Don Carusos Würde

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Don Carusos Würde
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Don Carusos Würde

© Andreas Ireland

Inhaltsverzeichnis

I. Der Morgen danach.........................................................................3

II. DIE ANDERE SEITE......................................................................5

III. Ein trauriges Frühstück..................................................................8

IV. Der Galaabend............................................................................13

V. Die Hüterin der Chroniken...........................................................................................21

VI. Das Geheimnis der Chroniken...........................................................................................31

VII. Der Plan.......................................................................................40

VIII. Letzte Vorbereitung......................................................................................46

IX. Die Reise zu Anderen Seite....................................................................................................53

X. Reise in die Höhle des Löwen.................................................................................................60

XI. Paris..............................................................................................68

XII. Die goldene Stimme von Kronja..................................................................................................77

XIII. Ein Stadtbummel mit Folgen.................................................................................................85

XIV. Ein Gefangenenchor erkältet sich......................................................................................................94

XV. Ein geschäftiger Morgen..............................................................................................104

XVI. Das Vorsingen.........................................................................................112

XVII. Unerwarteter Zuwachs.........................................................124

XVIII. Die erste Schlacht............................................................................................134

XIX. Ein gewagter Plan...................................................................................................142

XX. Die Generalprobe...................................................................................155

XXI. Die Flucht................................................................................................166

XXII. Eine liebendwürdige Entführung........................................................................................179

XXIII. Endlich wieder Zuhause...........................................................................................192

XXIV. Das Geheimnis von Kronja...............................................................................................199

I. Kapitel: Der Morgen danach

„Guten Morgen! Einen noch schöneren guten Morgen als gestern und vorges-tern, eure Göttliche Hoheit. Ich hoffe, der Schlaf hat euer hochwohlgeborenes Gemüt erquickt und Euch für die Lasten der schwierigen Regierungsgeschäfte gestärkt.“

Puuuhhh...., war das ein Satz! Makkaroni versah diesen wortgewaltigen und blumenreichen Weckdienst schon seit vielen Jahren mit dem gast immer selben Wortlaut. Der treue leidenschaftliche Diener Seiner Majestät, König Fisematentos dem IV., war sich sehr wohl bewusst, dass die Ironie der Schalk, der ihm im Nacken saß, auch für den bisweilen etwas einfältigen Fisimatento durchaus herauszuhören war. Aber Makkaroni war beileibe nicht nur Lakai sondern auch geschätzter Unterhalter, närrischer Satzvirtuose und persönlicher Berater Seiner Majestät und durfte sich fast alles erlauben.

Mit eifrigen, schnellen Schritten haspelte er durch den verdunkelten Raum, in dem sein geliebter Herr, allzu oft Opfer seines Schabernackes, zu ruhen pflegte. Die großen, schweren, kostbaren Brokatvorhänge zu öffnen, war ihm schon immer schwer gefallen, denn er war nicht von großer Gestalt, sondern eher gedrungen und dazu noch kugelrund. Das kam von seiner beinahe unstill-baren Leidenschaft für italienische Nudelgerichte, die ihm auch den Namen Makkaroni eingebracht hatten. Wie er einmal wirklich geheißen hatte, war ihm entfallen, oder er tat wenigstens so. Seine beträchtliche Leibesfülleverstecke er unter prachtvollen weiten Gewändern, die ähnlich aussahen wie die indische Saris, und er trug sie mit absoluter Würde. Den Spott, den er öfter zu ertragen hatte, Sätze wie „Ach, da kommt Madame Makkaroni,“ standen in keinem Verhältnis zu den Vorteilen der weiten Gewänder. So konnte er seinem liebsten Steckenpferd, dem Verschlingen von italienischer Pasta nachgehen, ohne dass ein Gürtel oder ein zu enger Hosenbund drückte, und ihn zum Aufhören zwang.

Aber Trotz der Mühe, die es dem kugeligen Diener bereitete, ließ er sich nie von einem anderen Bediensteten helfen, die prächtigen Vorhänge mittels einer Schnur langsam und feierlich aufzuziehen.

