Traumzeit – auf den Spuren des Jakobus

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6.Tag: Albufeira – Lagos (70 km), 24. August

Wieder werde ich vom schönsten Sonnenschein mit strahlend blauem Himmel geweckt. Was ist das nur für ein schönes Land, in dem im Sommer Tag für Tag die Sonne scheint, so ganz anders als bei uns in Deutschland. Nach meinem letzten Pensionsfrühstück mache ich mich wieder reisebereit. Ich habe fast eine Stunde – meist bergauf – zu laufen, um wieder den außerhalb liegenden Busbahnhof zu erreichen, bei dem ich vor drei Tagen angekommen bin. Dieses Mal laufe ich jedoch nach der Erklärung meiner Wirtin in der „Villa Branca“ nicht durch das Stadtzentrum, sondern darum herum an der Umgehungsstraße entlang, die zwar einen breiten Fußweg hat, aber durch den ständigen, starken Autoverkehr nicht angenehm zu belaufen ist. Es geht am Einkaufszentrum entlang, welches wiederum die Namen deutscher Einkaufsketten aufweist, und der Weg führt stetig bergan. Die Sonne scheint kräftig und ich bin etwas unter Zeitdruck, um den Bus nach Lagos um 10.30 Uhr noch zu erreichen. Glücklicherweise hatte ich mir den Fahrplan nach Lagos gleich bei meiner Ankunft besorgt. Jedoch gibt es hier wieder zu beachten, dass die Busse von Montag bis Freitag zu anderen Zeiten fahren als am Samstag und Sonntag und in den Ferien.

So komme ich Schweiß überströmt fast auf die letzte Minute an, die Zeit reicht gerade noch, mein Ticket für 4,80 Euro bis Lagos, für ca. siebzig Buskilometer, zu lösen. Da kommt auch schon der Bus, der Fahrer öffnet (wieder) die Gepäckklappe unterhalb der Sitze und ich verstaue meinen Riesenrucksack und die Walking-Stöcke. Nun bin ich fertig zum Einsteigen, der Bus ist nicht übermäßig voll, so dass ich bequem auf einem Zweisitzer allein Platz nehmen kann. Meine Busfahrt bis Lagos dauert ca. eineinhalb Stunden und die Fahrt geht zum Teil über die Autobahn, zum Teil in den größeren Orten auch durch die Hotelviertel, wo der Bus an den größeren Hotels anhält.

Besonders fällt mir hier Portimao auf, weil riesige Hochhäuser von neuer Bauart ins Auge springen. Es sieht aus, als hätte man die Skyline von Manhattan im Visier und nicht eine Stadt in Portugal in Meeresnähe. So hätte ich mir dieses nun gar nicht vorgestellt und ich verfluche innerlich diese Art von Tourismus, die die Landschaft derartig verschandelt, dass alles Ursprüngliche und Landestypische verloren gegangen ist. Das, was offensichtlich in Jahrhunderten vor uns entstanden ist, schafft der Mensch des 20. Jahrhunderts in einem halben Jahrhundert bis heute völlig zu ruinieren. Jedoch scheint es nicht viele Menschen zu geben, die so denken, und so boomt der Massentourismus mehr denn je.

