Marketing

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Die Erfassung der Marketinggrundeinstellung aufgrund von „Symptomen“, die sich im Verhalten, in konkreten Massnahmen, eingesetzten Instrumenten und Sachmitteln äussern, entspricht einem Vorgehen, wie es zur Bestimmung der Dimensionen der Organisations- bzw. Unternehmenskultur empfohlen wird. Die Symptome entsprechen den (äusserlichen) Kulturartefakten, von denen auf die nicht direkt messbaren Kulturdimensionen (kulturrelevante Einstellungen und Denkmuster) geschlossen wird.16 Es wird deshalb auch vorgeschlagen, die Marketinggrundeinstellung als Dimension der Unternehmenskultur zu interpretieren und wissenschaftlich zu untersuchen.17

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es natürlich auch Sinn macht, die Marketinggrundeinstellung, insbesondere das Ausmass der Kundenorientierung aus Kundensicht, zu untersuchen. Auf diese Weise wird es möglich, die eigenen (unternehmensinternen) Vorstellungen mit dem Fremdbild, d.h. den Vorstellungen der Kunden von der Unternehmung, zu konfrontieren. Diese Optik spielt insbesondere auch in wissenschaftlichen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und Markterfolg eine zentrale Rolle.18

1.4.2 Welche Marketinggrundeinstellung soll ein Unternehmen anstreben?

Die Marketingorientierung, die ein Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt aufweist, ist das Ergebnis eines langfristigen sozialen Entwicklungsprozesses. Sie spiegelt die Auseinandersetzung zwischen technisch-, kaufmännisch- oder marktorientierten Abteilungen und Managern wider.

Als Ergebnis eines Entwicklungsprozesses lässt sie sich auch nicht kurzfristig und ohne weiteres ändern. Die Marketinggrundeinstellung ist als Dimension der Unternehmenskultur kein Instrument; ihre Veränderung kann deshalb nur im Sinne einer Zielvorstellung angestrebt, nicht aber als Massnahme ergriffen werden. Praktische Erfahrungen zeigen, dass eine Vielzahl von Einzelmassnahmen nötig sind, um eine als Soll-Vorstellung definierte Neuorientierung in die Wege zu leiten und dass normalerweise viele Monate oder gar Jahre konsequenter Überzeugungsarbeit nötig sind, um dem angestrebten Soll spürbar näher zu kommen.19

Damit entsteht die Frage, welche Überlegungen anzustellen sind, um die Soll-Position für eine Neuorientierung festzulegen.

Die in Abbildung 1-6 bezeichneten Extrempositionen können praktisch ausgeschlossen werden. Extrem produktorientiertes Marketing birgt die Gefahr in sich, dass ein Unternehmen am Markt vorbei produziert, da es die Bedürfnisse und Probleme ihrer Käufer nicht kennt. Extrem bedürfnisorientiertes Marketing, das sich nur an den Kundenwünschen orientiert, berücksichtigt zu wenig die vom Unternehmenspotenzial (finanzielles, personelles, anlagemässiges Potenzial, Produktions- und Marketing-Know-how) und die von den Unternehmenszielen (Gewinn, ROI) gesetzten Grenzen bzw. Anforderungen. Die Folgen sind mangelnde Rentabilität und Überforderung des vorhandenen Unternehmenspotenzials.

Ähnlich verhält es sich mit extrem aktivem bzw. extrem passivem Marketing. Ein übertriebener Einsatz der Instrumente Werbung, Verkauf und Preis wird auf die Dauer zu teuer und ist aufgrund abnehmender Grenzraten der Wirkung der Marktbearbeitungsinstrumente kaum sinnvoll. Bei passivem Marketing geht dagegen der Kontakt zu den Kunden verloren; die Gefahr, von aktiveren Konkurrenten überrundet zu werden, ist entsprechend gross.

