Vom Grafen Verzaubert

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»Ich wünsche lediglich dich zu begleiten, das ist alles. Ich vermisse es Zeit mit meiner kleinen Schwester zu verbringen.«

»Obwohl deine Worte liebreizend sind, glaube ich ihnen nicht.« Sie lächelte. »Gleichwohl werde ich deine Begleitung erlauben. Lass aber nicht auf dich warten. Ich werde ohne dich gehen, wenn du daran scheiterst um zehn Uhr morgens hier zu sein.« Jewels stand auf und glättete ihre grünen Röcke. »Ich muss jetzt nach Hause.« Sie ging zur Tür und hielt an. Sie wandte sich ihm zu, wobei ein heiteres Lächeln ihre Lippen wölbte, und sagte: »Du könntest es weitaus schlechter treffen als mit Miss Woodcourt.«

Hunter öffnete seinen Mund, um ein Argument vorzubringen, aber schloss ihn. Sie war verschwunden, bevor er sprechen konnte.

Nur Jewels würde verfechten, dass er ein gewöhnliches Fräulein heiratete. Er schüttelte seinen Kopf. Ganz London würde ihn bis in alle Ewigkeit brüskieren.

Verdammt! Jewels war in seinen Kopf gekommen. Bevor sie angekommen war, hatte er nicht einen Gedanken an Miss Woodcourt als Partie verschwendet. Er schüttelte seinen Kopf, um die lächerliche Vorstellung zu vertreiben.

Hunter schaute auf, als sein Butler das Zimmer betrat. »Lord Sinclair ist hier, um Euch zu besuchen, my Lord.«

Hunters langjähriger Freund, Garret Tumbly, Viscount of Sinclair, schlenderte in den Raum.

»Perfekter Zeitpunkt, Sinclair. Ich habe Bedarf an deiner Expertise.« Hunter rückte zum Dekanter mit Whiskey und füllte zwei Gläser.

Sinclair positionierte sich auf einem Ohrensessel mit vor sich ausgestreckten Beinen. Er nahm das Glas, das Hunter ihm reichte. »Ich komme dem gerne nach.«

Wenn ihm irgendjemand helfen könnte zu entdecken, was zwischen Wolfe und Rose im Gange war, dann Sinclair. Die zwei standen sich sehr nahe, nachdem sie sich in Eton trafen, eine Freundschaft, die während ihrer Tage in Oxford nur weiter gewachsen ist. Nun betrachtete er Sinclair mehr als Bruder als einen Freund.

Sie hatten beim Lösen von Mysterien während ihrer Schultage ihre Hände ausgespielt. Nichts zu Komplexes, aber Sinclair hatte seinen Anteil von Missetaten enträtselt, der Fall von Hunters fehlender Weste eingeschlossen. Wie sich herausstellte, hatte ein anderer Junge diese in der Hoffnung gestohlen, dass er ihn bestraft sah.

»Hast du vor mich den ganzen Abend lang auf die Folter zu spannen?« Sinclair nahm einen Schluck von seinem Whiskey.

»Ich habe über unsere Tage am Eton nachgedacht.«

»Ah, ja. Wir haben damals unseren gerechten Anteil an Krach geschlagen.«

»Ich muss das vielleicht wieder tun.«

Sinclair lehnte sich nach vorne. »Worauf hast du dich eingelassen?«

Hunter leerte den Inhalt seinen Glases. »Hast du etwas von einem Mr. Dewitt Wolfe gehört?«

»Bei dem Namen schlägt nichts in meiner Erinnerung an. Sollte es das?«

»Nein, aber die Situation wäre einfacher zu erklären. Der Mann scheint etwas genommen zu haben, das nicht ihm gehört.«

Ein langsames Lächeln breitete sich über Sinclairs Gesicht aus. »Ich muss zugeben, dass ich interessiert bin. Fahr fort. Erzähl mir alles, was es zu wissen gibt.«

Hunter lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück. Er wusste, dass Sinclair interessiert wäre. Jetzt hoffte er, dass sein Freund ein paar gute Ideen hätte. Er brauchte einen Schlachtplan – einen Weg, um Miss Woodcourt vor Wolfes Geschäften zu schützen. Er gab alles, was er von der Situation wusste, wieder.

Als er endete, bewegte er sich, um sein Glas wieder aufzufüllen.