Endlich erreicht der Bus den Busbahnhof von Lagos, der relativ nahe am Bootshafen liegt. Beim Vorbeifahren hatte ich bereits die riesigen Yachten, die dort zu sehen sind, bewundert. Und nun, als ich gerade meinen Rucksack aus dem Gepäckfach gehievt habe, spricht mich ein älterer Herr in gebrochenem Englisch an, ob ich ein Quartier (apartamentos) in zentraler Lage suche. Ich bejahe, und er beschreibt mir in glühenden Worten die Vorzüge dieses Apartments. Schließlich frage ich nach dem Preis und erfahre, dass das Apartment nicht einmal die Hälfte dessen kosten soll, was ich in Albufeira bezahlt habe. Nun bin ich doch sehr interessiert, packe meine Skrupel zur Seite und folge dem Herrn, der bereits bereitwillig meine Seltersflasche trägt und mir auf dem Weg zum Apartment freundlich Teile der Stadt und gute Einkaufsmöglichkeiten zeigt. So ganz kann ich jedoch ein merkwürdiges Gefühl in der Bauchgegend nicht ablegen, da ich einem wildfremden Mann in einer wildfremden Stadt in ein wildfremdes Haus in der Altstadt folge. Jedoch erwartet mich dort eine sehr freundliche, englisch sprechende, ältere Dame, die mir den Preis bestätigt, die das Apartment gerade erst geputzt hat und die mir freundlich und mit der Landkarte in der Hand alle meine Fragen zu den Sehenswürdigkeiten beantwortet. Es ist einfach unglaublich, denn ich kann dieses Apartment auch länger haben und von hier aus als Tagesausflug nach Sagres und Cabo de S. Vincente an der äußersten Süd-Westküste Portugals fahren. Ich bin überwältigt und weiß gar nicht, was ich zu dieser Fügung des Schicksals sagen soll. Offensichtlich bewohnt die ältere Dame das Haus allein im ersten Stock und hat das Apartment im zweiten Stock für ihre Familie eingerichtet. Jedoch laufen ihr die Kosten weg, so dass sie dieses Apartment, wenn ihre Familie nicht da ist, privat vermietet. Um jedoch für ihre Vermietung „ordentliche“ Mieter zu bekommen, geht ein Bekannter für sie zum Busbahnhof, sucht mögliche „Mieter“ aus und führt diese dann – so wie mich – zum Apartment. Also, gewusst wie, ich bin begeistert.

Zudem scheint Lagos auf den ersten Blick bei weitem nicht so von Touristen überfüllt und mit enger Massenabfertigung ausgestattet zu sein. So ziehe ich nun, völlig zufrieden, in mein neues Zuhause ein und bin voller Erwartung auf das Kommende, auf Lagos, einer alten, geschichtsträchtigen Stadt, und auf die umliegenden Strände, die zu den schönsten der Algarve zählen sollen.

Nach einer kurzen Ruhephase erkunde ich den alten Stadtkern, der mit verwinkelten Gassen und schön mit kleinen Steinen gepflasterten Straßen aufwarten kann. Unvermittelt stehe ich auch vor der alten Stadtmauer des Gouverneurschlosses, das von den Arabern im 12. Jahrhundert errichtet wurde. Im nahen Umfeld finde ich auch den großen Platz des ehemaligen Sklavenmarktes, auf dem 1444 erstmalig afrikanische Sklaven weiterverkauft wurden.

Die Häuser hier sind höchstens dreigeschossig, meist schön in Farbe und restauriert, aber auch immer mal wieder baufällig und sehr schäbig mit abbröckelnder Farbe. Überall sind kleine Souvenirläden und Geschäfte mit modischer Kleidung verstreut, so dass sich ein Streifzug durch den alten Stadtkern von Lagos auf jeden Fall lohnt.

Da ich mich hier weitestgehend selbst verpflegen kann und sehr billig für 17,50 Euro pro Nacht wohne, entscheide ich, vier Tage zu bleiben und von hier aus per Ausflug die nähere Umgebung zu erkunden. So ist Lagos einer der wenigen Orte an der Algarve, wo der Strand direkt in der Stadt liegt und zu Fuß oder mit einer zweiminütigen Fährfahrt zu erreichen ist.

Am Abend schlendere ich noch durch die Altstadt, die romantisch und idyllisch beleuchtet ist. Ich bin auf dem Wege, mir noch einen Stempel für meinen Pilgerpass zu besorgen, jedoch auch hier ist es nicht so einfach. Die meisten Menschen, mit denen ich spreche, können nicht einmal mit dem Wort Pilger oder englisch pilgrim oder spanisch peregrino etwas anfangen.

