Vom Wienerwald zur Buckligen Welt

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Inspiration für ein Zauberspiel

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts tauchten die Myrafälle in den ersten Reiseberichten auf, Kaiser Franz II. und seine Gemahlin Maria-Theresa Karolina statteten ihnen daraufhin 1801 einen Besuch ab. Die Ehefrau von Franz II. wird häufig mit der bedeutenden Monarchin verwechselt, jene Maria Theresia starb allerdings bereits 1780. Wie immer folgten der Adel, wohlhabende Bürger und Künstler den ausgetretenen Pfaden der Kaiserfamilie. Auch Ferdinand Raimund soll durch die Magie der Landschaft zu seinem romantischen Zauberspiel Der Alpenkönig und der Menschenfeind inspiriert worden sein.

Im Zuge des Baus der Eisenbahnlinie Leobersdorf–Gutenstein im Jahr 1878 ließ der Österreichische Touristenklub Wege markieren und Brücken sowie Stege bauen, um dadurch die Myrafälle für Wanderer leicht begehbar zu machen. Bis heute betreut er das Naturdenkmal, inzwischen wurden auch Parkplätze und moderne Sanitäranlagen errichtet, Besucher haben die Wahl zwischen vier Gastronomiebetrieben.

Von Mai bis Oktober erstrahlen die Wasserfälle an den Wochenenden (Freitag, Samstag, Sonntag) und an Feiertagen nach Einbruch der Dunkelheit bis 23 Uhr in einer beeindruckenden Festbeleuchtung. Dann ist es auf den Brücken und Stegen meist sehr einsam, angesichts der tosenden Wasserfälle aber nie still.

Info
Österreichischer Touristenklub

Sektion Pernitz, Myrafälle 1, 2763 Muggendorf

www.myrafaelle.at

Tipp
Ferdinand Raimund in Gutenstein

Der österreichische Dramatiker (1790–1836) liegt auf dem Bergfriedhof seiner Wahlheimat Gutenstein im Piestingtal, auch bekannt als Biedermeiertal, begraben. Er kam tragisch zu Tode. Als er von einem Hund gebissen wurde, nahm er fälschlicherweise an, das Tier wäre tollwütig und versuchte sich zu erschießen. Ein paar Tage später verstarb der Künstler an der Schussverletzung. Ihm zu Ehren finden seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Schloss Gutenstein jeden Sommer die Raimundspiele statt. Dem Dramatiker und Schauspieler wurde auch eine Gedenkstätte mit Museum in dem Haus gewidmet, das er bei seinen Besuchen in Gutenstein bewohnte. In vier Räumen werden eine Vielzahl von Exponaten mit mehr oder weniger Bezug zu ihm präsentiert, unter anderem eine Haarlocke Raimunds.

www.raimundspiele.at

www.gutenstein.at/sehenswertes/museen/

6Steinwandklamm, Furth an der Triesting
Rolltreppenfahren in der Klamm

Der Betreiber des Triestingtaler Naturjuwels führt alle Jahre wieder Reporter und Wanderer hinters Licht.

Seit 2012 ereignet sich in Furth an der Triesting jedes Jahr zu Saisonbeginn Erstaunliches. Einmal wird direkt in der Klamm eine Rolltreppe eingebaut, ein anderes Mal der erste sensorgesteuerte Selfie-Elevator Europas, der folgendermaßen funktioniert: Der Sensor begleitet in einer Selfie-Halterung die Kletterer auf einer 15 m langen Leiter nach oben, damit sie sich selbst mit ihrem Handy filmen können. 2019 wurde ein 983 m langer Verbindungsstollen zwischen den Myrafällen (siehe Kapitel 5) und der Steinwandklamm gefunden, der mit Hilfe eines Investors rasch wieder begehbar gemacht werden konnte.

Eines dieser ungewöhnlichen Ereignisse lockte am 1. April 2016 einen Lokalreporter nach Furth, um über eine neue Pumpstation in der Steinwandklamm zu berichten. Die hochmoderne Anlage der Vorarlberger Firma Pumpi sollte laut Klamm-Betreiber Franz Singer in der Lage sein, bis zu zwei Millionen Sekundenliter Wasser in ein Sammelbecken zu pumpen. Diese Innovation würde selbst an den wochenlangen Hundstagen im Hochsommer für einen tosenden Wasserfall sorgen!

