Sozialrecht

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3.4HILFE ZUM LEBENSUNTERHALT NACH DEM 3. KAPITEL SGB XII – LEISTUNGSBERECHTIGTE

Das 3. Kapitel ist das Auffangbecken für alle Leistungsberechtigten, die weder einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch noch nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buchs haben. Leistungen nach dem SGB II, insbesondere Sozialgeld, gehen dem Anspruch nach dem 3. Kapitel vor (§ 5 Abs. 2 SGB II).

Für die Hilfe zum Lebensunterhalt (HzL) sind im 3. Kapitel des SGB XII keine besonderen persönlichen Voraussetzungen beschrieben. In § 19 Abs. 1 i. V. m § 27 Abs. 1 SGB XII wird lediglich auf die Hilfebedürftigkeit abgestellt.

Dies können u. a. Personen sein, die eine volle Erwerbsminderung auf Zeit anerkannt bekommen haben und allein im Haushalt leben oder mit anderen Personen zusammenleben, die die Voraussetzungen für den SGB-II-Bezug auch nicht erfüllen.

3.5ABGRENZUNG DER BEREICHE – PRÜFSCHEMA


3.5.1Merksätze zur Abgrenzung der Leistungen

•Sobald eine Person in der Bedarfsgemeinschaft die Voraussetzungen nach dem SGB II erfüllt, können auch für nicht Erwerbsfähige SGB-II-Leistungen (Sozialgeld) erbracht werden.

•Auch Kinder können die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person im SGB II sein, sofern sie das 15. Lebensjahr vollendet haben und erwerbsfähig sind.

•Altersrentner und auf Dauer voll Erwerbsgeminderte können niemals SGB-II-Leistungen beziehen (auch kein Sozialgeld).

•Es kann immer nur eine existenzsichernde Leistung pro Person bezogen werden.

•Innerhalb eines Haushalts ist es möglich, dass unterschiedliche Leistungen bezogen werden, sog. Mischbedarfsgemeinschaften.

•Für den Bezug existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II muss man nicht arbeitslos sein, allein auf die Bedürftigkeit kommt es an.

•Für den Leistungsanspruch nach dem 4. Kapitel SGB XII (GruSi im Alter und bei voller Erwerbsminderung) kommt es auf den tatsächlichen Rentenanspruch/-bezug nicht an.

•Alle Leistungen werden nach dem Bedarfsdeckungsprinzip gewährt, d. h., es wird der Bedarf inkl. Kosten der Unterkunft und evtl. Mehrbedarfe ermittelt. Vorhandenes Einkommen und Vermögen und evtl. andere vorrangige Leistungen mindern den Bedarf. Kann der Bedarf nicht aus den vorhandenen Mitteln gedeckt werden, werden existenzsichernde Leistungen ganz oder teilweise (aufstockend) gewährt.

•Kann der Bedarf gedeckt werden, sind existenzsichernde Leistungen abzulehnen.

Über die Prüfreihenfolge der Abgrenzung der drei Bereiche gibt es verschiedene Lehrmodelle. So ist es aus Sicht des Verfassers Geschmackssache, ob man erst die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II prüft oder mit der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des 4. Kapitels SGB XII begonnen wird.


Da in diesem Kapitel der Schwerpunkt auf die Leistungen nach dem SGB II gelegt wird, empfiehlt der Verfasser, mit der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen nach SGB II zu beginnen. Der dritte Teil dieses Buchs befasst sich schwerpunktmäßig mit dem SGB XII. Dort ist unter Abschnitt E ein anderes Prüfschema zu finden. Dort beginnt die Prüfung mit den Anspruchsvoraussetzungen des 4. Kapitels SGB XII.

Beide Prüfschemata sind zielführend und in der Begründung einschlägig.

Prüfschritte:

Liegt Ihnen zur Prüfung ein Fall mit mehreren Personen vor, so empfiehlt es sich, mit der Prüfung der Person zu beginnen, die voraussichtlich den Anspruch auf Arbeitslosengeld II i. S. d. § 19 Abs. 1 SGB II haben wird. Dies erleichtert im Anschluss die weitere Prüfung von Personen, die mit ihm/ihr in einer Wohngemeinschaft oder gar in einer Bedarfsgemeinschaft leben.

Die nachfolgende Grafik zeigt Ihnen die Prüfschritte auf:


3.5.2Übungsfälle zur Abgrenzung der Bereiche

Die Lösungen zu den Übungsfällen finden Sie unter Kapitel 4.11.

