Delanys letzter Kampf: Western Roman

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Delanys letzter Kampf: Western Roman
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Alfred Bekker

Delanys letzter Kampf: Western Roman

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Erster Teil

Zweiter Teil

Dritter Teil

Vierter Teil

Fünfter Teil

Impressum neobooks

Erster Teil

"Nein! Nicht!"

Es war eine Frauenstimme, daran konnte es keinen Zweifel geben.

John Delany hatte sein Pferd augenblicklich gezügelt.

Seine Hand glitt instinktiv zum Revolverholster, um den Sitz der Waffe zu überprüfen, die darin steckte.

Er blickte sich um.

Überall braunes Präriegras und sanfte Hügel, ab und zu eine Gruppe von knorrigen Bäumen.

War es nur der Wind gewesen, der seinen Ohren einen Streich gespielt hatte? Delany hielt das für ausgeschlossen. Und das, was dann an sein Ohr drang, bestätigte ihn.

Wieder der Schrei einer Frauenstimme, ein Schrei, der vermutlich nicht durch körperlichen Schmerz, sondern durch namenlose Angst hervorgerufen worden war.

Dann das Wiehern von Pferden.

Und ganz im Hintergrund und sehr viel leiser ein paar Männerstimmen...

Delany bestimmte kurz die Richtung, aus der diese Geräusche gekommen waren, gab seinem Pferd die Sporen und preschte den nächsten Hügel hinauf.

Irgend jemand brauchte dort seine Hilfe, soviel war klar.

Und wahrscheinlich kam es darauf an, rasch zu handeln.

Als Delany den Hügelkamm erreicht hatte, sah er in einiger Entfernung einen zweispännigen Kastenwagen, zu dem ein Mann und eine Frau gehörten.

Und dann waren da noch vier schwer bewaffnete, finster aussehende Reiter, die den Wagen offenbar angehalten hatten.

Mochte der Teufel wissen, weshalb.

Eine menschenfreundliche Absicht stand wohl in keinem Fall dahinter.

Zwei der Reiter waren von ihren Pferden gestiegen und hatten die Frau vom Kutschbock gezerrt. Sie wehrte sich verzweifelt, aber gegen die kräftigen Arme ihrer Widersacher konnte sie nichts ausrichten.

Delany sah, wie der Mann versuchte, nach seiner Winchester zu greifen, aber ehe er etwas unternehmen konnte, hatte sich die Schlinge eines Lassos um seinen Oberkörper gelegt. Ein kräftiger Ruck und er lag im Gras.

Ein paar Meter weit wurde er rau über den Boden geschleift. Ehe er sich dann hochgerappelt hatte, waren zwei Mann bei ihm und verpassten ihm ein paar brutale Faustschläge, die ihn in sich zusammensacken ließen.

Er lag im Gras und rührte sich nicht mehr.

"Der wird uns 'ne Weile nicht stören!" Ein zynisches Grinsen stand im Gesicht des Mannes, der das gesagt hatte. Er hatte ein hart geschnittenes, pockenarbiges Gesicht, in dessen Mitte sich zwei kalte blaue Augen befanden.

Er wandte den Blick zu der Frau, deren Arme von einem seiner Kumpanen mit eisernem Griff fixiert wurden. Sie erschrak, als ihre Blicke sich begegneten.

"Hey, Shaw!", rief einer der anderen Männer. "Dahinten kommt jemand!"

Das Gesicht des Pockennarbigen veränderte sich, als er den Reiter erblickte, der den Hang hinabgeritten war und jetzt direkt auf sie zukam.

Er presste die dünnen Lippen aufeinander und verengte die Augen. Die Hand glitt zur Hüfte, so dass sie den Griff des Revolvers berührte, der dort im Holster steckte.

"Kein Grund, sich in die Hosen zu machen!", zischte er.

*

Als Delany den Ort des Geschehens erreichte, konnte er die feindseligen Blicke, die in seine Richtung geworfen wurden, regelrecht fühlen.

Er sah in das Gesicht der Frau, die sich noch immer in den Klauen ihres Peinigers befand.

