu lösen. Im amtlichen Bericht kann man dazu lesen, dass das:“…mit einer Geschicklichkeit vorgenommen wurde, wie sie sonst nur gelernten Fleischhauern eigen ist.“

Beide hatten in unmittelbarer Nähe einen Waschtrog aufgestellt. Dort hinein warfen sie beiden Füße, die Arme und den Kopf des Opfers und begannen anschließend den Rumpf aufzuschneiden.

Gegen 20:30 Uhr kam der Gatte der Hasel von seinem Besuch beim Bruder wieder nach Hause. Dudek war immer noch mit der Ausschlachterei beschäftigt;

kniete im Schuppen vor dem Leichnam und war soeben dabei, das Herz und die Lunge aus dem Leib herauszuschneiden...

Rosa Hasel hatte ihren Gatten kommen gehört und trat ihm mit den Worten entgegen: „Du geh ins Wirtshaus hinüber!“ Doch der misstrauisch gewordene Mann ging an ihr vorbei bis in den Vorraum. Dort entdeckte er eine große Blutlache und brüllte daraufhin aufgebracht seine Frau an, was denn hier während seiner Abwesenheit eigentlich geschehen sei. Doch die erwiderte völlig gefühllos und kaltherzig: „Es ist was geschehen! Du wirst alles erfahren, geh nur ins Wirtshaus. Wir sind gleich fertig!“ Schließlich begann sie aber ihr Gewissen zu erleichtern und gestand ihm: „Du Poldl, i hab den Kaufer umbracht!“

Leopold Hasel glaubte nicht recht gehört zu haben. Er drehte sich auf den Hacken um und eilte ins nächste Wachzimmer.

Bereits nach kurzer Zeit erschien er in Begleitung mehrerer Wachleute wieder im Haus. Man fand Rosa Hasel im Schlafzimmer vor, währenddessen Dudek immer noch bei den Leichenteilen kniete, um sie eifrig ganz zu zerstückeln.

Obwohl Rosa Hasel bei den ersten Verhören noch sehr selbstsicher wirkte und alle Fragen mit einer unglaublichen Kaltblütigkeit beantwortete, brach sie am darauffolgenden Abend vollkommen zusammen. Sie weinte sehr oft und gab letztendlich eine ausführliche Beschreibung ihres Vorlebens ab.

Sie erzählte der Polizei unter anderem, dass sie als Mädchen Zimmermann hieß und die Volksschule in der Quellenstraße besucht habe. Früher sei sie als Bürokraft beschäftigt gewesen. In Budapest im Jahre 1919 sei es zur „…ersten entgeltlichen Bekanntschaft mit Männern“ gekommen.

1920 heiratete sie zum ersten Mal. Diese Ehe wurde allerdings 1925 schon wieder geschieden. Am 17. Februar 1929 heiratete sie dann Leopold Hasel.

BQ: Das kleine Blatt

Mit Leopold Kaufer hätte sie, was sie auch schon bei ihrer letzten Aussage angab, erst im April 1936 in einer Weinhalle Bekanntschaft geschlossen. Dort sei sie als „leidenschaftliche Trinkerin“ Stammgast gewesen. Dudek allerdings kenne sie bereits seit dem Jahre 1932. „Mit ihm habe ich aber wirklich nichts gehabt“, beschwört Rosa Hasel. „Wir sind bloß befreundet gewesen, weil wir beide gern getrunken haben. Wir haben uns oft in Gasthäusern getroffen, haben geschnapst (weit verbreitetes Kartenspiel in Österreich, ähnlich 66er) und den Gewinn gemeinsam vertrunken.“

Glaubt man dem letzten Geständnis der Rosa Hasel, stellt dieses grauenhafte Verbrechen ein Liebesdrama der Unterwelt dar. Angeblich wollte Leopold Kaufer die Hasel sogar heiraten. Oft habe er damit geprahlt, dass er ein Berufsverbrecher sei und durch seine Einbrüche so viel verdiene würde, dass er die Hasel „ohne weiteres erhalten“ könne. Nur ihr Gatte sei halt das Problem gewesen, denn der wollte von einer Scheidung nichts wissen. Der Gatte der Hasel erhielt deshalb wiederholt Morddrohungen von Kaufer mit der Erklärung:“… dass es ihm auf einen Mord nicht ankäme.“ Wiederholt bedrohte er auch Rosa Hasel, sie umzubringen.

