Skandalöse Liaison

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Skandalöse Liaison
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Bei diesem Werk handelt es sich um Fiktion. Namen, Charaktere, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Vorkommnisse sind entweder Produkte der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv genutzt.

Copyright © 2018 by Amanda Mariel

Titel der englischen Originalausgabe: »Scandalous Liaison«

Herausgegeben von Brook Ridge Press

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2020 by TekTime

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzt von Carolin Kern

Kein Teil dieses Buches darf vervielfältigt, oder in einem Datenabfragesystem gelagert, oder in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise übertragen werden, weder elektronisch, mechanisch, fotokopiert, aufgezeichnet noch anderweitig, ohne die ausdrückliche schriftliche Erlaubnis des Verlegers.

Herausgegeben von TekTime.

TITEL VON AMANDA MARIEL

(In Deutscher Übersetzung)

Reihe Ladies und Halunken:

Skandalöse Bemühungen

Skandalöse Absichten

Skandalöses Mauerblümchen

Skandalöse Erlösung

Skandalöse Liaison

Reihe Sagenhafte Liebe:

Vom Kapitän gefangen

Reihe Credo der Bogenschützin:

**Amanda Mariel schreibt mit Christina McKnight**

Theodora

Georgina

Adeline

Josephine

Reihe Skandal begegnet Liebe:

Lieb’ nur mich

Erscheint bald:

Wenn es Liebe ist

Alleinstehende Titel:

Eine Verabredung im Mondschein

Ein Bezaubernder Kuss

Weihnachten in den Armen des Herzogs

Verführerische Weihnachten

Reihe Wicked Earls – Club der sündhaften Grafen

** Titel von Amanda Mariel**

Graf von Grayson

Graf von Edgemore

Durch einen Kuss verbunden:

**Diese sind so konzipiert, dass sie für sich stehen können**

Wie man einen Halunken küsst (Amanda Mariel)

Ein Kuss zur Weihnachtszeit (Christina McKnight)

Ein Kuss fürs Mauerblümchen (Dawn Brower)

Der Kuss des Schurken (Amanda Mariel)

Bücherboxen und Sammelbände

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PROLOG

England, 1822

Lady Grace Brighton, Tochter des Viscount und der Viscountess of Forton, betrat den Ballsaal mit schwerem Herzen. Heute Abend wäre zweifellos einer der schwersten Abende ihres Lebens. Mit siebzehn sollte sie den Gesellschaftssommer genießen und nicht fürchten, was noch kam. Gleichwohl, ihre Weichen waren gestellt.

Mit Grauen, das sich durch sie flocht, machte sie sich auf den Weg auf die Veranda. Mr. Lewis Duffield würde sie unter den Zweigen ihres Baumes erwarten. Derselbe, in welchen er vor vierzehn Tagen ihre Initialen geritzt hatte. Das Szenario hätte ihren Bauch vor ein paar Nächten noch völlig flatterig werden lassen, aber jetzt hatte sich alles verändert. Wo Schmetterlinge sein sollten, fühlte Grace ein unangenehmes Aufwühlen, welches ihren Magen verknotete.

Sie raffte ihre Röcke in ihren behandschuhten Händen, während sie hastig um eine marmorne Säule ging, dann die Treppe herunter und auf den von Fackeln erleuchteten Garten zu. Wenn sie zu lange verweilte, würden es die Leute bemerken. Eine Situation, die sie sich kaum leisten konnte, wenn so viel in der Schwebe hing. Vater und Mutter zählten auf sie. Sie konnte sie nicht im Stich lassen, auch wenn ihren Wunsch zu ehren ihr Herz zerstörte.

Das mit Tau bedeckte Gras machte ihre seidenen Slipper feucht, während sie den Gartenpfad hinab auf die alte Linde zu eilte. Die kühle Nachtluft streifte über ihre Haut und hunderte Sterne funkelten am Himmel. Aber die friedliche Kulisse tat nichts dafür ihre Nerven zu kühlen und ihre Verstimmung zu beruhigen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie näher an ihr Ziel kam—näher zu Lewis.

Grace verlangsamte ihre ungezügelte Geschwindigkeit und kämpfte um Fassung, als sie ihre letzten Schritte tat, die Entfernung zwischen ihr und Lewis schloss. Sie sah wie er in den Schein des Fackellichts geworfen wurde, seine Augen funkelnd und das schwarze Haar schimmernd, als sie den Pfad verließ. Das vertraute Flattern, das sie jedes Mal erfuhr, wenn sie ihm nahe war, kam zu ihrem Bauch zurück, aber tat nichts um das Grauen, das ihre Seele erfüllte, auszulöschen.

