Buch lesen: «Handbuch des Aktienrechts», Seite 50

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Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag muss dem Vorstand „zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden“ (§ 54 Abs. 3 S. 1 AktG). Anders als in den §§ 36, 37, 46, 48 AktG kommt es auf die freie Verfügbarkeit im Zeitpunkt der Einzahlung und nicht im Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister an. Das Erfordernis der freien Verfügbarkeit ist dann erfüllt „wenn die eingezahlten Mittel der Gesellschaft effektiv und endgültig zugeflossen sind, der Vorstand darüber im Rahmen seiner Aufgaben ohne Einschränkungen verfügen kann und der Einlageschuldner seine Verfügungsmacht über die Mittel vollständig und vorbehaltlos aufgegeben hat“.[32] An der freien Verfügbarkeit fehlt es etwa, wenn sich die Gesellschaft zur Rückzahlung verpflichtet oder sich einer bestimmten Verwendungsbindung unterwirft oder wenn das Konto gesperrt oder gepfändet ist oder wenn das Kreditinstitut über den gutgeschriebenen Betrag selbst verfügen darf.[33]

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In den Entscheidungen Qivive[34] und EUROBIKE[35] hat der BGH diese Grundsätze bestätigt und zugleich die Abgrenzung zwischen der Mittelaufbringung und der (späteren) Mittelverwendung klargestellt.[36] Eine Leistung zur freien Verfügung der Geschäftsführung liegt dann vor, wenn die Eigenmittel in den Geldkreislauf der Gesellschaft eingespeist werden.[37] Die Einlage muss aus dem Vermögen des Zahlenden ausscheiden und der Gesellschaft derart zufließen, dass sie uneingeschränkt für Zwecke der Gesellschaft verwendet werden kann.[38] Entscheidend ist, dass der Vorstand rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, über die Bareinlagen uneingeschränkt im Interesse der Gesellschaft zu verfügen. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Abrede über die Verwendung der Einlagen getroffen wurde, etwa mit dem Inhalt die Einlagen zur Umsetzung von Investitionsentscheidungen der Gesellschafter oder sonstiger, ihrer Weisung unterliegender, geschäftspolitischer Zwecke zu verwenden.[39] Bei Abreden dieser Art geht es nur um die Mittelverwendung – die ordnungsgemäße Aufbringung der Mittel ist nicht berührt. Etwas anderes gilt dann, wenn die Absprache darauf gerichtet wäre, die Mittel nicht für Zwecke der Gesellschaft, sondern für Zwecke des Gesellschafters zu verwenden, insbesondere wenn die Eigenmittel auf diesem Wege an den Einleger zurückfließen.[40]

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Beim Hin- und Herzahlen stand dem Vorstand nach früherer Rechtslage die Bareinlage nicht zur freien Verfügung.[41] Dies ist heute nach Einführung des § 27 Abs. 4 AktG anders, wenn nämlich die Leistung der AG durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeitig fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann (§ 27 Abs. 4 AktG).[42] Ist der Rückgewähranspruch nicht vollwertig oder nicht fällig, tritt allerdings keine Erfüllungswirkung ein. Damit hat der Gesetzgeber den Gedanken des Forderungsaustauschs aufgegriffen.[43] Dies deckt sich mit der Cash-Pool-II-Entscheidung des BGH.[44] Nach der EUROBIKE-Entscheidung des BGH kommt es trotz des Gesetzeswortlautes (Rückzahlung vor Einlage vereinbart) nicht auf die Reihenfolge der Leistungen an – dies sei aufgrund der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit letztlich belanglos.[45] Die Eigenmittel müssten auch nicht an den Gesellschafter zurückfließen, es genüge, wenn die AG ihm die Eigenmittel schon vor der Zahlung seiner Einlage aus ihrem Vermögen zur Verfügung stelle.[46] Der Rückgewähranspruch muss vollwertig sein; jeder Wertabschlag und jede Abzinsung führen dazu, dass der Gesellschafter seine Bareinlageverpflichtung nicht (auch nicht anteilig) erfüllt hat.[47] Außerdem muss der Rückgewähranspruch jederzeit fällig sein oder durch fristlose Kündigung fällig gestellt werden können. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass es für die jederzeitige Fälligkeit nicht genügt, wenn die Gesellschaft die Möglichkeit hat, über die abgeflossenen Mittel frei zu verfügen.[48] Die Frage, die sich bei dieser Fallgestaltung stellt, ist, ob es überhaupt eine Rückzahlung gibt, wenn die AG über die Mittel frei verfügen kann.

