Eine verborgene Welt

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„Wie schön, dass ihr alle gekommen seid“, begrüßte er die Wartenden gerührt. Sein Blick fiel auf einen älteren Gniri, er verbeugte sich lächelnd vor ihm.

„Mein Sohn, ich hoffe, ich darf dich so nennen“, sagte Rìa und ergriff Rangiolfs Hand, „ich freue mich, dass du und meine Tochter zusammen gefunden habt.“ Er lächelte so herzlich, dass er Rangiolf sofort sympathisch war. Sie zogen zum Festplatz, der in allen Farben leuchtete. Die Luft war mild und es duftete nach saftigem Gras und frischen Blumen.

„Schau mal, Retasso“, sagte Finilya fasziniert und wies auf die Lichter in der Ferne, „sie haben es so schön bunt gemacht.“

„Nur für euch“, antwortete der Ovate. „Oh, wer kommt denn da?“ Als Rangiolf seine zukünftige Frau erblickte, gefiel ihm ihre Erscheinung ausnehmend gut. In dem nach menschlichen Mustern genähten Kleid wirkte sie auf ihn faszinierend und hinreißend. In seinem Herzen entstand das Gefühl einer Vorahnung, die er erst in Worte zu fassen vermochte, als er seiner Geliebten in die Augen sah: Die Verbindung zu den Menschen war von Bestand, trotz des Bruchs der Welten. Vielleicht pflegte so mancher Mensch unwissentlich ebenso die Bräuche aus dem Reich der Naturwesen.

Finilya musste unwillkürlich lachen. Alle Bedenken, sie könnte in ihrem Kleid lächerlich wirken, schwanden in dem Augenblick, als sie ihrem Bräutigam in die verliebten Augen sah. Das Paar reichte sich die Hände. Verwandte, Freunde und die Gäste applaudierten, gurrten und trällerten in einer einzigen Freudesbekundung. Pythera leitete die Gesellschaft in die Mitte des Festplatzes, wo neben dem Feuer, das leise vor sich hin prasselte, ein großer Baumstumpf lag. Er war mit Intarsien geschmückt und diente als Altar. Neben einer Schale mit klarem Wasser lagen zwei Buchsbaumzweige.

Finilya spürte Rangiolfs Hand in der ihren, sie zitterte vor Aufregung. Sie drückte ihn und lächelte verlegen. Die Gäste setzten sich auf die Holzkloben, während das Paar vor dem Feuer stehen blieb.

„Finilya, stell dich links vom Feuer und Rangiolf rechts.“ Die beiden folgten der Anweisung der Heilerin und sahen einander gespannt an.

„Die Mutter möge euch vereinen im Angesicht der Elemente Luft“, Pythera streckte ihre Arme himmelwärts, „Erde“, sie stampfte mit den Füßen auf, „Feuer“, ihre Handflächen fuhren flüchtig über die züngelnden Flammen, „und Wasser!“ Sie tunkte ihre Finger in das Schälchen und besprenkelte die Stirn von Braut und Bräutigam. „Willkommen im Bund der Ehe. Seid leicht und flexibel wie die Luft, beständig und fruchtbar wie die Erde, leidenschaftlich und innig verbunden wie das Feuer und geht stets im Rhythmus allen Seins wie das Wasser. Ihr seid nun vor der Mutter vereint.“ Sie reichte jedem einen Buchsbaumzweig.

Die junge Gniri fühlte sich wie im Rausch. Es war ihr, als läge ein geheimnisvoller mystischer Zauber auf ihr. Ihr Herz klopfte vor Aufregung und ihr Verstand schlug Kapriolen: Ja, sie heiratete ihren Rangiolf! Ein Traum wurde wahr! Ohne zu zögern umfasste Rangiolf Finilyas Taille und zog sie zu sich. Dann küssten sie sich. Als sich ihre Zungen im Spiel vereinten, schmeckte sie den Saft jener Paste, die alle Verheirateten genießen durften. Sie begann sanft seinen Mundraum abzulecken und als sie sich von ihm löste, streckte sie ihre nun ebenfalls verfärbte Zunge aus. Ein freudiges Trällern setzte ein, untermalt vom vibrierenden Lärm stampfender Füße und dem Echo klatschender Hände. – Nach und nach verebbten die Jubelrufe. Finilya streichelte sanft Rangiolfs Wange und sagte:

„Wir gehen neue Wege, du und ich. Von Anfang an fühlte ich, dass wir heiraten werden. Ich sagte es niemandem, denn das wäre ein Verrat an meinen Verstand gewesen, der doch sagte: Das ist ja nicht möglich. Und ich bereue es nicht, ich werde dir folgen, überall hin, wo du hingehst.“ Sie steckte ihm den Zweig in die Brusttasche seiner Weste. Rangiolf lachte. Jetzt verstand er, warum er die Weste trug!

