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Otto der Schütz

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Chronik.
von K ö n i g P i p i n

I.
Wie König Pipin sich mit der Tochter des Königs von Krain zu vermählen glaubte, und die Tochter seines Haushofmeisters heirathete

Im Jahr 740 nach der Geburt unseres Herrn Jesu Christi, während Constantin in Byzanz regierte, war der Papst Gregor III. gestorben, und Zacharias I. folgte ihm als der zweiundneunzigste römische Papst.

Nun war dieser neue Papst ein großer Eiferer für den christlichen Glauben, und als er fand, daß Klotar, König von Frankreich, ein Ketzer sei, welcher die Heiden in ihrer Arglist beschützte, excommunicirte er ihn mit dreifachem Bann, nahm ihm seine Königswürde, und setzte den Prinzen Pipin auf seinen Thron.

Pipin unterwarf mit Hilfe seines Bruders Karlmann das ganze fränkische Reich, jagte die Ketzer aus einander, nahm sie gefangen und verbrannte sie, wie sie es verdienten; da er zu gleicher Zeit den katholischen Glauben beschützte und aufmunterte, so kamen alle christlichen Fürsten an seinen Hof und verbündeten sich mit ihm.

So an der Spitze eines mächtigen Bundes, verjagten König Pipin und sein Bruder Karlmann die Heiden aus Deutschland, denn sie waren zwei starke und tapfere Krieger, und theilten hierauf die eroberten Länder unter sich. Karlmann übernahm die Regierung Frankreichs; Pipin mit den Seinen blieb im Schloß Weihenstephan auf dem Berge bei Regensburg in Baiern, allwo jetzt das Benedictinerkloster steht, und zwar aus Besorgniß, die Heiden mögten in Deutschland wieder festen Fuß fassen, und sich vermehren, wenn er in Frankreich bei seinem Bruder bliebe.

Jetzt ereignete sich's, daß der König von Krain, der von seiner großen Macht und von seinem unbesieglichen Muthe gehört hatte, große Lust bekam, sein Verbündeter zu werden. Er schickte deshalb eine Gesandtschaft an ihn und ließ ihm sagen, daß er eine junge, schöne und gottesfürchtige Tochter, Namens Bertha, habe, die er ihm zur Gemahlin anbiete; so sehr war er für ihn eingenommen, da er in der ganzen Christenheit großes Lob über seine Tapferkeit gehört hatte.

Da König Pipin nicht verheirathet war, und wiederum viel von der Schönheit der Prinzessin Bertha hatte sprechen hören, nahm er die Gesandtschaft sehr freudig auf. Er versammelte den Rath seiner Barone, und berieth sich mit ihnen über die ihm angetragene Verbindung, und da sie ihm bemerkten, daß der Ruf vielleicht die Schönheit der Prinzessin Bertha übertriebe, so gab er der Gesandtschaft sein Portrait, und ließ dem König von Krain sagen. er möge auch ihm das Bild seiner Tochter senden, da er entschlossen sei, nur eine Frau.zu heirathen, von deren Schönheit er vollkommen überzeugt sei.

Die Gesandten kehrten zum König von Krain zurück, und überbrachten nach zwei Monaten das Bildniß der Prinzessin, welche in der That so hübsch war, als der Ruf von ihr sagte. König Pipin machte ihnen sehr ansenhliche Geschenke, und lud sie ein, an seinem Hofe zu bleiben, wo sie gut bewirthet werden sollten, während sie auf seine Antwort warteten.

Pipin hatte einen Haushofmeister, der durch sein heuchlerisches Wesen sich bei ihm in großen Credit gesetzt hatte. Niemand, mit Ausnahme des Königs, liebte diesen Haushofmeister, doch war Pipin so von ihm eingenommen, daß er ihm viele Ländereien und Schlösser schenkte, aber anstatt ihn nach einem seiner Landgüter oder Schlösser zu benennen, nannte Jedermann ihn nur den rothen Ritter, denn er hatte fast ganz rothes Haar.

