Führungsinstinkt

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Anke van Beekhuis Marco Seltenreich

Führungsinstinkt

Warum Führungserfolg auch Bauchsache ist


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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95623-980-9

Lektorat: Christiane Martin, Köln | www.wortfuchs.de

Umschlaggestaltung: Martin Zech, Bremen | www.martinzech.de

Autorenfotos: Niklas Schnaubelt und Carmen Ferner

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

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Inhalt

Oben, unten und all das Dazwischen – ein instinktives Vorwort

1 Bei sich bleiben – wahre Leader glauben nicht alles, was andere sagen

Was Menschen zu Leadern und Leader zu Menschen macht

Die Unternehmenskultur als natürliche Umgebung für Wachstum

Aus dem Bauch heraus führen – Instinkte als verlässlicher und trügerischer Kompass

Aufwachen und aufmachen – Antworten und Lösungen in sich selbst finden

2 Sich und andere kennen – Leader wissen, was Sache ist

Selbsterkenntnis als solides Fundament – nur wer sich selbst kennt, kann andere aufrichtig führen

Ehrlichkeit zu sich selbst als Schlüssel zum Erfolg bei anderen – Grenzen und Möglichkeiten erkennen

Empathie öffnet Türen – was Einzelne bewegt, bringt alle weiter

Wo stehe ich eigentlich – die eigene Rolle im großen Ganzen erkennen

Das eigene Tempo finden – schneller ist nicht immer erfolgreicher

Unterm Strich steht das Ergebnis – Teams auch ohne großen Druck fest zusammenschweißen

3 Mit dem eigenen Spielraum vertraut machen – Leader kennen das Spielfeld und die Regeln

Stärken und Schwächen – das Ergebnis zählt

Alle ins Boot holen – nur wer niemanden zurücklässt, kommt wirklich ans Ziel

Die Magie der aktiven Klarheit – Führung ohne Kommunikation bleibt ungehört

Rollenklarheit als Hilfsmittel –gleichzeitig Agilität und Ruhe kreieren

Reibungswärme hält wach – über gesunde Spannung in Teams

4 Konsequent sein – Leader haben die nötige Geduld, um langfristig erfolgreich zu sein

Der Langstreckenlauf der Führung – warum Ausdauerathleten weiter kommen als Sprinter

Sich zeigen – warum es so wichtig ist, als Führungskraft authentisch zu sein

Flexibilität und das Wellenreiten – Agilität und Innovationskraft im Alltag erhalten

Nie enden – erfolgreich bleiben und immer besser werden

Quellenverzeichnis

Die Autorin und der Autor

Oben, unten und all das Dazwischen – ein instinktives Vorwort

Wir kennen es alle – das berühmte Podest, auf dem jene platziert sind, die andere Menschen anweisen, lenken, motivieren und leiten. Je nach Lebensphase und -situation hat jeder von uns schon einmal emporgeblickt und sich – mehr oder minder bereitwillig – von jenen führen lassen, die »da oben« das Sagen hatten: Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, Experten, Mentoren, Politiker, Vorbilder, Ikonen, Legenden. Und wir tun es noch immer – sogar dann, wenn wir in die berufliche Situation gekommen sind, selbst Führungsverantwortung inne zu haben.

Menschen blicken gerne empor – auch wenn viele insgeheim davon träumen, sich »von niemand mehr etwas sagen zu lassen« oder »ihr eigener Boss zu sein«. Und doch bleibt es bei vielen bei diesem Wunsch bzw. einem Platz in der zweiten Reihe oder einer Position fernab vom Scheinwerferlicht – und das ist gut so. Ein Stamm mit lauter Häuptlingen wäre nicht erfolgreich.

Das menschliche Zusammenleben und Zusammenarbeiten beruhte im Laufe der letzten Jahrtausende durchwegs auf klaren Hierarchiestrukturen. In diesem Gefüge haben Hunderte Generationen Erfahrungen gesammelt und wurden dabei von zahlreichen Gesetzmäßigkeiten geprägt. Unzählige Mythen und Heldenepen basieren auf starken Führungspersönlichkeiten, die inmitten von Widrigkeiten klaren Kopf bewahrt haben und mit Mut und Zielstrebigkeit den Weg zum Erfolg gesehen und beschritten haben. Gleichzeitig ist die Geschichte voll von Anführern, die tief gefallen sind. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem Wunsch, endlich das Sagen zu haben, und dann aber auch der nötigen Größe, das nötige Wissen und den nötigen Mut zu haben, auch tatsächlich das Richtige zu sagen (und das Richtige zu tun).