Dass Leopold Kaufers Mordabsichten ernst gemeint waren, konnte man schon daran erkennen, dass er stets mit einem Revolver und einem Messer bewaffnet herumlief.

Bei ihrer Aussage betonte Rosa Hasel außerdem, dass sie vor dem Mord in keinem Gasthaus gewesen wären. Das Trinkgelage mit Dudek und Kaufer sei in ihrer Wohnung veranstaltet worden, wo sie sich mit über 1 ½ Liter Wermut zunächst erst einmal Mut angetrunken hätte.

Sie bestätigte aufs Neue ihre Aussage, dass sie die eigentliche Mörderin des Leopold Kaufers sei, denn sie habe mit einer Beilpicke so lange auf ihn eingeschlagen, bis der sich nicht mehr gerührt habe. „Das Blut ist gerade so herumgespritzt, das die ganzen Wände und alle Möbel und Kleider voll waren.“

Dudek seinerseits gab bei einer erneuten Vernehmung an, dass er und Rosa Hasel „paritätisch“ vorgegangen seien.


BQ: Das kleine Blatt

 


BQ: Das kleine Blatt

Um den entsetzlichen Mord am Chauffeur Leopold Kaufer besser rekonstruieren zu können, entschloss man sich im Rahmen der Ermittlungen, auch die Kanalbrigade einzusetzen. Sie sollte die Kanalgänge unterhalb der Hütte auf dem Landstraßer-Gürtel 252 durchsuchen.

Das wirkliche Motiv, warum dieser bestialische Mord verübt wurde, blieb aber nach wie vor ungeklärt.

In den weiteren, getrennt geführten Verhören, hatten sich Rosa Hasel als auch ihr Mordgehilfe Karl Dudek dahingehend geäußert, dass es sich um eine Eifersuchtstat gehandelt haben soll. Allerdings konnte die Polizei für diese neue Variante nicht die geringsten Anhaltspunkte finden. Im Polizeibericht des vorhergehenden Tages konnte man deshalb auch lesen: „… daß man sich des Eindrucks nicht erwehren könne, daß eher räuberische Absicht der treibende Faktor gewesen sei.“

In einer am späten Abend veröffentlichten Nachricht liest sich folgender Inhalt, dass „… bei der Mittellosigkeit des Opfers nach dem derzeitigen Stand der Untersuchung ein Raubmord nicht in Erwägung gezogen werden kann.“

Nach Einschätzung der Polizei hatten beide Täter massive Gründe, sich hinsichtlich des Motivs in eisiges Schweigen zu hüllen.

Die gesamten Ermittlungen der Polizei richteten sich nun zwangsläufig auf die Erforschung des Motivs dieses grauenhaften Mordes. Nach Überzeugung der Ermittler bestand nicht der geringste Zweifel, dass man es mit einem planmäßig vorbereiteten Mord zu tun hatte. Täglich holte man die Hasel und ihren Komplizen Dudek aus den Zellen, um sie stundenlangen Verhören zu unterziehen. Inzwischen hatten beide ihre Aussagen vom Vortage (12. März 1937) am 13. März 1937 bereits größtenteils widerrufen. Nachdem Rosa Hasel noch am Freitag ohne Umschweife zugab, sie allein wäre es gewesen, die Leopold Kaufer die tödlichen Hiebe beigebracht und anschließend angefangen hätte die Leiche zu zerstückeln, bekommt nun Dudek die gesamte Schuld zugeschoben. Sie beharrte sogar darauf - Dudek sei der Mörder gewesen und sie wäre aus dem Schuppen geflüchtet, weil der Anblick so grauenerregend und für sie so entsetzlich war, als Dudek mit der Zerstückelung der Leiche begonnen habe.

