Buch lesen: «Handbuch Medizinrecht», Seite 67

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I. Die Versorgungsbereiche

1. Sektorale Versorgung

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Die Versorgung der Bevölkerung mit medizinischen Leistungen, Arzneien und Hilfsmitteln ist teils aus traditionellen, teils aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Zuständigkeiten, in getrennten Bereichen oder Sektoren organisiert. Kennzeichnend für die Sektoren sind eigenständige und weitgehend undurchlässige Finanzierungs- und Honorierungssysteme und auf die Sektoren beschränkte Zuständigkeiten und Tätigkeitsfelder der Akteure. Soweit verschiedene Zweige der Sozialversicherung betroffen sind, ist das noch einleuchtend, innerhalb der GKV aber nicht. Der Gesetzgeber hat immer wieder Versuche unternommen, Öffnungen der Sektorengrenzen zu ermöglichen mit dem Ziel, eine bessere Verzahnung des Leistungsgeschehens zu erreichen, – jeweils mit bescheidenem Erfolg. Signifikantes Bespiel hierfür ist die Änderungshistorie von § 116b SGB V, [1] der zur besseren Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung beitragen soll.[2]

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Die Sektoren gliedern sich in die ambulante Versorgung, die traditionell durch niedergelassene Ärzte, psychologische Psychotherapeuten und Zahnärzte geleistet wird. Daneben steht eigenständig der Bereich der stationären Versorgung (§ 39 SGB V), die den zugelassenen Krankenhäusern und stationären Einrichtungen vorbehalten ist (§§ 107 Abs. 1, 108 SGB V). Zur stationären Versorgung gehören auch die vor- und nachstationäre Behandlung, das ambulante Operieren im Krankenhaus (§§ 115a, 115b SGB V) und die stationsäquivalente psychiatrische Behandlung (§ 115d SGB V).[3]

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Die rehabilitative Krankenbehandlung (§ 40 SGB V), die medizinische Rehabilitation für Mütter und Väter (§ 41 SGB V) und die Anschlussheilbehandlung (§ 43 Abs. 2 SGB V) werden außerhalb der ambulanten Versorgung und neben der stationären Versorgung durch spezielle Rehabilitationseinrichtungen (§§ 107 Abs. 2, 111 ff. SGB V) sichergestellt, die auch in der berufsgenossenschaftlichen Rehabilitation (§ 33 SGB VII) und in der der Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger unterliegenden Rehabilitation zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit (§§ 15, 31 SGB VI) tätig sein können.

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Die vertragsärztliche Versorgung umfasst die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung und die Psychotherapie. Sie beinhaltet auch Teile der Krankenhausbehandlung, soweit diese als sektorenübergreifende ärztliche Behandlungsleistung erbracht wird. Weitere eigenständige Versorgungsbereiche sind für die Versorgung mit Heilmitteln (§§ 124 f. SGB V), mit Hilfsmitteln (§§ 126 ff. SGB V) mit Arzneimitteln (§§ 129 ff. SGB V), mit Haushaltshilfen (§ 132 SGB V) und häuslicher Krankenpflege (§ 132a SGB V) geschaffen. Da in den Sektoren jeweils andere Leistungserbringer tätig sind, die auf unterschiedliche Weise organisiert sind, haben sich in den genannten Versorgungsbereichen voneinander abweichende Strukturen und Vergütungssysteme herausgebildet, die auf Rahmenempfehlungen beruhen, die der Spitzenverband Bund auf Seiten der Krankenkassen mit den Verbänden der beteiligten Leistungserbringer vereinbart.

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Zu einem weiteren Bereich hat der Gesetzgeber mit dem Masernschutzgesetz[4] neben den präventiven Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz die Versorgung mit Schutzimpfungen ausgebaut, vgl. §§ 132e, 132j SGB V.