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Die Leistung oder Vereinbarung einer solchen Leistung muss in der Handelsregisteranmeldung angegeben werden (§ 27 Abs. 4 S. 2 AktG). Nach der Cash-Pool-II-Entscheidung des BGH sind die gesamten Umstände des Hin- und Herzahlens im Handelsregister anzugeben, also das Vorliegen einer Vereinbarung, das Erbringen einer entsprechenden Leistung, ein vollwertiger Rückgewähranspruch und dessen jederzeitige Fälligkeit bzw. die Möglichkeit der sofortigen Fälligstellung.[49] Erst wenn alle Voraussetzungen vorliegen, tritt Erfüllungswirkung ein, sodass in der Literatur angenommen wird, dass der Leistung von Bareinlagen in den Fällen des Hin- und Herzahlens auch und wegen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 AktG nur in wenigen Ausnahmefällen Erfüllungswirkung zukommen wird.[50]

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Leistet ein Aktionär im Rahmen einer Kapitalerhöhung auf ein wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften unwirksames Darlehen, so ist die unwirksame Tilgungsbestimmung (Darlehen) dahin auszulegen, dass anstelle der vermeintlichen Darlehensschuld die Einlageschuld erfüllt werden sollte.[51] Ist das Konto, auf das eingezahlt wird, im Soll, so ist dies jedenfalls dann unschädlich, wenn sich der Debet im Rahmen der die Gesellschaft eingeräumten Kreditlinie hält oder wenn das Kreditinstitut der Gesellschaft auf einem anderen Konto einen Kredit in mindestens gleicher Höhe zur Verfügung stellt.[52]

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Hat der Aktionär den eingeforderten Betrag durch Barzahlung oder Kontogutschrift zur freien Verfügung des Vorstands eingezahlt, so hat er damit seine Einlageschuld in Höhe dieses Betrages erfüllt (§ 362 BGB). Nachträglich eintretende Risiken oder Verfügungsbeschränkungen beseitigen die Erfüllungswirkung nicht.[53] Das gilt auch für eine pflichtwidrige Verwendung des Gegenwertes durch den Vorstand noch vor Eintragung der AG.[54]

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Nach § 60 Abs. 2 AktG richtet sich die Gewinnverteilung nach den geleisteten Einlagen. Das Gleiche gilt nach § 134 Abs. 2 AktG für das Stimmrecht. Deshalb kommt es darauf an, in welcher Höhe der Vorstand die vom Aktionär insgesamt geschuldete Leistung eingefordert hat. Das Recht des Aktionärs, mehr als den eingeforderten Betrag zu zahlen, besteht – anders als nach § 271 BGB – nicht, weil höhere Einzahlungen auf die Einlage das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht beeinflussen (§ 60 Abs. 2 AktG, § 134 Abs. 2 AktG) und der AG deshalb nicht aufgedrängt werden dürfen.[55] Überzahlungen bedürfen der Genehmigung des Vorstands; ob auch eine Zustimmung der Mitgründer vorliegen muss oder, unabhängig vom Vorstand, sogar ausreicht, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt.[56] Auch nach der Eintragung der AG ins Handelsregister ist die Genehmigung der Gesellschaft erforderlich. Die Genehmigung liegt im Regelfall darin, dass die Gesellschaft den nicht eingeforderten Betrag mit der noch offenen Einlageverpflichtung verrechnet. Wurden zwischendurch mit den nicht eingeforderten Beträgen Gegenstände angeschafft, so setzt das „nachträgliche Wirksamwerden einer zunächst mangels Einforderung unwirksamen Einlageleistung das Vorhandensein eines zumindest wertmäßigen Äquivalents der Einlage voraus“.[57] Der Aktionär, der eine nicht eingeforderte Einlageschuld erbringt, trägt also während des Schwebezustands die Gefahr des Wertverlusts.[58] Für Einzahlungen nach Eintragung der AG findet § 54 Abs. 3 AktG keine Anwendung mehr. Es gilt ausschließlich § 54 Abs. 2 AktG. Die §§ 63-66 AktG sind ergänzend heranzuziehen. Das Erfordernis der realen Kapitalaufbringung, das sowohl § 54 Abs. 2 AktG als auch den §§ 63-66 AktG zugrunde liegt, bewirkt im Ergebnis, dass Einlagezahlungen vor oder nach Eintragung der AG in das Handelsregister praktisch zur freien Verfügbarkeit des Vorstands gelangen müssen.[59] Zahlungen auf Einlagen dürfen daher nicht unter dem Vorbehalt der Rückerstattung aus späteren Gewinnen geleistet werden.[60]