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Die Sonne warf ihr mildes Morgenlicht durch die Scheiben in das pompöse Schlafzimmer ,ach was Schlafzimmer, in das riesige Schlafgemach. Überall kostbare Möbel und Teppiche, Decken und Deckchen und nicht zu vergessen die vielen Gemälde an den Wänden.

Einige Strahlen kitzelten auch die zusammengerollte Gestalt in dem großem, mit goldfarbenem Baldachin ausgestatteten und mit Unmengen von Bordüren und Troddeln in allen Farben geschmückten Bett und weckten den Schlum-mernden.

„Gu gu gu guahhh, guten Morgen lieber Makkaroni. Meine Güte, was für eine Nacht!“

Langsam schob sich das zerzauste Haupt König Fisematentos zwischen einem Berg wunderschöner Kissen hervor. Was das hereinfallende Tageslicht da beleuchtete, war alles andere als göttlich, hoheitsvoll oder königlich. Ja, noch nicht einmal ehrwürdig sah dieser glühende Kopf aus. Eher konnte man an-nehmen, ein großer, reifer Kürbis wäre geplatzt und hätte seine Kerne auf sich selbst verteilt. Rot und geschwollen, mit linsengroßen, braunen Flecken, war das Gesicht übersäht, sogar die kleine Stirnglatze war nicht verschont. „Makkaroni, lieber Makkaroni! Sage mir, dass es nur ein Alptraum war!

Es ist nicht wirklich passiert!“ Während er sprach standen seine Hände still, unablässig betastete er sein Gesicht, drückte und knatschte es.

„Mein Gesicht! Es ist genau wie damals als meine unselige Verlobung mir Gräfin Melissia in die Brüche ging!“

„Gott sei es gedankt“, dachte Makkaroni, „dass er diese Xantippe losgeworden ist.“ Dies sagte er natürlich nicht, sondern stattdessen: „Ihr habt recht, damals als die teure Mellisia Euch so vor den Kopf gestoßen hat, es macht mich heute noch traurig, ist auch dieser unsägliche Erbfluch über euch gekommen, der Eure Familie schon seit vielen Generationen verfolgt. Es ist diese schreckliche Aufregung. Immer wenn ihr Euch so sehr erregt, sucht Euch dieser furchtbare Ausschlag heim. Damals bei Melissia hat es den ganzen Herbst gedauert. Ihr habt sogar das Erntedankfest versäumt und die halbe Ballsaison.“

Fisimatento verzog das Gesicht, denn an sein erfolgloses Weben um die schöne, einzigartige Melissia wurde er nicht gerne erinnert. Dieses untreue, undankbare Weib! Mit einem Theaterschauspieler war sie weggelaufen und hatte ihn kurz darauf geheiratet.

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Tiefe leidvolle Seufzer kamen aus dem Mund Seiner Majestät und das eh schon entstellte Gesicht des Armen schlug jetzt auch noch tiefe Kummerfal-ten. Makkaroni musste sich mit aller Kraft das Lachen verbeissen, obwohl der Auslöser des entstellenden Ausschlages, das heisst die Aufregung die ihn verursacht hatte, alles andere als zum Lachen war.

„Liebe Majestät! Das ganze Leben auf unserer ANDEREN SEITE ist gefähr-det! Nichts wird mehr so sein wie es einmal war.“

„ich weiß Makkaroni, ich weis. Und ich bin schuld. Ich ganz alleine. Oh mein armes Volk, meine geschätzten Untertanen!“ bei diesen Worten brach der arme Kerl in lautes Schluchzen aus. Aus seinen verquollenen Augen strömten Sturzbäche von Tränen.

Makkaroni verging das Lachen sehr schnell, denn er konnte seinen König nicht leiden sehen. „Oh hätte Fisimatento nur nicht diese unsägliche Idee gehabt, einen von der ANDEREN SEITE zu seinem großen Geburtstagsfest einzuladen.

Es hätte eine Überraschung für die Untertanen werden sollen; denn kaum einer von ihnen hatte jemals mit der ANDEREN SEITE Kontakt gehabt.

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II. Kapitel: DIE ANDERE SEITE

Vor unsäglich vielen Jahren lebten alle in einer einzigen Welt, bis eines Tages durch ein Missgeschick im großen weiten Raum neben der normalen, uns allen wohlbekannten Welt, eine parallele, andere Welt entstanden war. beide sprachen voneinander nur von der ANDEREN SEITE und man muss aufpassen, dass es einem nicht verwirrte.