»Woher weißt du, dass das Mädchen astrein ist?«

Wut stieg in Hunter auf, erhitzte seine Haut mehr, als die Spirituosen es könnten. »Ich war dort. Ich habe die Interaktionen mit meinen beiden Augen gesehen. Es ist nichts Unehrliches an Miss Woodcourt.« Er spähte Sinclair an.

»Sehr wohl. Wie wünschst du fortzufahren?« Sinclair stand auf, ignorierte Hunters Ausbruch der Gereiztheit und schlenderte zum Fenster. »Du brauchst Beweise, wenn es dein Wunsch ist zu sehen, dass ihm ein Verbrechen zur Last gelegt wird und ihr Grundstück an sie zurückgeht.«

Hunter griff nach dem Dekanter. Als ob er nicht selbst daran gedacht hätte. Das Problem war nicht, was er brauchte, eher wie man es bekam. »Hast du irgendwelche Weisheiten, wie ich besagten Beweis erlangen kann?«

»Ich habe vielleicht eine Idee.« Sinclairs Augen funkelten, als er sein leeres Glas hochhob. »Aber zuerst benötige ich einen Nachschlag.«

Hunter gluckste. »Mit einem klaren Kopf Ränke zu schmieden geht nicht an.«

»Das niemals.« Sinclair setzte sich wieder und stellte den Dekanter auf den nahen Tisch. »Du sagtest, dieser Wolfe-Kerl ist ein Geschäftsmann. Wenn ich einen Einsatz platzieren müsste, würde ich wetten, dass der Beweis, den du suchst, in seinem Büro ist.«

»Ja, mein Mann hat mich informiert, dass Wolfe ein Büro an den Docks unterhält, aber ich kann schlecht hineinschlendern und von ihm erwarten, dass er den Beweis aushändigt.«

Sinclair hielt Hunter den Dekanter hin. »Du hattest bis jetzt noch nicht genug zu trinken oder du würdest dies selbst sagen.«

»Was sagen?«

»Besorg eine Adresse. Morgen Nacht brechen wir ein.« Sinclair hielt sein Glas hoch.

Hunter grinste und griff nach dem Whiskey. Er füllte sein Glas, sein Blut raste plötzlich vor Aufregung.

KAPITEL 3

Roses Blut verwandelte sich zu Eis, gefror in ihren Adern. Sie blinzelte Mr. Wolfe an, als er gemütlich ihren Fußweg entlangging. Warum war er wieder hier? Ihr Grauen stieg mit jeder Stufe an, die er erklomm. Er war sicherlich zurückgekehrt, um abermals ihre Hand zu verlangen. Sie würde ihn niemals heiraten, um keinem Preis.

»Schau nicht so abgeschreckt drein, meine entzückende Blüte.« Ein lüsternes Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, als er vor ihr anhielt.

Sie drückte ihre zitternden Hände in die Falten ihrer Robe. Es ginge nicht an, dass er sah, wie eingeschüchtert sie von seiner Anwesenheit war.

»Dein schicker Lord hat heute Nachmittag versucht das Cottage zu erstehen, aber sei ohne Furcht. Ich habe ihn abblitzen lassen.«

Obwohl ihr Herz wie eine Herde Pferde hämmerte, behielt sie ihre Augen fixiert auf Mr. Wolfes. Schicker Lord? Er muss Lord Aubry meinen, aber warum würde Lord Aubry ihr Cottage wollen?

»Sie hätten verkaufen sollen. Ich werde Sie niemals heiraten.« Sie starrte ihn wütend an, ihre Hände auf ihren Hüften.

Wolfe fuhr federleicht mit seinen Fingerspitzen über ihre Wange. »Sag niemals nie, Liebling.«

Ein Schauder durchlief sie und sie trat einen Schritt zurück. »Bitte behalten Sie Ihre Hände bei sich, Mr. Wolfe.«

Seine Augen verdunkelten sich und ein finsterer Blick ätzte tiefe Linien in sein Gesicht. »Das ist keine Art und Weise mit deinem Verlobten zu sprechen.« Er lehnte sich zu ihr hin. »Und täusche dich nicht, wir werden verheiratet werden.«

Roses Puls beschleunigte sich. Das war keine leere Drohung. Er hatte bereits bewiesen, wie weit er bereit war zu gehen. Es musste einen Weg geben, um ihn nicht zu heiraten. Sie ballte ihre Hände an ihren Seiten zu Fäusten. »Wie haben Sie es geschafft?«

Das bösartige Lächeln, das er ihr zeigte, kühlte sie bis zum Mark aus. Sie trat zurück und schnappte ihren Schal an der rauen Holzverkleidung des Cottages.