Im verbleibenden Bereich der Mischtypen hat das Unternehmen auf der Basis einer eingehenden Analyse der Symptome der existierenden Marketingorientierung (Ist-Situation) unter Berücksichtigung seiner Ziele und des vorhandenen Unternehmenspotenzials die anzustrebende Soll-Position festzulegen. Wenn es die Erkenntnisse der Marketingwissenschaft beachtet, sollte es allerdings primär Positionen im Quadranten „aktiv/ bedürfnisorientiert“ anstreben. Verschiedene fundierte empirische Untersuchungen zeigen nämlich einen klar positiven Zusammenhang zwischen dem Ausmass einer richtig verstandenen, d.h. nicht übertriebenen Kundenorientierung und dem Unternehmenserfolg.20

In der Praxis wird auch heute noch durchaus nicht selten und trotz Lippenbekenntnissen zur Bedürfnisorientierung aufgrund der Symptom-Analyse eine zu starke Produktorientierung, gepaart mit ungenügend aktivem oder gar mit passivem Marketing, festgestellt. Auf dieser Basis ergeben sich dann die in Abbildung 1-7 eingezeichneten Entwicklungsempfehlungen in Richtung Verstärkung der Bedürfnisorientierung und des Aktivitätsniveaus.


Abb. 1-7: Typische Entwicklungspfade zur Änderung der Marketinggrundeinstellung

Um eine grobe Vorstellung vom Aufwand zu vermitteln, der mit einer derartigen Neuorientierung verbunden sein kann, werden in Tabelle 1-3 Massnahmen aufgelistet, mit denen ein bekannter international tätiger Elektrokonzern versucht hat, eine vermehrt kundenorientierte und aktivere Marketinggrundhaltung zu entwickeln.


Massnahmen eines Schweizer Elektrokonzerns zur Entwicklung einer vermehrt bedürfnisorientierten und aktiveren Marketinggrundeinstellung
Marketingschulung und Kundenkultur-Workshops für Mitarbeiter verschiedenster Funktionsbereiche zur Verbesserung des generellen Marketingwissens und zur Bewusstmachung des KundenkulturproblemsAufbau von Rapportsystemen über Kundenprobleme, Konkurrenzverhalten, Marktentwicklungen; Ausbau der Marktforschungsinfrastruktur, Erhöhung des MarktforschungsbudgetsÄnderungen von Planungsvorgaben und -prozessen zur Sicherung der Berücksichtigung von Kunden- bzw. Marktinformationen bei der Produktentwicklung und InvestitionsplanungAusarbeitung einer neuen „Visual Identity“ zur Verstärkung der MarketingkommunikationKundengerechte Gestaltung der Einrichtungen und Systeme mit Kundenkontakt (Telefonzentrale, Empfang, Beschriftungen, Wegweiser, architektonische Gestaltung gewisser kontaktwichtiger Räumlichkeiten und Bauten) als äusserliche „Zeichen“ der gewollten Änderung

Tab. 1-3: Beispiel von Massnahmen zur Verstärkung der Bedürfnisorientierung und des Aktivitätsniveaus21

1 Vgl. z.B. Scheuch (1996), S. 42

2 Vgl. Krulis-Randa, J. (1977), S. 61

3 Manche Autoren sprechen auch von der Marketingorientierung oder der Marketingdenkhaltung, vgl. z.B. Hill/ Rieser (1993), S.10ff. oder Kuss (2001), S. 7ff.