In der normalen Welt ging alles seinen althergebrachten geregelten Lauf. Die Menschen gingen zur Arbeit und waren ihr ganzes Leben an einem festen Zeitplan gebunden. Alles war festgelegt vom großen Zeitmangel der über die Menschen gebreitet war.

Ganz anders auf der ANDEREN SEITE. Begriffe wie „morgen“ konnten einen ganzen Monat bedeuten, „nachher“ ein halbes Jahr. Man richtete sich nur nach dem Sonnenaufgang und dem Sonnenuntergang. Stunden, Minuten und Sekunden spielten überhaupt keine Rolle. Auch nicht Wochen, Monate oder Jahre. Man arbeitete wie es gerade passte oder wie man lustig war. Geburtstage feierten die Bewohner der ANDEREN SEITE, wann immer sie Lust hatten, oder man liebe Verwandte oder Bekannte sehen wol te um mit diesen ein Fest zu feiern, zu schlemmen und zu singen. Das soll nicht heissen, dass die Bewohner der ANDEREN SEITE faule Kerle waren. Die kamen alle gut zurecht, bauten Häuser, pflügten Felder, versorgten ihre Kranken und Alten und lebten in wunderbarer Eintracht. Es hab alle Arten von Geschäften und Betrieben: Bank- und Handelsgeschäfte, gastronomische Betriebe, Supermärkte, „Tante Emma“-Lädchen, Kioske, Tankstellen und Fabriken, eben alle lebensnotwen-digen Einrichtungen, nur eben etwas anders ohne den geringsten Zeitdruck.

 

Alles war irgendwie freundlicher und wärmer. Genauer gesagt zufriedener. Die Kinder besuchten Kindergärten, Schulen und Universitäten und waren recht erfolgreich, denn niemand zwang sie zur Eile. Nur wenn ein Kind im Kinder-garten begann die Kindergärtnerin zu überragen, legte man den Eltern nahe, sich doch mal um eine Schule für das „Riesenbaby“ zu kümmern. Studenten mit langen weißen Bärten waren an der Tagesordnung, und oft wusste man nicht genau, wer der Schüler und wer der Professor war.

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Aber alle fanden es so in Ordnung. Es Gab auch keine Mode- und Zeittrends.

Jeder kleidete sich, wie er wollte. Manchéiner trug zum Spaziergang mittelalterliche Roben oder sogar eine Rüstung. Manch einer kam zum Abendessen im Astronautenanzug oder in einer Kombination aus Jogginganzug und Hen-kerkostüm. Der Karneval war aus diesem Grund auch etwas schwierig, denn für viele war dann ein ganz normaler Staßenanzug mit weißem Hemd und Krawatte die absolute Verkleidung.

Ähnlich verhielt es sich auch mit den Fortbewegungsmitteln. In den Straßen fuhren hochmoderne Sportrennwagen in Eintracht mit uralten Ochsenkarren.

Hochfahrräder trödelten neben Inlineskatern und verchromten Motorrädern durchs Verkehrsgewühl und jeder nahm auf den anderen Rücksicht; denn wie gesagt, Zeitdruck gab es nicht und das Wort Stress tauchte höchstens mal bei Liebeskummer auf. Auch Junge und Alte lebten in absoluter Harmonie nebeneinander.

Die beiden Welten hielten nicht viel voneinander. Als die Menschen sich damals bei der Entstehung für eine Seite entschlossen, war man von Generation zu Generation bei einer Seite geblieben. Ab und zu wurde eine große Welt-konferenz abgehalten, zu der sich Vertreter der jeweiligen ANDEREN SEITE

trafen, um über Raumfahrprogramme, Schutz gegenüber Außerirdischen oder gegen Kometen zu sprechen. Beide Seiten hatten hervorragende Wissenschaft-ler und natürlich auch große Zaubermeister. Ein Thema war auch die Handha-bung von Zaubereien, vor allem, wenn sie die jeweiligen ANDEREN SEITEN

betrafen. Einer der bösen Zauberminister der alten Welt soll auch seine Hände im Spiel gehabt haben, als ein Missgeschick im großen weiten Raum die zweite Welt entstehen lies.