Da nun Pipin Nichts unternahm, ohne seinen Haushofmeister um Rath gefragt zu haben, so ließ er ihn kommen, nachdem er das Bildnis die ganze Nacht betrachtet hatte, und zeigte ihm dasselbe. Der Haushofmeister schien so außerordentlich überrascht, indem er das Bild betrachtete, daß Pipin ihn fragte, was er hätte.

–– Sire, antwortete der Haushofmeister, die große Schönheit dieses Bildes hat mich so in Staunen gesetzt.

–– Schon gut, erwiderte der König, es freut mich, daß Ihr meiner Meinung seid, und wenn die Prinzessin so hübsch ist, als ihr Bild, werde ich sie ohne Zweifel zur Frau nehmen.

–– Sire, sagte der Haushofmeister, es gibt ein Mittel, Euch dessen zu versichern.

–– Welches? fragte Pipin.

–– Schickt mich mit den Gesandten des Königs von Krain, und wenn die Prinzessin vollkommen dem Bilde gleicht, so werde ich in Eurem Namen von dem Könige, ihrem Vater, sie zu Eurer Gemahlin begehren; sollte sie dagegen weniger schön sein, so werde ich irgend einen Vorwand zu finden wissen, um Euch auf ehrenvolle Weise von der Verbindung frei zu machen.

–– Der Rath ist gut, sagte Pipin, Du wirst mit den Gesandten reisen und handeln, wie nur es besprochen haben.

Der Haushofmeister hatte dem Könige diesen anscheinend so vortrefflichen Rath nur gegeben, um für sich selbst Nutzen daraus zu ziehen. Er war, wie wir schon erwähnt, ein mächtiger Ritter, und besaß vier oder fünf Schlösser. Eins dieser Schlösser lag in Schwaben, und dieses Schloß bewohnte seine Frau nebst seinen beiden Söhnen und seiner Tochter Adalgire. Durch seltsamen Zufall hatte das Bildniß, welches König Pipin ihm gezeigt hatte, große Aehnlichkeit mit seiner Tochter Adalgire, und der Haushofmeister hatte auf diesen Umstand augenblicklich einen Plan gebauet, nämlich die Prinzessin von Krain nach Baiern zu führen, seine Tochter derselben unterzuschieben, und diese dem König als Gemahlin zu geben. Auf diese Weise mußte sein Credit sich sicher verdoppeln, da die Freundschaft, welche die Königin ihrem Gemahl, dem König, für den Haushofmeister an den Tag legen würde, als das Resultat seiner Verdienste erscheinen mußte. Das war demnach der Grund des Rathes, welchen er seinem Herrn gegeben, ihn zu dem König von Krain zu entsenden, und seine bösen Wünsche waren mehr als erfüllt, als Pipin, der keine Ursache zum Mißtrauen hatte, diesen Rath gut hieß.

Der Haushofmeister machte daher seine Vorbereitungen zur Reise, und verließ mit einem glänzenden Gefolge den Hof; aber ehe er fort ging schrieb er seiner Frau, sie solle, ohne ihren Söhnen das Mindeste zu sagen, ihn mit ihrer Tochter in einem kleinen Dorfe, dessen Namen er ihr angab, erwarten; außerdem empfahl er ihr, sich von zweien seiner Diener begleiten zu lassen, deren Treue er kannte, da er sie schon bei schwierigen Veranlassungen erprobt hatte.

Der Haushofmeister ritt fort mit den Gesandten des Königs und seinem eigenen Gefolge, so daß sie endlich im Krainer Lande ankamen, wo sie aufs Prachtvollste vom Könige, der Königin und den Baronen des Königreichs empfangen wurden. Da die Prinzessin Bertha noch schöner war, als ihr Bildniß, so hatte der Haushofmeister nichts Eiligeres zu thun, als förmlich die Brautwerbung zu bewerkstelligen; in Folge dessen, da König und Königin von Herzen diese Verbindung wünschten, die Bedingungen derselben noch an dem nämlichen Tage festgesetzt wurden, und schon am folgenden Tage verkündete man dieselbe im ganzen Lande. Zu gleicher Zeit begannen die Festlichkeiten; sie dauerten acht Tage, und wechselten mit Festmahlen, Bällen und einem sehr schönen Turnier.