„Oh“, begann er gerührt, „ich liebe dich, weil du so bist, wie du bist und mit mir diesen Weg gehst. Es heißt, die begehrteste Gniri ist nicht bereit, ihr Heim zu verlassen, da der heimische Baum doch gemütlicher ist – aber du bist anders! Du lässt einen Teil deines Herzens am heimischen Baum und der andere ist immer hier drin.“ Er tippte sich auf die Brust und steckte ihr seinen Buchsbaumzweig ins Haar. Finilya schlang als Antwort ihre langen Arme um seinen Hals und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Jetzt konnten sich die Anwesenden nicht mehr zurückhalten. Sie erhoben sich und überschütteten das frisch getraute Paar mit Freudesbekundungen und guten Wünschen.

Als sich der größte Tumult gelegt hatte, schmückten einige Männer Finilya mit mehreren Halsketten, die den Wert und die Art der künftigen Brautgeschenke symbolisieren sollten. Auch Gabra legte ihr welche um. Die Anzahl der Heilsteine in ihnen zeigte dem Publikum, wie viel ihm seine neue Schwiegertochter bedeutet, denn sie stellen besonders wichtige und wertvolle Gaben dar. Alsdann stellten sich die Frauen in einer langen Reihe auf und überreichten dem Paar die reellen Gaben.

Es hatte sich herum gesprochen, dass die beiden nicht im Ort bleiben würden. Also erhielten sie hauptsächlich leichte Geschenke, wie zum Beispiel Werkzeug und Proviant, handliches Geschirr, Kämme und Kleidung, darunter übrigens ein hübscher bunter Rock für Finilya. Die frisch gebackenen Eheleute waren über die Freigiebigkeit der Gäste erstaunt. Mit klopfendem Herzen sahen sie zu, wie zusammen kam, was sie für ihr Nomadenleben brauchten. Schließlich kam Retasso.

„Das ist für dich!“, er verbeugte sich und überreichte Finilya einen kleinen Beutel. Ein wohlvertrauter Duft stieg ihr in die Nase.

„Feigen! Du hast mir Feigen mitgebracht! Danke!“, rief sie hocherfreut und nahm Retasso spontan in die Arme.

„Keine Ursache“, sagte dieser verlegen, während er ihre Umarmung herzlich erwiderte, „ich weiß doch, wie sehr du sie magst.“ Dann trat er auf Rangiolf zu, seine Miene wurde ernst.

„Für dich habe ich etwas, dessen Sinn sich dir nicht gleich erschließen wird, aber wo du hingehst, könnte es wichtig werden.“ Er holte aus seiner Hosentaschen ein kleines in Leder gehülltes Bündel hervor. Er überreichte es Rangiolf und wartete, dass dieser es öffnete.

„Was ist das?“, der junge Gniri hielt ihm das bunte Papier ratlos hin.

„Das ist GELD“, antwortete Retasso knapp.

„GÄLDE? Was ist das?“ Rangiolf kratzte sich nervös hinter dem Ohr. Irgendwo hatte er dieses Wort schon einmal gehört.

„Es ist Ufisr bei den Menschen, ein Zahlungsmittel, um etwa Nahrung zu erwerben. Menschen tauschen nicht, sie KAUFEN.“

„Aber“, rief Rangiolf bestürzt aus, „du denkst doch nicht, dass ich zu den Menschen gehe, um bei ihnen etwas zu … KAUFEN?!“

„Dein Freund Sutia kennt GELD“, erklärte Retasso geduldig. „Die Gniri im PARK verwenden es auch als Zahlungsmittel. GELD ist in ihren Kreisen sehr wertvoll, denn Gniri können es nur haben, wenn Menschen es verlieren. Je nach Sippe mögen sie lieber die blauen, die braunen oder die grünen Scheine, denn sie wissen nicht, wie viel sie wert sind.“ Rangiolf hörte gespannt zu und machte große Augen.