»Was geschafft, meine Liebste?« Er trat näher zu ihr hin, ließ sie sich fühlen wie ein Kaninchen, dass in einer Schlinge gefangen war.

»Wie haben Sie es scheinen lassen, als ob meine Grundschuld nicht bezahlt sei?«

Er lehnte sich sehr nah zu ihr hin, brachte seine Hand neben ihrem Kopf am Haus zum Liegen. Der Geruch eines ungewaschenen Körpers kombiniert mit seinem faulen Atem waberte herauf und brannte in ihrer Nase. »Das ist nicht von Bedeutung. Was getan ist, ist getan und soll derart bleiben. Wenn wir heiraten, werde ich dir das Cottage als Hochzeitsgeschenk zurückgeben.«

Sie wirbelte weg, bevor sie einige Schritte über die Veranda machte. »Sie können mein Zuhause verkaufen, es ist mir egal. Nehmen Sie alles, was ich habe und Sie werden mich dennoch nicht bekommen. Ich werde niemals Ihre Ehefrau sein.«

»Das werden wir sehen.« Seine letzten Worte hingen in der Luft, als er die Stufen herunter stampfte.

Rose sackte am Haus zusammen, während sie ihn beobachtete, wie er auf seinem Pferd davongaloppierte. Was sollte sie nur tun? Sie konnte ihn nicht heiraten. Ein Kloß formte sich in ihrer Kehle. Wie konnte ihr Vater sie einem solch abscheulichen Teufel versprechen?

Sie hob eine zur Faust geballte Hand an ihren Mund und zwang die Tränen zurück. Bekümmert zu sein würde die Situation nur noch schlimmer machen. Es musste einen Weg geben den Wahnsinn zu beenden. Sie straffte ihre Schultern, betrat das Cottage und machte sich auf den Weg in die Küche.

Der süße Geruch frischgebackener Törtchen beruhigte sie ebenso sehr wie der Anblick von Gran, die sich über einen Teigball beugte. »Dein Zuckerwerk riecht himmlisch.« Sie erzwang ein kleines Lächeln. Es würde nichts bringen Gran von ihrer Konfrontation mit Wolfe zu erzählen. Das Wissen würde nur dafür sorgen, dass die liebe alte Frau sich sorgte.

Grans Rock raschelte an ihrer gestärkten Schürze, während sie eine goldbraune und rote Torte zum Tisch trug. »Sie sind für die Devontons, aber ein Fehlendes wird nicht auffallen.« Sie legte ein heißes Gebäck vor Rose. »Wärst du ein Schatz und würdest sie für mich abliefern? Sie werden im Nu fertig sein.«

Rose nickte. Sie nahm einen Bissen, aber ihr verstimmter Magen weigerte sich sie ihren Leckerbissen genießen zu lassen. Ihr Bauch verkrampfte sich, während sie das köstliche Konfekt wieder auf den Teller legte.

»Stimmt etwas nicht?« Gran studierte Rose durch warme haselnussbraune Augen, ihre Brille rutschte ihre Nasenwurzel herunter.

Verflixt sei ihre Unfähigkeit ihre Emotionen vor Gran zu verbergen. »Es ist nichts, wirklich. Bitte mach kein Aufhebens.« Sie griff wieder nach dem Törtchen. Wie spatzenhirnig von ihr zu denken, dass sie Zeit in Grans Gesellschaft verbringen konnte, ohne dass die Frau ihre Verstimmung bemerkte.

 

Gran ließ ihre warme faltige Hand über Roses ruhen. »Ich werde nicht drängen, aber ich kann nicht anders als mich zu sorgen. Ich habe gesehen, wie Mr. Wolfe seinen Abschied nahm. Du bist mir sehr lieb und ich weiß, was er dir antut.« Sie drückte ihre Hand behutsam. »Wenn nur –«

Rose ließ das Gebäck zurück auf den Teller fallen. »Es hat keinen Nutzen, Gran. Wir können die Vergangenheit ebenso wenig verändern wie wir die Jahreszeiten kontrollieren können.« Sie hatte sich das selbst mindestens hundertmal gesagt, aber wenig Trost in ihren Worten gefunden. Es würde nichts bringen sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren, wenn es ihre Zukunft war, die ausgebessert werden musste.