Fall 1

Matthias, 27 Jahre alt, erwerbsfähig, ist wohnhaft in Düsseldorf.

Fall 2

Ella ist 58 Jahre alt. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die befristet bewilligt wurde.

Fall 3

Günther ist 72 Jahre alt und bezieht Altersrente.

Fall 4

Mike ist 32 Jahre alt und laut Gutachten der Deutschen Rentenversicherung auf Dauer voll erwerbsgemindert. Er bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer.

Fall 5

Ines ist 32 Jahre alt und erwerbsfähig. Ihr Ehemann Gustel ist 49 Jahre alt und bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Prüfen Sie, welche Leistungen Gustel erhalten kann.

Fall 6

Mohammed ist 42 Jahre alt und nicht mehr ganz der fitteste. Von Geburt an leidet er an einer Generkrankung. Er darf laut einem ärztlichen Gutachten keine Tätigkeiten über Kopf verrichten und keine Nachtarbeit. Er ist verheiratet mit Enya. Enya ist 37 Jahre alt. Enya ist auf Grund eines ärztlichen Gutachtens für erwerbsunfähig erklärt worden. Sie muss in 3 Jahren zu einer erneuten Begutachtung. Laut ihren Ärzten besteht bei Ihrer Krebserkrankung noch eine Heilungsaussicht und somit eine Aussicht die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen.

In ihrem Haus wohnen neben die gemeinsamen 19 jährige Tochter Sarah auch noch Fine, die Mutter von Enya. Sie ist 72 Jahre alt und bezieht eine Witwenrente. Ansprüche auf Altersrente hat sie nicht erworben.

Sarah ist seit 3 Monaten verheiratet. Ihr Mann lebt aber noch in der Türkei. Enya ist im 6. Monat schwanger. Die Ärzte stufen die Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft ein. Ihr wurde ein Beschäftigungsverbot bis zur Geburt ausgesprochen.

Mohammed und Enya haben sie sich vor 3 Jahren beim Jugendamt als Pflegeeltern registrieren lassen. Sie haben vor 5 Monaten den kleinen Max als Pflegekind aufgenommen. Max ist 6 Jahre alt.

Mohammed will nun von der Sachbearbeiterin wissen, ob alle die in seinem Haushalt leben, SGB II Leistungen oder sowas ähnliches beantragen.

Weitere Übungsfälle und Lösungen dazu finden Sie im dritten Teil in Kapitel 4.11. Die Lösungen in diesem Abschnitt sind nur nach einer anderen Prüfreihenfolge dargestellt.

4Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im SGB II

Im Unterrichtsfach Sozialrecht unterliegt es dem Wahlrecht des Dozenten, den Schwerpunkt im Bereich SGB II oder im SGB XII zu setzen. Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Leistungsrecht des SGB II im Schwerpunkt. Der dritte Teil des Buchs befasst sich unter den Abschnitten 5 und 6 mit dem Schwerpunkt SGB XII.

4.1ANTRAG/BEDARFSZEITRAUM/BERECHNUNG DER LEISTUNG BZW. ABGRENZUNG DER LEISTUNGSBEREICHE
4.1.1Antragserfordernis (37 Abs. 1 SGB II)

Leistungen nach dem SGB II werden auf Antrag erbracht (§ 37 Abs. 1 SGB II). Diese Regelung macht einen Antrag auf diese Leistungen zwingend erforderlich. Zur Beantragung der Leistungen werden u. a. von der Bundesagentur für Arbeit Vordrucke zur Verfügung gestellt. Die Antragstellung kann jedoch formlos erfolgen. Für eine wirksame Antragstellung sind die Formulare der Bundesagentur nicht zwingend erforderlich.

Der Antrag ist gemäß § 16 Abs. 1 SGB I beim zuständigen Leistungsträger zu stellen, d. h. beim sachlich und örtlich zuständigen Träger. Anträge, die beim unzuständigen Träger gestellt werden, sind von der unzuständigen Behörde an den zuständigen Träger weiterzuleiten.

Nach der herrschenden Rechtsprechung gilt der einmal gestellte Leistungsantrag als allumfassender Antrag. Das heißt, dass er sehr weit auszulegen ist. Nach Auffassung der Gerichte umfasst der Antrag damit alle zustehenden Leistungen, es sei denn, eine Spezialnorm im SGB II erfordert dafür nochmals eine gesonderte Antragstellung, z. B. wenn ein Darlehen benötigt wird.