„Kannst du mir zeigen, was sie wert sind?“, fragte er.

„Du kannst die Schrift der Gelehrten lesen?“ – Rangiolf nickte.

„Gut, ich schreibe dir den Wert der einzelnen Scheine auf, auch jener, die nicht in deinem Besitz sind. Wenn du Sutia besuchst, verrate ihm nicht, dass du welche hast! Tausche sie nur ein, wenn du in höchster Not bist, verwahre sie gut, sonst bist du sie umgehend los!“

„Du meinst …“ Rangiolfs Miene verriet tiefe Bestürzung.

„Genau das meine ich“, erwiderte Retasso ernst und verbeugte sich vor ihm. Der junge Mann schaute hilfesuchend zur Heilerin. Diese schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln, trat näher heran und legte beiden eine Hand auf die Schulter.

„Viel Neues erwartet euch – Gutes und Schlechtes. Nehmt Retassos Aussage als eine Warnung, aber habt keine Angst!“ Sie griff in eine der Taschen ihres Kleids und zog einen Beutel hervor. „Das sind Heilkräuter für die unterschiedlichsten Beschwerden“, sagte sie. „Rangiolf, du wirst dich sicherlich daran erinnern, was Hiara dir sagte, als du ihr die Raupen brachtest.“

„Sie sagte, sie würde kommen, wenn Retasso hier ist!“

„Genau!“, antwortete die Heilerin. „Sie wird dir und Retasso Heilsteine bringen. Du brauchst ihr diesmal keine Raupen dafür geben. Ihr teilt euch den Inhalt des Medizinbeutels und die Heilsteine. Verwahrt alles gut! Manch einer wird es begehren, von dem ihr es nicht annehmt!“, riet sie, bevor auch sie sich verneigte. „Nun, meine Freunde“, sie wandte sich an die übrige Gesellschaft, die angesichts dieser neuen und ungewöhnlichen Geschenke still geworden war, „das Fest ist eröffnet!“

Musikanten traten auf den Festplatz und begannen zu singen, es wurde so viel Essen und Schnaps aufgestellt, dass sich der Eine oder Andere verwundert fragte, ob diese Mengen je vertilgt werden konnten! Rangiolf stand indessen immer noch benommen da und starrte ins Leere. Finilya berührte sanft seine Schulter. Sie hörte, wie er trocken schluckte und spürte sein Herz laut klopfen, sodass sein ganzer Körper vibrierte.

„Sag mir, Finilya“, begann ihr Mann zögernd. „Ist es ein Fehler?“ Er breitete die Arme aus. „Ich meine, ein Fehler von hier fort zu gehen?“

„Zweifle nicht“, flüsterte sie leise und legte ihre haarigen Arme um seine Taille. „Wir haben uns so entschieden. Wer weiß, vielleicht sind wir die ersten, die dieses Menschen-Natur-Wesen finden! Komm“, sie drückte ihn sanft an sich. Rangiolf versank in ihrer Umarmung und fühlte sich wohler.

„Ja, wir schaffen das, nicht wahr, mein Zäb-zäb11?“ Finilya nickte zuversichtlich und zog ihn zu den ausgebreiteten Speisen. „Schau mal, das ist das größte Sàk-dhuät12, das ich je gesehen habe. Meinst du, du kriegst es in einem Happen runter?“

 

„Na“, meinte Rangiolf übermütig, während er die triefende krautwickelförmige Köstlichkeit von allen Seiten begutachtete, „es ist schon gewaltig! Aber man sagt mir nicht umsonst nach, ich hätte ein großes Mundwerk. Also muss ich es zumindest probieren, hm?“ Er zwinkerte ihr lachend zu und schob es sich zur Gänze in den Mund. „Hap üsch dr ncht gesaht?“, sagte er mit dicken Backen, während ihm der Saft an den Mundwinkeln herabtroff, „üsch kanns.“ Finilya kugelte sich vor Lachen.

„Du bist nicht normal“, kicherte sie, „ich sage es dir und du machst es tatsächlich.“

„Einer so schönen Dame kann man doch keine Bitte abschlagen“, grinste ihr Mann und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. – Ehe sie es sich versah, hatte sie selbst ein Sàk-dhuät im Mund.

„Ompf“, entfuhr es ihr überrascht. Während sie noch kaute, zog er sie zu einer Reihe großer irdener Behälter, deren runde Bäuche mit verschiedenen Sorten duftender Schnäpse gefüllt waren.