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Die §§ 54, 55 AktG beschreiben den Pflichtenkreis der Aktionäre abschließend. Allerdings sind daneben freiwillige Zusatzleistungen auf schuldrechtlicher Basis zulässig. So ist es beispielsweise zulässig, Aktionären, die freiwillige Zuzahlungen leisten, einen Vorzug für ihre Aktien zu gewähren (§ 272 Abs. 2 Nr. 3 HGB). Schuldrechtliche Vereinbarungen haben keinen korporativen Charakter, ein Aktionär kann wegen der Verletzung schuldrechtlicher Pflichten folglich nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.[61] Aktionäre können sich beispielsweise verpflichten, der AG ein Darlehen zu gewähren oder bestimmte Dienst- oder Sachleistungen zu erbringen.[62] Bindungen hinsichtlich der Ausübung des Mitgliedschaftsrechtes sind zulässig – Stimmbindungsverträge allerdings nur innerhalb der Grenzen des § 136 Abs. 2 AktG. Der Stimmenkauf dagegen ist verboten und strafbewehrt (§ 405 Abs. 3 Nr. 6/7 AktG).[63]Auch eine schuldrechtliche Verpflichtung, in bestimmter Weise über den Aktienbesitz zu verfügen oder bestimmte Verfügungen zu unterlassen, ist wirksam.[64] Bei der Übertragung von Aktien auf die AG müssen die Grenzen des § 71 AktG beachtet werden, andernfalls ist die Übertragung nach § 71 Abs. 4 S. 2 AktG nichtig.[65] Schuldrechtlich begründete Pflichten sind nicht Bestandteil des Mitgliedschaftsrechtes und gehen deshalb nicht auf einen späteren Erwerber der Aktie über. Denkbar ist ein Übergang im Wege der vertraglichen Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB).

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Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an (§ 54 Abs. 4 S. 1 AktG). Bei einer wirtschaftlichen Neugründung beginnt die Verjährung mit der Neugründung neu zu laufen – es kommt nicht auf die ursprüngliche Gründung der AG an.[66] Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein (§ 54 Abs. 4 S. 2 AktG). Abs. 4 ist eingefügt worden, weil die seit dem 1.1.2002 geltende allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB) nach Meinung des Gesetzgebers für den Einlagenanspruch der Gesellschaft nicht passte.[67]

6. Kapitel Finanzierung der Aktiengesellschaft, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung › II. Kapitalaufbringung › 3. Sicherstellung der Kapitalaufbringung

3. Sicherstellung der Kapitalaufbringung

3.1 Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung

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Zur Sicherung der realen Kapitalaufbringung bestimmt § 63 AktG, dass Aktionäre die Einlagen nach Aufforderung durch den Vorstand einzuzahlen haben. Die Aufforderung ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. Haben die Aktionäre den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig eingezahlt, so haben sie ihn vom Eintritt der Fälligkeit an mit 5 % für das Jahr zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. Für den Fall nicht rechtzeitiger Einzahlung kann die Satzung Vertragsstrafen festsetzen (§ 63 Abs. 1–3 AktG). Ergänzt werden diese die Kapitalaufbringung betreffenden Vorschriften durch die Möglichkeit der Einziehung der Aktien (Kaduzierung: § 64 AktG), durch die Zahlungspflicht der Vormänner (§ 65 AktG) und durch § 66 AktG, der eine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten nicht zulässt.

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Gegenstand der Norm sind die Einlagen, die die Aktionäre zu zahlen haben, also nicht Nebenleistungen (§ 55 AktG), ebenso wenig wie Zinsen, Schadensersatz oder Vertragsstrafen (§ 63 Abs. 2 und 3 AktG). Zu zahlen sind die Einlagen i.S.d. § 54 AktG, und zwar die Bareinlagen.[68] Nur diese können – so der Wortlaut von § 63 AktG – eingezahlt werden. Demgegenüber werden Sacheinlagen nach der Terminologie des § 54 AktG geleistet. Materiell wird darauf hingewiesen, dass Sacheinlagen nach der gesetzlichen Regelung (§ 36a Abs. 2 S. 1 AktG) sofort fällig sind, sodass sich der Anwendungsbereich des § 63 AktG für Sacheinlagen nicht eröffnet.[69] § 63 AktG kann bei Sacheinlageverpflichtungen analog zur Anwendung kommen, wenn die Satzung dies ausdrücklich vorsieht.[70] Bei verdeckten Sacheinlagen ist der Aktionär von seiner Einlageverpflichtung nicht befreit (§ 27 Abs. 3 AktG). Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam (§ 27 Abs. 3 S. 2 AktG). Dies ist die Rechtslage, die durch das ARUG im Jahre 2009 geschaffen wurde. Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Aktionärs wird der Wert des Vermögensgegenstandes, den er an die Gesellschaft überlassen hat, angerechnet (§ 27 Abs. 3 S. 3 AktG). Das bedeutet, dass § 63 AktG für den bei einer Sacheinlage nach §§ 27 Abs. 3, 183 Abs. 2, 194 Abs. 2, 205 Abs. 4 bestehenden Differenzbetrag oder auch für die insoweit wieder auflebende Bareinlagepflicht[71] Anwendung findet.[72]