4 In Anlehnung an Kühn/ Vifian (2003), S. 12

5 Vgl. Tomczak/ Reinecke (1999), S. 294

6 Vgl. Esch/ Billen (1994), S. 409ff.

7 Vgl. Tomczak/ Reinecke (1999), S. 296

8 Vgl. Diller (1996), S. 84

9 Vgl. Tomczak/ Dittrich (1997), S. 13

10 Vgl. z.B. Kroeber-Riel/ Weinberg (2003)

11 Vgl. Meffert (2000), S. 8

12 Vgl. auch Kotler/ Bliemel (2001), S. 30ff.

13 Vgl. z.B. Becker (1998), S. 1ff.

14 Vgl. auch Kühn (1991), S. 102

15 Vgl. Kühn/ Fasnacht (2002), S. 29

16 Vgl. auch Bleicher (1986), S. 100

17 Vgl. Kühn (1991), S. 100f.

18 Vgl. z.B. Stock (2002), S. 59ff. oder Homburg/ Stock (2002), S. 123ff.

19 Vgl. auch Kühn (1991), S. 105f.

20 Vgl. u.a. Narver/ Slater (1990), S. 20ff., Jaworski/ Kohli (1993), S. 53ff., Fritz (1995), Homburg (2000)

21 Vgl. auch Kühn (1991), S. 106

2 Marktgeschehen als System

Im ersten Abschnitt des 2. Kapitels wird gezeigt, wie mit Hilfe des Systemansatzes die Struktur eines Marktes erfasst werden kann. Anschliessend werden die wichtigsten Elemente (Abschnitt 2.2) und die zu ihrer Beschreibung relevanten Eigenschaften erläutert (Abschnitt 2.3). Im Abschnitt 2.4 folgt dann eine Darstellung der Instrumente, welche dem Unternehmen zur Beeinflussung des Marktgeschehens zur Verfügung stehen. Abschliessend (Abschnitt 2.5) wird anhand eines konkreten Beispiels die Anwendung des Systemansatzes zur Beschreibung des Marktgeschehens illustriert.

2.1 Erfassung der Marktstruktur mit Hilfe des Systemansatzes

Zur Lösung praktischer Probleme müssen im Allgemeinen Informationen und Erkenntnisse aus verschiedenartigen Wissensbereichen beigezogen werden. Dies gilt auch für Marketingprobleme. Für deren Behandlung sind neben dem Marketing und weiteren Teildisziplinen der Betriebswirtschaftslehre insbesondere folgende Wissensbereiche von Bedeutung:

 Verhaltenswissenschaften, insbesondere Psychologie (z.B. Erkenntnisse zur Erklärung des Kauf- und Konsumverhaltens)

 Volkswirtschaftslehre (z.B. Erkenntnisse zur Prognose gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen)

 Rechtswissenschaften (z.B. Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen)

 Ingenieur- und Naturwissenschaften (z.B. Informationen über Produkteigenschaften und Produktionsprozesse)

Um die Erkenntnisse aus allen relevanten Wissensbereichen bei Marketingüberlegungen berücksichtigen zu können, wird ein Gedankenrahmen benötigt. Dieser soll es ermöglichen, die verschiedenen Aspekte des Marktgeschehens systematisch zu erfassen und abzubilden. Einen derartigen Gedankenrahmen bietet der Systemansatz. Seine Anwendung erlaubt es, das komplizierte Netz von Beziehungen zwischen den Menschen, die am Austauschprozess eines Marktes teilnehmen, zu ordnen und in seinen Zusammenhängen zu begreifen. Menschen spielen im Markt sowohl als Mitglieder von Organisationen (Unternehmen, staatlichen Institutionen etc.) als auch als Privatpersonen eine zentrale Rolle. Sie bestimmen letztlich das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.

 

Der Systemansatz wurde insbesondere von Ulrich als Hilfsmittel zur Erfassung betriebswirtschaftlicher Tatbestände propagiert.1 Für seine Anwendung ist die Definition des Systembegriffs von zentraler Bedeutung.

Ein System wird im Allgemeinen verstanden als

 eine geordnete Gesamtheit von Elementen,

 die bestimmte Eigenschaften oder Merkmale aufweisen und

 zwischen denen Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können.

Diese Begriffsumschreibung ist formal und abstrakt. Ein System gewinnt erst konkreten Inhalt, wenn man ausgehend von einem bestimmten Anwendungszweck festlegt, was als System, als Elemente und als Beziehungen angesehen werden soll.

Der aus Marketingsicht interessierende Anwendungszweck des Systemansatzes ist die Beschreibung des Marktgeschehens als Grundlage für ein besseres Verständnis der Marktzusammenhänge und Marktentwicklungen. Bezogen auf diesen Zweck liegt es nahe,

 als System einen spezifischen Absatzmarkt zu wählen,

 Elemente als Gruppen von Unternehmen, von anderen Organisationen oder von Einzelpersonen aufzufassen, die im Austauschprozess des Marktes spezifische Rollen spielen (z.B. Konsumenten, Handel, Konkurrenten),

 die Beziehungen in erster Linie als Übertragung von materiellen Gütern, Dienstleistungen, Informationen und Geldmittel zwischen diesen Elementen zu definieren und

 von den vielen möglichen Eigenschaften, mit denen die Elemente näher beschrieben werden können, vor allem jene zu beachten, die das Kaufverhalten der Produktverwender und das Angebotsverhalten der Hersteller beeinflussen (z.B. die Bedürfnisse der Produktverwender sowie alle diese Bedürfnisse mitbeeinflussenden Faktoren).