Ein breites Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Meine liebste Grace, komm, lass mich dich halten.«

»Oh, Lewis.« Sie vergaß für einen Moment ihre Pflichten, warf sie sich in die Wärme seiner Umarmung. Was sie geben würde, um in seinen Armen für alle Ewigkeit sicher zu bleiben. Nicht in der Lage ihre Emotionen noch länger zu kontrollieren, plagte ein Schauer ihre Schultern, als die ersten Tränen aus ihren Augen sickerten.

»Was ist los, Liebling?« Lewis strich mit seiner tröstlichen Hand über ihr Haar, während er sie eng an sich hielt.

Wie sollte sie ihm sagen, dass sie nicht länger zusammen sein können? Jeder Teil von ihr wünschte diese Tatsache zu leugnen. Sie sehnte sich danach mit ihm wegzurennen. Ein neues Leben mit dem Mann zu beginnen, den sie liebte. Sie würde beinahe alles geben, um bei ihm zu bleiben, aber sie konnte ihre Familie nicht den Wölfen vorwerfen.

»Alles wird gut werden. Es gibt keinen Grund für Tränen.« Lewis versuchte weiter sie zu beruhigen. Er ließ einen behutsamen Kuss auf ihre Stirn sinken. »Wir sind jetzt zusammen. Du wirst bei mir sicher sein.«

Sie hatte Lewis vor Monaten ihr Herz gegeben und sich machtlos vorgefunden es zurückzunehmen. Gleichwohl, sie hatte gegenüber ihren Eltern, dem Familientitel und der feinen Gesellschaft eine Pflicht, zumindest ihrer Mutter und ihrem Vater zufolge. Grace ihrerseits wollte sich keinen Deut um den Titel oder die feine Gesellschaft scheren, aber sie konnte nicht den gleichen Anspruch über ihre Eltern machen. Sie würde ihre Seele verkaufen, um ihre Familie zu beschützen.

Ein Schauer rann durch sie hindurch, verursachte ihr Gänsehaut. Auch wenn es sie umbrachte, und das könnte es wohl, würde sie das Richtige gegenüber ihrer Familie tun. Sie musste es. Welche andere Wahl hatte sie? Ohne sie wären sie mittellos. Verstoßen in die Straßen Londons, um im Chaos der großen Stadt zu vergehen. Von allen vergessen und verlassen, um sich alleine durchzuschlagen, ohne die Mittel oder notwendigen Fähigkeiten ihre harsche neue Realität zu überleben. Sie konnte sie schlichtweg nicht zu einer solchen Existenz verurteilen.

Grace sog langsam einen Atemzug ein. Schicksalsergeben zog sie sich weit genug weg, um hoch in Lewis’ liebevolle grüne Augen zu blicken. Sein Blick würde ihre Erinnerung bis in alle Ewigkeit heimsuchen—die Liebe und die Zärtlichkeit, die sie in deren Tiefen erfahren hatte, würde für immer bei ihr sein. Eine beständige Mahnung, was sie geopfert hatte.

»Grace, mein Liebling.« Er wischte Tränen von ihren Wangen. »Meine Liebe, was auch immer es ist, du kannst dich mir anvertrauen. Vertrau mir, Liebling. Ich werde dich durchbringen.«

Sie schöpfte aus jedem Gramm Mutes und Kraft, das sie besaß, und trat aus seiner Reichweite. Es gab in dieser Sache keine Wahl. Sie musste ihm erzählen, was passiert war. Was von ihr erwartet wurde. Sie musste sein Herz brechen.

Er trat auf sie zu, aber bevor er sie erreichen konnte, drehte sie ihm ihren Rücken zu. Die Worte würden niemals kommen, so lange sein Blick mit ihrem verschränkt war. Sie konnte nicht zusehen, wie sein Herz zersprang. Grace öffnete ihren Mund, um zu sprechen, schloss ihn dann wieder, da sie nach den passenden Worten suchte. Die, welche es für sie beide einfacher machen würden, aber nicht existierten.

Verdammt, dies war unmöglich.