Der Schrecken stand ihr in den Augen, ihre Frisur hatte sich durch die raue Behandlung zum Teil aufgelöst und so fiel ihr ein Teil des langen, aschblonden Haars über die Schulter und ins Gesicht.

Es war ein Bär von einem Mann, der sie festhielt. Ein riesiger Kerl mit einem schwarzen Vollbart, in dessen Gesicht ein freches Grinsen stand.

Er schien sich förmlich an der Angst der Frau zu weiden!

Keine Frage, hier war eine ganz üble Sache im Gang!

Delanys Blick ging von einem zum anderen und dabei versuchte er, sie so gut wie möglich einzuschätzen.

Sein Instinkt sagte ihm, dass er es nicht mit gewöhnlichem Gesindel zu tun hatte.

Er musste damit rechnen, Männer vor sich zu haben, die sich auf den Umgang mit dem Revolver verstanden.

Mochte der Teufel wissen, wer sie waren - oder in wessen Lohn und Brot sie standen.

"Sind Sie auf Ärger aus, Mister?"

Der pockennarbige Mann, der das gesagt hatte, musterte Delany mit einem arroganten Zug um die Mundwinkel.

Er machte ein paar Schritte in Delanys Richtung, bis er neben dem Wagen schließlich stehenblieb.

"Wenn nicht, dann machen Sie, dass Sie davonkommen!", setzte der Kerl dann noch hinzu, ohne die Antwort seines Gegenübers abzuwarten.

Aber so leicht war Delany nicht einzuschüchtern.

"Was wollen Sie von der Lady?", erkundigte er sich.

Delany blieb völlig ungerührt von der unverhohlenen Drohung der Halunken. Er blieb äußerlich so gelassen wie möglich, während seine innere Anspannung wuchs.

Jeden Augenblick musste er damit rechnen, dass einer der Männer die Waffe aus dem Holster riss und auf ihn feuerte.

"Das ist nicht Ihre Angelegenheit!", zischte der Pockennarbige kalt. Sein dünnlippiger Mund schien sich dabei kaum zu bewegen. "Wenn Sie daran interessiert sind, noch eine Weile am leben zu bleiben, dann sollten Sie die Sache vergessen und sich schleunigst verziehen!"

"Knallen wir ihn doch einfach über den Haufen, wenn er es nicht anders haben will, Shaw!", rief der Bär, während die Frau einen erneuten verzweifelten Versuch unternahm, sich aus seinem unbarmherzigen Griff zu befreien.

Sie biss ihren Widersacher in den Arm und bekam postwendend einen Schlag mit der flachen Hand, der sie niederstreckte.

"Verdammtes Luder!"

Sie setzte sich auf und rieb sich die schmerzenden Handgelenke, während sie voller Furcht den schwarzbärtigen Riesen im Auge behielt.

Dieser fletschte die Zähne und ließ ein ärgerliches Grunzen hören. Mit ausgebreiteten Pranken machte er einen Schritt auf sie zu, während sie auf die Beine zu kommen und ihm auszuweichen versuchte.

Dann erstarrte der riesenhafte Mann auf einmal. Der Ärger, der noch soeben seine Gesichtszüge beherrscht hatte, wandelte sich in fassungsloses Unverständnis, als es klick! machte und er in die Mündung eines Revolvers blickte, dessen Hahn gerade gespannt worden war.

"Schön ruhig bleiben!", befahl Delany, der blitzschnell zur Hüfte gegriffen und den Colt gezogen hatte. Er hatte nicht mehr als einen winzigen Sekundenbruchteil dazu gebraucht.

Alles war so schnell gegangen, dass keiner der Männer rechtzeitig hatte reagieren können.

Die Frau raffte unterdessen ihr Kleid zusammen und nutzte ihre Chance.

Sie lief zu Delany hinüber. Atemlos blieb sie neben seinem Pferd stehen.

"Diese Kerle haben uns überfallen!", stieß sie hervor.

Delany blieb völlig unbewegt.

Er sah die Anspannung bei seinen Gegenübern.

Vier gegen einen!, dachte Delany. Die Kerle hatte alle Chancen auf ihrer Seite. Aber noch zögerten sie und blickten etwas ratlos zu dem pockennarbigen Shaw, der ihr Wortführer zu sein schien.