Am neunten Tage sollte die Prinzessin abreisen, und der König wollte ihr eine große Zahl von Fürsten und Herren zur Begleitung mitgeben; aber der Haushofmeister sagte zu ihm: – Gnädiger Herr und König, der Wunsch meines Gebieters ist, daß Ihr, Eure Fürsten und Herren, so viel Ihr deren bestimmen wollt, die Prinzessin, Eure Tochter nur bis zur Hälfte des Weges begleiten, und er hat mir verboten, irgend Jemand, Euer Gnaden selbst nicht ausgenommen, auf der andern Hälfte des Weges mit mir kommen zu lassen; denn der Herr und König Pipin hat selbst Fürsten, Herren und Ritter, welche die Prinzessin während der übrigen Hälfte der Reise begleiten und bedienen werden.

Und der König antwortete dem Haushofmeister: – Wohlan! Alles geschehe nach dem Wunsche des Königs. Eures Herrn.

Der Haushofmeister fügte hinzu: – Gnädigster Herr! Noch ein Umstand würde dem König Pipin eher angenehm sein, da er sehr eifersüchtig ist, nämlich, daß Prinzessin Bertha während der ganzen Reise verschleiert bleibt, damit Niemand ihr Gesicht sieht, und daß sie nur mit mir redet, damit Niemand ihre Stimme hört.

Und der König antwortete: – Das ist nicht mehr als billig; von diesem Augenblick an gehören ihr Gesicht, ihre Stimme, wie ihre ganze Person, ihrem Gemahl, dem König Pipin, und der Gebieter kann über das, was ihm gehört, verfügen, wie es ihm gefällt.

Der Haushofmeister that das, damit, wenn keiner der Ritter seines Gefolges die Prinzessin in der Nähe gesehen, oder sie hatte sprechen hören, es ihm leicht werde, seine Tochter an deren Stelle unterzuschieben.

Demnach reisete die Prinzessin ab, gefolgt von den fränkischen Rittern, und von den Herren aus Krain. Während der ersten Hälfte des Wegs, mogte die Reise zu Wasser stattfinden oder sie dieselbe zu Pferde machen, blieb die Prinzessin verschleiert zwischen ihrem Vater und dem Haushofmeister, und redete nur mit diesen beiden. Auf der Mitte des Weges angelangt, sagte der Haushofmeister zum König von Krain und seinen Begleitern, daß hier das Ziel ihrer Reise sei, und diese, getreu der Uebereinkunft, kehrten wieder um, nachdem der König und Prinzessin Bertha manche Thräne vergossen, und nachdem der gute Fürst seine Tochter dem boshaften Haushofmeister bestens anempfohlen hatte, welcher, wie man leicht denken kann, es weder an Versprechungen noch Schwüren fehlen ließ.

Noch an demselben Abend, an welchem der König und seine Ritter ihn verlassen hatten, schickte der Haushofmeister eine Gesandtschaft an König Pipin ab, und ließ ihn benachrichtigen, daß er den Hof von Krain verlassen habe, und seinen Weg mit der Prinzessin Bertha fortsetze, die er ihm zuführen werde, jedoch ohne zu bestimmen, auf welchem Wege er ankommen würde, damit der König ihm Niemand entgegen senden könne.

Man setzte demnach die Reise weiter fort, und die Prinzessin hatte Nichts bei sich, was sie an ihr Vaterland erinnern konnte, außer einem kleinen Hunde, den sie nach ihren Eltern am meisten liebte, so daß sie ihn den ganzen Tag vor sich auf dem Pferde hatte. Abends, wenn man im Nachtquartier angekommen war, nahm sie, um sich zu zerstreuen, ihr Arbeitskörbchen zur Hand, und arbeitete an einer schönen Stickerei. So verging die Zeit, und am Ende des vorletzten Tagemarsches hielt der Haushofmeister in dem Dorfe an, wo seine Frau und Tochter nebst den zwei Dienern ihn erwarteten; und als er seine Tochter erblickte, die er seit drei Jahren nicht gesehen, fand er sie der Prinzessin so ähnlich, daß er dadurch noch mehr in seinem bösen Plan bestärkt wurde.