Die Frage, wer das Zeug zur Führungspersönlichkeit hat, begleitet die Menschheit also durch ihre gesamte Geschichte – mit durchaus extremen und gegensätzlichen Versuchen einer Antwort und einer Erkenntnis: Bei all den vielschichtigen Situationen, Konstellationen, Gegebenheiten und wechselnden Entwicklungen benötigt eine glaubwürdige Führungspersönlichkeit das Gespür, in jeder Situation das Richtige für den Erfolg zu tun, und den Mut, auf dieses Bauchgefühl zu hören. Wir haben dieses Talent unter dem Begriff »Führungsinstinkt« zusammengefasst. Und wie Sie sich vorstellen können, liegen dahinter noch eine Reihe zahlloser weiterer Eigenschaften, Erfahrungen, Erkenntnisse und Ehrenrunden, die wir Ihnen auf den folgenden Seiten auf fundierte und unterhaltsame Art und Weise näherbringen möchten.

Mit einem Irrglauben wollen wir jedoch gleich zu Beginn aufräumen: Ein guter Instinkt ist keine gottgegebene Gabe, sondern will erarbeitet, geschärft und immer wieder unter Beweis gestellt werden. Wie man an vielen aktuellen Beispielen sieht, haben moderne Helden kein lebenslanges Monopol auf Status, Image und Erfolg mehr. Erfolgreich zu bleiben ist ein genauso großes Stück Arbeit wie erfolgreich zu werden. Das wird in der heutigen Zeit, in der Erfolg im Erreichen eines gewissen Status gesehen wird, oft vergessen. Gerade in puncto Glaubwürdigkeit, Auftreten und Charisma brauchen Führungskräfte heute nicht nur einen langen Atem, sondern auch eine klare Alternative zu heißer Luft – auch (oder besser gerade) weil die Hierarchiestrukturen immer flacher werden. Wer in dieser neuen Führungslandschaft nicht aus eigenem Antrieb Schwung generieren kann, rollt ziemlich schnell im Flachen aus.

Das Zeitalter der gefürchteten Bosse, die sich im argumentativen Notfall hinter ihrem Ruf als Choleriker verstecken können, nähert sich genauso dem Ende wie männerdominierte Machtstrukturen oder mit eiserner Hand geführte Regellabyrinthe. Dafür sorgen einerseits das Internet mit seiner Transparenz und andererseits die Generationen, die mit einem neuen Selbstverständnis für diese Freiheiten (und einer gewissen Immunität für konservative Belohnungsformen) aufwachsen. Klar ist: Auch diese Generationen wollen und müssen geführt werden – allerdings mit einem völlig neuen Ansatz, ohne Bluffs und doppelte Böden, besonders dann, wenn man inmitten eines gewaltigen Führungskräftemangels gute, fähige und selbstbewusste Menschen anlocken, motivieren und halten möchte.

Gut zu führen hat einen anderen Stellenwert bekommen. Während man früher beim Thema Menschenführung eher an Methoden, Tools und Ansätzen feilte, braucht es heute mehr denn je authentische und menschliche Qualitäten, die nicht so leicht in Seminaren und Workshops zu vermitteln sind. Es sind gereifte und reflektierte Persönlichkeiten gefragt, die die richtige Balance für Teams finden, die nicht mehr in erster Linie mithilfe von Disziplin, Funktionen und Checklisten funktionieren wollen, sondern mit Möglichkeiten, Vertrauen und Freiheiten. Es braucht Klarheit mit Fingerspitzengefühl, Nähe mit Respektabstand und Wertschätzung ohne Harmoniebedürfnis.