2. Sektorenübergreifende Versorgungsformen

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Es liegt auf der Hand, dass sich die Notwendigkeit der medizinischen Versorgung nicht nach Sektorengrenzen richtet, sondern von der Art und Schwere der Erkrankung abhängig ist, die ggf. in fachübergreifender und interdisziplinärer Zusammenarbeit aller Leistungserbringer behandelt werden muss. Starre Sektorengrenzen können sowohl einen zweckmäßigen, an medizinischen Erfordernissen ausgerichteten Therapieverlauf behindern, als auch den medizinischen Fortschritt. Zur Überwindung der Sektorengrenzen sind übergreifende Versorgungsformen notwendig, die vom Gesetzgeber zunehmend weiterentwickelt werden.[5] Deshalb ist der G-BA nach § 137 Abs. 2 SGB V verpflichtet, die Richtlinien zur Qualitätssicherung nach § 92 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sektorenübergreifend auszurichten. Eine zentrale Funktion zur Überwindung der Sektorengrenzen kommt den vom DIMDI herausgegebenen „Diagnose und Prozedurenschlüssel“ zu, die sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich verwendet werden müssen, siehe dazu Rn. 102 ff.

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Traditionelle Formen, die sowohl die Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, wie auch an der stationären Krankenhausbehandlung ermöglichen, sind der Belegarztstatus eines niedergelassenen Vertragsarztes[6] nach § 121 SGB V i.V.m. § 18 KHEntgG[7] (siehe Rn. 587 ff.) und umgekehrt die Ermächtigung von Krankenhausärzten zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung nach §§ 116 oder 118a SGB V (siehe Rn. 593 ff.). Über ihre Notfallambulanzen leisten die Krankenhäuser und Hochschulkliniken (§ 117 SGB V) einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung (vgl. § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V). Da nach § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV die Tätigkeit in einem zugelassenen Krankenhaus oder einer zugelassenen Rehabilitationseinrichtung mit einer vertragsärztlichen Tätigkeit vereinbar ist, dürfen niedergelassene Vertragsärzte auch entsprechende Nebentätigkeiten als angestellte Ärzte oder „Honorarärzte“ im Krankenhaus annehmen.[8] Alle drei Formen haben gemein, dass die ambulanten ärztlichen Leistungen zur vertragsärztlichen Versorgung gehören und nach § 120 SGB V aus der Gesamtvergütung bezahlt werden.[9] Die ärztlichen Leistungserbringer, die über einen eigenständigen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen, sind den Regelungen des Vertragsarztrechts unterworfen.[10] Die im Sozialversicherungsrecht virulente Frage der „Scheinselbstständigkeit“ der Honorarärzte spielt für die vertragsarztrechtliche Beurteilung keine Rolle.[11] Ausführlich zu den Kooperationsmöglichkeiten niedergelassener Ärzte mit Krankenhäuser siehe Kap. 22.

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Durch dreiseitige Verträge nach §§ 115 ff. SGB V sollte für die vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus und das ambulante Operieren im Krankenhaus eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit geschaffen werden. Nachdem es sich in der Praxis als schwierig und langwierig erwies diese Verträge abzuschließen, hat der Gesetzgeber mit dem GKV-VStG die den Krankenhäusern nach § 116b SGB V eröffnete Möglichkeit, ambulante Behandlungen bei hochspezialisierten Leistungen, bei seltenen Erkrankungen und bei Erkrankungen mit besonderen Verläufen zu erbringen, in ein Anzeigeverfahren umgewandelt (siehe Rn. 615 ff.).[12] Die Genehmigung gilt nach § 116b Abs. 2 S. 4 SGB V als erteilt, wenn der zuständige Landesausschuss nicht binnen Frist von zwei Monaten mitteilt, dass der Anzeigeerstatter die Voraussetzungen nicht erfüllt.