„Was meinst du? Wollen wir ausprobieren, wie viel ich trinken kann?“ Rangiolf ließ die goldgelbe Flüssigkeit in ein Trinkgefäß mit langem Hals gluckern.

„Üsch“, entrüstete sich die Gniri mampfend und schluckte endlich, „ich weiß, dass du ein großes Mundwerk hast, aber ich will keinen Schnarchsack neben mir liegen haben.“ Rangiolf runzelte die Stirn.

„Schade, wer weiß, wann ich wieder dazu komme, mir einen hinter die Binde zu kippen, das letzte Mal …“, er erinnerte sich an das vergangene Fest, „waren die Gespräche außerordentlich interessant …“

„Und heute“, vollendete Finilya neckisch seinen Satz, „bin ich interessant genug. Und nun gib mir mal einen Schluck!“ Sie riss ihm das kleine Gefäß aus der Hand und setzte es sich an die Lippen.

„Oh ja“, antwortete Rangiolf mit vor Verlangen glänzenden Augen. „Allerdings machen Trockenübungen keinen Spaß!“ Damit nahm er ihr es wieder aus der Hand und trank selbst.

„Definitiv nicht“, erwiderte Finilya und bediente sich abermals. „So, du Großer, lass uns jetzt tanzen!“ Sie warf das leere Gefäß fort und zog ihn hinter sich her ins Festgetümmel. Während sie sich im Tanz drehten, leckte sie die letzten Tropfen Schnaps aus seinen Mundwinkeln.

„Oh, nein“, lachte Rangiolf, „lass das, das kitzelt“, und freute sich wie ein Honigkuchenpferd. Er gurrte leise, dann machte es Schnapp und seine Lippen landeten mitten in ihrer Zungenbewegung auf den ihren. Sie fühlten sich wie Seide an. Sein Herz begann aufgeregt zu klopfen und der Ratschlag seines Vaters Gabra, sich mit duftendem Fett einzureiben, kam ihm in den Sinn. „Schmeckt dir das, womit ich mich eingerieben habe?“, fragte er seine Frau prompt.

„Ich weiß nicht, deine Lippen schmecken nach allem Möglichen, was du gegessen hast.“ Rangiolf blieb abrupt stehen und hielt Finilya fest.

„Der Rest von mir schmeckt aber anders, wir sollten vielleicht …“ Er grinste breit, um seine Mundwinkel bildeten sich schneckenförmige Grübchen. „Ich habe ein Zimmer“, flüsterte er verschwörerisch, dann zog er Finilya mit sich fort. Sie kletterten den Stamm seines Wohnbaums hinauf und betraten einen mit allerlei Utensilien und Heilsteinen vollgestopften Raum, in dem eine kleine Liege stand. „Mein Zimmer“, sagte er stolz und bedeutete ihr, auf dem Lager Platz zu nehmen. Rangiolf setzte sich dazu und ergriff ihre Hände. „Ähm“, räusperte er sich verlegen, „du weißt, ich will es sehr, aber was wir jetzt vorhaben, das habe ich noch nie gemacht!“

„Ich auch nicht.“

„Aber“, fügte Rangiolf spitzbübisch hinzu, „du weißt ja, wie das bei Hochzeiten ist. Morgen werden sie alle vor der Tür warten und …“

„Ja, ich weiß“, unterbrach ihn die Gniri und leckte ihm die Wange. „Ich glaube, das Beste ist“, lächelte sie, „wenn wir nicht weiter darüber nachdenken, wie es gehen soll. Das verdirbt es uns doch nur!“

„Ja“, bestätigte er, während er sich langsam von ihr ausziehen ließ. Er zupfte an den Trägern ihres Kleides und half ihr, es abzulegen. Als sie in der gewohnten Nacktheit vor ihm stand, seufzte sie erleichtert auf.