Das dafür nötige Führungs-Charisma eignet man sich nicht bedarfsweise über Nacht an – es ist das Ergebnis einer Reise mit sich selbst hin zu einer glaubwürdigen Unerschütterlichkeit, mit der man leistungsbereite (aber zunehmend leistungsdruckresistentere) Menschen ganz ohne doppelten Boden zu eigenen Erkenntnissen (und damit zu einem gemeinsamen Erfolg) führt.

Genau zu dieser Reise wollen wir Sie mit diesem Buch einladen – und das auf durchaus ungewöhnliche Art und Weise. Der Weg zu Ihrem persönlichen Führungsinstinkt führt nicht nur über Wissen, sondern auch über Erfühlen und Nachdenken. Aus diesem Grund bieten wir Ihnen mit kleinen Geschichten immer wieder einen alternativen Zugang zu gewissen Themen und Aspekten an.

Nehmen Sie die Führungs-Landkarte zur Hand und tauchen Sie dort ein, wo Sie gerade Impulse benötigen. Eine Reise muss nicht immer linear sein – vor allem nicht, wenn man sich dessen bewusst wird, dass Fortschritt, Entwicklung und Reifeprozesse üblicherweise in Kreisbewegungen ablaufen.

 

Und: So wie gute Führung niemals eine Einbahnstraße ist, soll auch dieses Buch keine einseitige Angelegenheit sein. Wir freuen uns, wenn Sie uns an Ihrem Weg als angehende oder erfahrene Führungskraft teilhaben lassen und uns Ihre persönlichen Erfahrungen, Erkenntnisse und Führungsinstinktsituationen zusenden. Schreiben Sie uns dazu an fuehrungsinstinkt@beekhuis.at. Wir sind gespannt darauf, an Ihrem Weg teilzuhaben!

Anke van Beekhuis & Marco Seltenreich

Wien im März 2020







Bei sich bleiben – wahre Leader glauben nicht alles, was andere sagen

Unternehmen brauchen sowohl vorausdenkende Visionäre als auch hinterfragende Manager. Ohne die einen gibt es keine Innovation, ohne die anderen keine Koordination.


Was Menschen zu Leadern und Leader zu Menschen macht

Die Frage, was eine gute Führungskraft kennzeichnet bzw. welche Persönlichkeitstypen eine Organisation braucht, um erfolgreich zu sein, stellen sich Menschen wahrscheinlich schon seit Jahrhunderten. Die Kunst, andere zu bewegen und zu Höchstleistungen anzuspornen, hatte im alten Rom mit Sicherheit aber andere Facetten und Schwerpunkte als heute – doch letztlich ging es damals wie heute um ... Erfolg.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Ohne Erfolge bekommt eine Gruppe von Menschen (heute: eine Organisation) über kurz oder lang Schwierigkeiten. Und ohne Führungspersönlichkeiten bleibt der Erfolg aus. Ein zeitloses Gesetz – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Der Auftrag – Teil I

Mittwochnachmittag in einem Ingenieurbüro. Viktor (48) und Hermine (32), der Chef-Ingenieur und die Chef-Ingenieurin des Unternehmens, brüten im Schein der Neonbeleuchtung über Unterlagen und Schaltplänen.

Viktor: »Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?«

Hermine: »Was?«

Viktor: »... dass wir diesen Job nicht auslagern. Ich meine, woher sollen wir Techniker wissen, was eine gute Führungskraft ausmacht.«

Hermine: »Auftrag ist Auftrag. Und du weißt genau, dass die Unternehmensleitung die heiklen Aufträge nie outsourct.«

Viktor: »Das war, bevor irgendjemand auf die Idee gekommen ist, einen Leadership-Roboter zu konstruieren, der unsere Abteilungen führen soll.«

Hermine: »Sind wir nicht die besten Experten auf dem Gebiet der Robotik, die das Unternehmen hat?«

Viktor: »Ja schon, aber das hier ist ja keine primäre Frage der Technik. Eine Führungskraft ist ja kein Warenhaus-Droide.«

Hermine: »Nun ...auch ein Boss muss liefern.«

Viktor: »Ja, aber was eigentlich genau?«

Welche Typen braucht eine Organisation?