Aber auch in den ältesten Chroniken war nichts darüber zu finden, oder zumindest der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Die reale Welt (in der es natürlich auch Kriege, Habgier und Verschlagenheit gab) hatte gute und böse Zaubermeister wogegen auf der ANDREREN SEITE

niemand die Bösen brauchte. Kriege waren ihnen unbekannt un ausser bei Lie-besdingen gab es keine Eifersüchteleien und Neid. Wozu hätte man also böse Zaubermeister brauchen sollen?

Im Laufe der vielen, vielen Jahre sprach man auf der jeweiligen Seite kaum über die anderen.

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Obgleich es relativ einfach war, Kontakt aufzunehmen oder einen Besuch zu machen auf der jeweiligen ANDEREN SEITE wollte dies niemand. Bis auf die besagten gemeinsamen Konferenzen war die ANDERE SEITE tabu. Es gab sogar ein großes Ministerium mit einem Minister für andere-Seiten-Angelegenheiten. Es war ein eindrucksvolles Gebäude in der Hauptstadt Messca-lion. Man musste einen Antrag stellen für einen Kontakt oder einen Besuchs-schein und dieser wurde auch immer gewährt. Vom Ministerium aus konnte man auch mit der realen ANDEREN SEITE telefonieren. Aber wie gesagt, das Interesse war mehr als gering. Vielleicht überwogen auch Angst und Aberglau-be vor der Neugier.

Bei der realen Seite war es Zeitmangel und Verächtlichkeit, die die Einwohner davon abhielten, mit dem Volk Fisematentos Kontakt aufzunehmen, war dessen Welt und Königreich doch weitaus kleiner und unbedeutender als ihr mächtiger Planet. In der realen Welt konnte es sich niemand erlauben, sich mit etwas unbedeutenden abzugeben und was man nicht sehen konnte, hatte auch nicht zu existieren. Das lernten dort die Kinder schon in der Schule. Und was konnten das schon für Leute sein, die die bei ihnen allmächtige Zeit nicht richtig ernst nahmen. Nur Unbedeutende.

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III. Kapitel: Ein trauriges Frühstück

König Fisematento war aufgestanden. Er stand vor einem der großen reich verzierten Kristallspiegel seines Schlafzimmers. „das seiht noch schlimmer aus als beim letzten Mal. Als mich dieser ekelhafte Ausschlag anlässlich Melissias Boshaftigkeit befallen hat, war wenigstens meine Halbglatze nicht betroffen. Aber sie leuchtet besonders schauderhaft und die Pusteln sind doppelt so groß. Alle meine Hausärzte müssen angeschleppt werden und natürlich Hefax der Hofzauberer. Vielleicht können sie mir dieses Mal helfen.“ Während er sprach, raufte er sich abwechselnd die Haare und drückte unappetitlich an den großen Pickeln herum.

„Eure Majestät, bitte regt euch nicht weiter auf! Es wird dadurch nur noch schlimmer. Hier, nehmt diesen Seidenschal und bedeckt damit Euren Kopf und Euer Gesicht. Dann noch eine Sonnenbrille und Ihr seht aus wie ein erhabener Scheich. Keiner wird es bemerken, sondern man wird Euch zu dieser kreativen Bekleidung nur beglückwünschen.“

Makkaroni wuselte geschäftig um den entstellten König herum, zupfte hier am Tuch, schon es da noch ein wenig tiefer in die Stirn und ließ die Sonnenbrille dauernd auf den Boden fallen.

Es war nicht nur die Situation, die den dicken Diener so aus der Fassung brachte, sondern man war auch schon längst über die übliche gemeinsame Frühstückszeit hinaus und sein Magen, die einzige wirkliche Uhr im Königreich, knurrte bedenklich. Hunger war für ihn die schlimmste aller Katastrophen, die er sich vorstellen konnte.

„Kommt Eure Majestät, legt Eure Kleidung an, je schneller Ihr etwas früh-stückt, umso eher sieht die ganze Sache nicht mehr so schlimm aus.“

„Wenn du meinst, lieber Makkaroni,“ kam es kläglich aus dem königlichen Mund, der jetzt von einem Schal verborgen war. “Es sieht ja ganz interessant aus ein bisschen verwegen.