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Die genannten Instrumente ermöglichen die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante ärztliche Leistungen. Diese bleiben jedoch, soweit sie nicht von Vertragsärzten außerhalb des Krankenhauses erbracht werden (§ 115a Abs. 2 S. 5 SGB V), Krankenhausleistungen, und gehören mithin nicht zur vertragsärztliche Versorgung nach § 73 Abs. 2 SGB V und werden demnach primär auch nicht aus der Gesamtvergütung bezahlt (vgl. §§ 115b Abs. 4 S. 4, 116b Abs. 6 S. 1 SGB V).[13] Allerdings erfolgt im Nachhinein eine Beteiligung bzw. Bereinigung der Gesamtvergütung, vgl. §§ 115b Abs. 5 S. 2, 116b Abs. 6 S. 13 SGB V.

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Weitere Öffnungen der Krankenhäuser für ambulante Leistungen ermöglichen die vom Zulassungsausschuss auszusprechenden Ermächtigungen für Hochschulambulanzen (§ 117 SGB V), für psychiatrische Institutsambulanzen (§ 118 SGB V) und für geriatrische Institutsambulanzen (§ 118a SGB V).

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Auch Einrichtungen, die nicht dem Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung angehören und in denen Ärzte tätig sind, können im Interesse einer besseren Verzahnung des Leistungsgeschehens ergänzend zur vertragsärztlichen Versorgung durch niedergelassene Vertragsärzte zur Behandlung ihrer Patienten ermächtigt werden, vgl. sozialpädiatrische Zentren (§ 119 SGB V), Einrichtungen der Behindertenhilfe (§ 119a SGB V), stationäre Pflegeeinrichtungen (§ 119b SGB V) und Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung (§ 119c SGB V). Ohne ausdrückliche Öffnungsregelung sind die Sektorengrenzen aber im Zweifel nicht zu überwinden.[14]

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Soweit in den genannten Einrichtungen ambulante ärztliche Leistungen erbracht werden dürfen, sind diese nach § 120 SGB V aus der Gesamtvergütung zu finanzieren. Die Vergütung soll zu festen Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung erfolgen (§ 120 Abs. 3a SGB V).

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Weitere Möglichkeiten zur sektorenübergreifenden Zusammenarbeit sind in der sog. besonderen Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V eröffnet (ausführlich dazu im Kap. 9).[15] Mit dem GKV-WSG kamen die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (§ 132d SGB V) und mit dem GSAV die Versorgungsverträge mit Hämophiliezentren (§ 132i SGB V) hinzu. § 37b SGB V gewährt den Versicherten einen Anspruch, über deren bedarfsgerechte Erfüllung die Krankenkassen nach § 132d Abs. 1 SGB V mit geeigneten Einrichtungen oder Personen Rahmenverträge abzuschließen haben, über die dann die Leistungserbringer in die Versorgung eingebunden werden. Details sind in den Empfehlungen nach § 132d Abs. 2 SGB V vorgegeben.[16] Ergänzend werden die sektorenübergreifenden Hospizeinrichtungen nach § 39a SGB V gefördert.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › F. Die vertragsärztliche Versorgung › II. Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung

II. Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung

1. Allgemeine Beschreibung

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Die vertragsärztliche Versorgung ist der Oberbegriff für das gesamte Tätigwerden der zugelassenen Leistungserbringer und der Krankenkassen, namentlich der Ärzte, der Zahnärzte sowie der psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.[17]

