Buch lesen: «Next World of Working»
Andreas Gnesda
NEXT WORLD
OF WORKING
Zu den Gipfeln
eines
sinnerfüllten Lebens
Inhalt
Cover
Titel
Zitat
Warum (m)ein Buch?
Schritt eins: Wer kommt mit?
Schritt zwei: Persönliche Konstitution und Medizincheck
Schritt drei: Die richtige Route hat mehrere Wege
Schritt vier: Die richtige Ausrüstung
Schritt fünf: Wir sind ein Team
Schritt sechs: Die Schwierigkeitsgrade kennen
Schritt sieben: Wir gehen los
Schritt acht: Gruppen funktionieren anders
Schritt neun: Hör auf deine Kameraden
Schritt zehn: Anseilen
Schritt elf: Nicht umkehren
Schritt zwölf: Die Anziehungskraft des Gipfels
Danke!
Anmerkungen
Bücher, die ich dir empfehle
Impressum
Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.
(Mahatma Gandhi)
Warum (m)ein Buch?
Diese Frage habe ich mir selbst oft gestellt. Aber nicht nur ich, auch viele andere Menschen wollten wissen, was mich bewegt hat, ein Buch zu schreiben. „Warum schreibst du ein Buch?“, war die Frage, die ich unzählige Male gestellt bekam. Beim Versuch, mich zu erklären, bin ich nicht wirklich weitergekommen. Was mich selbst und auch andere in vielen Momenten unzufrieden in der Situation zurückließ. Es gab und gibt darauf keine logische, für andere und auch mich nachvollziehbare Erklärung; ich wusste einfach, dass ich schreiben möchte. Ich möchte die Geschichte meines Unternehmens und damit auch zum Teil meine Geschichte mit anderen teilen, um Menschen ein Beispiel dafür zu geben, wie visionäres Unternehmertum im Hier und Jetzt funktionieren kann. Menschen sollen ihre Potenziale nützen, ihre ganz persönlichen Entwicklung voranbringen.
Geht es nicht in allen Dingen, die wir schöpferisch hervorbringen und teilen wollen, um uns selbst, um das Loslassen und um das Geben? Kürzlich habe ich mich mit einem sehr lieben Freund und Mitarbeiter, Marko Rostek, ausgetauscht. Er hat gerade sein erstes Buch geschrieben und hat mir den wertvollen Tipp gegeben: Schreibe einfach DEIN Buch. Es geht um deine Erfahrungen, deine Gedanken, deine Thesen und Schlüsse daraus – es geht um DICH.
„Zu den Gipfeln eines sinnerfüllten Lebens“ soll Sie dieses Buch führen. Kommen Sie mit! Wir werden gemeinsam eine Skitour in ungeahnte Höhen machen, Dinge erleben, die Sie noch nicht kennen, und Erfahrungen in unseren Rucksack packen, die wir beide nicht so schnell vergessen werden. Es hat lange gedauert, bis ich für mich die Begeisterung des Skitourengehens entdeckt habe. Heute sind die Berge, die beruhigende Ausstrahlung der Natur, die Gipfelerlebnisse und die anschließenden Tiefschneeabfahrten in unverspurten Hängen aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. Tourengehen hat mein Leben unglaublich bereichert. Als begeisterter Skifahrer habe ich also die Metapher der Skitour gewählt. Sie wird uns in diesem Buch begleiten und eignet sich hervorragend, an der einen oder anderen Stelle begreiflich zu machen, worum es mir geht. Wir werden uns näherkommen und ich werde Ihnen eine mögliche Anleitung zur besseren Erkennung des eigenen Ich geben. Darauf aufbauend werden Sie in der Lage sein, Ihr Umfeld, Ihre Organisation und Ihr Unternehmen nachhaltig positiv zu verändern.
Bevor wir beide Bergkameraden werden, möchte ich dir das Du anbieten. Am Berg ist das so üblich. Ich bin Andreas, dein Tourguide, und das ist das Buch in deine neue Arbeitswelt. Also lass uns gemeinsam on tour gehen!
