Sozialrecht

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1.3.6Mitwirkungspflichten (§§ 60–67 SGB I)

Der Sozialleistungsträger unterliegt beim Verwaltungsverfahren dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 20 SGB X. Er ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen und bestimmt dabei, in welcher Art und in welchem Umfang eine Sachverhaltsermittlung notwendig ist. Der Leistungsberechtigte ist jedoch zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet. § 60 SGB I regelt dabei die Verpflichtung zur Angabe von Tatsachen, § 61 SGB I regelt die Pflicht des persönlichen Erscheinens, §§ 62 und 63 regeln die Pflicht zur Teilnahme an ärztlichen Untersuchungen und ggf. zur Durchführung von Heilbehandlungen. Auch die Pflicht zur Teilnahme an berufsfördernden Maßnahmen ist als zentrale Mitwirkungspflicht in § 64 SGB I geregelt. Das SGB II enthält wie andere spezielle Sozialleistungsbücher gesondert geregelte Mitwirkungspflichten, die die allgemeinen aus dem SGB I konkretisieren oder ausweiten.

Zur Mitwirkung sind neben dem Antragsteller auch Personen verpflichtet, die Sozialleistungen erhalten, z. B. auch ohne eigene Antragstellung.

Die Grenzen der Mitwirkungspflichten liegen im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 65 SGB I). Ist die Mitwirkungsverpflichtung des Betroffenen unwirtschaftlich oder unzumutbar oder kann der Leistungsträger die geforderten Erkenntnisse durch geringeren Aufwand selbst beschaffen, so entfällt die Verpflichtung des Betroffenen.

In § 66 SGB I sind die Folgen fehlender Mitwirkung geregelt. Kommt der zur Mitwirkung Verpflichtete seiner Mitwirkung nicht nach und wird dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, können beantragte Leistungen ganz oder teilweise versagt werden bzw. bereits bewilligte Leistungen ganz oder teilweise entzogen werden.

Wird die Mitwirkung nachgeholt, kann der Leistungsträger die Leistung ganz oder teilweise auch nachträglich erbringen (§ 67 SGB I).

Bevor Leistungen versagt oder entzogen werden, sollte also immer geprüft werden, ob

•Unterlagen ordnungsgemäß angefordert wurden (d. h. genaue Bezeichnung der Unterlagen, schriftliche Anforderung, angemessene Frist und mit der richtigen Rechtsfolgenbelehrung),

•die Anforderung für den Antragsteller zumutbar war,

•eine Beschaffung der Angaben/Unterlagen von Amts wegen nicht möglich war oder ist,

•tatsächlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wurde bzw. nicht möglich ist (sind die angeforderten Unterlagen tatsächlich zwingend notwendig, oder kann ich auch ohne die Angaben/Unterlagen entscheiden?).

Liegen die Tatbestände alle vor, ist Ermessen auszuüben, ob Leistungen versagt oder entzogen werden und, wenn ja, ob ganz oder teilweise. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob über einen Teil der Leistungen trotz erschwerter Sachverhaltsaufklärung entschieden werden kann.

Eine Versagung bzw. eine teilweise Versagung ist die Rechtsfolge, wenn durch nicht eingereichte Unterlagen oder nicht gemachte Angaben über Leistungen, die beantragt wurden, nicht entschieden werden kann. Werden Leistungen bereits erbracht und im Laufe der Erbringung werden Unterlagen nicht vorgelegt, die die Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen erheblich erschweren, ist die Rechtsfolge der Entzug der Leistungen.

Wird die Mitwirkung nach Erlass der Versagung bzw. Entziehung nachgeholt und liegen dann die Leistungsvoraussetzungen zweifelsfrei vor, kann der Leistungsträger die Leistungen, die er versagt oder entzogen hat, ganz oder teilweise erbringen (§ 67 SGB I). Auch bei dieser Entscheidung ist Ermessen auszuüben.