Jeder von ihnen wusste, dass derjenige, der als erster zur Waffe langte, auch als erster tot im Gras liegen würde... Ein Mann, der seinen Colt so schnell ziehen konnte wie Delany, war aller Wahrscheinlichkeit nach auch ein sicherer Schütze...

"Die Dame fühlt sich von Ihnen belästigt!", erklärte Delany. "Ich denke, hier legt niemand mehr Wert, auf Ihre Gesellschaft!"

Das war dreist.

Und das Risiko lag auf der Hand.

Wenn sie alle auf einmal zogen, war Delany ein toter Mann, aber er rechnete mit ihrer Feigheit.

Ein tödliches Schweigen hing in der Luft.

Und dann griff der Bär zur Waffe. Der Colt war kaum zur Hälfte aus dem Holster, da hatte Delany bereits gefeuert.

Der Bär stieß einen kurzen Schmerzensschrei aus. Die Waffe entfiel seiner Hand, während er sich den rechten Arm hielt.

Etwas unterhalb der Schulter wurde es rot.

Delany hatte längst erneut den Hahn gespannt und die Waffe auf den pockennarbigen Shaw gerichtet, dessen Hand bereits am Coltgriff war.

"Steckenlassen!"

Shaw erstarrte.

Ein Muskel zuckte nervös in seinem Gesicht. Einen Augenaufschlag lang hing alles in der Schwebe, dann hob der Pockennarbige die Hände.

"Okay, okay..."

Er hatte verloren, auch wenn es ihm schwerfiel, sich das einzugestehen.

Mit Genugtuung beobachtete Delany, wie die Männer ihre Pferde bestiegen. Der Bär hatte dabei wegen seiner Verletzung einige Schwierigkeiten, aber schließlich hatte auch er es geschafft.

"Ich habe eine offene Rechnung mit Ihnen, Mister!", rief Shaw, als er schon im Sattel saß. "Und ich vergesse nichts... Niemals!"

 

Sein Gesicht war zu einer hasserfüllten Fratze geworden. Er fühlte ohnmächtige Wut.

Delany nahm diese Drohung mit Gelassenheit hin. Er wartete noch, bis Shaw und seine Männer ihren Pferden die Sporen gegeben hatten und steckte dann seinen Revolver zurück ins Holster.

Die Frau warf ihm einen dankbaren Blick zu.

"Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll!"

"Keine Ursache, Ma'am."

"Wer sind Sie?"

"Mein Name ist Delany." Er nickte ihr freundlich zu und stieg dann aus dem Sattel. "John Delany. Und mit wem habe ich das Vergnügen?"

"Sabella Carter."

Sie hatte grüne, leuchtende Augen.

Delany schätzte sie auf Anfang zwanzig.

Sie strich sich mit einer gekonnten Bewegung eine Haarsträhne aus dem Gesicht und deutete dann auf ihren Gefährten, der noch immer reglos im Gras lag.

"Wir müssen uns um Trump kümmern! Die Kerle haben ihm übel mitgespielt!"

Sie gefiel ihm.

Er konnte nicht sagen, was genau es war, das ihn so faszinierte, aber als ihre Blicke sich begegneten, wusste er, dass dieses Augenpaar in den kommenden Nächten seine Träume beherrschen würde.

Ganz gleich, was noch geschah.

*

"Haben Sie eine Ahnung, um wen es sich bei diesen Männern handelt?", erkundigte sich Delany, während er neben dem Wagen herritt.

Sie hatte ihn eingeladen, sie zur Ranch ihres Vaters zu begleiten. Und er hatte nichts dagegen. Im Übrigen hätte es ihm keine Ruhe gelassen, sie den Weg allein fahren zu lassen und sie damit vielleicht einer nicht zu unterschätzenden Gefahr auszusetzen.

Schließlich konnte es ja sein, dass die Reiter zurückkamen...

"Das waren McKennas Leute." Sie sagte das mit einem bitteren Tonfall. "Sie sind fremd hier, nicht wahr?"

"Ja. Wer ist dieser McKenna?"