 

Uebrigens war der Ort sehr gut gewählt, denn unmittelbar hinter dem Dorfe erhob sich ein ungeheuer großer und dichter Wald, welcher sich bis gen Augsburg erstreckte, und nur von einem tiefen und beinahe unbewohnten Thal durchschnitten wurde, welches das Mühlenthal genannt wurde. In diesem Walde wollte sich der Haushofmeister der Prinzessin entledigen.

Er ließ demnach seine beiden Diener kommen, und da diese seine Vasallen und dem zu Folge ganz von ihm abhingen. so gab er ihnen die Kleider seiner Tochter, und befahl ihnen, am andern Morgen vor Tagesanbruch in das Zimmer der Prinzessin zu dringen, und ihr anzudeuten, daß sie statt ihrer gewöhnlichen Kleider, das ihr überbrachte Kleid anziehen, und ihnen folgen müsse; hierauf sollten sie dieselbe tief in den dicksten Wald führen, sie tödten, ihr die Junge abschneiden und diese nebst dein blutigen Hemde als Beweis der Vollführung ihres schrecklichen Auftrags ihm zurückbringen.

Wie der Haushofmeister es vorausgesehen, machten die beiden Diener keine Einwendung, sondern bereiteten sich zur Ausführung der Befehle ihres Herrn. Sie traten demnach eine Stunde vor Tagesanbruch in das Zimmer der Prinzessin, die, geweckt durch das Gebell ihres Hündchens, munter wurde, und zu ihrer großen Verwunderung zwei ihr unbekannte Männer am Kopfende ihres Bettes stehen sah. Sie befahl ihnen, hinauszugehen, aber diese, anstatt ihr zu gehorchen, erklärten, daß sie ihren Willen thun müsse, und daß ihr Wille sei, sie solle sich stillschweigend ankleiden und ihnen folgen. Die Prinzessin, die Niemand aus ihrem Vaterlande um sich hatte, der ihr hätte zu Hilfe kommen können, sah wohl ein, daß sie das Opfer irgend einer Verrätherei sei, und hoffte wenigstens durch ihre Sanftmuth diejenigen zu entwaffnen, welche so zu ihr redeten, sie streckte deshalb die Hand nach ihren Kleidern aus, aber die beiden Diener untersagten ihr, dieselben zu berühren, und warfen das Kleid von der Tochter des Haushofmeisters auf ihr Bette. Hierauf bat die Prinzessin sie um die einzige Gnade, sie mögten einen Augenblick aus dem Zimmer geben, damit sie aufstehen und sich ankleiden könne, welches sie ihr auch zugestanden, nachdem sie sich zuvor genau überzeugt hatten, daß keine zweite Thür vorhanden, und daß das Fenster zu hoch über der Erde sei, als daß sie auf diesem Wege werde entfliehen können.

Nachdem die Prinzessin allein geblieben, kleidete sie sich unter Thränen an, knieete nieder und betete; sie hatte ihr Gebet noch nicht beendet, als die beiden Männer wieder eintraten und ihr sagten, sie möge sich beeilen. Da sie entschlossen war, denselben durchaus kein Hinderniß in den Weg zu legen, so erhob sie sich augenblicklich, nahm ihren kleinen Hund unter den Arm, ihr Stickereikörbchen in die Hand und sagte, daß sie bereit sei, ihnen zu folgen.

Die beiden Diener machten, daß sie ohne Geräusch die Treppe hinab stieg, gingen mit ihr quer über dm Hof, öffneten eine Hinterthür und befanden sich bald im Walde. Dort angekommen, fürchtete die arme Prinzessin sich so sehr, daß sie glaubte ohnmächtig zu werden, und als sie sah, daß die beiden Männer einander auf seltsame Weise ansahen, sagte sie zu ihnen, indem sie ihren kleinen Hund auf die Erde setzte:

–– Es ist Nichts, es ist Nichts, gebt mir euren Arm, daß ich mich darauf stütze, dann werde ich gehen können, so weit ihr wollt.