Doch wer und wie sind denn eigentlich jene, die Erfolge sicherstellen sollen? Sind es wirklich nur die »strahlenden Anführer in goldener Rüstung«, die zum Sieg verhelfen? Machen Sie bei einem kleinen Gedankenexperiment mit: Wer von den zwei nachfolgend beschriebenen Persönlichkeiten ist Ihrer Meinung nach wichtiger für den Erfolg eines Unternehmens?

Führungspersönlichkeit A: »Der mutige Visionär«

 Er bzw. sie schildert Zukunftsbilder in Form von Geschichten und Metaphern und legt großen Wert darauf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interne Entwicklungen aktiv mitkonzipieren und mitgestalten dürfen.

 Er bzw. sie sucht und geht gerne neue Wege in der Zielerreichung und Zusammenarbeit – auch solche, die Risiko und/oder Mut erfordern.

 Ihm bzw. ihr ist das »Was wollen wir erreichen?« wichtiger ist als das »Wie wollen wir es erreichen?«.

Führungspersönlichkeit B: »Der besonnene Möglichmacher«

 Er bzw. sie wägt jedes Risiko sorgfältig ab – auf der Basis von Zahlen, Studien und Fakten.

 Er bzw. sie legt größten Wert auf Struktur, klare Rollen, Prozesse und Ziele.

 Bei der Wahl zwischen mutiger Innovation und sicher Bewährtem tendiert er bzw. sie eher zum bereits erfolgreich Erprobten.

Der Auftrag – Teil II

Viktor schaltet die Bürobeleuchtung ein und sagt: »Eigentlich wollte ich heute pünktlich nach Hause gehen.«

Hermine: »Tja. Lass uns zumindest die Anforderungen für den Führungsroboter fertig machen.«

Viktor: »Lead2Success 4.0«

Hermine: »Wie?«

Viktor: »Den Namen habe ich mir ausgedacht, damit die Maschine ein bisschen mehr Persönlichkeit bekommt.«

Hermine: »Ist das wichtig?«

Viktor: »Nun, das ist doch die Grundanforderung für jeden Menschen, der von anderen respektiert werden will: ein guter Name.«

Hermine: »Ein Name ist doch gar nichts. Nur das, womit man sich einen Namen macht, zählt.«

Viktor: »Und womit macht man sich einen Namen?«

Hermine: »Mit authentischem Verhalten. Also, wenn man Überzeugungen hat, die sich nicht verändern und auf die man sich auch verlassen kann, wenn man mit Lead2Success 4.0 zu tun hat.«

Viktor: »Du hast den Namen gesagt.«

Hermine: »Ich weiß.«

Viktor: »Aber schreib das mit der Authentizität auf. Das ist gut.«

Hermine schreibt: »Immer gleiches Verhalten. Das sollte für einen Roboter kein Problem sein.«

Was meinen Sie? Zu welcher der beiden Führungspersönlichkeiten tendieren Sie in Ihrem Gedankenexperiment? Ist der »Visionär« oder der »Möglichmacher« die bessere Wahl?

Sie werden sicher schnell draufgekommen sein: Eine Entscheidung für A oder B würde zu einem groben Ungleichgewicht und auch zu einem großen Risiko führen. Natürlich gibt es genügend Beispiele für beide Persönlichkeitstypen in der Realität – aber kein Unternehmen der Welt könnte es sich leisten, exklusiv mit einem dieser beiden Persönlichkeitstypen in der oberen Führungsetage zu wirtschaften. Wie in so vielen Bereichen des Lebens liegt die Lösung in einer Balance – also in einem Und statt einem Oder.

Lassen Sie uns fortan der Einfachheit halber Typ A als »Leader« und Typ B als »Manager« bezeichnen. Da diese beiden Begriffe im Buch relativ häufig vorkommen werden, erlauben wir uns, für diese beiden Wörter das Gendern zu vernachlässigen, aber natürlich sind immer Männer und Frauen gemeint.

Sehen Sie, da ist es wieder ... das Und.

Noch einmal das grundlegende Fazit: Unternehmen brauchen Leader und Manager – also vorausdenkende Visionäre und hinterfragende Möglichmacher. Ohne die einen gibt es keine Innovation, ohne die anderen keine Koordination.

Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, brauchen Offenheit und Struktur.