Gran bewege sich zurück zur Arbeitsplatte. »Alles wird sich einspielen, auf die eine oder andere Weise. Das muss es.«

»Ich glaube das auch, Gran.« Rose zwickte sich in den Nasenrücken und schaute aus dem Küchenfenster. Welch andere Wahl hatte sie denn?


Rose klopfte an die Tür der Devontons und schob ihr Kümmernis in ihren Hinterkopf. Sie hätte später genug Zeit ihre Situation zu bedenken. Einstweilen wünschte sie die Gesellschaft alter Freunde zu genießen. Die Devontons waren ein Teil ihres Lebens, seitdem sie sich erinnern konnte. Sie waren enge Freunde ihrer Großmutter ebenso wie langjährige Nachbarn. Nachdem sie ans Haus gebunden waren, hatte Gran es auf sich genommen nach ihnen zu sehen. Rose übernahm gerne die Aufgabe das Essen zu überbringen und Besorgungen für sie zu machen.

Die Tür öffnete sich ächzend. Mr. Devonton trat zur Seite, ein warmes Lächeln erleuchtete sein verwittertes Gesicht. Er lehnte sich mit einer Hand gegen die Wand. »Komm herein, Liebes.«

Sie grinste ihn ebenfalls an, während sie ihren Korb hob. »Gran hat mich geschickt, um etwas Obst und Törtchen zu bringen.«

»Welch angenehme Überraschung.« Sein Lächeln wurde breiter. »Komm doch herein.«

Rose trat in die altmodisch hübschen Räumlichkeiten, wobei der Korb an ihrem Arm baumelte. Sie nickte Mrs. Devonton zu.

Mr. Devonton schloss die Tür hinter ihr. Als er sich zurückdrehte, wackelte er auf seinen Füßen.

Sie ergriff ihn, bevor er fiel. »Erlauben Sie.«

Er schlang seinen Arm um sie, während sie ihn zu dem abgenutzten Sofa führte, wo Mrs. Devonton saß. Ihre schwindende Gesundheit brach Rose jedes Mal, wenn sie zu Besuch kam, ein bisschen mehr ihr Herz. Sie waren nicht mehr als Hüllen der Menschen, die einst mit ihr im Hof umher tanzten.

Ein Stöhnen rasselte aus Mr. Devonton, als er sich auf das Sofa senkte. Mrs. Devonton bot ein warmes Lächeln.

»Deine Gran ist die beste Bäckerin in London. Es ist immer eine angenehme Überraschung, wenn sie uns etwas ihrer Kost schickt.«

»Ich werde sichergehen, dass ich ihr erzähle, dass Sie das gesagt haben.« Rose begann den Korb zu entladen. Manche ihrer schönsten Erinnerungen beinhalteten das betagte Paar. Sie hatte Stunden mit ihnen verbracht, wenn Gran sie besucht hatte. Sie würde Gran und Mrs. Devonton mit der Hausarbeit oder Nähen helfen. Danach würde Mr. Devonton sie mit fantasiereichen Geschichten erfreuen.

»Ach, wenn ich ein bisschen jünger wäre, würde ich hinüberschleichen und mir selbst zu den Leckerbissen deiner Gran verhelfen.« Mr. Devonton gluckste. »Setz dich und plaudere für eine Weile mit uns.«

»Das würde ich sehr gerne. Lassen Sie mich diese nur erst wegräumen.« Rose nahm das Tablett mit den Obsttörtchen und bewegte sich auf das Schränkchen zu.

»Du bist sehr süß, Liebes.« Mrs. Devonton schob sich in eine stehende Haltung. »Erlaube mir dir zu helfen.«

»Das ist nicht notwendig. Es wird nur einen Moment benötigen.« Rose streifte an der Arbeitsplatte, als sie sich wieder ihrer Aufgabe zuwandte, und schlug das Tablett mit den Törtchen auf den Boden. »Du liebe Zeit. Setzen Sie sich wieder, während ich das sauber mache.« Sie bückte sich, um das eigensinnige Tablett aufzuheben, bevor sie die Zuckerware auf seiner kühlen Oberfläche stapelte. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe sie alle ruiniert.«

»Reg dich deswegen nicht auf, Liebes. Nichts ist ruiniert.« Mr. Devontons Stimme erfüllte die Räumlichkeiten. »Sie sind noch essbar. Sammle sie einfach auf dem Tablett. Ein bisschen Hausstaub hat noch niemandem wehgetan.«

Eine Welle des Schocks ging durch Rose hindurch. Sie würde es nicht in Betracht ziehen Nahrung zu essen, die auf dem Boden gelandet war. Gleichwohl tat sie, wie er wünschte und sammelte die Leckerbissen wieder auf dem Tablett.