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Die Pflicht zur Verzinsung der nicht rechtzeitig gezahlten Beträge betrifft alle Geldeinlagen, die die Aktionäre nach Aufforderung durch den Vorstand einzuzahlen haben. Es handelt sich um Geldeinlagen, die vor oder nach der Anmeldung zum Handelsregister zu zahlen sind. Hauptanwendungsfall von § 63 AktG sind allerdings die Zahlungen, mit denen Aktionäre nach Anmeldung der AG zum Handelsregister säumig bleiben. Ist aber eine rechtzeitige Einzahlung vor der Anmeldung unterblieben, so findet auch darauf § 63 AktG Anwendung.[73]

70

Die Aufforderung des Vorstands auf Zahlung auf die Einlagen richtet sich an die Aktionäre, und zwar an den jeweiligen Inhaber der Mitgliedschaft, also auch an den Erwerber. Bei Namensaktien kommt es auf die Eintragung im Aktienregister an (§ 67 Abs. 2 AktG).[74] Für die Verletzung von Nebenpflichten, die nicht im Mitgliedschaftsrecht wurzeln (§ 63 Abs. 2 oder Abs. 3 AktG) bleibt derjenige Aktionär Schuldner, in dessen Person die Nebenpflichten verletzt wurden.[75]

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Nach § 10 Abs. 2 AktG müssen Aktien auf den Namen lauten, wenn sie vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden. Wird hiergegen verstoßen, so kann es zum gutgläubigen Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien kommen. In diesem Fall schuldet nicht der gutgläubige Erwerber, sondern der Veräußerer die Einlage, d.h. auch § 63 AktG geht nicht zulasten des gutgläubigen Erwerbers.[76] Umstritten ist in diesem Fall jedoch die Anwendbarkeit von § 63 Abs. 2 und 3 AktG. Gegen den Veräußerer, der keine mitgliedschaftliche Position im Unternehmen mehr hat, könne man die Nebenfolgen des § 63 Abs. 2 und Abs. 3 AktG nicht mehr geltend machen. Stattdessen müsse man Schadensersatz wegen Schuldnerverzuges verlangen (§ 286 ff. BGB).[77] Dagegen wird mit guten Gründen geltend gemacht, dass § 63 AktG den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung absichern soll. Wenn es demnach möglich ist, den Altaktionär nach § 63 Abs. 1 AktG zur Zahlung des offenen Betrages aufzufordern, dann ist wenig einzusehen, warum man ihn nicht auch mit Zinsen, Schadensersatz und Vertragsstrafe überziehen darf.[78]

72

Der Vorstand der AG fordert zur Zahlung auf, in der Insolvenz der Insolvenzverwalter. Die Aufforderung beinhaltet die Erklärung der Gesellschaft an die Aktionäre, die Einlagen einzuzahlen. Das muss klar und eindeutig geschehen. Der Betrag je Aktie, der Zahlungstermin und die Zahlungsmodalitäten sind ebenso klar zu benennen, wie die Schuldner. Ein Verweis auf das Aktienregister kommt in Betracht[79] und eine Beschreibung der Aktien nach Gattung und Serie.[80]

73

Der Gleichheitsgrundsatz (§ 53a AktG) ist zu beachten. Das bedeutet, dass eine sachliche Rechtfertigung erforderlich ist, wenn Aktionäre unterschiedlich behandelt werden sollen.[81] Bei Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darf ein Aktionär die ihn treffende ungerechtfertigte Zuvielleistung, damit sind auch Zinsen, Schadensersatz oder Vertragsstrafen gemeint, verweigern.[82] Dies gilt nicht gegenüber einem Gläubiger, der die Einlagenforderung durch Pfändung und Überweisung erworben hat.[83]

74

Die Aufforderung zur Einzahlung der Einlagen ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. In Ermangelung einer abweichenden Satzungsbestimmung ist die Bekanntmachung der Gesellschaft nach § 25 AktG in den elektronischen Bundesanzeiger einzurücken. Daneben kann die Satzung andere Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen (§ 25 S. 2 AktG).