Am Anfang wirst du dich ein wenig mit dir selbst beschäftigen. Du wirst der Frage „Was treibt mich an, was motiviert mich?“ auf den Grund gehen. Das wird dich an tiefe Stellen des eigenen Ich führen. Du wirst dabei auch viel über mich erfahren, weil ich gerne zeigen möchte, wie ich über mein Leben und meine Erfahrungen zu meinem Ich gefunden habe. Die autobiografischen Passagen entspringen nicht einem überhöhten Selbstdarstellungsdrang, sondern dienen vielmehr dazu, in den eigenen Tiefen zu stöbern, wozu ich dich auch aufrufen möchte. Dann widmen wir uns Organisationen, um schließlich SINN: VOLLEN Arbeitswelten einen Schritt näher zu kommen.
Ich habe – wie du später entdecken wirst – einen sehr persönlichen Zugang zum Arbeiten und den daraus resultierenden Arbeitswelten. Das Buch, das du in Händen hast, wird dich durch unterschiedliche Bereiche deines Lebens führen und dir die eine oder andere Frage stellen. Ich habe sie mir selbst alle im Laufe der Zeit gestellt und die Formulierung von Antworten hat mir geholfen, mich stärker zu fokussieren auf das, was mir wirklich wichtig ist in meinem Leben. Das Buch hält aber nicht nur Fragen für dich bereit, sondern auch Übungen. Diese Übungen werden dich deinen Werten, deinen Überzeugungen und damit auch deinen Erfolgen näher bringen.
Mir ist es wichtig, mit meinem Buch einen Impuls zu geben, der im Leben vieler Menschen etwas in Bewegung bringt. Ich möchte Interesse für neue Perspektiven bei dir wecken und gleichzeitig unterhalten. Genauso wichtig ist es mir, zu betonen: Wenn es langweilig wird, überspring bitte ein paar Seiten und kippe an der nächsten für dich geeigneten Stelle wieder hinein. Deine Zeit ist viel zu kostbar, als dass du dich mit für dich belanglosen Dingen auseinandersetzt. Ich als ehrgeiziger Perfektionist habe lange dafür gebraucht, Bücher richtig zu genießen. Ich dachte immer, dass ich aus jedem Buch alles mitnehmen müsste. Dabei liegt die Kraft des Lesers darin, sich das Vergnügen selbst einzuteilen. Ein Buch und das Wissen, das sich darin versteckt, sollte nicht konsumiert, sondern erlebt werden.
Mein besonderer Dank gilt all jenen, die in diesem Buch Stellung bezogen haben. Mein Leben ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl an Begegnungen mit interessanten Menschen. Einige davon habe ich gebeten, hier einen Beitrag zu leisten. Unzählige Gespräche, gemeinsame Erfahrungen und Einstellungen spielen eine wichtige Rolle auf meinem Lebensweg. Ich danke ihnen allen dafür! Du wirst sehen, es lohnt sich, auch jene Menschen ein klein wenig näher kennenzulernen, die mich auf meinem Weg bis hierher begleitet haben.
Nun aber zu einer meiner Leidenschaften: Ich liebe Bücher und habe aus einer Vielzahl an Büchern wesentliche Erkenntnisse gewonnen. Ich möchte dich gerne auf den Geschmack bringen und dich zur Vertiefung verführen. Daher habe ich am Ende dieses Buches einschlägige Quellen und Buchempfehlungen angeführt. Diese Empfehlungen beinhalten Bücher, die ich in den Kapiteln erwähne, aber auch solche, die eine weiterführende Lektüre für dich sein sollen.