Der Redakteur hat die Einladung zur Einweihung der Pumpstation wohl nur flüchtig überflogen und das Datum ignoriert. Als ihm klar wurde, dass er das Opfer eines Aprilscherzes geworden war, nahm er es mit Humor. Die Geschichte erschien genauso in der Zeitung, wie sie sich zugetragen hatte.

»Seit 2012 lasse ich mir jedes Jahr etwas Kurioses einfallen, das ich am 1. April auf die Webseite stelle. Immer wieder fallen Leute auf meine Fake-News herein, der eine möchte den Selfie-Elevator nutzen, ein anderer mit der Rolltreppe fahren oder den Tunnel durchqueren«, erzählt Singer mit einem breiten Grinsen. Für 2020 habe er auch schon eine Idee. Der 79-jährige Klamm-Betreiber hat sich bei manchen den Ruf eines Querulanten erarbeitet, wir erleben ihn als bodenständig, witzig und freundlich. Er äußert lediglich seinen Unmut energisch, wenn ihm etwas auf die Nerven geht – so ärgern ihn jene Wanderer, die sich heimlich beim Drehkreuz vorbei in die Klamm schleichen, weil sie zu geizig sind, um die paar Euro Erhaltungsbeitrag zu bezahlen. Obendrein stört ihn die überbordende EU-Bürokratie. Vor allem letztere Aversion wird den Besuchern nicht lange vorenthalten. Im Eingangsbereich steht eine Tafel mit der Aufschrift: »EU-freie Zone. Hier gilt der gesunde Hausverstand! Vergessen Sie den Regulierungswahn der EU-Bürokraten!« »Manchmal verziehen Leute das Gesicht, wenn sie die Hinweistafel lesen. Aber die meisten schmunzeln«, erzählt er. Mit Politikern im Allgemeinen hat der Klamm-Betreiber auch nicht viel Freude. »Regierungsmitglieder zahlen bei uns € 98,– Eintritt.« Natürlich sei in den letzten Jahren noch kein bekannter Parlamentarier vorbeigekommen, aber falls einer auftauchen sollte, würde er zur Kasse gebeten …

Beschauliche Wanderung entlang des Wasserfalls.

Klamm-Betreiber Franz Singer ist naturverbunden und mag keine Bürokratie.

Türkenloch und das größte Spiegelei der Welt

Gemeinsam spazieren wir entlang eines Baches und überqueren im Wald eine Brücke, bis wir die Steinwandklamm erreichen. Von dort wandern wir in der Schlucht über Stege, Treppen und flache Wege kontinuierlich entlang des Wasserfalls. Singer hat die Klamm von seinem Vater geerbt, der das 35 Hektar große Grundstück in den 1930er Jahren erworben hat. Bis 2010 war sie an den Österreichischen Touristenklub (ÖTK) verpachtet, seither kümmert er sich selbst darum. »Ich bin hier aufgewachsen und kenne jeden Stein«, sagt Singer. Zwei- bis dreimal pro Woche gehe er in die Klamm, um die Steiganlagen zu kontrollieren. Die Wanderwege sind seit 1884 ausgebaut, Kaiser Franz Joseph I. war einer der ersten, der hier durchgegangen ist.

Nach rund zwanzig Minuten erreichen wir eine Abzweigung, rechts ist der Weg blau markiert, links führt eine rote Markierung zum Rudolf-Decker-Steig, wo mehrere Höhlen durchkrochen und fast senkrechte Leitern überwunden werden müssen. Die längste ist 15 m, kann aber auch auf einer sechs Meter hohen Leiter umgangen werden. Oben kommen wir bei den Wildschützhöhlen an. Von diesem Punkt aus erreichen wir rasch das Türkenloch, wo der Weg wieder mit dem blau markierten Pfad zusammentrifft.

Beide Routen, sowohl die über den Rudolf-Decker-Steig als auch die blau markierte einfachere Variante führen zu besagtem Türkenloch. In dieser finsteren Höhle sollen sich die Einheimischen im Jahr 1683 vor den Osmanen versteckt haben. Doch sie verrieten sich mit dem Rauch eines Feuers und wurden verschleppt oder getötet. Ob es sich dabei lediglich um eine Sage handelt, ist ungewiss, 1981 fanden Archäologen in der Höhle Münzen, Tonscherben und Knochen. Nach dem Verlassen des Türkenlochs folgen wir einem Waldweg und kehren eine Viertelstunde später beim Wirtshaus Jagasitz ein.