»Hättest du gerne ein bisschen Tee?«, fragte Mrs. Devonton, als Rose hochblickte. »Ich kann ihn zubereiten, während du die Törtchen wieder hinstellst.«

»Dafür gibt es keinen Bedarf. Ich bin fertig.« Sie stellte das Tablett auf die Arbeitsfläche. Sie wandte sich dem Paar zu und öffnete ihren purpurnen Umhang und hängte ihn an einen Haken nahe der Tür.

Die neueste Auseinandersetzung mit Wolfe raste durch ihren Verstand, während sie Tee zubereitete. Und täusche dich nicht, wir werden verheiratet werden. Ein Schauer durchlief sie. Sie würde eher sterben, als dass sie jemals zustimmte den niederträchtigen Mann zu heiraten.

»Du scheinst abgelenkt, Liebes. Halten wir dich von etwas ab?« Mr. Devonton tauschte einen Blick mit seiner Frau aus.

»Es würde nichts bringen zu leugnen, dass ich ein bisschen abgelenkt bin. Gleichwohl gibt es keine dringende Angelegenheit, die meine Aufmerksamkeit benötigt.«

Sie hatte nie zuvor eine größere Lüge erzählt. Sie musste nach Hause, so dass sie einen Weg finden konnte, um Wolfe zu vertreiben.

»Bitte hab nicht das Gefühl, dass du uns Gesellschaft leisten musst. Wir verstehen, dass du andere Verpflichtungen hast.« Mrs. Devonton lächelte, aber ihre grauen Augen schienen traurig.

»Unsinn. Sie sind am weitesten davon entfernt eine Pflicht zu sein. Ich betrachte Sie beide als Familie und genieße unsere Plaudereien. Es gibt keinen Grund, dass ich so früh gehe.«

Sie meinte jedes Wort ernst, aber gleichwohl fühlte sich Rose heute nicht wie eine gute Gesellschaft. Ihr Magen verspannte sich. Eventuell hätte Mr. Devonton eine Lösung.

Sie blickte ihn an, wie er neben seiner Frau saß, sein Rücken leicht buckelig. Nein. Sie würde sie nicht beunruhigen.

Rose schloss für einen Moment ihre Augen, verjagte die Gedanken an Dewitt Wolfe, bevor sie das Teetablett zur Sitzecke trug.

Nachdem sie ihren Tee genossen hatte, machte sie ihren Mantel fest, hob schwungvoll den leeren Korb auf und nahm Abschied. Die Unterhaltung mit den Devontons erwies sich genau als das, was sie brauchte. Sie schaffte es ihr Kümmernis für eine kurze Weile zu vergessen, aber die Zeit für sie war gekommen, um nach Hause zurückzukehren. Sie musste zur Realität zurückkehren – zurück zu Wolfes Drohungen.

Wenn sie nur eine Missetat von seiner Seite beweisen könnte. Sie trat nach einem Stein, als sie den bewaldeten Pfad betrat. Er hatte etwas Ungehöriges getan, um ihren Besitz zu erlangen, daran hatte sie keinen Zweifel. Gewiss mussten seine Handlungen kriminell gewesen sein. Wenn sie einen Beweis finden könnte, würde er vielleicht im Newgate Gefängnis enden.

Sie erinnerte sich an die Geschichte eines Juwelendiebs, die Mr. Devonton einst mit ihr geteilt hatte. Wenn nur … Sie schüttelte ihren Kopf, schob den törichten Gedanken beiseite. Junge Damen erwogen solche unziemlichen Gedankenstränge nicht.

KAPITEL 4

So sehr sie es auch versuchte, Rose konnte sich an keine hilfreichen Hinweise während ihrer Interaktionen mit Mr. Wolfe erinnern. Sie brauchte Hilfe professioneller Natur, aber die Behörden würden sie aufgrund ihres Mangels an Beweisen und Münzen nie beachten. Der Konstabler würde sie als verrückt erachten, wenn sie ihren Fall erzwang. Mr. Devontons Worte flüsterten ihr aus ihrem Hinterkopf zu. Ich würde hinüberschleichen und mir selbst dazu verhelfen.