Er schlang seine Arme um ihre Taille, zog sie zurück an seine harte Brust, bevor er ihr ins Ohr flüsterte: »Alles wird in Ordnung sein. Sag mir, was los ist und lass mich dir helfen.«

»Du kannst nicht helfen.« Eine frische Ladung Tränen erblühte und lief ihre Wangen herunter. »Ich soll den Duke of Abernathy heiraten.«

Lewis versteifte sich hinter ihr, sein Atem stockte. »Das kannst du nicht. Nicht wenn du in mich verliebt bist.«

»Gott, wie ich wünsche, dass es nicht so wäre.« Sie drehte sich in seiner Umarmung, um zu ihm hochzublicken, und ihre Seele zersprang. »Vater hat die Verlobungspapiere gestern unterzeichnet. Er plant die Verlobung heute Abend zu verkünden.«

Panik erfasste Lewis’ Gesichtsausdruck. »Renn mit mir weg. Wir können jetzt gehen. Es gibt keine Notwendigkeit für dich einen Mann zu heiraten, den du nicht liebst.« Er beschwor sie mit seinem Blick. »Grace. Zerstöre nicht, was wir haben. Halt an unserer Liebe fest, an mir, mit beiden Händen.«

Sie nagte an ihrer Lippe und wandte ihren Blick ab. Da ihre Brust schwer war und die Tränen frei flossen, drückte Grace ihre Augen zu. Sie liebte ihn mit allem, was sie besaß, aber es änderte überhaupt nichts. Sie musste ihre Eltern ehren. Musste ihre Familie beschützen.

»Verdammt noch mal, ich liebe dich«, sagte Lewis, seine Stimme brach vor Emotionen.

Sie kehrte mit ihrem Blick zu seinem zurück, ihr Herz zersprang dabei jenseits jedweder Wiederherstellung. Sie musste ihn dazu bringen sie zu hassen. Ihn glauben machen, dass ihre Liebe von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Möglicherweise könnte er dann weggehen. Mit seinem Leben weitermachen. Vielleicht sogar eine Andere zum Lieben finden.

Ein Klumpen formte sich in ihrer Kehle bei ebendieser Vorstellung, aber dennoch, sie wünschte ihm glücklich zu sein. Er verdiente eine Lebzeit an Liebe. Das Letzte, was sie für ihn wollte, war, dass er seine Tage und Nächte damit verbrachte ihre Beziehung zu betrauern.

Ihre Schultern straffend, spähte Grace ihn an. »Manchmal ist Liebe nicht genug. Mein Leben ist in England. Deines ist in Amerika. Wir waren von Anfang an verdammt.«

 

»Grace.« Er verstärkte seinen Griff um sie. »Das kannst du nicht ernst meinen. Gehe fort mit mir.«

»Ich kann nicht.« Sie trat aus seiner Umarmung und hielt eine Hand vor sich, um ihn davon abzuhalten sie wiedereinzunehmen. »Ich muss zum Ball und zu meiner Zukunft zurückkehren.«

Er machte einen zaghaften Schritt auf sie zu. »Du liegst falsch. Dein Leben ist mit mir. Lass mich auf dich achtgeben. Erlaube mir dich in Ehren zu halten; dich zu lieben und für dich zu sorgen.«

Grace schloss die Entfernung zwischen ihnen, legte einen behandschuhten Finger auf seine Lippen. »Mach dies nicht schwerer für uns. Du musst mich gehen lassen.« Jeder Moment, den sie hier mit ihm verbrachte, schwächte ihren Entschluss mehr. Wenn sie nicht bald ihre gemeinsame Zeit beendete, mochte sie niemals zu ihren Pflichten zurückkehren, denn Gott wusste, ihr Herz gehörte zu Lewis. »Es gibt keine Wahl. Ich muss die Vereinbarung, die meine Eltern getroffen haben, ehren. Ich … es ist mein Wunsch es zu tun.«

Sie drehte sich um und schritt zurück in Richtung des Gartenwegs.

Lewis schloss zu ihr auf. Indem er ihren Ellbogen packte, hielt er sie an. »Grace.«

Sie schluckte schwer. »Bitte. Nicht.«

Sein Blick füllte sich mit Schmerz und ohne ein Wort gab er sie frei.

Grace hastete auf den Schutz ihres Zuhauses zu. Auf das Leben, das ihre Eltern für sie geplant hatten. Zum Ende des Monats wäre sie die Duchess of Abernathy, aber ihr Herz würde für immer Lewis gehören.

KAPITEL 1

London 1845

Ein lautes Krachen erfüllte in exakt dem Moment die Luft, in welchem der Boden der Kutsche unter Grace Strattons in Slippern steckenden Füßen erbebte. Die Kutsche schaukelte, schwankte von einer Seite zur anderen, während sie versuchte sitzen zu bleiben. Sie verstärkte ihren Griff um ihren Haustier-Tiger und blickte zu ihrer Begleitung, Eliza. Was zum Teufel passierte gerade?