4.1.2Leistungsbeginn/Berücksichtigung von Schulden (§ 37 Abs. 2 SGB II)

Der Antrag auf Grundsicherungsleistungen wirkt auf den 1. des Monats zurück, in dem er gestellt wird (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II).

Es werden keine Leistungen für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Das heißt, Schulden finden im SGB II keine Berücksichtigung, da die Forderung vor Antragstellung entstanden und fällig geworden ist.

4.1.3Berechnung der Leistung/Bedarfszeitraum (§ 41 SGB II)

Die Leistung wird taggenau berechnet, d. h., besteht der Leistungsanspruch nicht für den gesamten Monat, werden die Leistungen anteilig berechnet und erbracht. Der Monat wird mit 30 Anspruchstagen berechnet (§ 41 Abs. 1 SGB II).

Bisher war gesetzlich geregelt, dass die Leistungen für einen Bewilligungszeitraum von sechs Monaten bewilligt werden sollen. Mit dem Inkrafttreten des 9. Änderungsgesetzes SGB II wurde diese Regelung zum 01.08.2016 neu gefasst. Über den Leistungsanspruch ist demnach in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Ermessensentscheidung). Der Bewilligungszeitraum wurde damit auf zwölf Monate für den Regelfall festgelegt. Bei vorläufigen Bewilligungen, wenn z. B. die Leistungshöhe wegen schwankenden Erwerbseinkommens noch nicht festgestellt werden kann, und bei unangemessenen Kosten für Unterkunft soll (gebundenes Ermessen) der Bewilligungsabschnitt auf sechs Monate verkürzt werden.

Da die Regelung im Ermessen steht, kann der Bewilligungszeitraum auch kürzer als zwölf Monate festgesetzt werden, wenn beispielsweise schon bekannt ist, dass der Leistungsberechtigte keine zwölf Monate die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen wird, denkbar bei geplanten Umzügen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs, bei befristeten Aufenthaltstiteln bei Ausländern oder bei Erreichen der Altersgrenze nach § 7a SGB II (Renteneintrittsalter).

 

4.1.4Zuständigkeit (§§ 6, 6a, 6d SGB II, § 36 SGB II)

Träger der Grundsicherung sind für die Bundesleistung die Bundesagentur für Arbeit und für die kommunalen Leistungen die kreisfreien Städte und Kreise.

Die kommunalen Träger sind demnach für folgende Leistungen zuständig:

•§ 16a kommunale Eingliederungsleistungen

•§ 22 Kosten der Unterkunft

•§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, 4 einmalige Beihilfen

•§ 28 Bildung und Teilhabeleistungen


Die Agentur für Arbeit ist für die Finanzierung und Erbringung aller anderen Leistungen zuständig, u. a. für die Regelleistung, die Mehrbedarfe und die Kranken- und Pflegeversicherungsbedarfe.

Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt in geteilter Trägerschaft, jedoch in der Regel in Form einer Arbeitsgemeinschaft, einer gemeinsamen Einrichtung. In dieser sind beide Träger an der personellen Ausstattung beteiligt. Die Aufgaben werden jedoch unter einem Dach wahrgenommen, d. h., liegt ein Antrag auf Leistungen vor, wird dieser einheitlich aus der Hand eines Sachbearbeiters bearbeitet. Die sog. gemeinsame Einrichtung trägt den Namen Jobcenter (§ 6d SGB II). Bis 2010 hießen die Jobcenter „ARGE“ und bezeichneten die Arbeitsgemeinschaft zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den jeweiligen kommunalen Trägern zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II. Ziel der gemeinsamen Einrichtungen ist die Leistungserbringung aus einer Hand. Es soll die doppelte Antragstellung bei verschiedenen Trägern vermieden werden.

Anstelle der gemeinsamen Einrichtungen gab es für die kommunalen Träger die Möglichkeit, die Aufgaben in alleiniger Regie ohne die Bundesagentur für Arbeit wahrzunehmen. Die rechtliche Grundlage ist in § 6a SGB II zu finden.

In diesem Fall übernimmt die Kommune optional die Aufgaben der Bundesagentur in eigener Zuständigkeit mit.

Diese Organisationsform nennt man deshalb auch Optionskommune oder zugelassener kommunaler Träger (zkT).