"Er ist der größte Rancher in der Gegend. Ein Viertel des County gehört Mark McKenna..." Sie schluckte. "Dieser Mann mit den Narben..."

"Ja?"

"Das ist sein Vormann. Shaw heißt er. Ein Mann, der über Leichen geht... Er macht für McKenna die Drecksarbeit. Es geht das Gerücht um, er sei unehrenhaft aus der Army entlassen worden..."

"Was Sie nicht sagen! Wegen Feigheit?"

"Nein, angeblich soll er seine Untergebenen misshandelt haben. Er ist ein Menschenschinder, Mr. Delany!"

Hinten auf dem Wagen lag Trump, der sich langsam von den Schlägen erholte, die man ihm versetzt hatte.

Er war ein großer, hagerer Mann mit grauen Haaren, dessen Alter schwer zu schätzen war. Die wettergegerbte Haut wirkte ledern, fast wie bei einem Indianer.

Er setzte sich auf und hielt sich den schmerzenden Kopf.

Dann, als er Delany erblickte, meinte er: "Sie sind noch gerade rechtzeitig gekommen!"

"Was hat dieser McKenna gegen Sie?", fragte Delany etwas ratlos.

"Er will, dass mein Vater die Ranch verkauft", antwortete Sabella. "McKenna will seinen Besitz vergrößern. Und alle, die nicht freiwillig an ihn verkaufen wollen, die versucht er davonzuekeln... Er schüchtert sie ein, schikaniert sie, lässt ihre Rinder erschießen oder brennt ihre Häuser nieder...

Menschen sind auch schon umgekommen. McKenna ist ein harter, kompromissloser Mann, der keine Skrupel kennt, wenn es darum geht, seine Interessen durchzusetzen!"

"Was glauben Sie wohl, wie viele hier in der Umgebung bereits aufgegeben und verkauft haben", setzte Trump hinzu. "Natürlich zu seinen Bedingungen, versteht sich!"

"Und Ihr Vater ist entschlossen, durchzuhalten?", wollte Delany wissen.

Sabella zuckte mit den Schultern.

"Im Moment ja. Aber ich weiß nicht, ob das vernünftig ist. Welche Chance hat man auf die Dauer gegen jemanden wie Mark McKenna, der einen Stall von bezahlten Killern unterhalten kann, um jeden aus dem Weg zu räumen, der nicht pariert!"

Er sah, wie ihre Züge sich verhärtet hatten, wie eine Mischung aus Wut und Trauer in ihr Gesicht getreten war. Es schmerzte ihn, das mitansehen zu müssen.

Er hätte sie gerne getröstet, aber es fiel ihm nichts Passendes ein.

Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, fragte er dann: "Gibt es in der Gegend eigentlich keinen Sheriff?"

"Doch, den gibt es", meinte Trump. "Aber wenn etwas vorfällt, dann steht meistens Aussage gegen Aussage. Sheriff Collins meint, in solchen Fällen könnte man nichts machen! Jeder Richter würde McKenna und seine Männer wieder freisprechen."

"Nichts ist hier so billig wie ein Zeuge!", zischte Sabella wütend.

Eine böse Geschichte, dachte Delany.

Er dachte an das Gesicht des pockennarbigen Shaw und überlegte, dass es eigentlich an der Zeit war, solchen Halunken das Handwerk zu legen!

Aber war das seine Aufgabe?

Was hatte er überhaupt mit der Sache zu tun?

Nichts, wenn man es nüchtern betrachtete.

Sein Blick ging zu Sabella.

Das Beste würde sein, so schnell wie möglich aus der Gegend zu verschwinden, um Shaw möglichst nicht noch einmal über den Weg zu laufen.

*

Phil Carter war ein Kleinrancher, dessen bescheidenes Anwesen auf einer Anhöhe errichtet worden war. Man hatte einen weiten Blick in die Umgegend. In der Ferne konnte man ein paar Rinder grasen sehen.

Ein einfaches Blockhaus, eine kleine Scheune und ein Pferdecorral, das war alles.

Aber Phil Carter war stolz auf das, was er sich zusammen mit seiner Frau aufgebaut hatte. Und er war fest entschlossen, sich von niemandem vertreiben zu lassen.