Das Marktsystem ist in die marktrelevante Umwelt eingebettet. Entwicklungen von Umweltfaktoren verändern die Eigenschaften der Systemelemente und beeinflussen damit wesentlich die langfristige Entwicklung des betrachteten Marktes. Im Allgemeinen werden folgende Arten von Umweltfaktoren unterschieden:

 Wirtschaftliche Umweltfaktoren (z.B. konjunkturelle Situation, Wechselkurse, Rohstoffpreise)

 Demographische und soziale Umweltfaktoren (z.B. Alters- und Einkommensstruktur der Bevölkerung, Wertewandel, Interessenverbände)

 Technologische und ökologische Umweltfaktoren (z.B. neue Technologien, Umweltbelastung)

 Politische und rechtliche Umweltfaktoren (z.B. Steuersystem, Wettbewerbspolitik, Markenrechte)

Abbildung 2-1 zeigt eine standardisierte Darstellung eines Marktes als System. Die Struktur dieses Marktsystems dürfte für eine Reihe von Konsumgütermärkten typisch sein, muss aber für viele Dienstleistungs- und Investitionsgütermärkte entsprechend den dort herrschenden Verhältnissen angepasst werden. Es kommt vor allem häufig vor, dass kein Element „Handel“ vorhanden ist oder dass mehrere Stufen von Handelsorganisationen oder von Produktverwendern zu berücksichtigen sind.


Abb. 2-1: Das Marktgeschehen als System

2.2 Elemente des Marktgeschehens

In Abbildung 2-1 werden folgende Elemente unterschieden:

 das Unternehmen, aus dessen Sicht die Marktsituation erfasst werden soll

 die Konkurrenzunternehmen, die im gleichen Markt aktiv sind

 die Produktverwender, die als Käufer und Verwender im Markt auftreten

 die Absatzmittler, insbesondere die Händler, die in der Distribution und/ oder im Verkauf eine Rolle spielen

 externe Beeinflusser, deren Meinungen für die Kaufentscheide der Produktverwender und u.U. auch der Absatzmittler von Bedeutung sind

2.2.1 Eigenes Unternehmen und Konkurrenzunternehmen

Die Elemente „eigenes Unternehmen“ und „Konkurrenzunternehmen“ repräsentieren die Angebotsseite des betrachteten Marktes. Die Begriffe sind nicht weiter erklärungsbedürftig. Es sind jedoch einige ergänzende Bemerkungen am Platz, um ihre Anwendung zur Erfassung des Marktgeschehens zu präzisieren.

Unternehmen sind oft mit verschiedenen Angeboten auf mehreren, wenn nicht vielen Märkten tätig. Im vorliegenden Zusammenhang geht es um die Beschreibung eines spezifischen Absatzmarktes und der für ihn relevanten Anbieter. Es macht deshalb Sinn, als „eigenes Unternehmen“ nur jene Unternehmensteile und Ressourcen für eine Marktanalyse zu berücksichtigen, die für die Gestaltung des marktrelevanten Angebots von Bedeutung sind. Speziell bei grossen diversifizierten Firmen sind in diesem Sinn je nach betrachtetem Markt nur bestimmte Sparten, Betriebsgesellschaften oder Vertriebsniederlassungen als Gestalter des konkret interessierenden Marketingmix zu erfassen. Andererseits ist zu beachten, dass zur Gestaltung und Realisierung des Marketingmix auf die Leistungen anderer Gesellschaften des Unternehmens und insbesondere auch auf Leistungen von unternehmensexternen Lieferanten zurückgegriffen werden kann. Man denke etwa an Werbeagenturen, Transportunternehmen und Lohnproduzenten, deren Beitrag zum Marketingerfolg einer Firma wesentlich sein kann. Für eine umfassende Analyse z.B. von Stärken und Schwächen erscheint es deshalb oft zweckmässig, gewisse interne und externe Leistungserbringer als Teil des Elements „eigenes Unternehmen“ aufzufassen.