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Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist der Anspruch des Versicherten auf ambulante Krankenbehandlung i.S.v. § 27 SGB V, soweit dieser von den Krankenkassen als Sachleistung unter Zuhilfenahme der KV erfüllt werden muss. Besonders erwähnt werden müssen die künstliche Befruchtung (§ 27a SGB V) und das Zweitmeinungsverfahren (§ 27b SGB V), da es sich dabei definitionsgemäß nicht um Krankenbehandlungen i.S.d. § 27 Abs. 1 SGB V handelt. Vereinfacht ausgedrückt gehören zur vertragsärztlichen Versorgung diejenigen Leistungen, die gegen Vorlage der Krankenversichertenkarte („Chipkarte“) nach § 15 Abs. 2 SGB V und ggf. gesetzlich angeordneter Zuzahlung zu bekommen sind. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Versicherte diese Leistungen über den Weg der Kostenerstattung bezieht, weil § 13 Abs. 2 S. 1 SGB V die Kostenerstattung anstelle der Sach- oder Dienstleistung gewährt. Nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehören die häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, die stationäre Krankenbehandlung, die medizinische Rehabilitation und die Organentnahme und Transplantation.

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§ 73 Abs. 2 SGB V zählt inzwischen 14 Leistungsbereiche auf, die zu den versicherten Leistungsarten nach § 11 Abs. 1 Nr. 2–4 SGB V gehören und inhaltlich deckungsgleich sind mit den in §§ 20–43b SGB V definierten Versicherungsleistungen, soweit diese ambulante ärztliche Leistungen beinhalten. Leistungen, auf die der Versicherte keinen Anspruch hat, können nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehören. Untersuchungen und Behandlungen, die infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit erforderlich werden sind nach § 11 Abs. 5 SGB V von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen und der gesetzlichen Unfallversicherung zugewiesen.

2. Die ambulante ärztliche Versorgung

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Die ambulante ärztliche Versorgung besteht nach dem Katalog des § 73 Abs. 2 SGB V im Kern aus der herkömmlichen ärztlichen Heilbehandlung[18] einschließlich der medizinischen Vorsorge nach § 23 SGB V (Nr. 1). Dazu gehört auch die Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen (Nr. 6) und die Verordnungstätigkeit des Arztes (Nr. 7), speziell die Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln einschließlich digitaler Gesundheitsanwendungen (Nr. 7a), häuslicher Krankenpflege (Nr. 8) von Soziotherapie (Nr. 12), von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung und von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Nr. 5), ebenso Krankentransporte. Ebenfalls per Verordnung erfolgt die Einweisung ins Krankenhaus unter den Bedingungen von § 73 Abs. 4 SGB V oder zur Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen (Nr. 7).

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Besonders genannt, da nicht zur Krankenbehandlung gehörend, werden die Früherkennungsmaßnahmen nach §§ 25 f. SGB V, die im Rahmen des vom G-BA in den Früherkennungs-RL geregeltem Umfang als vertragsärztliche Leistung erbracht werden (Nr. 3). Einen weiteren Bereich stellen die (frauen-)ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft (Nr. 4) und medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft in dem in § 27a Abs. 1 SGB V definierten Umfang (Nr. 10) dar, ebenso die Empfängnisverhütung und die Sterilisation nach §§ 24a und 24b SGB V (Nr. 11). Als gesonderte Leistungen werden in Nr. 9 die Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275 SGB V) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen,[19] aufgeführt.[20] Eine weitere Besonderheit ist das Zweitmeinungsverfahren nach § 27b SGB V (Nr. 13), das, obwohl weder selbst Behandlungsleistung noch eine Komponente anderweitiger Versorgung, als vertragsärztliche Leistung zu erbringen ist (siehe dazu auch Allgemeine Bestimmungen 4.3.9. und GOP 01645).

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Konkretisiert werden die in § 73 Abs. 2 SGB V aufgezählten Leistungsbereiche durch Richtlinien des G-BA nach § 92 Abs. 2 SGB V, wo nahezu deckungsgleiche Richtlinienaufträge definiert sind.