„Und nun sag mir: Was wünschst du dir?“ Er sah sie aufmerksam an. Finilya wollte etwas sagen. „Nicht nachdenken“, unterbrach er sie, „das Erste, was dir einfällt.“

„Weißt du noch, damals auf der Wiese, als ich dir Milch gab?“ Rangiolf nickte. „Da sagte ich, dass ich gerne an meinen eigenen Brüsten nuckeln würde, wenn es ginge. Ich gebe auch jetzt noch vielen Kindern Milch … na ja, und manchem Erwachsenen.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Ich selbst aber kriege von niemandem etwas. Meine Mutter hat zwar welche, aber die reicht nur für Pindra … und den Kleineren eben.“ Finilya sah ihn aufmerksam an. „Hast du eine Idee?“

„Ja“, rief er nach einer Weile, „leg dich auf den Rücken.“ Er schob sich sanft auf sie und begann an einer ihrer Brüste zu saugen. Sein Körper fühlte sich fest und kräftig an und war doch warm und angenehm. Finilya strich mit ihren Fingern über seine glänzende Haut und drückte ihn an sich, sodass sie mit ihren langen Händen seinen behaarten Hintern umfassen konnte. Rangiolf schluckte die Milch nicht hinunter. Stattdessen wurden seine Backen immer dicker und als er nichts mehr aufnehmen konnte, beugte er sich zu seiner Frau und gab ihr einen Milchkuss. Finilya spürte die warme, sahnige Flüssigkeit und schmatzte leise.

„Hm, danke“, flüsterte sie und strich ihm zärtlich durch das Haar. „Und was wünschst du dir?“

„Was ich mir wünsche, tun wir gerade“, erwiderte der Gniri. „Ich habe sehr lange und ausgiebig darüber nachgedacht, ob es für uns sinnvoll ist, miteinander zu schlafen, denn so etwas zieht, wenn die Mutter es will, eine Schwangerschaft und Kinder nach sich.“

„Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“

„Diese Sache ist viel zu schön, um darauf zu verzichten. Ich glaube, wir würden uns zu viel verbieten, wenn wir es nicht täten.“ Er kam ganz nah an sie heran, blickte in ihre dunkelblauen Augen und leckte flüchtig über ihre Lippen.

„Hey, lass das, das kitzelt“, lachte Finilya.

„Was meinst du? Etwa das?“

„Ja, genau das!“ Sie spreizte ihre Beine und hieß ihn in ihrem Schoß willkommen, derweil fuhr sie ihm mit einer Hand durch das Haar. Sie verfielen in ein Lecken, Saugen, Küssen und Berühren, ein Liebesspiel, das, mit kleinen Pausen, mehrere Stunden dauerte. Keiner konnte von dem anderen genug bekommen und doch nahmen sie sich Zeit. Irgendwann lagen sie erschöpft nebeneinander und sahen sich zufrieden an.

„Was glaubst du“, fragte Finilya, „bin ich jetzt schwanger?“ Rangiolf legte seine Hand auf ihren Bauch und lächelte.

„Ich denke schon“, sagte er.

„Die Feier ist noch im Gange“, sagte die Gniri nachdenklich, „hörst du die Musik?“

Er nickte. „Was meinst du? Sollen wir noch mal hingehen?“

„Ich möchte lieber bei dir liegen und dich mit jeder Faser meines Körpers fühlen, hier – ganz nah!“, sagte sie leise und sah ihn liebevoll an.

„Dasselbe möchte ich auch.“ Er schob sie sich sanft auf sie.

„Ich habe dir das Fett von der Haut geleckt“, stellte sie fest, derweil sie mit ihren langen Fingern an den Haaren seiner Brust nestelte.

„Dafür war es doch da, außerdem ist ein Großteil bestimmt schon in die Haut eingezogen, bevor du es abgeschleckt hast.“

„Die Essenz deiner Mutter war noch deutlich vorhanden. Ich habe den Geschmack noch im Mund. Aber wonach schmecke ich eigentlich?“ Finilya hob ihren Kopf und sah Rangiolf fragend an.

„Hm“, er zupfte an den Haaren ihrer Ohrspitze „teilweise salzig, dann irgendwie blumig, und nach rosa Springkraut duftend.“

„Wirklich?“

„Ja“, meinte Rangiolf, „ich liebe diesen Duft. Im Spätsommer ist die Luft am Fluss davon erfüllt, und da, wo deine Haut ganz weich und zart ist, da riechst du genauso! Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich eine Frau kennenlerne, die nach Springkraut duftet. Hast du dich auch eingerieben?“ Die Gniri schüttelte den Kopf. „Das habe ich mir gedacht. Es zeigt, dass du genau die Richtige für mich bist. Ich hoffe, ich dufte für dich auch gut, wenn ich nicht eingerieben bin?“ Rangiolf sah sie erwartungsvoll an.