Er hatte dies alles nicht zuletzt auch für seine Kinder aufgebaut, für seinen Sohn Wesley, aus dem im Laufe der Jahre ein erwachsener Mann geworden war, der seinem Vater zur Hand gehen konnte, und für Sabella.

Carter blickte hinaus über das Land.

Sollten sie nur kommen, und versuchen, ihn davonzujagen!

Er würde sich zu wehren wissen!

Maud, seine Frau trat in diesem Moment aus dem Haus. Als sie neben ihn kam, nahm er sie mit einem wortlosen Lächeln in den Arm.

Wesley war bei den Pferden im Corral.

"Dort hinten! Der Wagen! Sind das nicht Sabella und Trump?", fragte sie.

Carter nickte.

"Aber sie kommen nicht allein. Ein Reiter ist bei ihnen!"

*

"Trump! Was ist geschehen? Hat es irgendwelchen Ärger gegeben?"

Trump schleppte sich vom Wagen und hielt sich den Kopf.

"Es war dieser Shaw..."

"McKennas Vormann!"

Phil Carters Gesicht bekam einen grimmigen Zug.

"Sabella! Ist alles in Ordnung?"

"Ja, Dad. Sie haben Trump übel mitgespielt, aber es hätte viel schlimmer kommen können, wenn dieser Gentleman Mr. Delany - nicht eingegriffen hätte. Er hat Shaw und seine Leute verjagt!"

Carters Blick ging zu John Delany, der abwartend im Sattel saß. Als ihre Blicke sich trafen, nickte er dem Kleinrancher freundlich zu.

Carter trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand.

"Ich möchte Ihnen aufrichtig danken, Sir!"

"Es war Zufall, dass ich gerade vorbeikam..."

"Ja, aber Sie hätten auch die Augen zumachen und weiterreiten können. Dass Sie es nicht getan haben, beweist, dass Sie ein Ehrenmann sind. Davon gibt es leider hier wie anderswo nicht allzu viele..."

Er wandte sich an seine Tochter. "Ich hätte euch beide nicht allein mit dem Wagen in die Stadt reiten lassen dürfen!", meinte er. "Ich hätte ahnen müssen, dass McKenna vor nichts zurückschreckt..."

"Phil, wir sollten Mr. Delany anbieten, bei uns zu übernachten!", mischte sich jetzt Mrs. Carter ein. Sie deutete zum Horizont. "Nicht mehr lange und es wird stockdunkel werden..."

Carter bestätigte mit einem kräftigen Nicken. Er wandte sich wieder an den Fremden.

"Ich denke nicht, dass Sie heute noch lange reiten wollten..."

"Nein, ich hätte mir jetzt irgendwann einen geeigneten Lagerplatz gesucht."

"Wie gesagt: Das Angebot meiner Frau gilt! Wir können Ihnen zwar nicht den Luxus bieten, den Sie vielleicht in der Stadt finden würden, aber..."

"Ich danke Ihnen!"

Delany stieg aus dem Sattel.

Unterdessen war auch Wesley, der Sohn der Carters, vom Corral herübergekommen.

"Kommt alle ins Haus!", forderte Mrs.Carter auf. "Es steht noch heißer Kaffee auf dem Herd!"

*

"Früher standen drei, vier Cowboys auf meiner Lohnliste!", erzählte Carter mit bitterem Unterton. "Trump ist der einzige, der übrig geblieben ist..."

Delany zog die Augenbrauen hoch.

"Was ist mit den anderen?"

Phil Carter machte eine verächtliche Geste.

"Hasenfüße!", schnaubte er. Dann, nach einer kurzen Pause setzte er etwas versöhnlicher hinzu: "McKennas Leute haben sie mehrfach in die Mangel genommen und unter Druck gesetzt."

Er zuckte mit den Schultern, seine Augen machten einen müden Eindruck. "Einer nach dem anderen hat dem Druck nicht mehr standhalten können... Einer von ihnen verdient seine Dollars jetzt sogar auf der McKenna-Ranch, die anderen haben sich davongemacht."

