Gestopft

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Andreas Henschel

Gestopft

Ein Weihnachts-Thriller

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Impressum

Kapitel 1

Gestopft

‚Vom Himmel hoch, da komm ich her…‘ Der Fabrikant Ottmar Dornbusch drückt den Ausschalter der nagelneuen, edlen 999 Euro teuren Beschallungsanlage, die er und seine Hildegard sich heute „gegenseitig geschenkt“ hatten. Aber kurz vor Mitternacht des Heiligabend will er sich die ‚gute neue Mär‘ nicht mehr antun. Auf einen Hieb schluckt er den Rest aus seinem Whiskyglas. „Das war‘s für heute“, murmelt er in seinen Bart. Kurz wirft er noch einen müden Blick auf die übermannsgroße, reich geschmückte Blautanne.

Stolz verschränkt er die Arme vor der Brust. „Prachtvoll! Das ist mein Werk.“ Die Jubelworte kann er sich nicht verkneifen. Mit Bravour hatte er seine einzige familiäre Pflichtübung zum Fest gemeistert und sich dafür ausgiebig feiern lassen. Ein Erfolgsmensch wie er braucht Lob wie sein tägliches Brot. Er ist süchtig danach.

Und doch runzelt Ottmar die Stirn. Nein, die drei Gänsekeulen aus Plastik, die da baumeln, haben im trauten Heim nichts zu suchen. Hastig streift er sie von den Zweigen. Zurück in den Karton! An sein florierendes Unternehmen, in dem massenhaft Gänseleberpastete produziert wird, will er daheim nicht erinnert werden. Und schon gar nicht zum Fest! Aber ein Glücksfall war es schon, dass er vor elf Jahren dem Rat seines französischen Freundes Jean folgte und von der Fertigung verschiedener Schinkenvarianten auf Gänseleberspezialitäten umstieg. Just in dieser Zeit wussten schließlich immer mehr deutsche Gourmets jene Köstlichkeit zu schätzen.

Der Scotch Whisky hat seine Wirkung nicht verfehlt. Müde tappt der Endvierziger die Wendeltreppe hoch zum Schlafzimmer. Es hätte wenig Sinn, sich leise zum Bett zu schleichen. Seine Hilde würde ohnehin kein Auge schließen, ehe sie ihren Otti neben sich in den Kissen weiß. Und so hört er auch schon ihre Stimme, die ihn vom Klang her an ein blökendes Schaf erinnert.

„Kommst du endlich?“

Weil die Frage eigentlich eine Feststellung ist, knurrt er nur ein mürrisches „Ja“ und bettet sich wortlos neben seine Ehefrau, die aber noch nicht zum Schlafen aufgelegt zu sein scheint.

„War ein schöner Heiligabend.“

„Ja.“

„Diesmal klang das Oratorium fast so schön wie in der Kirche.“

„Ja.“

„Klingt toll unsere neue Anlage. Bei Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen bekam ich wieder ganz feuchte Augen.“

„Hm.“

„Es klang, als ob der Knabenchor live in unserer Villa singt.“

„Das fehlte noch. Ist halt Quadrofonie.“

„Und die Kinder haben sich auch gefreut.“

„Ja? Hab ich nicht bemerkt.“

„Klar. Pierre strahlte vor Freude über seinen neuen PC.“

„So? Es sei nicht das allerneuste Modell, hat er mir geflüstert.“

„Aber genau das stand doch auf seinem Wunschzettel“, wundert sich Hildegard und wälzt sich im Bett, so dass es knarrt. „Tausend Euro haben wir dafür hingeblättert. Für einen Vierzehnjährigen ist das doch…“

„…eben nicht das neuste Modell. Kommt davon, wenn er seinen Wunschzettel schon im Sommer schreibt.“

„Aber Natalie war ganz weg, als sie ihr Mountainbike zu Gesicht bekam.“

„Nicht sie, sondern das Bike war bald ganz weg. Nach kurzer Jubelarie hat sie’s in den Keller verfrachtet. Da wird’s wohl bis zu Frühjahr rumstehen.“

„Alter Muffel“, zetert sie, „du weihst ja noch gar nicht mein Geschenk für dich ein.“

„Welches Geschenk“, murmelt er missmutig.

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