Schließlich bringt mich ein netter, älterer Mann, mit dem ich mich auf Französisch unterhalten habe, zu einer Autoverleihfirma. Dort arbeitet eine junge deutsche Frau, die gerne bereit ist, mir einen Stempel mit Datum von ihrer Firma zu geben. Nun ziert also meinen Pilgerpass ein Stempel einer Autoverleihfirma. Auch diese junge, freundliche Frau konnte mit dem Pilgergedanken nichts anfangen und freut sich über eine Erklärung dazu. Auf meine Nachfrage erzählt sie gerne und bereitwillig, dass sie vor sieben Jahren hier an der Algarve Urlaub machte und sich so in diese Landschaft verliebt hat, dass sie sich entschieden hat, ihre Zelte in Deutschland abzubrechen und weiterhin in Portugal zu leben. Sie sei dann mit ihrem eigenen Auto mit ihren Sachen in den Süden in ein neues Leben gefahren. Es gibt schon interessante Begegnungen, die sich im Laufe des Unterwegsseins rein zufällig ergeben, und es kreuzen viele verschiedenartige Menschen meinen Weg.

Schließlich verabschiede ich mich und laufe weiter. Im Zentrum jedoch sind sehr viele Touristen, die alle – vom Strand zurück- hier in der Vielzahl der Restaurants ihr Abendessen einnehmen. Man kann sehr gut und für deutsche Verhältnisse auch preiswert Fisch essen, was ich an diesem Abend gerne ausprobiere. Mit Getränk kostet mich der ganze Spaß 13,00 Euro und das ist auch für meine Urlaubskasse mal erschwinglich.

Dieser erste Abend in Lagos endet für mich früh, denn ich bin müde nach dem langen, heißen Tag. Zum Glück finde ich mein Quartier fast mühelos wieder, so dass ich zufrieden ins Bett gehen kann.

7.Tag: Lagos, 25. August

Als ich wach werde, ist es fast 10.00 Uhr. Nun aber schnell, wenn ich diesen neuen Tag nicht ganz vertrödeln will. Nach einem selbst gemachten, reichhaltigen Frühstück in meiner Unterkunft gehe ich, mit meinen Strandsachen unter dem Arm, los, um die Strände von Lagos zu erkunden. Heute will ich mit dem Bus eine kurze Strecke bis Donna Anna fahren, um dort zum Camillo Strand bis Ponta da Piedade zu laufen. Dort soll es, wie meine Vermieterin mir erzählte, wundervolle Felsformationen mit idyllischen Sandbuchten, die sehr sehenswert sind, geben. So laufe ich nun los, quer durch die Innenstadt, um zum Bus-Terminal zu gelangen. Prompt verlaufe ich mich wieder einmal und stehe unvermittelt vor der Kirche „Paroquia de S. Sebastiao“. Die Tür steht offen und nun gehe ich hinein und – niemand ist da. Doch gehe ich durch das Kirchenschiff, das recht schlicht in Holz gehalten und bemalt ist, zum Altarraum. Dort höre ich Stimmen, nehme meinen Mut zusammen und gehe durch die rechte Tür neben dem Altarraum. Und so finde ich zwei Männer im Gespräch vor, denen ich mein Anliegen, ich möchte einen Pilgerstempel, vortrage. Die Konversation erfolgt hier wiederum auf Französisch und dann in gebrochenem Deutsch. Der eine der Männer, offensichtlich der Pastor, zivil gekleidet, ist auch bereit, mir zu helfen, und läuft los, um einen Stempel zu suchen. Doch auch diese Mal findet der Pastor den Stempel nicht sofort. Offensichtlich ist hier wirklich absolut niemand auf Pilger eingestellt. Jedoch ich bekomme nun einen schönen Stempel mit Datum, gute Segenswünsche für meinen Weg und gehe beschwingt und zufrieden weiter.

 

Nach einer halben Stunde etwa treffe ich am Busterminal ein und frage mich dort weiter durch. Die Dame am Schalter ist jedoch so unfreundlich und brummig, dass ich mich richtig behaupten muss, um meine Informationen zu bekommen. Für meine für heute geplante Tour ist es nun absolut zu spät, da der Bus, weil Ferien sind, erst wieder in eineinhalb Stunden fährt. Ich bin enttäuscht und ärgere mich, dass ich heute so spät gestartet bin. Jedoch erhalte ich einen Fahrplan für meine für morgen geplante Tour ans „Ende der Welt“, nach Cabo de S. Vincente.