Die Kutsche hielt abrupt an, betont durch Elizas schockierten Schrei. Das Mädchen richtete sich auf dem Sitz aus Leder und Samt auf, legte dann ihre Hand auf ihre Brust. »Erbarme dich meiner! Geht es Euch gut, Euer Gnaden?«

Sie hatte dem Mädchen dutzende Male gesagt, dass sie sich nicht in einer solch formellen Art und Weise an sie zu wenden brauchte. Jedes Mal, wenn Grace protestierte, widersprach Eliza, wies darauf hin, dass die Tochter eines Barons kein Recht darauf hatte eine Herzogin mit ihrem Taufnamen anzusprechen. Es spielte keine Rolle, dass sie Freunde geworden waren. Grace schenkte Eliza ein zittriges Lächeln. »Gut, danke.«

»Und Jasmine?« Eliza schaute auf die orange und schwarz gestreifte Katze, die sich an Grace schmuste.

»Ihr geht es auch gut. Nur ein bisschen erschrocken.« Grace streichelte mit ihrer Hand den Rücken der jungen Tigerin. »Was ist mit dir?«

Eliza schob eine lose Ringellocke feuerroten Haares aus ihren Augen. »Ich bin unverletzt.«

Die Kutschentür schwang auf, was Eliza dazu brachte noch einmal zu kreischen, während Grace bei diesem plötzlichen Eindringen ein Stückchen zusammenzuckte. Während sie sich zurücklehnte, nickte sie ihrem Kutscher zu. »Spannen Sie uns nicht auf die Folter.«

Der Kutscher faltete seine Hände vor seinem Bauch und zeigte ein entschiedenes Nicken. »Leider haben wir eine ziemlich tiefe Furche in der Straße getroffen und aufgrund dessen ist eine Achse gebrochen.«

Grace reichte Jasmine an Eliza. »Sei ein Schatz, ja?«

»Natürlich.« Eliza nahm den Tiger mit einem Schmunzeln an, setzte die Katze dann auf ihren Schoß.

»Ich werde mir den Schaden ansehen.« Der Kutscher half Grace herunter, führte sie dann um den hinteren Teil des Beförderungsmittels.

Grace stand hinter ihrer Kutsche und inspizierte die gebrochene Achse. Die Mittagssonne wärmte ihr Gesicht und ihre entblößten Schultern, während ein warmer Wind ihre Röcke um ihre Knöchel herumwehte. So herrlich der Tag auch war, die friedliche Umgebung tat nichts um ihre aufkommende Verstimmung zu beruhigen. Je länger sie das gespaltene Holz untersuchte, desto schneller schlug ihr Herz und raste ihr Verstand.

Sie massierte ihre Schläfe für einen Moment, bevor sie sich ihrem Kutscher zuwandte. »Was werden wir dagegen tun?«, fragte sie, betete dann, dass er eine gute Lösung hätte.

Eine, die sie nicht allzu lange aufhalten würde.

»Euer Gnaden, leider werden wir nach dem Kutschenbauer schicken müssen. Eine Achse ist nicht einfach zu reparieren.«

Sie ließ ihren Blick einmal mehr dem großen Spalt entlang folgen. Die letzte Sache, die sie sich wünschte, war eine Verzögerung ihrer Reise, aber sie vermutete, dass sich dies nicht verhindern ließ. Sie schloss ihre Augen und seufzte. Bitte lass sie es rechtzeitig zu Evangelines Taufe nach Schottland schaffen. Sofern das passieren würde, wäre alles gut.

Grace wandte ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Kutscher. »Was schlagen Sie vor?«

»Ungefähr einen Kilometer die Straße herunter gibt es eine Herberge einer Poststation. Erlaubt mir die Pferde auszuhängen und Euch dorthin zu geleiten, damit Ihr dort warten könnt, während wir die Reparaturarbeiten arrangieren.«

Grace nickte. »Wie lange vermuten Sie wird es dauern meine Kutsche in Ordnung zu bringen?«

»Es tut mir leid, Euer Gnaden, aber ich weiß es nicht. Wenn es einen fähigen Kutschenbauer in der Gegend gibt, und er nicht beschäftigt ist, könntet Ihr am morgigen Tag bereit sein weiterzureisen. Andernfalls … Es tut mir leid, es gibt keinen Weg vorherzusagen, wie lange Ihr euch verspätet.«

Sie betätschelte ihren Chignon, glättete dann ihre verknitterten Röcke. Sie hatte London drei Tage früher verlassen, um zum Anwesen ihres Neffen zu reisen, dem Duke of Goldstone. Er und seine Ehefrau, ihre liebe Freundin Amelia, würden ihr Töchterchen in einer Woche taufen. Grace würde die Patentante des Säuglings sein und nichts würde sie daran hindern ihren Bestimmungsort zu erreichen—am allerwenigsten eine gebrochene Achse.