1BVerfG, Urteil vom 18.7.1967, 2 BvF 3/62; 2 BvF 4/62; 2 BvF 5/62; 2 BvF 6/62; 2 BvF 7/62; 2 BvF 8/62; 2 BvR 139/62; 2 BvR 140/62; 2 BvR 334/62; 2 BvR 335/62

2Systematik und Grundsätze des SGB II und des SGB XII
2.1SGB II

In diesem Abschnitt erfolgt zusammenfassend ein Überblick über die Aufgabe und den Inhalt der Grundsicherung für Arbeitsuchende und die Leistungsgrundsätze bei der Gewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

2.1.1Rechtsgrundlagen, Aufgabe und Inhalt der Grundsicherung für Arbeitsuchende
2.1.1.1Rechtsgrundlagen

Die gesetzlichen Regelungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind als Bundesgesetz im Sozialgesetzbuch II verankert.

Das Sozialgesetzbuch II stellt den wesentlichen Kern des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt dar (sog. Hartz IV). Bis zur Einführung des SGB II wurden mit der Arbeitslosenhilfe und mit der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz zwei staatliche Fürsorgesysteme für erwerbsfähige Personen nebeneinander umgesetzt. Dies war ineffizient, bürokratisch und wenig bürgerfreundlich. Die Zusammenführung zum Sozialgesetzbuch II sollte durch intensive Betreuung und Beratung die Integrationschancen in den Arbeitsmarkt erhöhen und gleichzeitig Eigenverantwortung stärken. Sozialhilfe wird nun nur noch für nicht erwerbsfähige Personen geleistet.

Das SGB II wurde nach der Einführung am 01.01.2005 bereits mehrfach geändert. Mit dem 9. Änderungsgesetz zum SGB II, das mit Wirkung vom 06.08.2016 in Kraft getreten ist, wurden mehrere grundlegende Rechtsänderungen vorgenommen.

Darüber hinaus bilden die

•Rechtsverordnungen des Bundes (Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung – ALG II-V, Unbilligkeitsverordnung – UnbilligkeitsV, Regelsatzverordnung – RSV) und die

•Richtlinien der kommunalen Träger

die rechtlichen Grundlagen für die Erbringung der existenzsichernden Leistung.

Die ALG II-V als Verordnung des Bundes zur Durchführung des SGB II konkretisiert dabei die Berechnung von Einkommen sowie die Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei der Berechnung des Anspruchs.

Die Unbilligkeitsverordnung konkretisiert die Härtefallregelung bzw. definiert, wann die Inanspruchnahme einer vorrangigen Altersrente (Rente mit Abzügen) unbillig ist. Die Regelsatzverordnung bestimmt den Aufbau und die Höhe der Regelsätze im SGB XII. Diese gelten in gleicher Höhe für das SGB II.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wird durch zwei Kostenträger finanziert. Der Bund trägt dabei u. a. die Kosten für die Regelleistung und die Mehrbedarfe sowie die Krankenversicherungskosten. Die örtlich zuständigen Kommunen sind für die Finanzierung der Kosten für Unterkunft und der einmaligen Beihilfen zuständig. Für die von ihnen finanzierten Leistungen können die Kommunen Richtlinien zur Durchführung des SGB II hinsichtlich dieser erlassen, z. B. für die Regelung, welche Kosten in ihrer Kommune für die Anmietung eines Wohnraums angemessen sind.

2.1.1.2Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 1 SGB II)

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es dem Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Sie soll das notwendige Existenzminimum sicherstellen (§ 1 Abs. 1 SGB II). Mit dieser Norm soll Artikel 1 des Grundgesetzes umgesetzt werden.

Die Grundsicherung verfolgt das Ziel der Stärkung der Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten. Es soll dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt wieder unabhängig von der staatlich finanzieren Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können.

In § 1 Abs. 2 Satz 4 SGB II definiert der Gesetzgeber Ziele, nach deren Gewährung die Grundsicherungsleistungen ausgerichtet werden sollen. Als Ziele sind definiert (Zielkatalog):

•durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit die Dauer der Hilfebedürftigkeit verkürzen oder den Umfang verringern

•Erwerbsfähigkeit erhalten, verbessern oder wiederherstellen

•geschlechtsspezifischen Nachteilen entgegenwirken

•familienspezifische Lebensverhältnisse berücksichtigen

•behindertenspezifische Nachteile überwinden

•Anreize zur Aufnahme/Ausübung einer Erwerbstätigkeit schaffen

2.1.1.3Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 4 SGB II)

