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La San Felice

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Bei Sir William vorgelassen, warf Emma sich ihm zu Füßen. In Folge einer geschickt combinierten Bewegung oder auch eines glücklichen Zufalles lösten sich die Bänder ihres Hutes und ihr schönes kastanienbraunes Haar fiel ihr auf die Schultern herab.

In ihrem Schmerze war die Zauberin unnachahmlich.

Der alte Archäolog, der bis jetzt blos in die Marmorwerke Athens und die Statuen Griechenlands verliebt gewesen, sah zum ersten Mal die lebendige Schönheit über die kalte und bleiche Schönheit der Göttinnen eines Praxiteles und Phidias den Sieg davontragen.

Die Liebe, welche er bei seinem Neffen nicht hatte begreifen können, bemächtigte sich mit Gewalt eines eigenen Herzens, ohne daß er auch nur versucht hätte, sich zu vertheidigen.

Die Schuld seines Neffen, die niedrige Herkunft seiner Maitresse, die scandalösen Einzelheiten ihres Lebens, die Oeffentlichkeit ihrer Triumphe, die Käuflichkeit ihrer Liebkosungen, Alles, sogar die aus diesem Verhältniß hervorgegangenen Kinder, Alles nahm Sir William hin, unter der einzigen Bedingung, daß Emma ihn durch ihren Besitz für das gänzliche Vergessen seiner eigenen Würde belohne.

Emma hatte weit über ihre Erwartung triumphiert, diesmal aber machte sie ihre Bedingungen vollständig. Mit dem Neffen hatte sie ein bloßes Heiratsversprechen vereinigt, jetzt dagegen erklärte sie, daß sie Sir William Hamilton nur als eine anerkannte Gattin nach Neapel folgen würde.

Sir William willigte in Alles.

Emma's Schönheit äußerte in Neapel ihre gewohnte Wirkung. Sie setzte nicht blos in Erstaunen, sondern sie blendete.

Ausgezeichneter Alterthumsforscher und Mineralog, Gesandter von Großbritanien, Milchbruder und Freund Georgs des Dritten, versammelte Sir William in seinem Hause die ersten Männer der Wissenschaft, der Politik und der Kunst, welche die Hauptstadt der beiden Sicilien besaß.

Emma, die selbst Künstlerin war, bedurfte nur weniger Tage, um auch von der Politik und der Wissenschaft zu lernen, was sie davon zu wissen brauchte, und es dauerte nicht lange, so wurden für Alle, welche Sir Williams Salon besuchten, Emmas Urtheile förmliche Gesetze.

Dabei sollte ihr Triumph nicht stehen bleiben. Kaum war sie bei Hofe vorgestellt, so erklärte die Königin Marie Caroline sie zu ihrer intimen Freundin und machte sie zu ihrer unzertrennlichen Günstlingin.

Sie zeigte sich mit der Prostituierten von Haymarket nicht blos öffentlich, fuhr mit ihr in demselben Wagen und trug dieselbe Toilette wie sie, sondern ließ auch, nachdem sie sich des Abends die wollüstigsten Attitüden des Alterthums hatte zeigen lassen, Sir William, der auf diese Gunst ganz stolz war, sagen, daß sie ihm die Freundin, die sie nicht entbehren könne, erst am nächstfolgenden Morgen zurückgeben würde.

Natürlich ward die Günstlingin von allen Seiten auf die eifersüchtige und erbittertste Weise angefeindet.

Die Königin Caroline wußte, welche kecke Vermuthungen in Bezug auf diese wunderbare und plötzliche Vertraulichkeit ausgesprochen wurden; sie war aber eines jener tapferen Gemüther, welche mit stolz erhobenem Haupte der Verleumdung Trotz bieten, und Jeder, der bei ihr gut auf genommen sein wollte, mußte eine Huldigungen zwischen Acton, ihrem Geliebten und ihrer Günstlingin Emma Lyonna theilen.

Man kennt die Ereignisse von 89, das heißt die Einnahme der Bastille und den Zug nach Versailles; die von 93, das heißt den Tod Ludwig des Sechzehnten und Marie Antoinettens; die von 96 und 97, das heißt die Siege Bonapartes in Italien, Siege, welche alle Throne erschütterten und wenigstens für den Augenblick den ältesten und unbeweglichsten von allen, den päpstlichen, zertrümmerten.