Seine Frau hatte unterdessen die einfachen, aber praktischen Tassen auf den Tisch gestellt und den Kaffee eingegossen.

"Wir lassen uns hier nicht vertreiben, Mr. Delaney!", warf jetzt der junge Wesley ein, der die Entschlossenheit seines Vaters geerbt zu haben schien. "Wir haben auf diesem Land unsere Existenz und werden uns nicht einfach verjagen lassen..."

"Ich weiß nicht...", murmelte Mrs.Carter mehr zu sich selbst, als zu ihrem Sohn.

Dieser wirbelte zu ihr herum.

"Was willst du damit sagen, Ma?"

"Ich will damit sagen, dass wir vielleicht anders darüber denken werden, wenn..."

"Wenn was?"

"Wenn sie einen von uns umgebracht haben, mein Junge. Ich weiß nicht, ob es das Wert wäre..."

"Wir sind im Recht!", sprang Carter seinem Sohn zu Hilfe.

"Ja, natürlich, aber..."

"Der Haken an der Sache ist nur, dass das Gesetz hier lediglich auf dem Papier steht, weil niemand da ist, der es durchsetzt!", zischte der Kleinrancher und ließ die Faust wütend auf den Tisch fahren.

Dann wandte er sich an Delany.

"Das sind unsere Sorgen, Sir. Verzeihen Sie uns unser Gejammer, aber wir sind in keiner einfachen Lage, wie Sie inzwischen sicher mitbekommen haben werden." Er runzelte die Stirn. "Sie sind nicht aus der Gegend, nicht wahr?"

"Nein", bestätigte Delany.

"Auf der Durchreise?"

"So könnte man es nennen."

"Als was haben Sie bisher gearbeitet?"

Delany zögerte mit der Antwort.

Dann schien er es vorzuziehen, zu schweigen.

"Mal auf einer Ranch gewesen?"

Carter ließ nicht locker.

Delany fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.

"Nein", erklärte er dann.

"Schade!" Carter zuckte mit den Schultern. "Ich hätte einen Cowboy gut gebrauchen können. Einen, der Mut hat und nicht gleich davonrennt!"

"Ich verstehe nichts von Rindern, Sir. Es tut mir Leid."

Es war offenkundig, dass Delany auf seine Vergangenheit nicht gerne angesprochen werden wollte. Sein Gesicht hatte sich verändert.

Es war nachdenklich geworden.

Mit einem Mal schien er mit den Gedanken ganz weit weg zu sein...

Dann begegneten ihm abermals Sabellas leuchtende Augen und holten ihn zurück in das Hier und Jetzt.

Er spürte, wie diese Sache ihn langsam aber sicher einzuwickeln begann, was einer Hälfte in ihm entschieden missfiel.

Und doch unternahm er nicht viel dagegen.

*

Später, als er seinen Gaul versorgte, tauchte Sabella bei ihm auf. Ihre Frisur war längst wieder in Ordnung gebracht und der Schrecken vollständig aus den zarten Zügen ihres Gesichts verschwunden.

"Was haben Sie vor?", fragte sie.

"Wie meinen Sie das, Miss?"

"Sie reiten morgen weiter, nicht wahr?"

Delany nickte.

"Ja."

"Das ist schade."

Er versuchte, ihrem Blick auszuweichen, weil ihm das, was er dort sah, schmerzlich bewusst machte, in welchem Zwiespalt er lebte.

Er war ihr nicht gleichgültig, das glaubte er zu spüren.

Vielleicht fühlte sie dasselbe für ihn wie er es für sie tat, wer vermochte das schon genau zu bestimmen?

Delany versuchte, diese Gedanken zu verscheuchen, so gut es ging.

Welche Bedeutung hatte das alles?

 

Keine, wenn man es nüchtern betrachtete.

Morgen würde er weiterreiten und sie würden sich vermutlich nie wieder begegnen...

Sie machte ein trauriges Gesicht.

Als er dann auf sie zutrat, hob sie den Kopf und blickte ihm mit einer Mischung aus Enttäuschung und Trotz in die Augen.

"Ich bin kein Ranchmann, Miss."

"Sie könnten einer werden..."