In Deutschland gibt es seit 01.01.2012 110 Optionskommunen, 18 davon in NRW.

Die örtliche Zuständigkeit ist im § 36 SGB II geregelt. Dabei besteht die Besonderheit, dass es bei den Leistungen nach dem SGB II zwei zuständige Leistungsträger gibt.

Zuständig sind zum einen die Agentur für Arbeit, in dessen Bezirk der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, als auch kommunale Träger, in dessen Zuständigkeit der gewöhnliche Aufenthalt liegt.

In dieser Norm wird auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat man an dem Ort, wo man sich überwiegend aufhält und wo man nicht nur vorübergehend verweilt. In der Regel ist der gewöhnliche Aufenthalt also dort, wo der Betroffene seinen Wohnsitz (seinen Lebensmittelpunkt) hat. Der Wohnsitz ist durch die polizeiliche Meldung im Einwohnermeldeamt auf den entsprechenden Ausweispapieren nachzuweisen. Der gewöhnliche Aufenthalt kann aber auch von der polizeilichen Meldeadresse abweichen. In diesem Fall muss der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt glaubhaft nachweisen.

4.1.5Abgrenzung der Leistungsbereiche im SGB II – Markt und Integration und Leistungsabteilung

Die Organisation der Sozialleistungsträger des SGB II sieht in der Regel zwei große Leistungsbereiche vor, den aktiven Bereich „Markt & Integration“ (umgangssprachlich Arbeitsvermittlung genannt) und den passiven Leistungsbereich, die „Leistungssachbearbeitung“ oder „Leistungsabteilung“.

Der Bereich Markt und Integration ist für die Eingliederung in Arbeit (§§ 16 ff. SGB II) und alle damit verbundenen Aufgabenfelder zuständig.

Der Bereich der Leistungsabteilung prüft und berechnet den Leistungsanspruch. Dort erfolgt die Bedarfsermittlung und die Entscheidung über den Antrag vor und bringt die entsprechenden Hilfen zur Auszahlung. Auch wenn die Leistungen in getrennten Bereichen erbracht werden, ist und bleibt das Ziel das Gleiche. Im Vordergrund der Arbeit und somit das oberste Ziel ist die schnelle Wiedereingliederung in das Erwerbsleben und das Ausscheiden aus dem Leistungsbezug.

4.2ANSPRUCHSBERECHTIGTER PERSONENKREIS (§ 7 ABS. 1 SATZ 1 SGB II)

§ 7 SGB II definiert, wer Leistungsberechtigter in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist und wer zum ausgeschlossenen Personenkreis gehört.

4.2.1Altersbeschränkung (§ 7a SGB II)

Zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gehört u. a. die Beschränkung auf ein bestimmtes Lebensalter. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wird nach der Gesetzesnorm für Personen gewährt, die das 15. Lebensjahr vollendet haben (Beginn der gesetzlichen Erwerbsfähigkeit) und die das gesetzliche Renteneintrittsalter bzw. die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben. § 7a SGB II regelt die Altersbeschränkung analog des gesetzlichen Renteneintrittsalters. Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird stufenweise seit 2012 bis 2029 von 65 auf 67 Jahre angehoben. So erreicht z. B. eine Person die 1950 geboren ist, mit 65 Jahren und vier Monaten das Renteneintrittsalter und somit die Altersgrenze nach § 7a SGB II.

4.2.2Erwerbsfähigkeit (§ 8 SGB II)

Erwerbsfähig gemäß § 8 Abs. 1 SGB II ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Betrachtung der Erwerbsfähigkeit bezieht sich ausschließlich auf medizinische Aspekte. So können zur Erwerbsunfähigkeit körperliche und/oder psychische Einschränkungen führen. Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit spielen Motivation, ethische Aspekte, Qualifizierungen, mobile Einschränkungen oder vorübergehende Arbeitsunfähigkeiten keine Rolle.

Die Definition der Erwerbsfähigkeit kommt aus dem Rentenversicherungsrecht. So definiert sich auf „absehbare Zeit“ auch wie im Rentenrecht mit einer Erwerbsunfähigkeit länger als sechs Monate.

Unter „üblichen Bedingungen“ versteht man die arbeitsrechtlichen Bedingungen üblicher Arbeitsverträge, insbesondere Arbeitsentgelt, Dauer der Arbeitszeit, Höhe des Arbeitsentgeltes usw.