Als Wettbewerber sind in vielen Märkten neben den direkten Konkurrenten, die im Wesentlichen technologisch vergleichbare Produkte anbieten, sog. Substitutionskonkurrenten zu beachten. Darunter versteht man Anbieter, welche die für den betrachteten Markt relevanten Kundenbedürfnisse mit Hilfe technologisch andersartiger Leistungen zu befriedigen suchen. So wird z.B. die Schweizer Post in ihrem angestammten Markt für Briefpost nicht nur in zunehmenden Masse von ausländischen Postunternehmen als direkten Konkurrenten, sondern insbesondere auch von E-Mail-Anbietern als Substitutionskonkurrenten bedrängt. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Substitutionskonkurrenz: Man kann sie entweder in das Element „Konkurrenzunternehmen“ integrieren, oder als Umweltfaktor auffassen, welcher die Nachfrage im betrachteten Markt negativ beeinflusst. Im Allgemeinen wird geraten, sie als Umweltfaktoren aufzufassen, um das (im Detail) zu analysierende System nicht zu überlasten und den Analyseaufwand zu begrenzen. Eine Integration in das Element „Konkurrenzunternehmen“ ist nur zu empfehlen, wenn zu spezifischen Substitutionskonkurrenten besonders intensive, für die Gestaltung spezifischer Marketingmassnahmen wichtige Wettbewerbsbeziehungen existieren.

2.2.2 Produktverwender

a) Begriffe und Arten

Das Element „Produktverwender“ erfasst alle effektiven und potentiellen Nachfrager im betrachteten Markt. In Anlehnung an das anglosächsische Wort „enduser“ wird bewusst ein Ausdruck gewählt, der marktunabhängig ist und deshalb zur Beschreibung von Konsumgüter-, Industriegüter- als auch Dienstleistungsmärkten eingesetzt werden kann.

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Produktverwendern unterscheiden. In Konsumgüter- und Konsumdienstleistungsmärkten bzw. im „B2C“ (Business to Consumer) Geschäft sind Produktverwender private Haushalte oder auch Einzelpersonen, welche die im Markt angebotenen Leistungen zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse gebrauchen oder verbrauchen. In Märkten für Industriegüter und professionelle Dienstleistungen bzw. im „B2B“ (Business to Business) Geschäft dagegen agieren als Produktverwender Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und andere Organisationen, welche die im Markt angebotenen Leistungen zur Produktion der von ihnen auf anderen Märkten oder für andere Zwecke angebotenen Produkte bzw. Dienstleistungen einsetzen. Die Unterscheidung der beiden Produktverwendertypen erscheint wichtig, da die Kaufentscheide im privaten und im geschäftlichen Bereich jeweils von anderen Faktoren abhängen und dementsprechend auch andere Marketingmassnahmen zu ergreifen sind, um im entsprechenden Markt erfolgreich zu sein.

b) Käufer und interne Beeinflusser

Um Marketingmassnahmen in sinnvoller Weise planen und gestalten zu können, muss man wissen, wer bzw. welche Person als Käufer, Verbraucher oder Anwender in seinem Verhalten beeinflusst werden soll. Es reicht deshalb nicht, bestimmte Haushalte oder Unternehmen als Produktverwender und damit als mögliche Kunden zu identifizieren. Um das Marktgeschehen wirklich zu verstehen, muss man offensichtlich herausfinden, wer als Person oder Personengruppe effektiv den Kaufentscheid fällt und welche weiteren Personen diesen gegebenenfalls beeinflussen.

Um die Rollen, die verschiedene Personen in Kaufentscheidungen spielen, präziser erfassen zu können, wird in Abbildung 2-1 vorgeschlagen, zwei Personengruppen auseinander zu halten:

 Als Käufer werden alle Personen bezeichnet, die effektiv den Kaufentscheid treffen, d.h. zwischen den Marktleistungen der verschiedenen Anbieter wählen.

 Den Käufern zugeordnet sind die internen Beeinflusser, die dem gleichen Haushalt oder dem gleichen Unternehmen angehören und beeinflussend auf den Kaufentscheid einwirken.2

In Konsumgütermärkten werden häufig die den Haushalt führenden Personen (die „Hausfrau“ oder der „Hausmann“) die einzukaufenden Produkte wählen und damit die Rolle des Käufers übernehmen. Die übrigen Familienmitglieder reden jedoch, je nach Interesse am zu kaufenden Produkt, mit und werden damit wichtige interne Beeinflusser. So konstatiert man z.B. eine steigende Bedeutung der Kinder, wenn es um den Einkauf von Dessertprodukten oder Soft-Drinks geht. Bei Gebrauchsgütern, wie z.B. Hifi-Geräten oder Kameras, können verschiedene Familienmitglieder die Rolle des Käufers übernehmen oder es kann auch zu Kollektiventscheidungen kommen, bei denen verschiedene Personen mehr oder weniger gleichgewichtig „mitreden“. Daneben existieren aber natürlich – wenn auch seltener als man meinen könnte – Märkte, in denen im Allgemeinen Einzelpersonen allein, ohne wesentlichen Einfluss durch andere Haushaltsmitglieder die Kauf- und Konsumentscheide fällen. Man denke etwa an Zigaretten, Pausensnacks oder Coiffeurdienstleistungen.