Nun jedoch noch einmal zurück zu jener Frage, die ganz am Anfang dieses Buches steht: Was veranlasst einen übermäßig beschäftigten Menschen, einen dreifachen Familienvater mit vielen Hobbys, der in seinem Beruf Berufung erfahren hat, ein Buch zu schreiben? Der Versuch einer Antwort: Ich treffe berufsbedingt täglich viele Menschen. Eigentlich müsste ich sagen: Ich liebe es, Menschen kennenzulernen, zu kommunizieren und mich auszutauschen. Wo aber treffe ich all diese Menschen? Es sind vor allem Büros, Unternehmenszentralen, in denen ich mich seit mehr als dreißig Jahren bewege. Das Bild, das sich mir in diesen Gebäuden meist bietet, ist für mich ein sehr berührendes. Manchmal macht es mich auch traurig. Warum? Menschen zu sehen – oder sagen wir an dieser Stelle besser – Lebewesen zu erleben, die orientierungslos und unfokussiert einen traurigen Alltag fristen, ist nicht das, was ich persönlich unter einer SINN: VOLLEN Arbeitswelt verstehe. Sie vegetieren dahin vom morgendlichen Arbeitsbeginn bis zum Mittagessen, vom Ende der Mittagspause bis zum Ende des Arbeitstages, von Montag bis Freitag, vom Ende des letzten Urlaubes bis zum Beginn des nächsten Urlaubes, vom Arbeitsbeginn in jungen Jahren bis zur Pension. Erhellt werden diese Phasen durch den einen oder anderen Kaffeeplausch mit Kollegen und Kolleginnen, von der einen oder anderen Dienstreise oder Weiterbildung und wenn sie zu den Privilegierten gehören, von dem einen oder anderen kreativen Brainstorming.
Es fällt mir schwer, in solchen Situationen einfach nur zuzusehen, und ich wundere mich darüber, dass niemand oder besser gesagt nur wenige etwas dafür tun, dass sich derartige Zustände verändern! Es ist mir sehr wohl bewusst, dass nicht jeder Mensch in seiner Aufgabe in jedem Moment so viel Erfüllung finden kann, wie mir das im Moment möglich ist, aber Beruf sollte doch zumindest irgendetwas mit Berufung zu tun haben.
Im Kern dieses Buches geht es genau darum: Die eben beschriebenen Situationen in den Unternehmen bieten den Ausgangspunkt für dieses Buch. Und eines kann ich dir schon jetzt verraten: Es geht auch ganz anders! Ich habe gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für mein Unternehmen und damit auch für mich herausgefunden, wie es funktionieren kann. Meine Schilderungen darüber sollen dir Anregung und Anleitung zur Veränderung geben.
Das größte Anliegen ist mir, dich und andere aus einer möglichen Orientierungslosigkeit zu holen, die sich meist in einer Stagnation zeigt. Die Orientierungslosigkeit hat mich erschüttert, und so habe ich beschlossen, mein Leben so zu führen, dass ich sie bekämpfe. Eine Gesellschaftskrankheit ist dabei die Permissivität. Dieses Wort beschreibt unsere Einstellung dazu, dass wir zu viel geschehen lassen, was wir eigentlich nicht dulden sollten.
Dieses Buch wird dich zu einer größeren Selbstbestimmtheit führen und dir zeigen, wie du dein Leben auch führen kannst.
Basiswissen ist die Grundlage für ein Outdoorabenteuer. Grundsätzliche Dinge wie die Ausrüstungsfrage, Notfallmaßnahmen oder einfache Techniken sollten nicht erst auf halber Strecke zum Problem werden. Somit fängt man bei einer Skitour nicht damit an, die Ski anzuschnallen und loszulegen, sondern bereitet sich auf die wichtigsten Dinge mithilfe von Büchern und Übungen vor. All das orientiert sich an den Teilnehmern der Tour? Wer kommt mit? Wo stehen die einzelnen Teilnehmer, wo holen wir sie am besten ab und warum wollen sie auf eine Skitour gehen? Wenn der Tourguide das weiß, kann er die richtigen Trainingsmaßnahmen setzen. Du kannst sicher sein, dass ich mir sehr viel Zeit nehmen werde, um auf dich ganz persönlich einzugehen. Eingangs wollen wir aber einen allgemeinen Blick auf den Wandel der Menschen in unserer Arbeitswelt werfen. Unsere Skitour führt uns zu SINN: VOLLEN Arbeitswelten. Um zu verstehen, weshalb diese für uns wichtig sind, starten wir mit einer historischen Perspektive, um eine Antwort auf folgende Frage zu finden: In welchem Kontext stehen Menschen und ihre Arbeitswelten?