Mitten unter diesen Ereignissen, welche am Hofe von Neapel einen so furchtbaren Wiederhall fanden, sah man Nelson, den Vorkämpfer des veralteten Königthums, auftauchen. Sein Sieg bei Abukir gab allen jenen Königen, welche schon die Hand auf ihre wankenden Kronen gelegt hatten, die Hoffnung zurück.

Marie Caroline, die so begierig nach Reichthum, Macht und Ehre trachtete, wollte die ihrige um jeden Preis erhalten.

Man darf sich daher nicht wundern, daß sie, indem sie den Zauber, den sie auf ihre Freunde ausübte, zu Hilfe rief, am Morgen des Tages, wo die Lady Hamilton dem siegreichen Nelson entgegenführte, zu dieser gesagt hatte:

»Dieser Mann muß unser werden, und damit er uns gehöre, mußt Du ihm gehören.«

War es wohl für Lady Hamilton schwierig, für ihre Freundin Marie Caroline in Bezug für den Admiral Horaz Nelson dasselbe zu thun, was Emma Lyonna für ihre Freundin Fanny Strong in Bezug auf den Admiral Payne gethan?

Uebrigens mußte es für den Sohn eines armen Pfarrers von Barnham-Thorpes, für den Mann, der seine Größe seinem eigenen Muth und seinen Ruf seinem eigenen Genie verdankte, ein glorreicher, ihn über die empfangenen Wunden und erlittenen Verstümmlungen tröstender Lohn sein, diese Königin, diesen Hof und als Preis seiner Siege dieses herrliche Geschöpf, welches er anbetete, ihm entgegen: kommen zu sehen.

Viertes Capitel.
Das Fest der Furcht

Aus der am Bord des »Vanguard, der fast eben so verstümmelt war als sein Commandant, aufgehißten englischen Flagge haben wir erfahren, daß Nelson die königliche Flottille, welche ihm entgegenkam, erkannte.

Die Galeere »Capitane« hatte nichts aufzuhissen. Schon seit der Abfahrt von Neapel flatterten die englischen Farben im Gemisch mit denen der beiden Sicilien an ihren Masten.

Als die beiden Schiffe nur noch eine Kabellänge von einander entfernt waren, stimmte die Musik der Galeere das God save the king an, welches die auf den Raaen aufgepflanzten Matrosen des »Vanguard durch drei Hurrahs beantworteten, die sie mit der Regelmäßigkeit ausbrachten, welche die Engländer bei dieser officiellen Demonstration beobachten.

Nelson gab Befehl zum Beilegen, um die königliche Galeere an den »Vanguard« herankommen zu lassen, ließ die Ehrentreppe niederholen und wartete dann auf der obersten Stufe derselben mit entblößtem Haupte und dem Hut in der Hand.

Sämmtliche Matrosen und Marinesoldaten, selbst die, welche bleich und leidend von ihren Wunden noch nicht völlig hergestellt waren, wurden auf das Deck gerufen und präsentierten hier in drei Gliedern aufgestellt das Gewehr.

Nelson erwartete, zuerst den König, dann die Königin, dann den Kronprinzen an Bord eines Schiffes heraufsteigen zu sehen, oder mit andern Worten die vornehmen Gäste allen Regeln der Etiquette gemäß zu empfangen.

Die Königin aber stieß mit echt weiblicher Verführungskunst – Nelson erzählt diese Thatsache in einem Briefe an seine Gattin selbst – die schöne Emma voran, welche erröthend, daß sie bei dieser Gelegenheit mehr galt als die Königin, die Treppe hinaufstieg und, mochte es nun wirkliche Gemüthsbewegung oder gut gespielte Komödie sein, als sie Nelson mit einer neuen Wunde, die Stirn mit einer schwarzen Binde umgürtet und bleich von Blutverlust, wieder erblickte, einen Schrei ausstieß, selbst bleich ward und, nahe daran ohnmächtig zu werden, an die Brust des Helden sank, indem sie murmelte:

»O großer, o theurer Nelson!«

Nelson ließ seinen Hut fallen, umschlang mit einem Ausruf freudigen Erstaunens Emma mit seinem einzigen Arm und drückte sie krampfhaft an sein Herz.