In Industriegütermärkten ergeben sich besondere Schwierigkeiten, da häufig eine Vielzahl von Personen am Kaufentscheid teilnimmt und der sogenannte Einkäufer zuweilen nur die Aufträge der wirklich kaufentscheidenden Person ausführt. In solchen Fällen bedarf es oft eingehenderer Untersuchungen, um festzustellen, wer in Tat und Wahrheit die Kaufentscheide fällt und wer sonst noch als Beeinflusser von Bedeutung ist. In der Literatur zum Industriegütermarketing wird der Ausdruck „buying center“ gebraucht, um die spezielle Art des Zusammenwirkens der kaufbeeinflussenden Personen zu bezeichnen.

c) Marktsegmente

Es gibt nur wenige Märkte, in denen die Bedürfnisse der Produktverwender sich nicht oder nur unwesentlich unterscheiden. Man spricht in diesen Märkten von einer homogenen Nachfrage, d.h. alle Produktverwender entscheiden nach gleichen Kriterien, welche Angebote sie kaufen und bilden demgemäss eine aus Marketingsicht nicht weiter zu unterteilende Zielgruppe. Als Beispiele für solche Situationen werden etwa der Zementmarkt sowie gewisse Rohstoffmärkte aufgeführt. Im Allgemeinen gilt in derartigen Märkten der Preis als kaufentscheidendes Marketinginstrument.

In der übergrossen Mehrzahl der Märkte ist die Nachfrage dagegen mehr oder weniger heterogen. Oder anders ausgedrückt, es existieren Gruppen von Produktverwendern mit unterschiedlichen Bedürfnissen, die als Marketingzielgruppen auf bestimmte Marketingmixes verschieden reagieren. Derartige Produktverwendergruppen werden in der Marketingfachsprache als Marktsegmente bezeichnet.

Präziser werden Marktsegmente definiert als

 Gruppen von Personen oder Organisationen,

 die in Bezug auf die Marktleistungen unterschiedliche Bedürfnisse haben und

 

 deshalb auch ein verschiedenartiges Kauf- und Verbrauchsverhalten aufweisen.

So lassen sich z.B. im Markt für Bürostühle folgende Marktsegmente unterscheiden:

 das Segment der vorwiegend designbewussten Produktverwender, das unter anderem Architekten, Berater, Ärzte und weitere freie Berufe umfasst, für die ein repräsentativ eingerichtetes Büro wichtig erscheint

 das Segment der vorwiegend qualitätsbewussten Produktverwender, zu dem die meisten mittleren und grossen Dienstleistungs- und Industrieunternehmen sowie die Verwaltungen zu zählen sind

 das Segment der vorwiegend preisbewussten Käufer, in dem viele Kleinbetriebe und Handwerker, aber auch Leute, die sich im Privathaus ein Büro einrichten, zu finden sind

Die Beschreibung dieser Segmente ist nicht vollständig – weder bezüglich der notwendigen quantitativen Informationen pro Segment noch bezüglich weiterer qualitativer Merkmale der für die Segmente typischen Unternehmen/ Personen. Sie soll lediglich veranschaulichen, was mit dem Begriff Marktsegment in der Praxis gemeint ist. Für eine problemgerechte Umschreibung der Segmente eines Marktes benötigt der Marketingfachmann meist eine ganze Reihe soziodemographischer, individual- und sozialpsychologischer, im Investitionsgütersektor auch unternehmensspezifischer Merkmale der unterschiedenen Produktverwendergruppen.