Einer der Männer, derjenige welcher ihr zur Linken ging, reichte ihr seinen Arm, sie stützte sich darauf, und setzte ihren Weg weiter fort. Wie sehr sie sich aber auch anstrengen mogte, so fühlte sie doch, nachdem sie noch eine Viertelstunde vorwärts geschritten, daß ihr die Kräfte fehlten, sie sank zusammen, fiel auf die Kniee und sagte:

–– Um Gott, meine Herren, was wollt Ihr denn mit mir beginnen, indem Ihr mich zu dieser Stunde an einen so öden Ort des Waldes führet?

–– Mein liebes Fräulein, sagte derjenige, welcher zu ihrer Rechten ging, unser Herr hat uns einen grausamen Auftrag gegeben, welchen Gott uns verzeihen wird, und Ihr auch; denn wir haben Euch hierher geführt, um Euch zu tödten.

Bertha stieß einen Schrei aus, und ohne weiter zu reden, breitete sie die Arme ans, erhob die Augen gen Himmel, gleich einer Märtyrin. Dicke Thränen allein flossen ihre Wange herab auf die Erde, wo sie an den Grashalmen glänzten gleich Thautropfen.

Nun näherte sich der Diener, welcher zu ihrer Linken ging, seinem Kameraden, und indem er ihn bei Seite zog, sagte er zu ihm:

–– Meiner Treu, tödte dieses arme Kind, wer da wolle; ich, der ich sie gestützt habe, und der ihr armes Herz auf dem ganzen Wege an meinem Arme schlagen fühlte, habe nicht den Muth dazu.

–– Aber was wird der Herr sagen? erwiderte der Andere.

–– Mag er sagen, was er will; ich will lieber, meinen Leib preisgeben, als meine Seele verderben, außerdem, siehe sie nur an, Gott wolle mir verzeihen, wenn sie nicht wie eine Heilige aussieht!

–– Ich verlange nichts Besseres, als sie zu retten, sagte der Andere; aber Du weißt, daß wir dem Herrn den Beweis liefern müssen, daß sein Befehl vollzogen ist. – Finde ein Mittel, ihn glauben zu machen, daß wir ihm gehorchten, und bei meiner Seele, ich werde eben so froh sein als Du.

–– Warte, ich finde eins, sagte der Andere.

Nach Verlauf eines Augenblicks näherte er sich der armen Bertha, die noch immer betete, und die, als sie ihn nach der mit seinen Gefährten gepflogenen Unterredung sich ihr wieder nähern sah, glaubte, daß ihre letzte Stunde gekommen sei, und nachdem sie das Zeichen des Kreuzes gemacht, ihm ihren Hals darbot, indem sie mit sanfter Stimme sagte: Mein Freund, ich verzeihe Euch, wie Ihr es so eben verlangtet. Laßt mich so wenig leiden als möglich ist.

–– Mein liebes Fräulein, ich komme nicht, um Euch zu tödten, sondern nur, um Euer Hemde von Euch zu verlangen.

Bertha empfand jetzt noch größere Furcht, denn sie glaubte, daß diese Männer einen schändlichen Plan in Bezug auf sie geschmiedet hätten; sie streckte die Hand aus, um seine weitere Annäherung zu verhindern, und sagte:

–– Aber ich will lieber sterben, als meine Ehre verlieren.

–– Der Himmel wolle verhüten, mein edles Fräulein, antwortete der Diener, daß, indem er Euch das Leben schenkt, wir Eure Ehre kränken oder beeinträchtigen sollten. Ich verlange blos Euer Hemd, um es zu durchlöchern und mit Blut zu besudeln, damit unser Herr glaube, daß Ihr todt seid, und da er uns geboten hat. ihm auch Eure Zunge, als Beweis, daß Ihr nicht mehr lebt, mitzubringen, so werden wir ihm die von Eurem kleinen Hunde bringen.