Als ich nun auf der Promenade am Bootshafen entlanglaufe, um in die Stadt zurückzukommen, bemerke ich mehrere Stände, die Bootstouren anbieten. Ich entscheide mich für eine Motorbootsfahrt, die ca. eine Stunde dauern soll, zehn Euro kostet und mich zu den schönsten Stränden, von Felsen umrahmt, führen soll. Ein Herr und ich sitzen mit dem Fahrer allein im Boot und es kann sofort losgehen. Mit Vollgas rast das Boot durch die Wellen, schaukelt kräftig und mir wird schon ganz merkwürdig. Jedoch dauert es nicht lange und die ersten Felsformationen sind zu sehen. Unvermittelt ragen sie in riesiger Höhe aus dem blau-grün schillernden Wasser, bilden Höhlen, Grotten, sind wie Tiere geformt, die der Fahrer des Bootes mit Kamel, Affe usw. erklärt. Ich bin begeistert und völlig überwältigt von diesen Felsklippen, die in braun-roter Farbe derartige Formen durch das Meer erhalten haben. Die Fahrt führt mich durch diverse Grotten, die nur einen tunnelartigen Lichteinfall von oben haben. Dieses ist eine unglaubliche Natur und ich freue mich so, dass ich diese Strände, die ich heute besuchen wollte, per Zufall von der Meeresseite aus erleben kann. Was für eine merkwürdige Welt, wenn sich immer wieder etwas negativ Erscheinendes in etwas Positives verwandelt. Das Leben ist eben unberechenbar. Jedenfalls genieße ich diese Fahrt mit dem Motorboot, die mir wieder einmal zeigt, dass die Welt so schön ist, dass mir fast die Worte dafür fehlen.

Am Nachmittag lege ich nun eine Pause ein, ruhe einfach etwas aus. Am Abend bin ich verabredet und sitze mit meinem Bekannten aus Faro am Strand und genieße dort den Sonnenuntergang. Die Luft, die vordem noch warm war, kühlt relativ schnell ab und ein kalter Wind weht, so dass ich dringend meine Fleecejacke anziehen muss, um nicht zu frieren. In der Abenddämmerung sitzend, reden wir über den Pilgerweg, der hier an der Algarve so gar nicht so verläuft, wie wir es uns vorgestellt hatten. Zwar ist es hier landschaftlich wundervoll, doch es entspricht nicht dem, was ich mir vom Laufen her vorgestellt hatte. So klingt dieser Abend am Strand unter Sternen in ernsthaften Gesprächen aus.

8.Tag: Lagos – Sagres (45 km) – Cabo S. Vincente (6 km), 26. August

Frühmorgens um 9.15 Uhr beginnt der Tag mit der Busreise vom Busterminal nach Sagres. Die Busfahrt, die 3,40 Euro kostet, dauert eine knappe Stunde und um 10.20 Uhr hält der Bus in Sagres. Zum Cabo S. Vincente sind es dann noch einmal ca. sechs Kilometer.

Am Strand von Sagres sitzend, nehme ich zuerst mein mitgebrachtes Frühstück zu mir, bestelle mir dazu einen „Café com Leite“ und genieße die Aussicht auf das Strandpanorama in Form von beachtlich hohen Felswänden. Mein Bus, der mich innerhalb von zehn Minuten nach Cabo S. Vincente bringen soll, kommt erst in einer Stunde, so dass ich noch ausreichend Zeit habe. In S. Vincente werde ich mich dann dreieinhalb Stunden aufhalten können, um mir alles anzusehen.

Schließlich gehe ich zur Busstation und warte auf den Bus, doch dieser kommt vorerst nicht. Nach einer weiteren Viertelstunde Wartezeit kann ich endlich weiterfahren. So ist es eben in Portugal, die Busabfahrtzeiten entsprechen bei Weitem nicht immer den Ankündigungen.