Bei Eiskaffee und Panoramablick erzählt Singer, dass ihm 1988–1990 auch ein Eintrag ins Buch der Rekorde gelungen sei. »Damals haben wir das größte Spiegelei der Welt mit 2.500 Eiern und einer Größe von 8 m2 gebraten.« Singer sagt, er habe noch viel vor und plane, mindestens 150 Jahre alt zu werden. Der Spruch auf seiner Kappe verrät sein Motto: »Legenden sterben nicht im Bett.«

Info
Steinwandklamm

Steinwandgraben 8, 2564 Furth

www.steinwandklamm.at

Tipp
Singers Schmankerl

Singers selbstgemachter Eierlikör soll der beste weit und breit sein. Er ist ebenso käuflich zu erwerben wie seine kaltgeräucherten Lachsforellen aus eigener Zucht.

Jährlich am ersten sonnigen Sonntag nach Ostern veranstaltet er ein Bärlauchfest, bei dem zur Gratisverkostung der Riesenbärlaucheierspeise aus seiner Rekordpfanne geladen wird.

7DIE WÜSTE Mannersdorf, Kalkofen Baxa
Blühende Einöde

Im jüngsten Naturpark Österreichs lebten einst Mönche, die der Nachwelt ein Kloster, eine lange Steinmauer und einen Ort der Kontemplation hinterließen.

An den ersten warmen Tagen des Jahres wächst das Frühlingskraut Bärlauch massenhaft auf den feuchten Lichtungen, während die Schneeglöckchen schon wieder ihre Köpfchen hängen lassen. Zwischen schattigen Waldbäumen blitzen violett-blaue Blümchen hervor, Duft von Harz liegt in der Luft. In Mannersdorf, am Westhang des Leithagebirges, erstreckt sich die üppige Vegetation des Naturparks DIE WÜSTE auf einer Fläche von 106 Hektar. Die lateinische Redensart nomen est omen könnte nicht weniger zutreffend sein, denn unter einer »Wüste« stellt man sich etwas gänzlich anderes vor. Doch das Rätsel, wie der Naturpark zu seinem Namen kam, ist rasch gelöst. Die Bezeichnung ist lediglich einer unpräzisen Übersetzung zu verdanken und leitet sich vom griechischen Wort eremos ab, das »Einöde«, »Einsiedelei«, »Wüste« oder »einsam« bedeutet. »Wüste« setzte sich schließlich umgangssprachlich durch. Eine weitere Besonderheit des Naturparks ist die 4,5 km lange steinerne Mauer, die ihn umschließt.

 

Zentrum des heutigen Erholungsgebietes ist das ehemalige Karmeliterkloster St. Anna, das 1644 gegründet wurde. Mehr als hundert Jahre lang lebten und beteten hier »Unbeschuhte Karmeliten«, ihre Ruhe wurde jedoch zwischenzeitlich durch den Türkeneinfall von 1683 unterbrochen. Die Osmanen brannten das Kloster nieder, die Mönche mussten fliehen. Später wurde es wieder aufgebaut und erlebte unter der streng katholischen Maria Theresia seine Blütezeit. Die fromme Monarchin beehrte die Einsiedelei mehrmals mit ihrem Besuch, ihr Sohn Joseph II. hatte hingegen wenig für die kontemplative Gemeinschaft übrig und löste das Kloster 1783 auf. Danach verfiel das Gebäude im Laufe von 200 Jahren, bis man Teile davon in den 1980er Jahren sanierte. 1986 wurde schließlich der Naturpark eröffnet und ist damit der jüngste in Österreich.

Die Burgruine Scharfeneck war einst eine wehrhafte Festung, in die sich die Einheimischen flüchteten.

Zentrum des Naturparks ist das ehemalige Karmeliterkloster St. Anna.

Vom Parkplatz aus gelangen Besucher nach einem kurzen Spaziergang zum historischen Gotteshaus, das heute als Veranstaltungsort dient. Teiche, Obstwiesen und eine Lindenallee säumen den Weg. Erwachsene finden hier Ruhe und Natur, Kinder können sich austoben. Nahe den Klostermauern befinden sich ein Spielplatz und ein Heckenlabyrinth aus Kirschlorbeer, das die Kleinen zum Fangen und Verstecken spielen nutzen können. Rund um die Anlage grasen Pferde, Hochlandrinder und Ziegen, Blickfang ist eine riesige, angeblich 400 Jahre alte, weiße Platane. Im hinteren Trakt des Gebäudes befindet sich ein kleiner Naturkostladen, in dem an Wochenenden und Feiertagen Getränke und Selbstgemachtes wie Marmeladen, Liköre und hauseigener Speck vom Mangalitzaschwein verkauft werden.