"Ich glaube, dass Sie sich in mir täuschen, Sabella..."

"Nein, das glaube ich nicht!"

"Was wissen Sie schon von mir..."

Sie zuckte mit den Schultern.

Und er kam sich ziemlich unbeholfen vor.

*

Das Leben auf der kleinen Ranch der Carters begann früh am Morgen, nicht weit nach Sonnenaufgang.

Trump war mit Wesley bereits auf die Weide geritten, als John Delany noch seinen Morgenkaffee austrank.

"Wie heißt hier die nächste Stadt?", erkundigte er sich bei Phil Carter, der ihm gegenüber saß.

"Conway. Keine Weltstadt, aber es gibt dort alles, was man so braucht."

"Wohin muss ich reiten, um dort hin zu gelangen?"

"Nach Südwesten. Ich weiß nicht, wie schnell Ihr Gaul ist, aber ich denke in zwei Stunden sind sie da."

Wenig später packte Delany seine Sachen zusammen und sattelte das Pferd.

Von langen Abschiedszeremonien hielt er nichts.

Das konnte alles nur noch schlimmer machen.

Er sah, wie Sabella ihm nachwinkte. Nach etwa einer halben Meile drehte er sich noch einmal im Sattel herum und sah sie immer noch.

Erst als er den nächsten Hügelkamm überschritten hatte, war sie nicht mehr zu sehen.

Vor ihm lag weites, fruchtbares Rinderland. Kein Wunder, dass sich bei einem Mann wie McKenna da Begehrlichkeiten regten!

Und ebenso gut konnte er die Carters verstehen, die ihr kleines Reich um jeden Preis verteidigen wollten!

Warum nicht?, fragte Delany sich dann unvermittelt. Warum nicht sesshaft werden und Rinder züchten?

In jedem Fall war es ungefährlicher, als das, was er bisher gemacht hatte...

Die Sonne stieg höher und bekam mehr und mehr Kraft. Ihre Strahlen lösten die Morgenkühle auf und es dauerte nicht allzu lange und Delany spürte Schweiß auf seiner Haut.

Er blickte hinauf zum wolkenlosen Himmel, nahm den Hut kurz vom Kopf und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn.

Der Tag würde heiß werden, vielleicht noch heißer, als der letzte.

Irgendwann tauchte dann in der Ferne eine Ansammlung von Holzhäusern auf.

Das musste Conway sein.

Die Stadt lag in einem Flusstal, das sowohl von Nordosten wie von Südwesten von mächtigen Hügelketten umgeben war. Der Fluss war im Augenblick nicht mehr, als ein schwaches Rinnsal.

Aber wenn im Herbst die ergiebigen Regenfälle herniederprasselten, würde aus ihm sicher ein reißender Strom werden...

Ein Nest wie viele andere!, war Delanys erster Gedanke, als er die Hauptstraße entlangritt, vorbei an den wenigen Geschäften, den dafür etwas zahlreicheren Saloons und den schmucklosen Wohnhäusern.

Vor einem der Saloons hielt er an, stieg aus dem Sattel und machte sein Pferd neben ein paar anderen fest.

Später würde er einen Drugstore aufsuchen, um ein paar Vorräte einzukaufen, aber zunächst einmal hatte er Durst auf ein kühles Bier.

Die Schwingtüren flogen auseinander, als er den Schankraum betrat. Ein gemütlich wirkender, dicker Barkeeper stand hinter der Theke und hielt eine Whisky-Flasche in der Hand.

Um diese Zeit war hier noch nicht viel los.

Ein paar Zecher hingen hinter ihren Gläsern, hier und dort war zänkisches Stimmengewirr zu vernehmen.

Als Delany eintrat, wurde es kurz still. Die Männer blickten von ihren Gläsern auf und musterten den Neuankömmling kurz, bevor sie sich wieder abwandten.

Delany stellte sich an den Schanktisch und verlangte ein Bier. Der Keeper schenkte ihm ein.

"Kennen Sie einen Mann namens McKenna?"

Die Frage sprudelte einfach so aus Delany heraus.

Der Keeper hob die Augenbrauen und runzelte dann etwas verwirrt die Stirn.