Gemäß § 1 Abs. 3 SGB II werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in drei Formen erbracht. Sie umfasst vorrangig die Beratung, die überwiegend im Bereich der Leistungen zur Eingliederung für Arbeit, dem sog. Arbeitsvermittlungsbereich, erbracht wird. In diesem Bereich werden auch die Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit durch Eingliederung in Arbeit, z. B. durch Vermittlungsvorschläge oder finanzielle Unterstützung bei den Bewerbungskosten, erbracht. Der Gesetzgeber legt in der Gliederung der Leistung eine Priorisierung fest. Vorrang sind demnach Beratungsleistungen zu erbringen und Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Erst an dritter Stelle steht die Aufgabe der Sicherung des Lebensunterhalts. Diese Rangfolge unterstreicht die vom Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 Satz 4 SGB II verfolgten Ziele. Beleuchtet man die Leistungserbringung der Jobcenter in der Praxis ist deutlich zu erkennen, dass ohne einen gesicherten Lebensunterhalt keine erfolgreiche Integrationsarbeit möglich ist. Das heißt, plagen den Leistungsberechtigten existenzielle Sorgen, führt eine Beratung zur Integration in den Arbeitsmarkt zu wenig Erfolg.

Im praktischen Alltag der Jobcenter verzahnen sich alle drei Leistungsformen. Nur wenn alle drei genannten Leistungsformen erfolgreich umgesetzt und erbracht werden, ist die Aussicht der Zielerreichung, ein Leben ohne Grundsicherung zu führen, gegeben.

Die Leistungen der Grundsicherung werden erbracht in Form von Dienstleistungen, Geldleistungen und Sachleistungen (§ 4 Abs. 1 SGB II). Der Leistungsträger kann individuell über die Form der Leistungserbringung entscheiden.

 

2.1.1.4Grundsätze der Leistungsgewährung
2.1.1.4.1Grundsatz des Forderns und Förderns (§ 2 SGB II)

Der Grundsatz des Forderns und Förderns ist das Grundprinzip der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Der Grundsatz des Forderns ist in § 2 SGB II verankert. In diesem Grundsatz wird deutlich, dass die Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten und die Verpflichtung zur Selbsthilfe zu den Grundprinzipien der Leistungsgewährung gehören. Der Leistungsberechtigte wird gesetzlich dazu verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit zu nutzen und auszuschöpfen. Dabei muss der Leistungsberechtigte aktiv an allen Maßnahmen mitwirken, die der Eingliederung in Arbeit dienen. Konkret unterliegt die leistungsberechtigte Person folgenden Verpflichtungen (§ 2 Abs. 1 SGB II):

•Eingliederungsvereinbarung abschließen

•Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit

•ggf. die Teilnahme an einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit, sofern eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist

Der Grundsatz des Förderns geht aus den §§ 1 und 3 SGB II hervor und wird in den §§ 14 ff. SGB II konkretisiert. Geht es bei dem Grundsatz des Forderns um die Verpflichtung des Leistungsberechtigten, so verpflichtet der Grundsatz des Förderns den Leistungsträger der Grundsicherung. Die Verpflichtung liegt dabei in der umfassenden Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit. Die Verpflichtung des Leistungsträgers liegt insbesondere auf folgenden Schwerpunkten (§ 3 SGB II):

•intensive Unterstützungsmaßnahmen bei Arbeitsuche und bei Arbeitsaufnahme

•Angebot von Maßnahmen, die der Eingliederung in Arbeit dienen

•bei fehlenden Deutschkenntnissen Vermittlung eines Integrations- oder Sprachkurses

•Unterstützung bei beruflichen Umschulungen und Weiterbildungen

•bei fehlendem Berufsabschluss Unterstützung bei der Aufnahme einer Ausbildung

Um die Eingliederung in Arbeit zu fördern, gibt es auch die Möglichkeit, finanzielle Anreize zu setzen, z. B. durch Zahlung von Einstiegsgeld nach § 16b oder durch Förderung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 16e SGB II (finanzieller Anreiz für Arbeitgeber).

Da die Integration in den Arbeitsmarkt sich in verschiedenen Personengruppen als besonders schwer herausgestellt hat, hat der Gesetzgeber zum 01.01.2019 das sog. Teilhabechancengesetz als 10. Änderungsgesetz des SGB II beschlossen. Mit neuen Förderinstrumenten sollen damit die Teilhabechancen am Arbeitsmarkt besonders für Langzeitarbeitslose erhöht werden. Mit der Einführung des § 16i SGB II besteht nun die Möglichkeit, auch über längere Zeit Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber zu zahlen, wenn diese Langzeitarbeitslose einstellen.