Ebenfalls sehenswert ist die Burgruine Scharfeneck, die sich auf dem 347 m hohen Schlossberg inmitten des Naturparks erhebt. Ein Wanderweg führt direkt vom Kloster zu den Resten der einst wehrhaften Festung, die den Einheimischen 1683 Zuflucht vor den Türken bot. Die wuchtigen Außenmauern der vermutlich um das Jahr 1000 erbauten Burg ragen zum Teil noch bis zu zehn Meter in die Höhe, auch Reste von Türmen, Räumen und Kasematten sind noch erhalten. Das Betreten des Burghofes ist laut einem Hinweisschild wegen Einsturzgefahr verboten. Doch durch das nicht mehr vorhandene Tor und Maueröffnungen kann man einen Blick in das von der Vegetation überwucherte Innere werfen.

Industriedenkmal mit kreativem Veranstaltungsprogramm

Nur wenige Autominuten vom Naturpark entfernt liegt der Kalkofen Baxa, ein historisch einzigartiger Kalkschachtofen, der 1893 errichtet wurde. Der dazugehörige Steinbruch ist noch immer in Betrieb, während der Ofen 1972 stillgelegt wurde. In den Jahren 1996 bis 1998 wurde das Bauwerk generalsaniert und im Obergeschoß ein Kalkofen- und Steinabbaumuseum eingerichtet. Besonders beliebt sind die abwechslungsreichen Veranstaltungen, die in und rund um das Industriedenkmal stattfinden, etwa Ausstellungen, Kreativkurse, ein temporäres Café und ein Adventmarkt. Das innovative Programm wurde 2019 mit einer Auszeichnung in der Kategorie »außergewöhnliche Zusatzangebote« beim Museumsfrühling Niederösterreich belohnt.

Info
Naturpark DIE WÜSTE

Mannersdorf, 2452 Mannersdorf am Leithagebirge

www.diewuestemannersdorf.at

Kalkofen Baxa

Am Goldberg 1, 2452 Mannersdorf am Leithagebirge

www.kalkofenbaxa.at

Tipp
Stadtmuseum Mannersdorf

Die Geschichte des Klosters St. Anna in der Wüste, des Naturparks und der Ruine Scharfeneck ist im Stadtmuseum Mannersdorf aufgearbeitet, auch ein Modell der ehemaligen Burg Scharfeneck ist ausgestellt. Das Museum zählt zu den größten der Südostregion Niederösterreichs und besteht aus vier Abteilungen: Archäologie, Mineralien und Fossilien rund um das Leithagebirge, Volkskunde, Stadtgeschichte und Steinmetztechnik. Letztere ist übrigens die größte Sammlung dieser Art in Europa.

www.stadtmuseummannersdorf.at

Wiener Neustadt



8 Wiener Neustadt
9 Theresianische Militärakademie, Wiener Neustadt
10 Stiftspfarre Neukloster, Wiener Neustadt
11 Flugmuseum Aviaticum, Wiener Neustadt
12 Café Bernhart, Wiener Neustadt

Wussten Sie, dass …?

… der Bau Wiener Neustadts mit Lösegeld bezahlt wurde?

… auf dem berühmtesten Foto der Nachkriegsgeschichte »V-J Day in Times Square« eine gebürtige Wiener Neustädterin abgebildet ist?

… sich in der Burg zu Wiener Neustadt die älteste noch bestehende Militärakademie der Welt befindet?

… in Wiener Neustadt im 18. Jahrhundert die erste Frau weltweit zum Offizier ausgebildet wurde?

… in Wiener Neustadt vor dem I. Weltkrieg zahlreiche Flugrekorde aufgestellt wurden?

8Wiener Neustadt
Das urbane Herz des Industrieviertels

Die zweitgrößte Stadt Niederösterreichs, einst wehrhafte Festung und Kaiserresidenz, präsentiert ihre facettenreiche Geschichte kurzweilig und zeitgemäß.

Nach der Freilassung des englischen Königs Richard Löwenherz im Jahr 1194 konnte sich der Babenbergerherzog Leopold V. über Silbermünzen in beträchtlicher Anzahl erfreuen. Er investierte seinen Anteil am Lösegeld in den Bau einer Stadt. In der steinigen und sumpfigen Einöde des Steinfelds ließ der Herzog eine befestigte Anlage mit der Grundrissform eines Rechtecks hochziehen und nannte sie etwas nüchtern »Neue Stadt« (Nova Civitas). Fertig. Sein Enkel, Friedrich II., genannt der Streitbare, ließ dann die »Babenbergerburg« errichten.