Über viele Millionen Jahre war unser Arbeitsplatz der Wald. Vor circa 12.000 Jahren hat der Mensch das Haus als Wohn- und Arbeitsstätte entdeckt. Ein vergleichsweise kleiner Zeitraum. Zum Einstieg danke ich nun vorab Valentina Flores, die sich in ihrer Arbeit ausführlich mit Menschbildern in der Arbeitswelt im historischen Kontext auseinandergesetzt hat. Sie widmet sich der jüngeren Geschichte von Menschenbildern in Arbeitswelten, die die Geschichte maßgeblich beeinflusst haben, und hat mich zu diesem ersten Kapitel inspiriert.
Menschenbilder
Technischer Fortschritt und Innovationen führten zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu großen gesellschaftlichen Veränderungen. Diese Phase ist vergleichbar mit der Erfindung des Computers, der nun unser Leben maßgeblich verändert und unser alltägliches Leben erleichtert hat. In diesem Fall, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, waren es die Auswirkungen der Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die eine neue Ära einläuteten. Eine fortwährende Modifikation und Verbesserung des alltäglichen Lebens und des Arbeitskontextes waren die Folge. Es folgten im Laufe des 19. Jahrhunderts die Erfindungen des Fließbandes, des Telefons und des Benzinmotors. Diese Erfindungen führten zum Ausbau der Verkehrsnetze und der Handelsrouten, zum Aufschwung der chemischen Industrie und der Wandlung des Arbeitsmarktes. Alle diese Entwicklungen werden als „Zweite Industrielle Revolution“ bezeichnet.
Die wachsende Industrialisierung beeinflusste natürlich auch das Wachstum der Städte und die zunehmende Verflechtung von Wirtschaft und Staat. Die Staatsführung veränderte sich und somit auch die dazugehörige Ideologie. Der Kapitalismus wurde zur entscheidenden Wirtschaftsform und rückte so immer mehr ins Bewusstsein der Menschen. Die Arbeiter protestierten. Es gab Forderungen nach geregelten und vor allem humanen Arbeitszeiten, aber auch nach gerechteren Verhältnissen zwischen den erbrachten Leistungen und der Entlohnung. Aus der Perspektive der Arbeitgeber hatte sich der Mensch den veränderten Bedingungen des Arbeitslebens anzupassen. Die Unternehmer hatten die Verantwortung über Mensch und Maschine. Investitionen und die Gesundheit der Menschen, die in den Fabriken arbeiteten, lagen in der Hand des Marktes. Die Produktion und die Produktivität standen im Vordergrund der Organisation und bestimmten Erfolg und Gewinn der Arbeitgeber. Die zentrale Überlegung seitens der Unternehmer war die durch die Verkürzung des Arbeitstages bedingte Intensifikation der Arbeit, von der man damals sprach. Diese Regulierung eröffnete neue Potenziale der Organisation. Zusätzlich musste darauf geachtet werden, dass die Arbeitnehmer sich nicht zu viel verausgabten. Maschinen übernahmen daher immer mehr Prozesse in der Produktion. Diese differenten Vorstellungen und Forderungen zwischen Arbeitnehmerschaft und Unternehmertum führten in weiterer Folge zu Gewerkschaftsbildungen und Streiks. Dies veranlasste die Politik, die Gesetze, die den Arbeitsalltag regelten, anzupassen. Zum Beispiel wurde die Kinderarbeit verboten.