Vielleicht war es letztendlich doch nicht so töricht ein bisschen Unziemliches zu tun, wo es Mr. Wolfe betraf. Wenn sie sich als Junge verkleidete, könnte sie in Wolfes Büro einbrechen. Dies zu tun könnte sich als fruchtbar erweisen. Sie könnte Beweise seiner Missetaten finden, etwas Handfestes, das sie zum Konstabler bringen konnte. Aber was, wenn sie erwischt würde?

Sie blinzelte, als sie wieder in ihren Hof trat, da der Wald sie nicht länger vor den Strahlen der Sonne abschirmte. Sobald sich ihre Augen an das helle Licht gewöhnt hatten, blickte sie sich um, schaute auf die vertraute Landschaft.

Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle, während ihre Augen das Cottage einsaugten, das sie so lange ihr Zuhause genannt hatte – die steinerne Fassade, die fröhliche Veranda, ihren üppigen Blumengarten. Alles war ihr lieb und teuer. In der leichten Brise zog sie ihren Umhang enger um sich. Wie konnte sie jemals ihr Zuhause loslassen? Sie musste ihr Cottage retten – irgendwie.

Lord Aubrys Kutsche kam in Sichtweite, geparkt vor dem Haus. Rose hielt an. Ihr Puls beschleunigte sich. Dein schicker Lord hat versucht das Cottage zu erstehen. Sie glitt mit ihrer Zunge über ihre trockenen Lippen. Was würde er mit ihrem Zuhause wollen? Noch wichtiger, warum zum Teufel war er jetzt hier?

Mit beschleunigter Atmung marschierte sie in Richtung des Cottages. Sie schob die Tür auf und ignorierte das vertraute Kreischen der Beschwerde, das von dem alten Holzpanel abgegeben wurde. Ein Teil von ihr wollte wegen seiner Ankunft grinsen, aber der größte Teil von ihr wollte Lord Aubry erdrosseln.

Nachdem sie den Korb auf einer Bank abgestellt und ihren Umhang neben der Tür aufgehängt hatte, betrat sie das Wohnzimmer. Ihr Atem stockte beim Anblick der langen Beine seiner Hose, die vor ihm ausgestreckt waren, während er in liebenswürdiger Weise mit Gran plauderte. Ihr Blick wanderte seinen schmalen Leib hoch zu seiner breiten Brust, so als ob er von einem Magnet angezogen wurde. Als sie bei seinem hübschen aristokratischen Gesicht anhielt, verschlang Hitze ihre Wangen.

Sie tat es wieder – ihn begaffen. Sie sollte ihn sich dafür zur Brust nehmen, dass er versucht hatte ihr Cottage – ihr Zuhause – unter ihr weg zu kaufen; sie sollte nicht hier stehen und wegen seines Körperbaus und seines viel zu hübschen Gesichts in Verzückung geraten.

Die Hitze der Anziehung breitete sich durch ihre Blutbahn aus, zwang eine Schamesröte den ganzen Weg bis zu ihren Ohren. Rose riss ihren Blick von seinem und legte ihre Aufmerksamkeit auf ihre Großmutter. »Die Devontons schicken ihre Wertschätzung.«

Gran nippte mit einem Nicken an ihrem Tee, ihre Augen verschränkten sich mit Roses. Sie stellte ihre Tasse zur Seite und betäschtelte den Stuhl neben sich. »Komm. Setz dich zu uns.« Ein kleines Lächeln bog ihre Lippen.

Lord Aubrys himmelblauer Blick begegnete Roses, was ihren Körper flatterig werden ließ. Erbarmen. Wie schaffte er es sie mit einem einfachen Blick aus der Fassung zu bringen? Als er grinste, wackelten ihre Knie. Sie hatte nie zuvor ein perfekteres Lächeln gesehen. Sein ganzes Gesicht leuchtete auf. Der Zorn, den sie nur einen Moment zuvor verspürt hatte, zerfloss mit ihrer Vernunft.