2.1.1.4.2Grundsatz der Subsidiarität (§§ 2 Abs. 2 und 3 Abs. 3 SGB II)

Subsidiarität leitet sich aus dem lat. „subsidium“ ab. Es bezeichnet die zurückbleibende Hilfe. Eine kleinere Gemeinschaft hat den Vorrang im Handeln, d. h. hier der Leistungsberechtigte und ggf. seine Bedarfsgemeinschaft, gegenüber der größeren Gemeinschaft, hier der Steuerzahler bzw. die Gemeinschaft der Steuerzahler.

Das Subsidiaritätsprinzip wird deshalb auch als Nachrangprinzip bezeichnet. Es gilt im SGB II uneingeschränkt, auch wenn es nicht so deutlich wie im SGB XII in einer Rechtsnorm benannt wird. Es findet seine Verankerung insbesondere in den §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 3 sowie den §§ 9, 11, 12 und 12a SGB II.

Die Selbsthilfeverpflichtung besteht vorrangig in der Verwertung der Arbeitskraft, aber auch der Einsatz von vorhandenem Einkommen und Vermögen wird gefordert.

Nach der Regelung des § 9 SGB II besteht Hilfebedürftigkeit nur dann, wenn nicht ausreichend eigenes Einkommen und Vermögen vorhanden sind oder die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Verwandten oder Trägern anderer Sozialleistungen, gewährt werden kann.

Das heißt konkret, Ansprüche aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nur dann erbracht, wenn es keine anderen vorrangig verpflichteten Personen oder Stellen gibt, gegen die der Leistungsberechtigte Ansprüche hat.

Grundsicherungsleistungen sind anderen Sozialleistungen gegenüber absolut nachrangig. Der Leistungsberechtigte ist verpflichtet, vorrangige Ansprüche geltend zu machen, z. B. durch die Beantragung anderer Sozialleistungen, und muss diese auch in Anspruch nehmen (siehe § 5 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 12a SGB II).

2.1.1.4.3Grundsatz der Individualität (§ 3 Abs. 1 SGB II)

Im SGB XII findet sich die Konkretisierung des Grundsatzes in § 9 SGB XII wieder. Im SGB II soll die Individualität des Einzelfalls jedoch auch umgesetzt werden. Zwar werden, die Leistungen der Grundsicherung, die monatlich zur Existenzsicherung ausgezahlt werden zum Teil pauschaliert gewährt (z. B. die Regelbedarfe nach § 20 SGB II), aber bei der genaueren Betrachtung muss der Bedarf dennoch individuell ermittelt werden. Individuell betrachtet werden dabei u. a. die Kosten für Unterkunft, welche nach den Bestimmungen des § 22 SGB II in tatsächlicher Höhe, also nicht pauschal, gewährt werden. Auch können durch den Leistungsberechtigten für individuelle Lebensumstände Mehrbedarfe geltend gemacht werden (§ 21 SGB II). Als monatlicher Bedarf können neben der pauschalierten Regelleistung Mehrbedarfe nach den Bestimmungen des § 21 SGB II gezahlt werden, wenn es Lebensumstände gibt, die einen solchen erhöhten Bedarf erforderlich machen. So wird beispielsweise ein Mehrbedarf für werdende Mütter oder auch bei alleinerziehenden Personen anerkannt.

Die Individualität spielt aber vor allem im Bereich der Eingliederung in Arbeit eine große Rolle. So wird mit jedem Leistungsberechtigten eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen, die als öffentlich-rechtlicher Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen zustande kommen soll. Darin soll das individuelle Vermittlungsziel festgelegt werden unter Berücksichtigung der Einschränkungen des Betroffenen, der familiären Situation, der Mobilität sowie der Fähigkeiten und Fertigkeiten und der bereits vorhandenen Abschlüsse.

2.2SGB XII

In diesem Abschnitt erfolgt ein kurzer Überblick über die Rechtsgrundlagen der Sozialhilfe und die verschiedenen Leistungsarten sowie die Grundsätze, die zu beachten sind, bevor bzw. während Sozialhilfe geleistet wird.