Dudek verfolgte dieselbe Strategie und war sichtlich bemüht, sich weitestgehend zu entlasten. Er unternahm alle Anstrengungen, um den ermittelnden Beamten glaubhaft darzustellen, dass er Rosa Hasel „…nur zu Hilfe gekommen“ sei, als diese angeblich von Kaufer bedroht wurde.

Weiterhin verteidigte sich Dudek in der Vernehmung vom 13. März 1937, denn nicht er, sondern die Hasel sei es gewesen, die angefangen habe die Leiche zu entkleiden. Diese Tatsache bestätigt Rosa Hasel einvernehmlich. Als man sie zu Rede stellt, warum sie angefangen habe die Leiche auszuziehen, da sie von der Zerstückelung des Opfers ja nichts wisse wollte, gab sie frostig zur Antwort: „Darüber kann ich nicht reden!“

Bei der Vernehmung vom Sonnabend (13.3.1937) zeigte sich Rosa Hasel wieder vollkommen gefasst. Lediglich bei der Behandlung bestimmter Einzelheiten der bestialischen Tat verfiel sie in einen hochgradig nervösen Zustand.

Im Laufe des Sonnabend wurden noch zahlreiche Personen einbestellt um sie zu verhören. Personen, bei denen man davon ausging, dass sie wichtige Angaben über das Vorleben der Rosa Hasel treffen konnten. Hauptsächlich handelte es sich um Bekannte aus Wirtshäusern, größtenteils Männer. Aber auch Männer, die mit Rosa Hasel gelegentlich in sexueller Beziehungen gestanden hatten. Alle äußerten fast gleichlautend - Rosa Hasel sei eine „…sehr geldgierige“ Frau gewesen die nicht nur den Verdienst ihres Gatten, sondern auch sämtliche anderen Einkünfte, rigoros in Alkohol umgesetzt hat. Aber nicht nur Wein und Bier trank sie in Unmengen, nein… auch Rum und ganz gewöhnlichen Spiritus. Eine Dosis von fünf bis sechs Liter Alkohol am Tag war für sie nur „…eine Kleinigkeit“.

Da man davon ausging, daß einzelne kleinere Leichenteile oder sonstige Gegenstände, die unmittelbar mit dem Mord im Zusammenhang standen, durch den Kanalabfluß im Schuppen bereits beseitigt wurden, hatte man die Kanalbrigade zur Mitarbeit herangezogen.

Trotz stundenlanger und intensiver Suche fanden sie nichts Verwertbares.

Die Vernehmungen von Rosa Hasel und Karl Dudek sind sowohl am Sonntag als auch am Montag fortgeführt worden, denn das Ziel der Ermittler war, die Untersuchungen bis zum Montagnachmittag so weit abzuschließen, dass noch am gleichen Abend die Anzeige an das Standgericht erstattet werden konnte.

Den Obduktionsbefund erwartete man am Montagmorgen, dem 15. März 1937. Hiervon erhofften sich die Ermittler weitere nähere Angaben über die Tötung.

Vorab wurde aber eine Verletzung des Opfers bekannt, die die Ermittler aufhorchen ließ. Der tödliche Schlag, der während der Tatausführung, mit der Hacke gegen den Kopf von Kaufer erfolgte, war von einer solchen Intensität gewesen, dass dem Opfer beiden Augen buchstäblich in den Kopf geschlagen wurden. Später hatte man sie dem Toten herausgestochen. Allein die Tatsache, dass die tödlichen Schläge mit dieser außergewöhnlichen Brutalität und Gewalttätigkeit geführt wurden, lässt, wie es in der polizeilichen Meldung heißt, keine Unklarheit darüber aufkommen, dass bei der Beseitigung Leopold Kaufers „ein besonderer Grund mitgespielt“ hatte.