Die hier skizzierte Entwicklung erfolgte allerdings sehr langsam. Die Arbeits- und Organisationspsychologin Valentina Flores beschreibt, dass sich diese gesellschaftlichen Bedingungen maßgeblich auch auf die Psychologie und ihre Entwicklungsgeschichte auswirkten. Sie beschreibt Taylorismus und Fordismus als Vorläufer der Arbeits- und Organisationspsychologie, denn auch die Wissenschaft, wie die Psychologie eine ist, wurde durch die soziologischen Entwicklungen beeinflusst.1
Arbeitgeber entwickelten neue Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität in den Arbeitsprozessen und schufen somit abermals eine erhebliche Kluft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Der sich in den Arbeitern bildende Widerstand sollte unterdrückt und die Intensifikation weiter vorangetrieben werden. Der US-Ingenieur und Begründer der Arbeitswissenschaft, Frederick Winslow Taylor (1856 – 1915), versuchte die Konflikte zwischen Unternehmern und Arbeitern zu überwinden und der Verschwendung menschlicher Ressourcen sowie der Gefährdung des geschaffenen Wohlstandes mittels des „Scientific Managements“ entgegenzuwirken. Das Prinzip der wissenschaftlichen Betriebsführung brachte die erhofften Veränderungen sowohl aufseiten der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Taylor vertrat die Annahme, dass sich die Interessen der beiden Gruppen nicht entgegenstünden, sondern im Gegenteil sehr gut aufeinander abgestimmt werden könnten. So konnten auf Unternehmerseite Produktivitätssteigerungen erzielt werden, während die Arbeiter sich über angepasste Löhne freuen und ihren Wohlstand vermehren konnten.
Das zu Taylors Zeiten vorherrschende Menschenbild wird als Homo oeconomicus bezeichnet. Nach diesem Modell wird der Mensch von ökonomischen Zielen geleitet, strebt nach Nutzenmaximierung, handelt völlig rational und ist lediglich durch monetäre Anreize motivierbar. Ein wichtiges Merkmal ist seine Kenntnis aller am Markt bestehenden Informationen sowie Entscheidungsalternativen. Der Homo oeconomicus weiß, was für ihn den meisten Nutzen bringt und kennt seine Präferenzen genau. Somit entscheidet er sich für oder gegen eine Tätigkeit aufgrund der inhärenten Rationalität, aber auch den für ihn daraus resultierenden Gewinn. Der Durchschnittsmensch ist ausschließlich durch extrinsische Motive geleitet, das heißt durch von außen wirkende Anreize motiviert. Im Gegensatz dazu stehen die intrinsischen Motive, die dir diese Lektüre im weiteren Verlauf näherbringen soll. Taylor erzielte mithilfe seines Prinzips ein besseres Entlohnungssystem für die Arbeiter und konnte sie durch dieses System zu besseren Arbeitsleistungen antreiben.
Etwa zur gleichen Zeit entwickelte der US-Autofabrikant Henry Ford (1863 – 1947) das Fließbandsystem zur mechanisierten Massenfertigung in industriellen Betrieben. Der Fordismus schuf somit eine Ergänzung zu Taylors Prinzip und konnte gleichzeitig dem Transportproblem entgegenwirken. Aufgrund der enormen Arbeitsteilung hatte ein Arbeiter nur noch wenige Handgriffe an einem Werkstück zu verrichten. Durch die Einführung des Fließbandes im Bereich der Massenfertigung wurde abermals eine Steigerung der Produktion und Produktivität erreicht. Ebenso konnte die Kontrollspanne durch das Management weitgehend aufgelöst werden, da nun das Fließband über zeitliche Vorgaben bestimmte.
Die Kombination von Taylorismus und Fordismus, also von bürokratischer und technischer Kontrolle des Arbeitsprozesses, wurde zum beherrschenden Konzept der Massenproduktion.
Obwohl der Taylorismus und auch der Fordismus zum allgemeinen Wohlstand und zur Produktionssteigerung beitrugen, überwiegt heute die kritische Beleuchtung dieser Form der Arbeitsgestaltung. Natürlich verbesserten die beiden Herren das Arbeitsklima und gestalteten fairere Entlohnungsmodelle. Doch ihr alleiniger Fokus war die Produktionssteigerung. Zwischenmenschliche Beziehungen, Arbeitszufriedenheit und Selbstverwirklichung der Angestellten spielten dabei keine große Rolle.