2.2.1Rechtsgrundlagen, Aufgabe und Inhalt der Sozialhilfe
2.2.1.1Rechtsgrundlagen

Die Regelungen zur Sozialhilfe finden sich überwiegend im SGB XII. Dabei handelt es sich um ein Bundesgesetz, d. h., es gilt für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus gibt es:

Rechtsverordnungen des Bundes, die den Inhalt einzelner Vorschriften konkretisieren; so sagt z. B. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, dass Vermögen in Form „kleinerer Barbeträge“ der Sozialhilfegewährung nicht entgegensteht, und die „Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ enthält Vorschriften dazu, welche Beträge als „kleinerer Barbetrag“ anzusehen sind.

Ausführungsgesetze der Länder: An einigen Stellen hat der Gesetzgeber den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, Einzelheiten zur Durchführung des Gesetzes selber zu bestimmen. Eine solche Regelung findet sich z. B. in § 97 Abs. 2 SGB XII. In § 97 Abs. 1 SGB XII steht, dass es verschiedene Sozialhilfeträger (Kapitel 2.4) gibt, nämlich örtliche und überörtliche Träger. Nach Abs. 2 werden die Fälle, in denen der überörtliche Träger sachlich (also inhaltlich) zuständig ist, nach Landesrecht bestimmt. In NRW stehen diese Regelungen im „Landesausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB XII NRW)“.

Satzungen der Sozialhilfeträger: Satzungen werden im Rahmen des Sozialhilferechts häufig dazu genutzt, Aufgaben an nachgeordnete Behörden zu delegieren. So kann z. B. ein Kreis, der für die Sozialhilfegewährung zuständig ist, diese Aufgabe durch Satzung auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden übertragen. Dies wird häufig aus Gründen der Bürgerfreundlichkeit gemacht, weil die Wege zu den Rathäusern für die Bürger meistens kürzer sind als bis zur nächsten Kreisverwaltung.

Richtlinien der Sozialhilfeträger: In Richtlinien gibt der jeweilige Sozialhilfeträger vor, wie in seinem Zuständigkeitsbereich in der Regel in bestimmten Fällen zu verfahren ist. Sie sollen die Entscheidungsfindung vereinfachen und dazu beitragen, dass gleiche Fälle auch von verschiedenen Mitarbeitern mit gleichem Ergebnis bearbeitet werden.

2.2.1.2Aufgabe und Ziel der Sozialhilfe (§ 1 SGB XII)

Nach § 1 Satz 1 SGB XII ist es Aufgabe der Sozialhilfe, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Wenn jemand also selber nicht über ausreichende Mittel, insbesondere Geld, verfügt, um menschenwürdig zu leben, kann er ggf. Sozialhilfe erhalten. Zu einem menschenwürdigen Leben gehören z. B. eine Unterkunft (Wohnung, Haus, Zimmer), Lebensmittel und Kleidung.

Die Sozialhilfe soll die Leistungsberechtigten gemäß § 1 Satz 2 SGB XII so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es sich bei der Sozialhilfe also um eine Hilfe zur Selbsthilfe handeln, die grundsätzlich nur vorübergehend geleistet wird. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass die Leistungen in der Regel für einen längeren Zeitraum erbracht werden, da die leistungsberechtigten Personen sehr häufig alte und/oder kranke Menschen sind, deren Lebenssituation sich kaum noch verändert.

2.2.1.3Leistungen der Sozialhilfe (§ 8 SGB XII)

Die Sozialhilfe umfasst verschiedene Leistungen. Diese sind in § 8 SGB XII abschließend aufgezählt:

•Hilfe zum Lebensunterhalt

•Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

•Hilfen zur Gesundheit

•Hilfe zur Pflege

•Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten

•Hilfe in anderen Lebenslagen

Der Schwerpunkt in diesem Lehrbuch liegt auf der Hilfe zum Lebensunterhalt, die im 3. Kapitel des SGB XII (§§ 27–40) geregelt ist, und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, geregelt im 4. Kapitel SGB XII (§§ 41–46b). Beide Leistungen dienen dazu, den laufenden Lebensunterhalt der Leistungsempfänger sicherzustellen. Jedoch müssen die Personen, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen können, andere Voraussetzungen erfüllen als diejenigen, die Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen können.

Die weiteren Leistungen sind im 5. bis 9. Kapitel des SGB XII geregelt (§§ 47–74) und werden auch als Hilfen in besonderen Lebenslagen bezeichnet. Ein Überblick über diese Leistungen findet sich in Kapitel 7.