Das sonntägliche Verhör mit den beiden Mördern förderte ein weiteres, wesentliches Detail zutage, obwohl das eigentliche Motiv der Tat weiterhin im Dunkeln blieb. Mit der neuerlichen Vernehmung, wo besonders das Vorleben von Hasel und Dudek durchleuchtet wurde, konnte wenigstens die Tatsache geklärt werden, woher beide die Fachkenntnisse hatten, mit der sie ihr Opfer, den ermordeten Leopold Kaufer zerstückelten. Die Fertigkeiten eines Fleischers erklärten sich daraus, dass beide gewerbsmäßig Hunde einfingen und abschlachteten. Seit vielen Monaten war das Mörderpaar schon als „Hundeschreck von Favoriten“ bekannt. Karl Dudek fing die Hunde ein, um sie anschließend im gleichen Schuppen, dort wo auch die Leiche Kaufers zerstückelt wurde, gemeinsam mit der Hasel „aufzuarbeiten.“

Aus dem Fleisch wurden Speisen zubereitet. Das Fett ließ sich bestens als Heilmittel für Tuberkulose im Straßenhandel verkaufen. Die Knochen und die Reste des Kopfes entsorgten sie im gleichen Kanalabfluß im Schuppen, den beide auch für die Beseitigung der Leichenteile Kaufers benutzen wollten.

Natürlich setzte das Mörderpaar den Erlös der Hundeschlächterei ausnahmslos - bis zum letzten Groschen - in Alkohol um.

Leider konnten die Vernehmungen durch das Sicherheitsbüros in der Mordaffäre am Montag noch nicht abgeschlossen werden, da immer wieder neue Einzelheiten zur Tat bekannt wurden. Auch die Anzeige an das Standgericht musste deshalb vorläufig noch unterbleiben. Obwohl zweifelsfrei feststand, dass es sich um einen von langer Hand geplanten und vorbereiteten Mord handelte, beharrten Hasel und Dudek nach wie vor darauf, diese Tat im Affekt ausgeführt zu haben.

Bekanntermaßen rechtfertigte sich Rosa Hasel bei einer ihrer ersten Vernehmungen noch damit, dass Leopold Kaufer nur auf Grund seiner permanenten Aufdringlichkeit Opfer geworden sei, denn sie wollte ja angeblich nichts mehr von ihm wissen. Trotzdem hätte er, da er wollüstig und gierig auf sie gewesen sei, sie ständig verfolgt. Das wäre auch der Auslöser für diese Tat gewesen. Die Ermittler konnten allerdings Zeugen ausfindig machen, die glaubhaft versicherten, dass die Hasel am 9. und 10. des Monats, also kurz vor dem Mord, mit Leopold Kaufer zusammen gewesen war und sich ihn sogar am 11. März in ihre Wohnung bestellt (!) habe. Weil Kaufer aber nicht pünktlich zur vereinbarten Zeit erschien, sei die Hasel in völlige Unruhe verfallen. Ungeduldig habe sie auch auf Dudek gewartet, der ebenfalls wesentlich später als erwartet die Wohnung betrat.

Die Ermittler werden den Verdacht nicht los, das Leopold Kaufer regelrecht beseitigt werden musste, weil er der Hasel und Dudek aus einem noch rätselhaften Grunde, in irgendeiner Angelegenheit ein Hindernis gewesen war.

Am späten Montagabend legte Rosa Hasel wiederum ein Geständnis ab. Mittlerweile das Dritte. Bei diesem Geständnis wurden teilweise die Angaben des ersten Geständnisses „wiederhergestellt“. Sie bekannte sich dazu, dass sie allein die ersten Hiebe gegen den Kopf Kaufers ausgeführt hatte. Erst danach sei ihr Dudek mit einer zweiten Hacke „…zu Hilfe“ gekommen. Als Leopold Kaufer erschlagen vor ihnen auf dem Boden lag, soll Dudek festgestellt haben: „So, jetzt bin ich auch ein Mörder geworden!“

Daraufhin habe Dudek von der Hasel verlangt, die „...ganze Sache auf sich zu nehmen“, denn „...du bist eine Frau, dir kann nicht so viel geschehen wie mir!“ Das erschien der Hasel logisch und sie sagte zu. Allerdings (Erklärung - Hasel) müsse nun „... unter allen Umständen die Leiche fortgeschafft“ werden. Die Zerstückelung der Leiche im Schuppen habe Dudek ganz allein vorgenommen. Allerdings stand diese Darstellung im vollkommenen Widerspruch zur Wirklichkeit, da auch die Kleider der Hasel vom Blut nur so trieften.

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