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Besondere Aufmerksamkeit erfahren hat die Weiterentwicklung telemedizinischer Verfahren, für das der 121. Deutsche Ärztetag 2018 durch Lockerung des Fernbehandlungsverbots in § 7 Abs. 4 MBO den Weg frei gemacht hat.[21] Notwendig geworden war dies durch den Druck des Gesetzgebers, die Videosprechstunde als vertragsärztliche Leistung einzuführen.[22] Die Partner des BMV-Ä mussten schon bis zum 1.10.2016 Vereinbarungen über technische Verfahren zur Videosprechstunde treffen. Dem wurde nachgekommen durch Anlagen 31[23], 31a[24], 31b[25] zum BMV-Ä. Seither wurden die Videosprechstunde als Leistung durch Überarbeitung der Anlagen und die Aufnahme in die Psychotherapie-Vereinbarung (Anlage 1 zum BMV-Ä) weiter entwickelt. Der EBM gewährt Technikzuschläge auf die während der Videosprechstunde erbrachten Leistungen (GOP 01444, 01450, 01451). Die Regelungen über den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt in Ziff. 4.3.1 Allgemeine Bestimmungen EBM wurden entsprechend angepasst. Zusammen mit elektronisch ausstellbaren Rezepten unter Verzicht auf eine körperliche Untersuchung des Patienten bieten Videosprechstunden gerade unter dem Zwang, aus epidemiologischen Gründen persönliche Kontakte zu vermeiden, wichtige Alternativen zur herkömmlichen „Sprechstunde“. Mit Videosprechstunden sind schwierige Umsetzungsfragen verbunden, z.B. bezüglich des Zustandekommens des Behandlungsvertrages, des Nachweises des Versichertenstatus mittels der elektronischen Gesundheitskarte und des Datenschutzes. Die Schaffung der Voraussetzungen für die Einführung der sog. E-Rezept wurden in § 291a Abs. 5d SGB V[26] der Gesellschaft für Telematik mit Frist bis 30.6.2020 aufgegeben.[27] Weitere Regelungen sind danach zu erwarten.

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Zur ärztlichen Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gehören auch die belegärztlichen Leistungen nach § 121 SGB V, die medizinischen Vorsorgeleistungen nach § 23 Abs. 1 SGB V, die ärztlichen Leistungen bei interkurrenten Erkrankungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BMV-Ä), die Notfallleistungen von Nichtvertragsärzten (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BMV-Ä), die Leistungen der ermächtigen Einrichtungen nach §§ 117–119 SGB V und ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten (§ 2 Abs. 4 BMV-Ä und Anlage 24 zum BMV-Ä/Kurarztvertrag).

3. Die zahnärztliche Versorgung

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Die vertragszahnärztliche Versorgung nach § 73 Abs. 2 Nr. 2 und 2a SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung nach § 28 Abs. 2 SGB V, die kieferorthopädische Behandlung nach § 29 SGB V und die Versorgung mit Zahnersatz in dem in § 56 Abs. 2 SGB V beschriebenen Umfang.

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In der zahnärztlichen Versorgung bestehen die vom ärztlichen Bereich abweichenden Besonderheiten, dass schon das Leistungsrecht und nicht erst der einheitliche Bewertungsmaßstab die vertragszahnärztlichen Leistungen relativ genau definiert bzw. einschränkt und der Behandler gleichwohl mit Einverständnis des Versicherten darüber hinausgehende Leistungen gegen Zuzahlung erbringen darf (z.B. Mehrkosten bei Füllungen, siehe § 28 Abs. 2 S. 2 SGB V).

382

Die zahnärztliche Behandlung zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass nur wenige Leistungen wegen Schmerzen oder anderer medizinischer Dringlichkeit sofort ausgeführt werden müssen. Weite Leistungskomplexe können im Voraus mit dem Patienten geplant und hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten der zuständigen Krankenkasse zur Genehmigung vorgelegt werden. Entsprechend ordnet § 4 BMV-Z Antrags- und Genehmigungsverfahren für Schienenbehandlungen, kieferorthopädische Langzeittherapien, Behandlung von Parodontopathien, für Zahnersatz und für Ausnahmeindikationen bei implantologischen Leistungen an. Die Krankenkassen können sowohl die Planung als auch die Ausführung der Leistungen begutachten lassen. Dazu sind von den KZV mit den Krankenkassen einvernehmlich Vertragsgutachter zu bestellen. Anträge, Genehmigung und Begutachtungen richten sich nach Anlagen 1 Nr. 3 und 4–6 BMV-Z.