Eine Blütezeit als Kaiserresidenz erlebte sie im 15. Jahrhundert unter Kaiser Friedrich III. (1415–1493) und seinem Sohn Maximilian I. (siehe Kapitel 9). In den darauffolgenden Jahrhunderten wurde die Stadt am Steinfeld ordentlich malträtiert, doch sie überdauerte Feuersbrünste und Erdbeben, die Eroberung durch den ungarischen König Matthias Corvinus nach langer Belagerung und Angriffe der Osmanen.

Nach dem »Anschluss« 1938 wurde Wiener Neustadt zu einem Zentrum der deutschen Rüstungsindustrie und damit zu einem bevorzugten Ziel alliierter Luftangriffe. Rund 50.000 Fliegerbomben fielen während des Zweiten Weltkriegs auf die Stadt. 1945 war sie fast völlig zerstört, von 4.000 Gebäuden waren lediglich 18! unversehrt geblieben. Der Wiederaufbau dauerte mehr als ein Jahrzehnt, aber er gelang. Heute gilt Wiener Neustadt mit seinen rund 45.000 Einwohnern als urbanes Herz des südöstlichen Niederösterreichs und wichtige Industriestadt. Mittlerweile etablierte sie sich auch als beliebtes Ausflugsziel und lockt immer mehr Besucher an.

Der Wiener Neustädter Dom ist ein markantes Wahrzeichen der Stadt.

Die Kasematten wurden für die Landesausstellung 2019 aufwendig renoviert.

Sieben Wunder

Mit dem Begriff »Die sieben Wunder von Wiener Neustadt« wird bereits seit den 1920er Jahren auf spielerische Art und Weise auf (ehemalige) Besonderheiten der nach St. Pölten zweitgrößten Stadt Niederösterreichs aufmerksam gemacht. Da der Nordturm des Doms keine Treppe hatte, waren die beiden Türme der Kirche einst mit einer Brücke verbunden. Sie wurde jedoch 1834 bei einem Großbrand zerstört, wieder aufgebaut und 50 Jahre später bei der notwendigen Erneuerung der beiden Türme nicht wieder errichtet (Kirche unter der Brücke).

Mit dem Wunder »schwankender Boden« wird darauf hingewiesen, dass die Gründung der Siedlung auf sumpfigem und morastigem Boden erfolgte. Auch soll es in Wiener Neustadt bis ins 19. Jahrhundert ein Haus gegeben haben, das ohne einen einzigen Nagel errichtet worden war. Zudem wird von Salat, der auf Bäumen wächst, und zwei Bächen, die sich kreuzen und quer übereinander fließen (siehe Kapitel 42), berichtet. Mit der Kirche, unter der ein Heuwagen durchfahren kann, ist die St. Georgs-Kathedrale gemeint, ebenso befindet sich in diesem Gotteshaus das Grab zwischen Himmel und Erde, in dem Kaiser Maximilian I. (siehe Kapitel 9) ruht.

»Kuriositäten und Besonderheiten mit historischem Hintergrund«, nennt auf Nachfrage eine Mitarbeiterin des Stadtarchivs diese Geschichten, »mit dem Zweck, neugierig zu machen und vor allem bei Kindern Interesse zu wecken«.

Die Stadt und die Landesausstellung

Als Zentrum der Niederösterreichischen Landesausstellung 2019 hat sich Wiener Neustadt ordentlich herausgeputzt, Ausstellungsorte wie das Museum St. Peter an der Sperr und die Kasematten wurden saniert und adaptiert.

Im Museum, einem ehemaligen DominikanerInnenkloster aus dem 13. Jahrhundert, ist nach dem Ende der Landesausstellung wieder die Sammlung rund um die Stadtgeschichte eingezogen, die hier in modernerer Form präsentiert wird. In den Kasematten, Teilen einer mittelalterlichen Befestigungs- und Wehranlage, war für den Ausstellungszeitraum eine »Bibliothek« mit überdimensional großen Büchern eingerichtet worden. Die Schaustücke erzählten von der Mobilität zwischen den Regionen und der Historie des Umlands. In den unterirdischen Räumlichkeiten wurden Erweiterungen vorgenommen, so hat man etwa eine neue Bastei eingebaut, die nach der Landesausstellung für diverse Veranstaltungen wie Theateraufführungen oder Konferenzen genutzt wird.

 
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