Aber nach Essen ist mir gar nicht so zumute.“ Als er sah wie Makkaronis Mundwinkel herabsanken und sein Gesichtsausdruck „ich verhungere“ zu schreien schien, gab sich Fisimatento einen Ruck.

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„Du hast recht, ausserdem ist die andere Sache viel, viel schlimmer als meine Gesichtsbeulen.“

Blitzschnell sauste Makkaroni zum Ankleideschrank und brachte Fisimatento die notwendigen Kleidungsstücke um den Scheichsanzug zu vervollständigen.

„Ihr werdet sehen Eure geschwollene Hoheit, nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird; und wer sagt denn, dass dieser singende, bösartige Zaubermeister wirklich Macht auf unsere Seite hat“

„Wenn du nur Recht hättest Makkaroni. Warum habe ich nur diese verhäng-nisvolle Idee gehabt, diesen Don Caruso zu uns einzuladen? Und überhaupt warum ist mein Volk so unmusikalisch. Als ich Minister Pasparo gebeten habe einen großen Sänger von der ANDEREN SEITE anlässlich meiner Geburtstagsfeier zu besorgen, habe ich nicht einen singenden Zaubergroßmeister bestellt der ausgerechnet der bösen Zunft angehört. Zum Unglück auch noch den Besten. Du weißt, was man sich in den Legenden erzählt. Dieser Don Caruso soll ein direkter Nachfahre des Zaubermeisters sein, der an der Weltenteilung beteiligt war, und ich bin mir ganz sicher, dass an den Geschichten etwas Wahres dran ist.“

„Euer Hochwohlgeboren, ich möchte Euren Redefluss nicht unterbrechen, aber das Frühstück! Denkt an die heissen Pfannkuchen, den Honig, der Mozarella mit Kräutern, die Paninis, die Reste der gestrigen Pasta und all die anderen Sachen.“

Makkaroni hatte sich in ein wahres Hochgefühl geredet. Es kam ihm so vor, als habe er eine Ewigkeit nichts mehr gegessen. Ungeduldig zog er Seine Majestät am Ärmel weg vom Spiegel, zur Tür hinaus auf den großzügigen Flur. Dicke Läufer dämpften ihre Schritte. Auf dem Weg zum kleinen Früh-stückssaal – es gab natürlich noch einen großen, wenn Gäste im Schloss waren

- ,kamen sie an der Ahnengalerie vorbei. In schweren Goldrahmen hingen da Portraits an der Wand, die alle Personen darstellten – unserem Fisimatento wie aus dem Gesicht geschnitten. Da waren welche mit Vollbärten, mit Schnäu-zern, mit Glatzen, dicken Gesichtern, Rotweinbacken und –nasenm Schwind-süchtige, Mitleiderregende, Traurige und Fröhliche. Aber alle hatten feine manchmal auch grobe Narben über das ganze Gesicht verteilt, als hätten sie an einer entsetzlich starken Akne oder Pocken gelitten. Über Jahrhunderte verfolgte schon dieser wüste Ausschalg die Familie in allen Zweigen. Fisimatento 10

mochte gar nicht hinschauen. Nein er wollte nicht auch diese Narben haben!

Aber je länger die Aufregungen dauerten, umso mehr fraßen sie sich in die Haut. Er beschleunigte seinen Schritt, was Makkaroni nur entgegen kam.

„Wie ich bemerke hat Euch der Appetit nun auch gepackt. Gut gegessen ist halb gewonnen und vertreibt die Sorgen. Das hat schon meine Großmutter immer gesagt und sie war eine kluge Frau“, bemerkte der hungrige Diener.

Sie hatten ein blaues Portal erreicht mit Doppeltüren. Makkaroni öffnete beide Seiten und machte Platz, das Seine Majestät vor ihm eintreten konnte. Der kleine Frühstückssalon war ein geräumiges, helles und freundliches Zimmer, das mehr Fenster als Wände hatte. Alles war in grünem Pastell gehalten und ein Meer von Pflanzen sorgte für gute Luft und die schönste Atmosphäre, die man sich zum Frühstück wünschen konnte. Leise Musik aus versteckten Lautsprechern rundete die freundliche Stimmung des schmucken Raumes ab.