Grace straffte ihre Schultern, bereit das Kommando in dieser Situation zu übernehmen. »Na schön. Aber lassen Sie die Pferde für den Moment angespannt. Stattdessen borgen Sie zwei Pferde der Vorreiter und instruieren sie diese bei der Kutsche zu bleiben. Einstweilen werden Eliza und Jasmine ebenfalls bleiben.«

»Wie Ihr wünscht.« Der Kutscher zeigte eine Verbeugung, schlenderte dann um die Rückseite der Kutsche herum auf das Paar der Vorreiter zu, die dort warteten.

Grace wandte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Straße vor ihr und winkte einen ihrer anderen Vorreiter näher. Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln, als er näherkam.

»Euer Gnaden.« Der Mann stieg ab, verbeugte sich dann.

»Ich hätte gerne, dass Sie voraus zu dem Gästehaus reiten. Wenn Sie dort ankommen, machen sie eine Anfrage, um zu sehen, ob es einen örtlichen Kutschenbauer oder Mechaniker gibt. Falls ja, holen Sie ihn sofort her. Sagen Sie ihm, dass Sie die Duchess of Abernathy schickt. Das sollte helfen ihn zu überzeugen.«

»Sogleich, Euer Gnaden.« Der Vorreiter verbeugte sich einmal mehr, bevor er zu seinem Pferd zurückkehrte, um in Richtung des Gasthauses zu galoppieren.

Als sie zur Kutschentür zurückkehrte, spähte Grace hinein. »Eliza.«

Sie schaute Grace an, aber streichelte weiterhin Jasmine. »Ja, Euer Gnaden.«

»Die Kutsche muss repariert werden. Du sollst hier bleiben und dich um Jasmine kümmern. Ich lasse auch ein paar Vorreiter hier.«

Eliza nickte. »Wo geht Ihr hin?«

Grace lehnte sich gegen die Kutschentür. »Ich reite zum Gästehaus voraus. Sobald die Vorbereitungen getroffen sind, kehre ich zurück.« Grace konnte nicht sicher sein, dass alles in ihrem Sinne funktionieren würde, aber unabhängig davon würde sie zurückkommen, oder jemanden für Eliza, Jasmine und ihren Plunder schicken.

»Sehr wohl«, sagte Eliza.

Jasmine hob ihren Kopf und gähnte, zeigte dabei ihre beeindruckend großen Zähne, bevor sie sich wieder an Eliza lehnte.

Grace wandte sich von der Kutsche ab und seufzte, blickte in den klaren blauen Himmel. Zumindest war es ein angenehmer Tag um zu reiten—nicht eine Wolke in Sicht und eine nette Brise, damit es ihr angenehm blieb. So ein Pech, dass sie nicht ihr Reitkleid anziehen konnte. Es würde keine würdevolle Art und Weise geben in all ihren Röcken zu reiten. Nichtsdestotrotz würde sie damit auskommen.

Der Kutscher führte einen ihrer Hengste um die Kutsche herum, brachte ihn neben ihr zum Stehen. »Erlaubt mir Euch beim Aufsitzen zu helfen, Euer Gnaden.«

Sie wippte mit ihrem Kopf, raffte ihre Röcke hoch in einer Hand, stellte dann ihren mit einem Slipper bedeckten Fuß in seine wartende Hand, während sie den Sattel ergriff—etwas, dass sie nicht gehabt hätte, wenn sie die Kutschpferde genommen hätten. Sobald sie saß, tat Grace ihr Bestes, um ihre Röcke über ihren Beinen zu platzieren, wünschte sich die ganze Zeit über, dass sie Stiefel tragen würde.