„Na ja“, lachte die Gniri, „letztes Mal auf der Wiese, da hast du nach diesem Zeug gerochen, das der Menschenbauer auf sein Feld tut.“ Der Gniri verzog naserümpfend das Gesicht. „Aber sonst, hm, harzig, ein wenig wie Baumharz. Salzig und harzig, ziemlich herb, ich mag das! Als Kind habe ich das Harz von den Bäumen geknabbert und heute liebe ich es auch noch“, lächelte sie. Rangiolf entspannte sich.

Retasso spürte die Müdigkeit in allen Knochen. Mit einem Fläschchen Schnaps in der Hand saß er mit Pythera vor den glühenden Kohleresten des vergehenden Feuers. Er hatte viel getanzt, viel gegessen und viel zu viel getrunken. Sein Kopf fühlte sich schwer an.

„Lass uns schlafen gehen“, schlug Pythera müde vor.

„Ich würde sagen“, der Gniri hob den Kopf, „das ist eine gute Idee. Ich werde mich ausschlafen, danach muss ich weiterziehen.“ Er erhob sich, sackte aber sogleich wieder in sich zusammen.

„Komm, ich helfe dir.“ Pythera griff ihm unter die Arme und gemeinsam gingen sie zu ihrer Behausung.

„Wenn man sich etwas bewegt, geht es wieder einigermaßen“, keuchte Retasso, derweil er seine Krallen in trunkener Selbstzufriedenheit in das Holz der Tür bohrte.

„Es ist nicht groß bei mir, aber das weißt du ja, nicht wahr?“

„Ich liebe deine kleinen Räume“, der Gniri schlang seine haarigen Arme um Pytheras Hals und kicherte.

„Schlaf bei mir“, beeilte sich Pythera zu sagen, als sie sah, dass er sein Lager auf dem Boden ausbreiten wollte. Retasso hob fragend den Kopf. „Wenn du magst …“, meinte sie errötend.

„Na klar, danke“, brummte Retasso. „Eine weiche Liege ist mir tausendmal lieber als der harte Boden, auf dem ich noch oft genug schlafen werde.“ Pythera zog sich aus und legte sich auf das weiche Bett.

„Komm“, sie breitete ihre Arme nach ihm aus. Retasso erhob sich mühsam und schlurfte zu ihr hin. Dann ließ er sich wie ein nasser Sack auf das Lager fallen.

„Du erwartest wohl nicht, dass ich dich ganz alleine ausziehe? Ein wenig helfen musst du mir schon.“

„Ja“, murrte er, „mach ich.“

„Was treibt dich nur dazu Hemden zu tragen?“, beklagte sich Pythera, während sie umständlich an den Knöpften nestelte, „das ist nur was für eingebildete Dhàrdhats und Menschen!“

„Ähm“, schmatzte er unbestimmt. Dann schob er ihre Hände beiseite und knöpfte sein Hemd trotz Krallen mit schlaftrunkener Sicherheit auf. „Geschafft“, murmelte er erschöpft und schmiegte sich an sie. „Die Liege ist so klein“, murmelte er entschuldigend, „da muss man halt zusammenrücken.“

„Ist gut“, lächelte sie und strich ihm durchs Haar. Sie leckte ihm liebevoll das Ohr und deckte sich und ihn zu. Es dauerte nicht lange und der Gniri war eingeschlafen. Pythera genoss seine Nähe, fühlte mit Entzücken seinen gleichmäßigen Atem auf ihrer Haut und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ach, könntest du doch nur bei mir bleiben“, flüsterte sie.

Murrend erwachte Rangiolf von einem ohrenbetäubenden Tumult.

„Aufstehen, ihr Schlafmützen“, hörte er jemanden sagen. Finilya drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter. „Nein, nicht schlafen“, drängte die Stimme und eine Hand begann die beiden zu rütteln. „Los, aufstehen, die Leute warten. Außerdem bricht Retasso abends auf …“

„Retasso?“, riefen Finilya und Rangiolf gleichzeitig und waren sofort hellwach.