75

Die Aufforderung zur Zahlung durch den Vorstand begründet einerseits die Erfüllbarkeit der Einlageschuld und stellt sie andererseits fällig. Das gilt nicht, soweit die Fälligkeit bereits durch Aufforderung zur Zahlung vor Anmeldung begründet war (§§ 36 Abs. 2, 37a Abs. 1 AktG).[84] Ansonsten ist Aufforderung durch den Vorstand erforderlich, um Fälligkeit auszulösen.[85]

76

Wird die Einlageforderung nach § 829 ZPO gepfändet, so geht das Recht, vom Aktionär die Zahlung der offenen Einlage zu verlangen, jedenfalls mit erfolgter Überweisung (§ 835 ZPO) auf den Pfändungsgläubiger über.[86] Das Interesse des Gläubigers, das durch die Vorschriften über die Kapitalaufbringung gesichert werden soll, hat in diesem Fall Vorrang vor dem Interesse des Aktionärs auf Gleichbehandlung.[87]

77

Aktionäre, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, haben ihn vom Eintritt der Fälligkeit an mit 5 % für das Jahr zu verzinsen (§ 63 Abs. 2 AktG). Die Zinszahlungspflicht wird allein durch das Verstreichenlassen der Fälligkeit ausgelöst, weitere Voraussetzungen, wie etwa Verschulden, sind nicht erforderlich. Der Ersatz des weiteren Schadens ist nach § 63 Abs. 2 S. 2 AktG nicht ausgeschlossen. Gemeint ist der Verzugsschaden nach § 286 ff. BGB. Um ihn geltend zu machen, müssten Mahnung und Verschulden hinzutreten. Mahnung, Festlegung der Leistungszeit nach dem Kalender (§ 286 Abs. 2 S. 1 BGB) und die Zahlungsaufforderung nach § 286 Abs. 3 S. 1 BGB setzen allesamt den Zugang der Aufforderung voraus – eine bloße Bekanntmachung ist daher nicht ausreichend.[88] Dem wurde von Hüffer[89] entgegengehalten, dass die AG, wenn sie schon durch Bekanntmachung fällig stellen könne, auf diesem Wege auch den Charakter als Terminschuld begründen können sollte. Wirklich zwingend ist dies nicht, denn der Schadensersatzanspruch wegen Verzugs des Schuldners setzt nach § 286 BGB individuell vorwerfbares Verschulden voraus. Bei einer bloßen Bekanntmachung nach § 63 AktG ist nicht sicher, dass die Zahlungsaufforderung objektiv so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er subjektiv hätte von ihr Kenntnis erlangen können. Möglicherweise meint Hüffer, dass ein Fall von § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB vorliegt. Danach ist eine Mahnung entbehrlich, wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist. Aber auch dies erscheint bei einer bloßen Bekanntmachung nach § 63 AktG, jedenfalls für den Normalfall, nicht zwingend. So gesehen sollte es dabei bleiben, dass ein Verzugsschaden nur dann geltend gemacht werden kann, wenn der Aktionär von der Aufforderung Kenntnis erhalten hat.[90] Kenntnis kann er z.B. dadurch erhalten, dass die AG die öffentliche Bekanntmachung an ihre Aktionäre – z.B. durch E-Mail – übermittelt.[91]

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Auch die satzungsgemäß möglichen Vertragsstrafen (§ 63 Abs. 3 AktG) setzen Verzug voraus (§ 339 S. 1 BGB). Die Kaduzierung (Ausschluss säumiger Aktionäre) ist in § 64 AktG ausdrücklich geregelt. Insoweit kommt sie als Vertragsstrafe nicht in Betracht.[92] Auch in das gesetzlich zwingend geregelte Stimmrecht kann per Vertragsstrafe nicht eingegriffen werden, wohl aber in das Gewinnbezugsrecht, für das die Satzung nach § 60 Abs. 3 AktG eine andere Art der Gewinnverteilung bestimmen darf. Daraus wird – durchaus überzeugend – überwiegend geschlussfolgert, dass die Satzung für den Fall nicht rechtzeitiger Einzahlung eine andere Art der Gewinnverteilung als Vertragsstrafe festsetzen kann.[93] Zinsen und Vertragsstrafe können nebeneinander verlangt werden,[94] während die Vertragsstrafe gegen den geschuldeten Schadensersatz verrechnet wird (§§ 340 Abs. 2, 341 BGB).

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2941 S. 2 Illustrationen
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9783811443150
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