Zwei Arten von Führung – die natürliche Diversität

Keine Angst, das Und wird im Rest des Buches nicht durchgehend fett geschrieben. Aber lassen Sie es uns im folgenden Absatz noch einmal bewusst nachhaltig einsetzen.

Es ist wichtig, dass Sie sich vor Augen halten, dass es zwei prinzipielle Arten von Führungspersönlichkeiten gibt: Die eine setzt überzeugt auf Intuition, zündende Ideen und Emotionen. Die andere beharrt darauf, alles fundiert zu hinterfragen und zu bedenken. Die eine wird oft belächelt (aber auch bewundert), weil sie sich traut, ungewöhnliche Wege zu gehen. Die andere wird leichter ernst genommen, weil das Rationale für Menschen eher sichtbar und greifbar ist.

Diese zwei Führungstypen sind wie die Flügel eines Vogels. Entsprechend brauchen Unternehmen beide, um abheben bzw. in der Luft bleiben zu können. Wer dieses Und beherzigt, der fliegt dem Erfolg zu (oder umgekehrt).

Dabei steht es jedoch nur stellvertretend für viele andere Aspekte von Diversität, die für Organisationen wichtig sind:

 Visionär und Manager

 Männer und Frauen

 Schwarz und Weiß

 und, und, und ...

Wichtig ist, dass stets das eine und das andere Raum und Platz haben. Diese Vielfalt eröffnet neue Möglichkeiten, ohne gleichzeitig andere Türen zu verschließen. Besonders raffiniert: Diese Vielfalt – und daher auch diese Räume - entstehen bereits im Denken.

Führungskraft und Leadership – was ist das eigentlich?

Da wir noch am Anfang dieses Buch stehen, lassen Sie uns gemeinsam ein paar grundlegende Begrifflichkeiten klarstellen, damit wir auf den folgenden Seiten vom Gleichen sprechen.

Speziell der Begriff »Führungskraft« wird uns noch öfter begegnen. Aber was bedeutet das eigentlich? Gerade in der deutschen Sprache versteht man darunter ja nicht nur eine Eigenschaft, sondern auch eine Stellung im Unternehmen.

Als Führungskraft bezeichnet man ganz sachlich eine Funktion, die eine Person in einem Unternehmen oder einer Organisation innehat. Oft taucht sie (ohne dass der Begriff tatsächlich Erwähnung findet) im Organigramm als Leiterin oder Leiter eines Teams auf. Über die Qualität der eingesetzten »Führungskraft« (als Eigenschaft) – also ob diejenige Person diese Funktion gut oder weniger gut ausfüllt – sagt dies natürlich gar nichts aus.

Als Leaderbezeichnet man einen Vorgesetzten oder eine Vorgesetzte nur dann, wenn er oder sie die Führungsfunktion so vorbildlich, zielführend und mit unverwechselbarer Ausstrahlung wahrnimmt, dass die Teammitglieder gerne, bereitwillig und leidenschaftlich folgen. Ein Leader ist also nicht nur eine Führungsperson, sondern eine wahre Führungspersönlichkeit.

Leadership, wie wir diesen Begriff verstehen und in diesem Buch verwenden möchten, charakterisiert also einen Menschen, der eine Führungsposition mit Zielstrebigkeit, Offenheit und Entscheidungsfreude erfolgreich ausfüllt und dabei andere begeistert und dynamisch anführt. Leader erkennt man unter anderem an ihren leidenschaftlich erzählten Geschichten und Visionen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch gerne weitererzählen.

Manager haben die Aufgabe, Menschen durch gemeinsame Werte, Ziele und Strukturen in die Lage zu versetzen, eine gemeinsame Leistung zu vollbringen. Management steht also für die Umwandlung von verfügbaren Ressourcen in konkreten Nutzen und Ergebnisse.

Achtung! Management ist nur beinahe mit dem Begriff »Führung« gleichzusetzen, denn das Wort bezieht sich rein auf funktionelle Aspekte. Manager müssen wirksame Aktionen im Sinne der Zielerreichung setzen. Um eine wesentliche Wirksamkeit für die Organisation zu erreichen, ist es jedoch notwendig, die entscheidenden Aktionen nicht bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auf einer übergeordneten Ebene (Systemebene) zu setzen.