Sie brach die Verbindung und ging zu einem Stuhl mit hoher Rückenlehne und setzte sich, faltete ihre Hände in ihrem Schoß. Neugier entfaltete sich in ihr und sie ließ ihren Zorn diese verbrennen. Sie würde es ihm ebenso wenig gestatten ihr Zuhause zu stehlen, wie sie es Wolfe erlauben würde dies zu tun. Sie konnte es sich nicht erlauben von seinem hübschen Gesicht eingenommen zu werden. Sie begradigte ihre Wirbelsäule und begegnete seinem Blick. »Vergebt meine Direktheit, my Lord, aber warum seid Ihr hier?«

»Rose.« Gran nagelte sie mit einem strengen Blick fest. »Du darfst eine solche Dreistigkeit nicht vorlegen. Es ist vulgär.« Sie schaute zu Lord Aubry. »Bitte entschuldigt die Handlungen meiner Enkelin. Ich befürchte, dass sie in letzter Zeit nicht sie selbst ist.«

Roses Wangen loderten, aber sie erlaubte es ihrer Scham nicht sie zu beherrschen. Eventuell war ihre Dreistigkeit unangemessen, aber auch notwendig. Ihr Zuhause stand auf dem Spiel. Würde Gran ihre Gründe kennen, warum sie die Regeln der Gesellschaft ignorierte, hätte sie sie nicht gescholten. Tatsächlich hätte Gran wahrscheinlich selbst die Frage gestellt.

»Es ist durchaus in Ordnung, das versichere ich Ihnen, Mrs. Oaklawn. Schon gut.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder auf Rose. »Ich wünsche Ihnen meine Unterstützung anzubieten.«

 

»Wir haben keinen Bedarf an Unterstützung.« Die Worte kamen stark heraus, trotz ihrer Nerven. Das war eine ruhige Lüge. Wo hatte sie solch eine Fertigkeit gelernt?

»Miss Woodcourt, ich war hier als Mr. Wolfe in Ihr Zuhause geplatzt ist, dann wiederum außerhalb des Büros des Konstablers.« Er zog seine Beine ein und lehnte sich vor. »Hätten Sie zumindest die Güte und klären mich bitte auf, was vor sich geht.«

Ihr Herz hämmerte in ihrem Korsett, als sie ihren Blick abwandte. Sollte sie die Wahrheit zugeben? Sollte sie ihm von Wolfes Versuch ihre Hand zu erzwingen erzählen? Möglicherweise hatte er den Wunsch zu helfen.

Sie begegnete seinem studierenden Blick einmal mehr. Nein. Sie würde sich nicht, sie könnte sich ihm nicht anvertrauen. Es stand für sie zu viel auf dem Spiel, als dass sie einem Mann vertrauen könnte, den sie nicht kannte. Vielleicht wäre sie mit der Zeit in der Lage ihm zu vertrauen, aber diese Zeit war nicht jetzt. Nicht bis sie wusste, ob er ihrem Vertrauen würdig war.

»Unsere Situation ist nicht Eure Angelegenheit, my Lord.« Sie starrte ihn herausfordernd an.

Er trommelte mit seinen Fingern auf die Stuhllehne, sein Blick weich auf ihr Gesicht gerichtet. Die Aufrichtigkeit in seinen Augen brach ihre Verteidigung. Schmetterlinge flatterten unter seiner Aufmerksamkeit in ihrem Bauch. Gnade ihr der Himmel. Dieser Blick von ihm konnte die Themse im tiefsten Winter erwärmen.

Für den Splitter eines Moments sah sie ihn als einen möglichen Verbündeten. Sie presste ihre Lippen zu einem festen Strich. Nein, sie musste warten, bis er sich als vertrauenswürdig erwiesen hatte.

»Wie Sie wünschen, Miss Woodcourt. Ich respektiere Ihre Entschlossenheit, was auch immer vorgeht als eine Privatsache zu halten.« Er nickte zu Gran. »Sollten Sie sich hilfsbedürftig wiederfinden, zögern Sie nicht mich zu kontaktieren.«

Gran nickte, aber verblieb still. Rose schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. Eventuell dachte Gran ebenfalls, dass es das Beste war es nicht zu teilen. Oder, was wahrscheinlicher war, sie hatte nicht das Gefühl, dass es an ihr lag Roses Geheimisse preiszugeben. Wie dem auch sei, sie war dankbar für Grans Stille.

Eine Gedanke traf Rose, als sie beobachtete, wie Lord Aubry aufstand. Ihr Puls beschleunigte sich, sie brauchte noch immer Antworten. Ihr Austausch hatte sie von ihrem Ziel abgelenkt, aber sie musste noch immer herausfinden, warum er versucht hatte ihr Zuhause zu erstehen. Sie stand auf, trat behutsam vor ihn. »Dürfte ich Euch hinausbringen, Lord Aubry?« Sie führte ihn zum Vordereingang.