"Jeder hier in der Gegend weiß, wer McKenna ist!", meinte er. "Er ist der mächtigste Mann im ganzen County! Einfach schon deswegen, weil ihm das meiste Land gehört." Er schlug mit seiner breiten, flachen Hand auf die verkratzte Theke und setzte dann mit heiterer Miene hinzu: "Wenn sie so wollen, dann ernährt er indirekt auch mich!" Er lachte. "Die Dollars, die er seinen Cowboys zahlt, werden anschließend bei mir im Saloon vertrunken!"

"So kann man es auch sehen...", brummte Delany, nahm einen Schluck Bier und wischte sich dann den Schaum vom Mund.

"Man sollte ihn zum Teufel jagen, diesen Halunken!", meldete sich ein einsamer Zecher zu Wort, der etwas abseits an der Theke lehnte und bisher ziemlich trübsinnig in sein Glas geblickt hatte. "Aber verdammt nochmal, es gibt wohl weit und breit niemanden, der dazu denn nötigen Mumm hätte."

Der Mann leerte sein Glas in einem Zug, donnerte es zurück auf den Schanktisch und verlangte vom Keeper, dass er ihm nachschenkte.

Delany stellte sich zu ihm.

"Kennen Sie ihn persönlich?"

"Ja. Ich habe für ihn gearbeitet."

"Jetzt nicht mehr?"

"Nein."

"Was war los?"

"Wenn ich vielleicht auch nicht so aussehe, Mister, aber ich habe auch meine Ehre!" Er machte ein verbittertes Gesicht. "Ich bin Cowboy, meine Aufgabe ist es nicht, Menschen so lange zu schikanieren, bis sie ihr Land zu jedem Preis verkaufen und am Ende froh sein können, überhaupt noch ein paar Dollar bekommen zu haben!"

Erneut leerte er sein Glas in einem Zug.

"Whisky!", krächzte er.

"Ich finde, du hast genug, Steve!"

"Hörst du schwer? Ich habe gesagt: Whisky!"

"Es ist noch verdammt früh am Tag!"

Steve schlug mit der Faust auf den Schanktisch.

Der Keeper machte eine beschwichtigende Geste.

"Schon gut, schon gut..."

Als Steve sah, wie sich das Glas wieder füllte, entspannte sich sein Gesicht wieder.

"Was ist dieser McKenna für ein Mensch?", fragte Delany.

Steve verengte die Augen und sah sein Gegenüber befremdet an.

"Was soll das? Was sollen überhaupt diese ganzen Fragen nach McKenna?"

"Es interessiert mich eben..."

*

Vier Männer betraten in diesem Augenblick den Saloon. Die Schwingtüren gingen noch ein paar Mal hin und her, nachdem der letzte von ihnen eingetreten war.

Aber ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit stürmten sie nicht gleich weiter bis zur Theke, sondern blieben etwa in der Mitte des Raumes ziemlich abrupt stehen.

Mit den Augenwinkeln bemerkte Delany ein wohlbekanntes pockennarbiges Gesicht, das keinem anderen als Shaw, dem Vormann der McKenna-Ranch gehörte. Links und rechts standen seine Gefolgsleute.

Delany trank zunächst noch sein Glas leer und ließ die Rechte dann langsam in Richtung Hüfte gleiten, bis sie schließlich den Coltgriff berührte.

Man musste mit allem rechnen.

Sie waren zu viert.

Delany hingegen war nur auf sich allein gestellt. Auf sich und seinen Revolver.

Genau wie bei ihrem gestrigen Zusammentreffen...

Es würde Ärger geben, das stand so jetzt schon so fest wie das Amen in der Kirche. Delany sah es bereits an dem mordlüsternen Funkeln, das in Shaws Augen zu sehen war.

"Sieh an, sieh an... So sieht man sich wieder..."

Shaws Stimme war hohntriefend.

Delany fand, das es am besten war, erst einmal gelassen abzuwarten.

"Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen gesagt habe, Mister?" Wieder bewegte er beim Sprechen kaum seine dünnen Lippen. Er sprach leise, aber mit drohendem Unterton. "Ich habe eine Rechnung mit Ihnen offen..."

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