Am Cabo San Vincente angekommen, steige ich aus dem Bus und stelle erstaunt fest, dass es kalt ist, so richtig, und ein heftiger Wind weht. Zum Glück habe ich meine Fleecejacke mit, so dass ich mich sofort wärmer anziehen kann. Der südwestlichste Punkt Europas und Portugals, das sogenannte „Ende der Welt“, hat es offensichtlich in sich. Viele andere Touristen und Schaulustige befinden sich schon dort, alle sommerlich gekleidet und somit alle frierend. Demnach gibt es nicht nur Buden mit den üblichen Esswaren, sondern auch zwei Stände mit handgestrickten Wollpullovern und Strickjacken, die hier zu einem nicht allzu teuren Preis auf ihre Käufer warten. Leider kann ich keinerlei weiteres Gepäck transportieren, so dass all die zum Teil sehr schönen Waren von mir unbeachtet bleiben müssen.

Sobald ich dem Tourismusstrom entflohen bin, breitet sich, nachdem ich eine sehr steinige Ebene durchquert habe, eine absolut fantastische Sicht aus: Riesige Felswände ragen mehrere hundert Meter hoch, zerfurcht, in verschiedenen Rottönen schattiert, mit Höhlen und Vorsprüngen versehen, aus dem smaragdgrün schillernden Meer heraus. Das Meer umspült mit schäumender Gischt die scharfkantigen Felsbrocken, die sich im Laufe der Jahrhunderte aus den Felswänden gelöst haben und nun wie von einem Riesen dahingeworfen wild durcheinander im Wasser liegen. Das also ist die vielgerühmte Costa de Vicentina. Ich kann mich gar nicht satt sehen an diesem Naturschauspiel und mache viele Fotos, stehe einfach da und schaue mir die wundervolle Landschaft an. Was für ein schönes Land, das so atemberaubende Naturschauspiele zu bieten hat!

Die Hochebene besteht aus großen Flächen von Steinen, die in unterschiedlichen Größen überall herumliegen. Dazwischen wachsen verschiedenartige Gräser, Mittagsblumen, Erikapflanzen und vielerlei dorniges, blühendes Gestrüpp. Koniferen, die flach kriechend den Boden bedecken, gibt es auch. Ich muss sehr vorsichtig gehen, um zwischen den Steinen und Pflanzen nicht zu straucheln, setze also behutsam Schritt für Schritt. Auf jeder Seite des Hochplateaus, das ich langsam umlaufe, entdecke ich neue, wundervolle Ausblicke. An die Felsenkanten, die nirgends abgesichert sind, traue ich mich nicht allzu nahe heran, da überall Schilder aufgestellt sind, die vor herabfallenden Steinen warnen.

Und so habe ich nach etwa zwei Stunden alles gesehen. Da der Bus jedoch erst wieder um 15.00 Uhr zurückfährt, also nach gut drei Stunden, hole ich meine Verpflegung heraus und mache in Ruhe eine Essenspause. Da es hier oben nichts außer Bratwurst und Knabbergebäck zu kaufen gibt, bin ich froh, dass ich mein Brötchen, etwas Wurst und Käse und Tomate selbst mithabe, so dass ich alles autark regeln kann. So sitze ich nun, den herrlichen Blick auf das Meer und die Klippen vor mir, und es geht mir so richtig gut. Ich versuche, den schönen Anblick in meinem Kopf zu speichern. Damit vergeht die Zeit sehr schnell und schließlich bin ich sehr froh, dass ich um 15.00 Uhr in den Bus einsteigen kann, denn es ist hier, am „Ende der Welt“, doch ganz schön frisch, trotz meiner Fleecejacke.

Wieder in Sagres angekommen, frage ich bei der Touristeninformation nach, in welcher Richtung der endlos langen Straße, die durch Sagres führt, sich die Kirche befindet. Eine freundliche Frau mittleren Alters versorgt mich mit einem Plan des Ortskerns und schickt mich in die richtige Richtung zur alten Kirche. Dort will ich mir meinen Pilgerstempel abholen. Ich laufe durch Ausläufer des kleinen Ortes auf einem unbefestigten Weg an einem Maisfeld entlang, dessen Pflanzen eine Größe von gut drei Metern haben. In diesem Dschungel fühle ich mich etwas einsam und fast erscheint mir der Weg unheimlich, obwohl es hell ist.