Im einfachsten Fall werden Marktsegmente unter Anwendung von wenigen, möglichst leicht erfassbaren „Segmentierungskriterien“ definiert. So ist es z.B. in Konsumgütermärkten üblich, mit Hilfe sogenannter Kaufkraftklassen drei Segmente von Haushalten mit hohem (Kaufkraftklasse I und II), mittlerem (Kaufkraftklasse III) und niedrigem Einkommen (Kaufkraftklasse IV) zu unterscheiden. Oder es werden im Industriegütermarketing die Unternehmensgrösse der Kunden herangezogen, um Segmente wie „Grossunternehmen“ (ab 1000 Mitarbeiter), „mittelgrosse Unternehmen“ (100 bis 999 Mitarbeiter), „Kleinunternehmen/ Gewerbebetriebe“ (bis 99 Mitarbeiter) zu bilden.

Derartige, auf einfache Art definierte Segmente werden auch, da die Marketingfachleute die Segmentierungskriterien normalerweise ohne spezifische Untersuchungen selbst definieren, a priori Segmente genannt. In diesem Buch werden sie als Grobsegmente bezeichnet, da sie nur ein extrem grobes Abbild von den im Markt real existierenden Bedürfnisunterschieden und entsprechenden Produktverwendergruppen vermitteln. So dürften z.B. die Kaufkraftklassen nur beschränkte Hinweise dafür bieten, ob bestimmte Personen bereit sind, für modische Jeans einen höheren Preis zu zahlen. Auch in der höchsten Kaufkraftklasse wird es Leute geben, die sich mit einfachen markenlosen Produkten begnügen, und in den niedrigeren Kaufkraftklassen werden „Modefans“ bereit sein, für ihre Marke einen Aufpreis zu zahlen.

Mit Hilfe von wenigen Segmentierungskriterien bestimmte Grobsegmente stehen offensichtlich nur in einem losen Zusammenhang mit dem Kauf- und Verbrauchsverhalten. Sie enthalten zudem zu wenige Informationen für eine gezielte segmentorientierte Ausgestaltung des Marketingmix. Deshalb wird heute vermehrt empfohlen, zur Ermittlung der real existierenden Marktsegmente eine Marktforschung (normalerweise eine Befragung bei einer grösseren Personenstichprobe) durchzuführen, die es erlaubt, die Segmente mit Hilfe einer grösseren Zahl von Kriterien als Ergebnis einer multivariaten statistischen Analyse (meist in Form einer Clusteranalyse) zu ermitteln. Da die Segmente nach der Untersuchung aufgrund der Untersuchungsresultate ohne wesentliche subjektive Kriterienvorgaben durch die Marketingverantwortlichen entstehen, spricht die Literatur auch von a posteriori Segmenten. Aus praxisorientierter Sicht wird in diesem Buch für diese zweite Art der Segmentdefinition der Ausdruck fundierte Segmente vorgezogen. B 2-1 enthält ein Beispiel zur Illustration des Konzepts fundierter Marktsegmente.

B 2-1: Empirisch fundierte Marktsegmente3

Auf der Basis einer repräsentativen Erhebung des Reiseverhaltens bei 2000 Haushalten wurden durch das Institut für öffentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universität St. Gallen für den Schweizer Reisemarkt vier Marktsegmente ermittelt, die wie folgt charakterisiert werden:

Segment 1: „Emotionslose Alleinreisende“

16.8% der Reisenden sind diesem Segment zuzuordnen. Es handelt sich dabei um überwiegend junge Reisende (60% jünger als 35 Jahre), die keine besonderen Anforderungen stellen. Als Reisegrund stehen Verwandtenbesuche und andere, auch nichtberufliche, ‚Zwangsfaktoren‘ im Vordergrund. Wegen der geringen Reisemotivation sind die Reisen dann auch sehr kurz (60% kürzer als drei Übernachtungen).

Segment 2: „Kulturorientierte Hedonisten“

Dieses Segment umfasst 21.7% der Reisenden. Die kulturorientierten Hedonisten begeistern sich vor allem für Kultur, aber auch Natur und legen einen hohen Wert auf Komfort. Es handelt sich dabei um zumeist gut ausgebildete Personen ab 45 Jahren, die oft aus Zweipersonenhaushalten stammen und meist auch zu zweit reisen. Die vorherrschenden Reisetypen sind Rundreisen, Städte- sowie Studienreisen.