Ist unklar, ob Erwerbsfähigkeit vorliegt, so ist das Jobcenter für die Klärung zuständig (§ 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II). Das Gutachten wird vom Jobcenter erstellt oder bei einem Dritten, z. B. beim ärztlichen/psychologischen Dienst der Bundesagentur für Arbeit, in Auftrag gegeben. Gibt es ein Gutachten des Rententrägers, so ist dieses bindend.

Während der Zeit bis zur abschließenden Klärung der Erwerbsfähigkeit ist das Jobcenter verpflichtet, Leistungen in beanspruchter Höhe zu erbringen.

Bei der Begutachtung können sich folgende Beurteilungen ergeben (siehe dazu auch Grafik unter 3.2.1):

Die Person ist nicht in der Lage mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine Verbesserung des Gesundheitszustands ist nicht mehr möglich. Die Person ist dauerhaft voll erwerbsgemindert/erwerbsunfähig.

Die Person ist nicht in der Lage mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Wenn die betroffene Person jedoch medizinisch therapiert wird, ist von einer Verbesserung des Gesundheitszustands auszugehen. Eine volle Erwerbsminderung liegt zwar vor, jedoch nicht dauerhaft, sondern auf Zeit. Eine erneute Begutachtung des Gesundheitszustands ist erforderlich.

Die Beurteilung durch den ärztlichen Dienst kann auch nur eine teilweise Erwerbsminderung ergeben. Diese Personen sind zwischen drei bis sechs Stunden täglich erwerbsfähig und erfüllen die Voraussetzungen des § 8 SGB II.

Diesem Personenkreis kann unter Umständen eine sog. Arbeitsmarktrente durch den Rentenversicherungsträger zustehen, wenn aus deren Sicht der Arbeitsmarkt für die Person als verschlossen gilt. Diese Renten sind immer befristet.

Bei Ausländern kann erwerbsfähig i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB II nur sein, wem die Erwerbstätigkeit erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (§ 8 Abs. 2 SGB II).

4.2.3Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II)

Berechtigt, Grundsicherung zu beziehen, ist nur, wer hilfebedürftig i. S. d. § 9 SGB II ist. Grundsicherung und Sozialhilfe sind Hilfesysteme, die den erforderlichen Mindestbedarf decken sollen. Das Bedarfsprinzip (näher erläutert unter 4.4.1) setzt eine Hilfebedürftigkeit voraus, d. h., bedürftig ist derjenige, der nicht über ausreichend eigene Mittel, vor allem Einkommen und Vermögen, verfügt und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen und von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (Nachrangprinzip). Das heißt wiederum auch, dass nur hilfebedürftig sein kann, wer bereits alle Mittel der Selbsthilfe ausgeschöpft hat. Dabei ist die Ursache der Bedürftigkeit nicht von Bedeutung. Grundsicherung muss also auch erbracht werden, wenn die Notlage selbst verschuldet wurde oder schuldhaft herbeigeführt wurde.

4.2.4Gewöhnlicher Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 SGB I)

Um Leistungen nach dem SGB II beziehen zu können, muss man seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich nicht nur vorübergehend aufhält und wo er seinen überwiegenden Lebensmittelpunkt hat (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Der Aufenthalt darf nicht nur vorübergehender Natur sein.

Der gewöhnliche Aufenthalt ist dort, wo der Betroffene gewillt ist, nicht nur vorübergehend zu verweilen, sondern von wo aus er seine Lebensbeziehungen pflegt und wo er sich überwiegend aufhält.

In der Regel ist der gewöhnliche Aufenthalt dort, wo jemand seinen Wohnsitz hat und auch gemeldet ist (Anschrift auf dem Personalausweis). Die Meldeadresse kann jedoch auch vom tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalt abweichen.

4.2.5Ausschlusstatbestände (§ 7 Abs. 1, 4–6 SGB II)

Sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II geprüft und führen diese zu einer grundsätzlichen Leistungsberechtigung, ist zu prüfen, ob einer der in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II oder in § 7 Abs. 4–6 SGB II genannten Ausschlusstatbestände vorliegt.

4.2.5.1Ausländerinnen und Ausländer (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II)

Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG ist. Zu unterscheiden sind dabei Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten und sog. Drittstaatsangehörige.

Unterschiedliche Gesetze/Rechtsgrundlagen regeln die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland.

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