Ein großer, ovaler Tisch war liebevoll für 2 Personen gedeckt und eine goldene Klingel stand parat, um das Frühstückspersonal zu rufen. Bei Tisch musste Makkaroni nicht als Diener auftreten sondern er saß Seiner Hoheit gegenüber und durfte sich auch bedienen lassen. Ein duftender Blumenstrauß in der Mitte der Tafel ließ beinahe alle Sorgen verschwinden, hätte König Fisimatento in diesem Moment nicht laut geseufzt. Der Seufzer wäre noch lauter und länger ausgefallen, hätte sich nicht das Tuch - das er natürlich noch trug – in seinen Mund gesaugt. So wurde daraus eher ein ersticktes Geräusch. Angewidert zupfte Fisimatento das Tuch zurecht und murmelte gerade hörbar für Makkaroni: „Wir müssen etwas unternehmen. Stell dir vor, der Fluch tritt ein.

Mein Volk wird mich nicht mehr akzeptieren, sie werden mich abwählen, sie werden das elende Leben der anderen Seite führen. Sie werden heimtückische Zeitraffer. Das ist kein Platz für einen gütigen, lieben König. Er hat gesagt es wird schleichen über uns kommen, langsam und unheimlich. Oh Makkaroni, ich habe Angst.“

„Eure Majestät ich habe auch Angst, aber könnt Ihr mir bitte die Frühstücks-glocke reichen, ich habe nämlich Angst, dass ich verhungere. Mit leerem Magen kann ich nicht denken und Euch in keiner Weise behilflich sein und wie ihr wisst sind meine Ratschläge meist ganz trefflich.“

Mit einer fahrigen Bewegung schob Fisimatento seinem Lieblingsdiener die goldene Glocke zu. Dieser klingelte dreimal ganz heftig und gleich noch 11

dreimal. „Damit man es auch hört“ murmelte er entschuldigend.

Die Tür wurde aufgestoßen und zwei Lakaien in bunter Uniform und weissen Perücken schoben einen großen Frühstückswagen in den Salon. Sofort breitete sich der Duft von frisch gebrühtem Kaffee und backofenfrischen Hörnchen im ganzen Raum aus. Der Geruch von der aufgewärmten Pasta des Vortages, die extra für Makkaroni bereitet wurde. Gleich hinter den beiden Lakaien betrat Luigi, der Koch – natürlich vom Pastafreund Makkaroni ausgewählt – das Frühstückszimmer. Wie immer die Kochmütze leicht schief auf dem Kopf, den Schnurrbart hochgezwirbelt, fast wie einer italienischen Operette entsprungen.

Weisse Jacke und rotes Halstuch machten das Bild komplett.

„Guten Morgen, die Herren, wieso werde ich nicht informiert, wenn Besuch zum Frühstück da ist und wo ist denn Seine Hoheit?“ Luigi war immer so unwirsch, kurz angebunden und machte keinen Hehl daraus, dass er verärgert war.

„Aber ich bin doch hier!“, kam es aus dem Mund des verschleierten Scheichs.

„Seine Majestät will in nächster Zeit ein bisschen orientalisch wirken. Er findet es langweilig immer in der traditionellen Königskleidung. Überhaupt geht dich das gar nichts an, sorge lieber dafür, dass aufgetragen wird“, fügte Makkaroni ungeduldig hinzu. „Fast hätte er noch ein „Hopp! Hopp! Ein bisschen plötzlich“ hinzugefügt, aber er verschluckte den Satz in letzter Sekunde. Ja, er wusste überhaupt nicht, woher ihm diese Worte in den Sinn gekommen waren.

 

Makkaroni wollte es gar nicht wissen, denn ein furchtbarer Gedanke ließ ihn erschaudern. Zu allem Überfluss sagte Luigi in sein Grübeln hinein „sogleich, sogleich. Aber ihr seid heute auch reichlich spät, wenn mir die Bemerkung erlaubt sein darf.“

Dieser Satz traf Makkaroni wie ein Dolchstoss. Die schlimmsten Befürchtun-gen schienen sich zu bewahrheiten. „Zu spät“, Luigi hatte wirklich „zu spät“

gesagt.