Fazit:

Leadership = menschenbezogen, strategisch, visionär

Management = organisatorisch, operativ, funktional

Der Auftrag – Teil III

Hermine inspiziert den Schaltplan, wirft die Stirn in Falten und sagt: »Weißt du, was mir noch immer nicht ganz klar ist? Wenn das mit dem Führungsroboter so eine brillante Idee ist, wieso gibt es das nicht schon längst?«

Viktor: »Terminator. Star Wars. Matrix.«

Hermine: »Wie?«

Viktor: »Die Menschen haben Angst vor Maschinen, seit diese im Kino als böse Menschenunterdrücker dargestellt wurden. Außerdem ist es unheimlich, wenn jemand völlig emotionslos und strikt Befehle ausführt.«

Hermine: »Ich dachte, wir waren uns vorhin einig, dass das authentisch – also gut – ist, wenn sich jemand immer gleich verhält.«

Viktor kratzt sich am Hinterkopf: »Hm ...«

Hermine: »Also doch nicht?«

Viktor: »Nun ja. Ein bisschen von einem Gespür muss schon da sein.«

Hermine: »Gefühl? Bei einem Roboter? Wie sollen wir denn das bitte programmieren?«

Viktor: »Nun, das muss irgendwie von selbst kommen, denke ich.«

 

Hermine: »Wir hätten diesen Job doch outsourcen sollen.«

Viktor: »Wieso?«

Hermine: »Ich habe bei diesem Robotik-Projekt ein ganz mieses Gefühl.«

Vorhang auf für Ihr Selbstbild

Legen wir noch einmal den Fokus auf das scheinbar Banale: Ob Leader oder Manager – primäre Aufgaben auf der »Bühne Abteilung/Unternehmen« sind, Menschen zu führen und Unternehmensziele zu erreichen. Als Leader oder Manager haben Sie also eine bestimmte Rolle, deren Erfüllung von Ihnen erwartet wird. Die Rolle selbst ist klar umrissen, doch wie Sie diese anlegen, bleibt ganz Ihnen überlassen.

Um Ihre Rolle glaubwürdig mit Leben zu erfüllen, müssen Sie sich zuerst selbst erkennen:

 Was für eine Führungspersönlichkeit sind Sie?

 Was zeichnet Sie aus?

 Wie entscheiden Sie?

Warum das wichtig ist? Wenn man Leadern aufmerksam zuhört, sprechen diese sehr oft von Leistung, die sinnvoll sein soll. Mit diesem Sinn als essenziellem Fundament für jeden Gedanken und jede Handlung wollen sie andere begeistern – und meistens gelingt ihnen das auch mit Leichtigkeit. Nichts wirkt ansteckender als ein Mensch, der voller Überzeugung und glaubwürdig von einem Ziel spricht, das aus mehr besteht als aus Zahlen auf dem Papier, sondern vielmehr aus einem veränderten Zustand und neuen Möglichkeiten, die sich daraus für alle Beteiligten ergeben.

Hinter dem Geheimnis der Anziehungskraft dieser Leader vermuten viele die sichtbaren, »miterlebbaren« Emotionen, aber eigentlich ist es die starke Empathie und Wertschätzung gegenüber anderen, die andere Menschen unbewusst beeindruckt und mitreißt.

Leadern ist Integrität so wichtig, weil sie keine Rolle auf einer Bühne spielen wollen. Stattdessen wollen sie mit ihrem Denken und Handeln – und letztlich mit ihrem Erfolg – eine wichtige Rolle in ihrem eigenen Leben und im Leben anderer spielen.

Was zeichnet gute Leader aus?

Leader haben einen hohen Willen zur Leistung, weil sie sich auch selbst mit »Sinnvollem« antreiben. Sie sind sehr neugierig, offen neuen Menschen gegenüber und auch bereit, neue Wege zu gehen und etwas auszuprobieren. Dabei hinterfragen sie sich aber nicht permanent, sondern werden von dem leidenschaftlichen Wunsch angetrieben, ihre eigene Neugierde zu befriedigen.

Leader kommunizieren offen, klar und emotional, haben durch ihren anderen Zugang aber auch ein offenes Ohr für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für deren Ideen.