„Ja!“, sagte Gabra. „Ihr wollt doch mit ihm ziehen? So weit ich in Erfahrung gebracht habe, ist euer Weg ein Stück weit derselbe.“ Breitbeinig stand er vor dem Paar, schaute von einem zum anderen und grinste keck. „Hat sich gelohnt, das mit dem Fett, nicht wahr, mein Junge? Wie ich sehe“, er trat näher und schob die Behaarung an Finilyas Bauch etwas auseinander, „seid ihr erfolgreich gewesen.“ Mit seinem knorrigen Finger wies er auf den weißen Streifen, der sich von ihrer Scham bis zum Herzen zog. „Ihr erwartet ein kleines Bündel.“ Finilyas Blick folgte seinem Finger und sie errötete. „Nichts, was ich nicht schon mal gesehen habe!“, wiegelte Gabra lachend ab. „Ehe ich’s vergesse, mein Kind, zieh das hier an. Schließlich bist du nun eine Frau!“ Ein reich verzierter Rock landete in ihren Armen. „Das ist ein Geschenk deiner Mutter Irukye. Die Frauen haben zusammengelegt und ihr beim Nähen geholfen! Ein schöner Rock für eine schöne Frau! Was das Kleid anbelangt, so taugt es freilich für Hochzeitszeremonien, jedoch nicht für den Alltag! Sie dachte, es sei eine größere Überraschung, wenn ich dir diesen Rock überreiche!“

 

„Oh, danke!“, murmelte Finilya gerührt. Sie hatte zwar von den Gästen schon einen Rock bekommen, aber an diesem hier hatte ihre Mutter mitgearbeitet, das machte ihn zu etwas Besonderem. Gabra nickte lächelnd und verließ den Raum.

„Halt mal still, ich will mir den Streifen ansehen“, murmelte Rangiolf und betrachtete eingehend den Bauch seiner Frau. „Gestern Nacht konnte ich es nicht sehen, nur fühlen und heute … ah, das ist schön.“ Der Gniri grinste über das ganze Gesicht. „Lass uns jetzt aufstehen!“ Sie zogen sich eilig an und gesellten sich zu den anderen.

„Siehst gut aus, Finilya“, gurrte Yhsa und reichte der Gniri einen kleinen Tiegel, in dem sich mehrere Raupen wanden. Finilya steckte sich ein paar davon in den Mund und kaute bedächtig darauf herum.

„Danke, ich freue mich sehr darüber, meine Mutter hat daran mitgearbeitet.“

„Ich auch!“, brüstete sich Yhsa.

„Tatsächlich? Oh, danke!“, Finilya reichte den Tiegel mit den Raupen an Rangiolf weiter und umarmte die alte Frau herzlich.

„Wie schön du bist!“, erwiderte Yhsa stolz.

„Wir müssen raus!“ Rangiolf unterbrach die sentimentale Begegnung zwischen den beiden. Er stopfte Finilya den Rest der Raupen in den Mund, ergriff ihre Hand und rannte mit ihr zur Tür. Vor dem Baum warteten schon viele Gniri auf sie. Als die beiden ins Freie traten, brach ein Jubel aus. Kaum, dass das Paar unten angekommen war, wurden sie von Leuten umringt. Sie brachten ihnen Glückwünsche entgegen, tätschelten ihre Schultern und beschauten sich voller Neugier und Faszination Finilyas Bauch. Hin und wieder zupfte einer Finilyas Haare auseinander, um den Streifen für jeden deutlich zu machen. Für das Volk am Eichenhain war jede Schwangerschaft eine Besonderheit. Das erste Kind aber wurde mit besonders großem Triumph aufgenommen! Vor allen Augen segnete die Heilerin das Ungeborene.

„Herzlichen Glückwunsch“, freute sich Retasso und reichte dem Paar die Hand. Während Finilya verlegen zu Boden blickte und nur ab und an einen zögerlichen Blick in die Menge wagte, schien Rangiolf in der Anerkennung förmlich zu baden. Stolz und glücklich zog er seine Frau hinter sich her und zeigte sie allen Anwesenden.

„Ja, das ist mein Zäb-zäb“, lachte er immer wieder. „Schaut, wie schön sie ist!“ Als alle das Paar bestaunt und beglückwünscht hatten, gingen sie wieder ihren Tagesgeschäften nach. Finilya und Rangiolf aber machten sich für den Aufbruch bereit. Die Vorbereitungen gingen bis in die Abendstunden. Retasso, der sein Gepäck lange verstaut hatte, wartete geduldig.