Außerhalb von Grans Hörweite hielt Rose an und hob ihren Blick zu seinem. Ihr Inneres pulsierte von einem Bedürfnis, das sie nicht identifizieren konnte. Sie blickte weg und beruhigte sich, bevor sie wieder seinen Augen begegnete. Als sie ihre Lippen öffnete, um zu sprechen, kam nichts heraus. Ihr Mund war trocken geworden, als ob er mit Baumwolle vollgestopft wäre.

Er drehte sich um, nahm seinen Zylinder und seine Handschuhe auf. »Guten Tag, Miss Woodcourt.«

Sie konnte ihn nicht hinausgehen lassen, bevor sie eine Antwort von ihm hatte. Ohne Zeit ihren Kurs abzuwägen, streckte sie ihre Hand aus und berührte seine handschuhlose Hand. Die Wärme, welche sie in dieser Berührung spürte, schickte ein scharfes Kribbeln, das durch sie schoss und verursachte, dass sie zurückzuckte.

»Warum habt Ihr versucht mein Cottage zu erstehen?« Sie wollte wegschauen, da ihre Wangen erneut brannten, aber zwang ihren Blick auf seinem zu bleiben.

Lord Aubry lächelte Rose warm an. »Wie ich zuvor sagte, ich wünsche behilflich zu sein.« Er öffnete die Tür. »Ich werde zur Verfügung stehen, wenn Sie bereit sind danach zu fragen.«

Bevor sie ihre Gedanken entwirren konnte, trat er über die Schwelle und schloss die Tür hinter sich.

Verflixt sei der Mann. Sie lehnte sich gegen die harte Eichenoberfläche, ihre Handflächen waren an das Holz gepresst. Draußen verschwand Lord Aubry in seinem schwarz lackierten Landauer. Seine Worte hallten in ihrem Verstand wider. Hilfe. Ihr Herz drückte sich zusammen. Sie bezweifelte, dass er so willens wäre zu helfen, wenn er die ganze Wahrheit kannte.

»Du hättest ihm von Wolfes Drohungen erzählen sollen.« Grans Stimme durchbrach ihre Gedanken, als sie eine Hand auf Roses Schulter legte.

Rose zuckte bei Grans unerwarteter Skepsis zusammen. »Er ist ein Lord, Gran. Er fühlt sich durch Ehre daran gebunden die Gesetze Englands aufrechtzuerhalten.« Sie neigte ihren Kopf, um Grans Blick zu begegnen, als die Kutsche aus der Zufahrt bog. »Wenn ich es ihm sage, könnte er vielleicht Wolfes Dokumentation durchsetzen.«

»Er ist ein Mann, der zu helfen wünscht. Er mag gerade mächtig genug sein, um Wolfes Boshaftigkeit einen Riegel vorzuschieben.«

»Das mag wahr sein, aber könnte dem Haufen, dem wir gegenüberstehen, ebenso leicht mehr Ärger zufügen.« Rose bewegte sich auf die Stufen zu. »Das Risiko ist zu groß.«

»Es kann keine Belohnung im Leben geben, ohne ein Risiko einzugehen«, beharrte Gran und folgte ihr. »So sicher wie die Sonne aufgeht, um uns jeden Morgen zu begrüßen, wird Wolfe gewinnen, wenn du keine Risiken eingehst, um seine Avancen zu stoppen.«

Die Worte ließen Rose mitten im Schritt innehalten. Wenn sie ihre Geheimnisse teilte, könnte Lord Aubry sich als vertrauenswürdig erweisen. Aber, wenn sie diese weiterhin versteckte, würde sie es niemals wissen. Sie schluckte den Kloß herunter, der sich in ihrer Kehle bildete. Wenn er sich gegen sie wandte, könnte sie mehr verlieren als ihr Herz.

Rose blickte über ihre Schulter. »Mich Lord Aubry anzuvertrauen ist ein Risiko, das ich nicht eingehen möchte, Gran.« Sie erklomm die Stufen mit einem anderen Risiko im Sinn. Heute Abend würde sie Stiefelhosen nähen. Morgen, nach Lady Julias Anprobe, würde sie ihren Plan in die Tat umsetzen. Sie betete einfach, dass es funktionieren würde.

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