Leader haben oft große Visionen, wo Manager nur den Kopf schütteln – nicht, weil diese die Idee nicht gut finden, aber weil Manager sofort darüber nachdenken, wie die Idee in die Realität transferierbar sein soll. Leader verlieren auch gerne einmal die Realität aus den Augen, sprechen oft in der Zukunftsform und vergessen dabei, dass diese Zukunft zum jetzigen Zeitpunkt nur in ihrem eigenen Kopf existiert.

Sehen wir uns kurz an, was ein anerkannter Experte zu diesem Thema denkt: John P. Kotter, Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School, spricht vom Leader, der »die Richtung vorgibt, MitarbeiterInnen danach ausrichtet und Motivation und Inspiration im Unternehmen verbreitet«.

Leader werden darüber hinaus sehr oft mit jenen Organisationen assoziiert, mit denen sie eine Vision verwirklicht haben. Denken wir nur an Apple-Gründer Steve Jobs: Nach seinem Tod brach sofort der Kurs von Apple an der Börse ein – obwohl er zum damaligen Zeitpunkt in der Praxis längst das Unternehmensruder nicht mehr in der Hand hatte. Daran sieht man, wie wichtig Leader sind. Sie prägen eine Unternehmenskultur und agieren wie die Mütter oder Väter einer Organisation.

Ein Generationenwechsel von einem Leader zu einem Manager kann daher schon einmal richtig in die Hose gehen, wenn man nicht rechtzeitig und achtsam darauf zusteuert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lieben Leader und können, wenn sie jahrelang auf Leading trainiert wurden, mit vergleichsweise trockenen Managementaktionen nur schwer umgehen.

Was zeichnet gute Manager aus?

Wir wollen hier aber keinesfalls den Eindruck erwecken, dass die Qualitäten von Managern weniger wichtig sind als die funkensprühenden Energien von Leadern! Schließlich gibt es in Unternehmen ja auch Menschen, die auf diese völlig unterschiedlichen Aspekte unterschiedlich gut ansprechen.

Managern sind Korrektheit, Zahlen und Fakten als solides Fundament für ihre Entscheidungen immens wichtig. Wenn sie andere überzeugen wollen, sprechen sie bevorzugt von Zielen, Rollen, Funktionen und Prozessen.

Manager bringen Ideen auf den Boden und begegnen den Dingen rational und bodenständig. Sie haben aber auch einen ausgeprägten Erhaltungstrieb: Läuft es einmal gut, dann soll der dahinterstehende funktionierende Prozess doch bitte bewahrt werden. Dieses Sicherheitsdenken steht oft der Innovationskraft von Leadern im Wege.

Manager kommunizieren exakt und klar und orientieren sich in ihrem Verhalten und ihrer Sprache sehr stark an Funktionen und Prozessen.

John P. Kotter (den kennen Sie jetzt schon) spricht von dem Manager, der »plant, budgetiert, organisiert und Stellen besetzt, das Controlling übernimmt und Probleme löst«.

Der Auftrag – Teil IV

Viktor starrte kopfschüttelnd auf den Monitor: »Hast du das neue Memo von der Konzernleitung schon gelesen?«

Hermine: »Bin gerade dabei. Verwirrend. Ich dachte, wir sollten einfach einen Roboter entwerfen, der authentisch auftritt, weiß, was zu tun ist, und damit die Mitarbeiter zielsicher steuert.«

Viktor: »Lead2Success 4.0.«

Hermine: »Ich bleibe bei ›Roboter‹.«

Viktor: »Wieso jetzt plötzlich?«

Hermine: »Weil die neuen Anforderungen menschenunmöglich sind – zumindest für eine Maschine.«

Viktor: »Leader, Manager – beide mit völlig unterschiedlichem Verhalten. Situationselastisch sich selbst und andere steuernd. Selbsterkenntnis ...«

Hermine: »Und dabei noch Charisma versprühend und Funken der Leidenschaft entzündend.«

Viktor: »Die Funken würden wir sicherlich hinbekommen. Allerdings widerspricht das wieder der Brandschutzordnung im Unternehmen.«