Auf einmal sehe ich schon von weitem die „Fortaleza de Sagres“, die alte Festung, die auf einem Felsplateau hoch über dem Meer thront, umgeben von einer weißen Mauer. Auch auf dem Weg dorthin und beim ca. drei Kilometer langen Rundgang um das riesige Areal ergeben sich immer wieder wundervolle Ausblicke auf das durch die Sonne schillernde Meer. Auch wenn nur noch ein paar Gebäude auf diesem riesigen Hochplateau erhalten sind, ist das Ausmaß dieser Anlage gigantisch.

Im Zentrum der Anlage entdecke ich den ehemaligen Brunnen und gar nicht weit davon entfernt den Platz, wo offensichtlich die Toten nach den Gefechten verbrannt wurden. Beim Rundgang fasziniert mich sehr der mit weißlichen, unterschiedlich großen Platten gepflasterte Rundweg. Es ist schon erstaunlich, dass diese Pflasterung über Jahrhunderte in einem derartig guten Zustand erhalten geblieben ist. Als ich jedoch an der kleinen Kirche vorbeikomme, muss ich feststellen, dass die Tür zwar geöffnet ist und einen Einblick in das Innere gestattet, dass jedoch ein Gitter davor gestellt wurde, weil zurzeit Renovierungsarbeiten durchgeführt werden. Also gibt es wieder keinen Pilgerstempel für mich und meinen Pilgerpass.

Beim Herausgehen aus der Anlage frage ich zwar noch einmal an der Kasse, an der ich beim Hereingehen 1,50 Euro Eintritt gezahlt habe, nach einem Stempel. Jedoch kann man mir dort nicht weiterhelfen.

So laufe ich zurück zur Bushaltestelle und frage noch einmal in der gegenüber liegenden Touristeninformation, bei der ich schließlich meinen heutigen Pilgerstempel erhalte.

Als ich nun an der Bushaltestelle auf meinen Bus zurück warte und auf der Bank Platz genommen habe, kommt eine sympathische Frau mittleren Alters auf mich zu und spricht mich auf Deutsch an: „Hallo, sind wir uns nicht vorhin schon am Cabo San Vincente begegnet?“ – „Ja, richtig, Sie sind mir dort auch schon aufgefallen. Reisen Sie auch allein?“ – „Ja, ich bin mit einer Reisegruppe in einem Hotel in der Nähe von Lagos. Aber ich fühle mich ziemlich einsam, denn in meinem Hotel sind nur Pärchen und Familien. Wahrscheinlich habe ich das falsche Hotel gewählt. Ich bin einfach kurz entschlossen noch einmal für eine Woche in den Süden geflogen.“ Als ich ihr daraufhin erzähle, dass ich vorhabe, sechs Wochen alleine herumzureisen, staunt sie, da sie bereits nach drei Tagen früher abreisen will, weil sie sich einsam fühlt. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile miteinander und sie erzählt mir, dass sie aus Göttingen stammt. Schließlich kommt unser Bus, der uns beide nach Lagos bringen soll. Da meine neue Bekannte vier Kilometer vor Lagos aussteigen will, überlegt sie, ob sie bis Lagos fahren muss, um dann wieder mit einem anderen Bus zurückzufahren. Schließlich tut sie das, was sie bei den anderen Fahrgästen beobachtet hat: Sie drückt auf den Klingelknopf über ihrem Sitz, der ein Surren von sich gibt, und wirklich, der Fahrer fährt die nächste Haltemöglichkeit an und meine Bekannte kann aussteigen. Wir wünschen uns gegenseitig noch eine schöne Reisezeit und verabschieden uns voneinander.

Der Bus bringt mich schließlich zurück nach Lagos, wo ich den Abend in Ruhe ausklingen lasse. Nun brauche ich erst einmal Zeit, um all die neuen Eindrücke zu verarbeiten.