Dann war es so weit. Da Finilya nun schwanger war, mussten sie auf viel Gepäck verzichten und eine Menge der Geschenke zurücklassen. Die Gniri wehrte sich lange dagegen und warf ein, dass sie durchaus in der Lage sei, einiges zu tragen. Als jedoch Retasso und Pythera ihr versicherten, dass sie an ihrer Schwangerschaft und hernach an dem kleinen Kind genug zu tragen haben würde, gab sie schließlich nach.

„Glaube mir, es geht schneller als du denkst“, sagte die Heilerin und legte ihre Hand auf Finilyas Bauch. Irukye, die dabei stand, nickte.

„Sie hat recht“, sagte die alte Frau. „Wenn das Kleine da ist, musst du es lange tragen, bevor es alleine läuft. Es wird zwar bald kräftig werden, aber auch nicht so schnell.“ Finilya sah ihre Mutter an. Tränen standen der alten Gniri in den Augen, sogar Rìa schaute betrübt drein.

„Pass auf dich auf, mein Kleines“, sagte er und tätschelte seiner Tochter die Wange, „und du auch, hüte sie! Sie ist noch jung, sie braucht dich“, wandte er sich an Rangiolf. Der nickte. Dann blickte er zu seinen Eltern hinüber und wurde selbst traurig. Zeit seines Lebens hatte er sich vor seiner Mutter Yhsa gefürchtet und Gabra für einen albernen alten Mann gehalten, nun vermisste er beide jetzt schon! Er verabschiedete sich von seinen Eltern und den Geschwistern mit einer innigen Umarmung.

„Viel Glück!“, sagte sein Bruder Brafar und drückte ihn an seine Brust. „Pass auf dich auf! Die Welt da draußen, die ist irgendwie … krank.“

„Wird schon gut gehen“, meinte Rangiolf. Finilyas Schwester Mèfai hielt Pindra hoch, damit Finilya ihn noch einmal küssen konnte.

„Pass gut auf ihn auf“, sagte die zu ihrer Schwester. „Er braucht dich, nun bist du die Älteste!“ Pythera sah dem Abschied zu. Ab und an wanderte ihr Blick suchend über den Himmel, Retasso wusste warum.

„Kommt sie?“, fragte er.

„Ja“, antwortete die Heilerin und zeigte auf einen Punkt, der von Weitem wie eine Wolke aussah. „Da!“ Der Punkt näherte sich und brachte einen kräftigen Windstoß mit, der den Anwesenden das Haar zerzauste. Viele hatten in ihrem ganzen Leben noch nie eine Ràktsia gesehen und so war deren Ankunft für sie ein besonderer Moment.

„Ich glaube“, hauchte Hiara während der Landung und formte aus ihrem Wolkenkörper eine den Waldbewohnern ähnelnde Gestalt, „das ist meine erste Ankunft auf den Gefilden der Erde seit …“, ihre runden silbernen Augen bekamen einen nachdenklichen Zug. Dann sah sie Rangiolf. „Guten Abend, mein Freund!“, lächelte sie und gab ihm ihre zarte weiche Hand. „Finde dich selbst und finde die Menschen, dann kehre wieder.“ Sie überreichte ihm ein Säckchen mit Heilsteinen. Der Gniri verbeugte sich und nickte. Er verwahrte Hiaras Worte wohl in seinem Herzen. Nun wandte sich Hiara an Finilya.

„Es wird kräftig und gesund“, sie legte ihre Hand auf den Bauch, „genau wie du!“

„Was ist es denn? Mädchen oder Junge?“, fragte die junge Frau zaghaft.

„Was fühlst du?“ Hiara sah sie aufmerksam an.

„Ich denke, ein Mädchen.“

„So ist es!“ Noch ehe Finilya etwas erwidern konnte, wandte sich Hiara an Retasso. „Nicht alles erfüllt sich, wie du es erwartest.“ Nun sprach sie zur Heilerin. „Meine liebe Freundin, wir kennen uns schon sehr lange.“ Pytheras Miene wurde melancholisch. „Löse dich vom Kummer der Vergangenheit und Neues wird dir zustreben.“ Sie blickte zu Retasso, die Heilerin verstand. „Vertraue auf deine innere Führung und lass dich nicht zermürben, gehe deinen Weg. Hilfe wird kommen, wenn du es am wenigsten erwartest.“ Dann legte sie ihre Hände nacheinander auf die Köpfe der Anwesenden und entließ sie mit ihrem Segen in den Schutz der Dunkelheit.