Die Prinzessin schluchzte laut, denn sie liebte ihren kleinen Hund sehr, aber, als ob dieser begriffen hätte, daß er seiner Herrin das Leben retten sollte, entschlüpfte er ihren Armen, und kroch winselnd zu den Füßen des andern Dieners.

Bertha sah nun wohl ein, daß es Gottes Wille sei, daß dies so geschehe. Voll Schamhaftigkeit entfernte sie sich ein wenig von den Dienern, und nachdem sie ihr Hemde ausgezogen, gab sie es den Dienern; diese nahmen es, durchbohrten es mit mehrern Pikenstichen, und tränkten es mit dem Blute des getödteten kleinen Hundes; hierauf schnitten sie dessen Zunge ab, um ihrem Herrn glauben zu machen, daß es die der Prinzessin sei; diese ließen sie dann schwören, daß sie nicht versuchen wolle, zu ihrem Vater zurückzukehren, und als die Prinzessin diesen Schwur geleistet, ließen sie dieselbe im Walde zurück, indem sie das blutbefleckte Hemde und die Zunge des kleinen Hundes mit hinwegnahmen.

Als der Haushofmeister dieses doppelte Beweismittel sah, zweifelte er nicht, daß sein Befehl vollzogen sei. Er nahm Abschied von seiner Frau, welche mit den beiden Dienern, denen er eine ansehnliche Belohnung gegeben, damit sie das Geheimniß wohl bewahren mögten, nach Haus zurückkehrte, weckte dann seine Tochter, die er in das Zimmer der Prinzessin hinauf steigen ließ, und dort, wie sie schon im Voraus war angewiesen worden, Bertha's Kleider anlegen mußte; sie schmückte sich auch mit deren Geschmeide, und bedeckte ihren Kopf mit dem Schleier derselben. Zu der Stunde, wo man gewöhnlich aufzubrechen pflegte, kam sie die Treppe herab, wie es die Prinzessin gewöhnlich zu thun pflegte, stieg zu Pferde, und ritt den ganzen Tag neben dem Haushofmeister, so auch am folgenden Tage, und am Abend dieses zweiten Tages kamen sie im Schlosse zu Weihenstephan an.

Pipin hatte von der Zeit an, wo er einen Brief des Haushofmeisters erhielt, der ihm die Ankunft seiner Braut meldete, ohne anzugeben, auf welchem Wege sie kommen würde, befohlen, daß eine Schildwache Tag und Nacht von der Zinne des höchsten Thurms aus Acht habe, und ins Horn stoßen solle, sobald sie den Zug erblicke.

Pipin hatte demnach Zeit, diejenige, welche er für die Tochter des Königs von Krain hielt, an der Pforte des Schlosses zu empfangen. Daselbst angelangt, stieg die untergeschobene Prinzessin vom Pferde und knieete vor dem König nieder. Dieser, der gern sehen wollte, ob sie wirklich so schön sei als ihr Bildniß, nahm ihr selbst den Schleier ab, und da er gefunden, daß sie in der That recht hübsch sei, hob er sie auf küßte sie auf den Mund, und stellte sie dem ganzen Hofe als die Königin der Franken vor.

Keiner von den Herren des Gefolges bemerkte den Betrug, und wenn ja einer von ihnen fand, daß die Prinzessin bei ihrer Ankunft nicht ganz so hübsch aussehe, als bei der Abreise, so dachte er, die Strapaze der Reise, und die Langeweile, so lange haben schweigen zu müssen, seien Schuld an dieser Veränderung.

Die Arglist des rothen Ritters glückte so gut, daß Pipin, welcher die echte Bertha nicht kannte, sich in diese ihm Vorgestellte verliebte, sie heirathete, und von ihr einen Sohn bekam, den er Leo nannte.

Dieser wurde so gelehrt, daß er im Jahr 795 nach Christus, nach dem Tode Adrian I. unter dem Namen Leo III. zum römischen Papste erwählt wurde. In der Folge zeugte Pipin mit der unechten Bertha noch zwei Söhne, wovon der eine Wemermann, der andere Rapath genannt wurde, und zwei Töchter mit den Taufnamen Agnes und Bertha.