In der Psychologie folgten Forschungen zu zwischenmenschlichen Beziehungen im Arbeitsleben und zur Entstehung des soziotechnischen Systems. Dieses geht einerseits auf die Untersuchungen von Eric Trist und Ken Bamforth (1951) vom „Tavistock Institute for Human Relation“ im englischen Kohlebergbau, andererseits auf das „Ahmedabad-Experiment“ von A. K. Rice (1958) in einer indischen Weberei zurück. Der soziotechnische Systemansatz baut explizit auf einer Theorie offener und komplexer Systeme auf und leitet daraus das Prinzip der Selbstregulation zur flexiblen Bewältigung unvermeidbarer Schwankungen und Störungen ab. Wer also selbst über seine Arbeitswelt bestimmt, ist produktiver, und das Unternehmen ist stabiler.
Die Studie im Kohlebergbau versuchte die Ursachen für hohe Fluktuationsraten, niedrige Arbeitsmotivation und die steigende Anzahl von Unfällen zu ergründen. Die von den Forschern untersuchten Probleme waren nach der Implementierung einer bisher unerprobten Vorgehensweise eines teilmechanisierten Abbausystems für Kohle aufgetreten. Das von den Arbeitern bisher angewandte „Shortwall-System“ ermöglichte es den Kohlearbeitern, selbstständig über die Verteilung der Löhne, die Arbeitstätigkeiten und die Schichtarbeit zu entscheiden. Die Arbeitenden verrichteten ihre Tätigkeiten in kleinen, überschaubaren Gruppen. Nach der Einführung des „Longwall-Systems“ wurden den einzelnen Schichten keine ganzheitlichen Aufgaben mehr übertragen, sondern sie verrichteten nur noch Teilaufgaben. Damit wurden die jeweiligen Qualifikationen der Kohlearbeiter beschränkt und das gegenseitige Vertrauen in die Mitarbeiter wurde minimiert. Im alten System konnte die folgende Schicht darauf vertrauen, dass die Arbeiten vollständig und korrekt ausgeführt worden waren. Aufgrund der Arbeitsteilung und der Auflösung ganzheitlicher Tätigkeiten mussten die Mitarbeiter zunächst die vorab verrichtete Tätigkeit auf ihre Richtigkeit überprüfen. Das Vertrauen schwand und die Loyalität wurde damit aufgehoben. Das bisher funktionierende System und die damit verbundene Autonomie waren durch die Unternehmensleitung zerschlagen worden. Die Veränderungen in der sozialen Struktur der Gruppe wurden als Ursache für die Verschlechterung der Arbeitsmotivation angesehen und konnten nicht aus der Neuerung technischer Gegebenheiten abgeleitet werden. Erstaunlich waren die Erkenntnisse zur Notwendigkeit teilautonomer Gruppen und deren Autonomie sowie die Wechselwirkung zwischen technischen und sozialen Bedingungen am Arbeitsplatz.
Zu vergleichbaren Ergebnissen kam auch die von A. K. Rice durchgeführte Studie in einer indischen Weberei. Ähnlich wie in den Kohleminen wurden die Arbeitsaufgaben in Einzelteile gegliedert, die Arbeiten hatten keine inhaltliche Verbindung mehr, die Arbeiter konnten durch die räumliche Trennung ihre sozialen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen und Gruppenstrukturen schienen gänzlich aufgehoben worden zu sein. Das Resultat waren der Rückgang der Produktionsleistung und die Verschlechterung der Qualität der Produkte. Abermals war die Verschlechterung auf die Veränderung sozialer Strukturen und nicht auf die Implementierung eines neuen technischen Systems zurückzuführen.
Die bisher beschriebenen Menschenbilder verdeutlichen eine einseitige Anschauung menschlicher Bedürfnisse, die im Complex man zusammengefügt wurden und somit eine vielfältige Sichtweise und Organisationsstruktur ermöglichten. Generalisierungsformen wurden aufgehoben und schufen Platz für individualistische Entfaltungsmöglichkeiten sowie eine flexible Arbeitsgestaltung. Die von Abraham Maslow (1908 – 1970) entwickelte Bedürfnispyramide, auf die ich später in diesem Buch noch zu sprechen komme, wurde zwar beibehalten, jedoch mit der Erkenntnis, dass der Mensch mehrere und vor allem vielfältige Bedürfnisse hat, diese in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität vorliegen und die auch nicht, wie angenommen, starr angeordnet sind. Diese gilt es nun zu ergründen.2