„Eure Majestät, habt ihr gehört?“, flüsterte er Fisimatento zu. „Hallo, so nehmt doch mal das Tuch etwas von den Ohren. Habt Ihr das gehört? Luigi hat gesagt, wir wären zu spät! Es fängt schon an. Oh du meine Güte es fängt wirklich an!“

„Natürlich habe ich es gehört, ich glaube meine Pickel und Pusteln haben sich verdoppelt. Wir dürfen uns nichts anmerken lassen. Bitte Makkaroni 12

frühstücke, im selben Unmaß wie sonst auch. Am besten für mich mit, ich kann nichts zu mir nehmen vor Aufregung.“

König Fisimatento hatte ganz leise gesprochen, damit die Diener, die ihre Teller füllten und den Kaffee einschenkten nichts hören konnten, aber er fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben belauert und bespitzelt. Luigi und die beiden Lakaien beobachteten ihn und Makkaroni. Das spürte er, oder er bildete es sich auch nur ein.

Den gesegneten Appetit hatte der Diener nicht verloren, aber der Spass am Essen war ihm abhanden gekommen. Es war die lustloseste und traurigste Mahlzeit, die er jemals in diesem freundlichen Raum zu sich genommen hatte.

„Eure Hoheit, Ihr müsst eine Konferenz einberufen. Am besten Ihr lasst Minister Pasparo und den Hofzauberer Hefax rufen, damit wir ihnen reinen Wein einschenken können. Vielleicht wissen die beiden einen Rat, wie wir das Kommende aufhalten können.“

„Ja, du hast Recht. Wir müssen vor allem kühlen Kopf bewahren. Aber was soll Hefax einfallen? Ich glaube, seine Zauberkünste beschränken sich mittlerweile auf das Wiederfinden von verlorenen Kleinigkeiten oder irgendwelche Liebestränke.“, erwiderte der mehr als geknickte König. Die beiden beende-ten das Frühstück so früh wie noch nie und die beiden Lakaien bekamen den Auftrag, Minister Pasparo und den Hofzauberer Hefax in das königliche Arbeitszimmer zu bitten. Auch Luigi durfte den Raum verlassen ohne wie sonst das Mittagsmenue mit Makkaroni zu besprechen. Luigi verließ unter leichtem Verbeugen den Raum, nicht ohne ein verwundertes Stirnrunzeln und dachte, dass Makkaroni sich nun doch endlich einmal den Magen verdorben hatte und aus diesem Grund keine Lust hatte über das Mittagessen zu sprechen.

König Fisimatento im Scheichsgewand und sein kugeliger Diener machten sich auf den Weg ins Arbeitszimmer, um dort Hefax und Pasparo zu erwarten und es war beiden nicht wohl zu mute.

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IV. Kapitel: Der Galaabend

Das Arbeitszimmer war gleichzeitig Konferenzraum und normalerweise mit einer Vielzahl von Teilnehmern besetzt. Dann brannten die großen Kristalllüster und beleuchteten die warme Mahagonitäflung, Lakaien standen bereit, um Wünsche zu erfüllen und auf dem großen polierten Holztisch standen Erfrischungen und bunte Blumensträuße. Der ganze Raum war erfüllt von Gemurmel und leisem Gelächter der Konferenzteilnehmer; denn es gab eigentlich immer nur erfreuliches zu besprechen oder zu beschließen.

Heute war das ganz anders. Das königliche Arbeitszimmer war kalt und dunkel, nur eine kleine Lampe brannte und Fisimatento nebst seinem treuen Makkaroni saßen doch recht verloren am Ende des großen Konferenztisches.