Segment 3: „Familienorientierte“

28.7% der Reisenden sind diesem Segment zuzuordnen. Das wichtigste Reisemotiv ist, Zeit mit der Familie zu verbringen. Relativ wichtig ist aber auch noch die Möglichkeit, Sport zu treiben. Ca. 30% der Reisenden in diesem Segment sind jünger als 15 Jahre und reisen demnach zusammen mit drei oder vier anderen Personen aus dem gleichen Haushalt. Die Reisetypen sind hier in erster Linie Verwandtenbesuche sowie Sommer- und Winterferien in den Bergen.

Segment 4: „Me(e/a)t-Marketer“

Bei diesem Segment handelt es sich mit 32.8% um die zahlenmässig stärkste Gruppe. Höchstes Gewicht hat das Motiv, Zeit für den Partner zu haben. Weiterhin wichtig sind auch die Möglichkeiten, Sport zu treiben, etwas für die Schönheit zu tun, sich zu sonnen, zu baden und flexibel zu sein. Bei diesem Segment handelt es sich einerseits um Familien mit Teenagern und andererseits um junge Reisende. Vorherrschende Reisetypen sind Badeferien sowie Ferien im Schnee.

Die Bedeutung der Marktsegmente liegt darin, dass sie entsprechend den Grundprinzipien des bedürfnisorientierten Marketing nach Angeboten verlangen, welche den spezifischen Bedürfnissen der entsprechenden Produktverwendergruppe angepasst sind. Die Nichtbeachtung dieses Prinzips wurde Henry Ford fast einmal zum Verhängnis, als er mit seinem berühmten Modell „Ford T“ weiterhin versuchte, den Gesamtmarkt zu bearbeiten, obwohl sich längst Marktsegmente gebildet hatten.

Nicht zu verwechseln mit den am Typ des Produktverwenders orientierten Marktsegmenten sind „Teilmärkte“.

Diese Bezeichnung wird verwendet, wenn ein Markt unter Benutzung von (häufig technischen) Produktmerkmalen in Untermärkte zerlegt wird. So kann beispielsweise der Uhrenmarkt unterteilt werden in die Teilmärkte Armbanduhren, Taschenuhren, Wanduhren, Standuhren und Wecker.

2.2.3 Absatzmittler

a) Begriffe und Arten

Absatzmittler gibt es in vielen Märkten. Sie sind gleichzeitig Kunden der Hersteller und Anbieter, die als Erbringer von Distributionsleistungen einen Marketingmix gestalten. Generell sind zwei Arten von Absatzmittlern zu unterscheiden.

In den meisten Konsumgüter- und gewissen Industriegütermärkten fungieren Handelsunternehmen als Verteiler oder Distributoren.

Handelsunternehmen kaufen gebrauchs- oder verbrauchsfertige Produkte der Hersteller und verkaufen sie weitgehend unverändert an Produktverwender.

Handelt es sich bei den angesprochenen Produktverwendern um Privathaushalte, werden die entsprechenden Distributoren als „Einzelhändler“ oder „Detailhändler“ bezeichnet. Beispiele reichen von Grossunternehmen wie Migros, Coop über mittelgrosse Verteiler wie Interdiscount, Mediamarkt bis zu Klein- und Kleinstfirmen in Form von klassischen Lebensmittelgeschäften (man spricht auch von „Tante Emma Läden“) und Modeboutiquen. Erfolgt der Verkauf dagegen primär an Unternehmen, Verwaltungen oder an andere Händler (insbesondere Detailhändler), so spricht man von „Grosshändlern“ oder „Grossisten“. Diese haben in vielen Märkten ihre frühere Bedeutung verloren, da grosse Hersteller mit grossen Detailhandelsunternehmen direkt in Kontakt stehen und keine weiteren Vermittler benötigen. Es gibt jedoch weiterhin eine Reihe von Märkten, in denen die Grosshandelsstufe eine Rolle spielt. Als Beispiele lassen sich u.a. der „Baumaterialhandel“, der auf den Verkauf an Landwirtschaftsunternehmen spezialisierte „Landhandel“ oder der „Gastronomie-Grosshandel“ als Belieferer der Gaststätten, Hotels und Kantinen erwähnen.

Die zweite Art von Absatzmittlern, Absatzmittler im engeren Sinne, umfassen Unternehmen, die auf fremde Rechnung, normalerweise gegen Provision, Vertragsabschlüsse zwischen Anbietern von materiellen Gütern insbesondere aber auch von Dienstleistungen und Produktverwendern vermitteln.