Hermine: »Ich glaube, es ist Zeit ...«

Viktor: »Zum Outsourcen?«

Hermine: »...einzugestehen, dass eine Maschine niemals eine gute Führungskraft simulieren kann, sondern Führung etwas zutiefst Menschliches ist.«

Viktor: »Schade um den Namen.«

Hermine: »Das ist auch etwas zutiefst Menschliches – sich mit eigenem Stil und eigenem Handeln einen eigenen Namen zu machen.«

Viktor: »Was heißt das jetzt eigentlich für unseren Ruf? Sind wir gescheitert?«

Hermine: »Wieso? Wir hatten gerade eine wichtige Erkenntnis. Wir sind also gescheiter.«

Viktor: »Du wärst eine gute Führungskraft.«

Existiert die ultimative Führungskombination?

Noch einmal zum Verinnerlichen auf den Punkt gebracht: Ein Leader erzeugt Wandel und Bewegung, ein Manager Ordnung und Konstanz.

Falls Sie sich jetzt fragen, ob Sie vielleicht beides in sich tragen, müssen wir Sie leider ein wenig enttäuschen. Hier gibt es laut John P. Kotter ausnahmsweise kein Und, sondern nur ein Oder. Er meint, dass diese beiden Ausprägungen so gegensätzlich sind, dass sie nicht glaubwürdig in einer Person vereint sein können.

Wir wollen uns hier aber nicht auf Pauschalaussagen versteifen. Natürlich kann auch hier ein Und möglich sein. Es gibt außergewöhnliche Persönlichkeiten, die diesen Spagat auf Dauer schaffen. Aber diese sind sicherlich die Ausnahme.

Kotters Erkenntnis beruht auf einer Studie, in der zwei Drittel von 200 befragten Managern angegeben hatten, dass ihr Unternehmen über zu viele Vorgesetzte verfüge, die »stark im Management, aber schwach in der Führung« seien. 95 Prozent der Manager waren der Meinung, es gebe zu wenige Vorgesetzte, die beide Qualitäten besäßen.

Kotter kommt auch aufgrund eigener Beobachtung zu dem Schluss, dass die meisten Unternehmen »over-managed« und »under-led« sind. Diese knackige und bekannte Aussage stammt zwar bereits aus dem Jahr 1990, dürfte aber nach unseren Erfahrungen in der Praxis kaum etwas von ihrer Gültigkeit verloren haben.

Hierzu passt auch ein kürzlich geführtes Gespräch mit einem Vorstandsmitglied eines Unternehmens, bei dem zum betreffenden Zeitpunkt ein Generationswechsel anstand. Sein klares und auch ernüchtertes Urteil zu der Situation: »Es gibt keine Leader mehr. Die meisten deutschsprachigen Unternehmen werden von Managern geleitet.«

Wir sehen das ähnlich: Es fehlt aus verschiedensten Gründen an der Spitze sehr oft an Mut und an visionären Geschichten. Zahlen und Fakten rücken immer mehr in den Vordergrund – so sehr, dass der Sinn dahinter oft völlig verschwindet. Doch ohne Sinn fehlt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die so wichtige Emotion in der Organisation. Es würde also vielen Organisationen guttun, mehr Leader – oder zumindest eine ausgewogene Balance – im Einsatz zu haben.

Was braucht Ihre Organisation? Was braucht Ihr Team?

Eines möchten wir gleich zu Beginn noch einmal klar betonen: Natürlich sind Leader und Manager gleichermaßen wichtig für eine Organisation! Der Grund, warum wir uns mit diesem Buch so auf Leadership und Führungsinstinkte konzentrieren, ist die simple Tatsache, dass in jeder Führungskraft ein Leader steckt. Viele Manager erreichen mit mehr Leadership-Know-how einen höheren Mehrwert in ihrer Organisation. Leadership geht immer mehr verloren, weil Menschen – aus verschiedensten Gründen – eher rational arbeiten möchten.

Gleichzeitig arbeiten viele Führungskräfte mittlerweile zu einem hohen Teil im operativen Bereich mit und haben wenig Zeit zur tatsächlichen »Menschenführung«. Dann bleibt meist nur mehr das Notwendigste zu tun – also zu managen –, damit »der Laden läuft«.