Verloren und sprachlos warteten sie darauf, den Hofzaubermeister und Minister Pasparo ins Vertrauen zu ziehen. Selbst dem sonst so geschwätzigen Diener schien die Petersilie verhagelt. Der Minister wohnte in der Hauptstadt Mescallion und es würde etwas länger dauern, bis er im Schloss eintraf. So betrat als erster Hefax den Raum; das heißt zwei Lakaien öffneten die Doppeltür und der Hofzaubermeister hatte seinen üblichen theatralischen Auftritt. Gemessenen Schrittes, mit hoch erhobenen Haupt näherte er sich den Beiden. Sein graues Haupthaar trug er zu einem dicken Zopf gebunden und auf dem schwarzen Jackett glänzte einen mächtige Goldkette. Mit der rechten Hand hob er leicht den goldfarbenen Umhang an, der ihm wie eine Schleppe von den Schultern hing. Das ganze hatte schon etwas Gönnerhaftes und Erhabenes. Hefax deute eine knappe Verbeugung an in Richtung Seiner Majestät und für Makkaroni hatte er ein kleines Nicken übrig.

„Ihr braucht nichts zu sagen Eure Majestät, das Halstuch, das Euerer Gesicht bedeckt spricht Bände. Der Ausschlag ist wieder da. Was ist passiert? Ist Melissa wieder aufgetaucht oder gibt es etwa eine neue Auserwählte?“

Seine Worte unterstrich Hefax, wie immer mit theatralischen Gebärden.

„Ja, ich habe wieder den Fisimatentoausschlag, aber das ist nur das geringer Übel. Der eigentliche Grund warum ich dich rufen ließ, ist eine völlig anderer und weitaus schwerwiegender.

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Er betrifft uns alle, das ganze Reich. Wenn Minister Pasparo eintrifft, werde ich eich alles erzählen. Bis dahin mache dir bitte ein paar Gedanken, um mein ekelhaftes Problem.“ Antwortete Fisimatento sehr bestimmt und ernst.

„Das letzte Mal warst du ja keine große Hilfe, Hefax. Deine Salben und Tränke, die du unserem König verabreicht hast, waren total wirkungslos. Und deine Zaubersprüche haben nur ein paar Mücken verenden lassen, eine Maus war auch dabei, die ich vom Teppich kehren musste. Hoffentlich fällt dir dieses Mal etwas Besseres ein.“, warf Makkaroni angriffslustig dazwischen, den er hielt nicht sehr viel von Hefaxs Zauberkünsten. Vor allem weil dieser nie bereit war, etwas seiner Magie in die Dienste der von Makkaroni geplanten Streiche zu stellen.

„Sei nicht so vorlaut Makkaroni, sonst wird dir gleich wieder eine Maus vom Teppich zu kehren sein. Eine besonders dicke Maus und Seine Majestät muss sich einen neuen Diener suchen. Lasst mich lieber einmal das Malheur mit Eurem Gesicht sehen Eure Hoheit,“ erwiderte der Zauberer mit bedrohlichem Stirnrunzeln und wand sich Fisimatento zu.

Makkaroni holte schon Luft, um seinerseits dem Zaubermeister ein paar passende Nettigkeiten zu sagen, wurde aber von König Fisimatento gestoppt.

„Ein andermal mein Lieber! Ich weiß eure Kappeleien unter normalen unter normalen Umständen sehr zu schätzen und es amüsiert mich auch immer, aber in unsere Situation ist es nicht angebracht.“

Er nahm den Schal von Gesicht und Stirn und wand sich Hefax zu.

„Oh ja, das sieht böse aus und vor Vollmond wird da auch nichts zu machen sein.

Nur am ersten Vollmondtag, kann ich Euch Linderung

versprechen…“

Hefax wurde unterbrochen. Ein Lakai hatte die Tür geöffnet und kündigte den erlauchten Minister Pasparo an.

Der Minister war erstaunt, als er die drei am Ende des Tisches sah. Der König, der Diener und der Zauberer, das war schon eine komische Konferenz. Der mittelgroße Regierungsbeamte im besten Mannesalter, gekleidet in einen eleganten Nadelstreifenanzug, gesellte sich mit raschen, energischen Schritten zu den Anwesenden und begrüßte Seine Majestät natürlich zuerst, wobei er takt-voll kein Wort über dessen Aussehen verlor. Seinem vertrauensvollen Gesicht 15

war nichts anzumerken. Der wahre Diplomat eben.

„Ich bin sogleich gekommen Eure Hoheit. Ein so schöner Tag und doch scheint es Anlass zur Sorge zu geben, sonst hätten Ihr mich nicht so dringend gebeten. Was ist geschehen?“