383

Die Zahnersatzversorgung (einschließlich Zahnkronen und Supraversorgungen) gehört nach strenger Definition nicht zur Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist (vgl. § 28 Abs. 2 S. 1 SGB V), sondern stellt ein eigenständiges Leistungsspektrum dar, das regelmäßig Gegenstand gesetzlicher Veränderung war.[28] Derzeit gehören noch konservierend-chirurgische und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz anfallen, zur vertragszahnärztlichen Behandlung.

384

Für die medizinisch notwendige Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen ist vor Beginn der Behandlung nach § 87 Abs. 1a S. 2 SGB V vom Zahnarzt in einem Heil- und Kostenplan festzulegen, der von der Krankenkasse genehmigt werden muss, welche Therapie geplant ist. Die Krankenkasse gewährt dem Versicherten, der nach § 87 Abs. 1a S. 1 SGB V zahlungspflichtig ist, nach § 55 Abs. 1 SGB V einen befundbezogenen Festzuschuss. Die Höhe des Festzuschusses richtet sich nach den, vom G-BA in Richtlinien festgelegten Regelversorgungen (§ 56 SGB V). Den darüberhinausgehenden Aufwand muss der Versicherte mit eigenen Mitteln bestreiten.

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Da sich der Anspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse nur auf den Zuschuss und nicht auf die Inanspruchnahme der Leistung richtet, handelt es sich um einen besonders geregelten Fall der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 1 SGB V mit der Folge, dass Zahnersatz nicht als Sachleistung bezogen wird.[29] Nur die Regelversorgungen nach § 56 Abs. 2 SGB V gehören kraft ausdrücklicher Einbeziehung in § 73 Abs. 2 Nr. 2a SGB V zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Die Leistungen der Zahntechniker, die von den Zahnärzten betraut werden, gehören zur Zahnersatzversorgung und teilen insoweit deren rechtliches Schicksal. Die Antrags- und Genehmigungsverfahren ist gemäß den Vorgaben des § 87 Abs. 1a SGB V in Anlage 6 BMV-Z geregelt.

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Die über die Regelversorgungen hinausgehenden Leistungen und die andersartigen Leistungen[30] sind Privatbehandlungsleistungen kraft besonderer vertraglicher Vereinbarung und unterliegen damit nicht mehr den Regelungen des Vertragszahnarztrechts hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Abrechnungsprüfung, Qualität u.Ä. Maßgeblich ist insoweit der zwischen Patient und Zahnarzt geschlossene Behandlungsvertrag. Allerdings behält der Versicherte seinen Anspruch auf den bewilligten Festzuschuss als Kostenerstattungsanspruch.[31] Wichtiger Anwendungsfall ist der implantatgestützte Zahnersatz.

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Trotz der weitgehenden Ausgliederung des Zahnersatzes aus dem Sachleistungssystem blieb die Verpflichtung in § 137 Abs. 4 S. 3 f. SGB V,[32] neben Füllungen auch für Zahnersatz eine zweijährige Gewähr in Form kostenfreier Erneuerungen zu übernehmen, erhalten. Diese Verpflichtung gilt nicht nur gegenüber den Krankenkassen, sondern auch gegenüber den Patienten, was aus S. 9 der Vorschrift folgt.

388

Ebenso wie der Vertragsarzt verordnet der Vertragszahnarzt im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung Arzneimittel und Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkassen. Bei der Verordnungstätigkeit darf er aber nicht die in § 1 Abs. 3 ZHG gezogenen Grenzen der Zahnheilkunde überschreiten.[33]

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4983 S. 6 Illustrationen
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9783811492691
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