Der Kutscher blickte sie an, sein Blick reumütig. »Ich entschuldige mich dafür keinen anständigen Damensattel zu haben, Euer Gnaden. Möchtet Ihr lieber hier bleiben, während ich vorausreite und die Vorbereitungen treffe?«

»Unsinn. Ich bin mehr als in der Lage im Herrensitz zu reiten. Was das die Dinge regeln betrifft, wäre ich gerne anwesend.« Sie nahm die Zügel auf und schob ihr Kinn vor. »Lasst uns uns beeilen.«

»Wie Ihr wünscht.« Der Kutscher stieg auf einen passenden Hengst, dann übernahm er mit drei der Vorreiter der Herzogin, welche sie flankierten, die Führung, versetzte sein Pferd in einen Trott.

Grace schluckte einen Protest über die langsame Geschwindigkeit herunter, wünschte sich sie könnte Hals über Kopf reiten, in voller Geschwindigkeit vorausgaloppieren. Gott sei’s geklagt, sie nahm nicht an, dass eine schnellere Geschwindigkeit auf lange Sicht irgendetwas Gutes ausrichten würde. Sie würde noch immer darauf warten müssen, dass ihre Kutsche repariert wurde, ungeachtet dessen, wie schnell sie das Gasthaus erreichte.

Resigniert entspannte Grace sich im Sattel und strebte an den Ritt zu genießen. Vogelgezwitscher schwebte durch die Luft und sie blickte auf die Bäume, welche die Straße säumten, in der Hoffnung, dass sie einen Blick auf einen erhaschen würde. Sie wurde bald belohnt, als ein Star von einem Baum zum Nächsten huschte, seine schwarzen Federn lila und grün glänzend, als die Sonnenstrahlen davon reflektiert wurden.

Grace lächelte, dachte, wie fabelhaft es wäre, wenn sie ebenfalls fliegen könnte. Ihr Rückschlag bei der Reise wäre sicherlich vorbei, denn sie könnte nach Schottland fliegen und würde zweifellos schneller ankommen, als sie es mit der Kutsche könnte. Sie schob den Gedanken aus ihrem Geist.

Tagträumerei würde sie nirgendwo hinbringen. Was sie brauchte waren reelle Lösungen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Straße vor ihr. Wenn ihre Kutsche nicht auf Anhieb repariert werden konnte, würde sie eine mieten, und falls das keine machbare Lösung wäre … würde sie eine Fahrt in einer Postkutsche buchen.

Nichts würde sie davon abhalten Schottland rechtzeitig für die Taufe ihrer Großnichte zu erreichen. Sie war immerhin eine Herzogin. Die Menschen würden sich überschlagen, um ihr behilflich zu sein. Grace entließ einen entspannenden Atemstoß. Alles würde gut werden.

Binnen kurzer Zeit kam ein zweistöckiges Gebäude mit Balkonen, die sich über die gesamte Länge dessen steinerner Außenseite zogen, in Sicht. Eine große halbkreisförmige Zufahrt, die von blühenden Büschen gesäumt wurde, schnitt einen Pfad durch das dichte Gras vor dem Gebäude und livrierte Diener wuselten hin und her.

Graces Beine zuckten vor dem Verlangen ihr Pferd mit dem Fuß in einen Galopp zu stoßen. Sie waren beinahe am Gästehaus und die Erwartung machte sie halb verrückt. Den Wunsch in Richtung ihres Ziels zu rasen bekämpfend, klebte Grace ein freundliches Lächeln auf ihr Gesicht und folgte weiter ihrem Kutscher.

Sie blinzelte, um das Schild, das über der breiten hölzernen Tür hing, zu lesen. The George Inn. Es musste ihr Glückstag sein, denn ihr war diese Herberge einer Poststation bekannt. Sie war nie darin verweilt, aber hatte viele ihrer Standesgenossen über die Einrichtung sprechen gehört. Das The George Inn war ein seriöser Ort, den die Oberschicht frequentierte. Sicherlich würde hier all ihren Bedürfnissen entsprochen werden.

Ein Stalljunge rannte in Richtung der Zufahrt, als Grace näherkam, hielt dann an, um mit vor ihm gefalteten Händen zu warten. Sie zog an den Zügeln, brachte ihr Pferd zum Stehen und lächelte auf den Burschen herunter, bevor sie ihren Blick in Richtung des Kutschers warf.

Der Kutscher stieg ab, kam näher, half dann Grace herunter. Sie nahm sich einen Moment, um ihre Röcke zu richten, bevor sie sprach. »Ich danke Ihnen. Ich werde etwas Tee trinken, während wir auf Neuigkeiten warten. In dem Augenblick, in dem Sie etwas erfahren, wünsche ich darüber Bescheid zu wissen.«

 
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