In der Extase, in welche dieser unerwartete Vorfall ihn versetzte, gab es einen Augenblick, wo Nelson, die ganze Welt vergessend, auf unaussprechliche Weise die Freuden, wenn auch nicht des Himmels der Christen, doch wenigstens des Paradieses Mahomed's schmeckte.

Als er wieder zu sich kam, waren der König, die Königin und der ganze Hof mittlerweile an Bord gestiegen.

König Ferdinand der Vierte nahm Nelson bei der Hand, nannte ihn den Befreier der Welt, überreichte ihm den prachtvollen Degen, den er ihm zum Geschenk machte und an dessen Griff nebst dem Großcordon des Verdienstordens vom heiligen Ferdinand, welchen der König vor Kurzem gestiftet, das Ernennungspatent zum Herzog von Bronte hing, eine von der Königin ersonnene echt weibliche Schmeichelei, denn dieser Titel bedeutete so viel als Herzog des Donners.

Bronte war nämlich einer der drei Cyklopen, welche in den flammenden Grotten des Aetna die Donnerkeile Jupiters schmiedeten.

Dann kam die Königin, die ihn ihren Freund, den »Schützer der Krone«, den »Rächer der Könige« nannte und, indem sie die Hand Nelsons mit der Emma's in den ihrigen vereinte, die beiden vereinten Hände drückte.

Nun kamen auch die Andern an die Reihe – Erbprinzen, königliche Prinzessinnen, Minister und Höflinge. Aber was waren ihre Lobsprüche und Liebkosungen neben den Lobsprüchen und Liebkosungen des Königs und der Königin, neben einem Händedruck von Emma Lyonna!

Man kam überein, daß Nelson sich mit an Bord der Galeere »Capitane« begeben sollte, welche mit Hilfe ihrer vierundzwanzig Ruderer sich natürlich schneller bewegte als ein Segelschiff.

Vor allen Dingen aber bat Emma ihn im Namen der Königin, ihnen in allen seinen Einzelheiten diesen glorreichen »Vanguard« zu zeigen, welchem die französischen Kugeln glorreiche Wunden geschlagen, die gleich denen seines Commandanten noch nicht geschlossen waren.

Nelson machte die Honneurs seines Schiffes mit dem Stolze eines Seemannes, und während dieses ganzen Besuches stützte Lady Hamilton sich auf seinen Arm, ließ ihn dem Könige und der Königin alle nähern Umstände des Kampfes vom 1. August erzählen und zwang ihn auf diese Weise von sich selbst zu sprechen.

Der König umgürtete Nelson eigenhändig mit dem Degen Ludwigs des Vierzehnten.

Die Königin überreichte ihm das Patent seiner Ernennung zum Herzoge von Bronte.

Emma hing ihm den Großcordon des heiligen Ferdinand um, wobei sie nicht umhin konnte, mit ihrem schönen, wohlduftenden Haar das Gesicht des überglücklichen Nelson zu streifen.

Es war jetzt zwei Uhr Nachmittags und man brauchte ziemlich drei Stunden, um wieder nach Neapel zurückzugelangen.

 

Nelson übertrug das Commando des »Vanguard« dem Capitän Henry und stieg unter dem Klange der Musik und unter dem Donner der Geschütze in die königliche Galeere hinab, welche leicht wie ein Seevogel sich von der Flanke des Kolosses ablöste und graziös über die Meeresfläche hinglitt.

Nun war es an dem Admiral Caracciolo, seinerseits die Honneurs des Schiffes zu machen.

Nelson und er waren alte Bekannte. Sie hatten einander bei der Belagerung von Toulon gesehen, sie hatten beide gegen die Franzosen gekämpft und der Muth und die Gewandtheit, welche Caracciolo während dieses Kampfes gezeigt, hatten ihm trotz des ungünstigen Ausganges des Feldzuges bei seiner Rückkehr die Ernennung zum Admiral eingetragen, so daß er in jeder Beziehung mit Nelson in gleichem Range stand, vor welchem er überdies noch den Vorzug der Geburt und einer dreihundertjährigen historischen Berühmtheit voraus hatte.

Dieser kleine Umstand erklärt den Anflug von Kälte, welcher in dem Gruße lag, welchen die beiden Admirale austauschten, und die Eile, womit Franz Caracciolo seinen Posten als Commandant wieder auf der Quartierbank einnahm.

Was Nelson betraf, so zwang die Königin ihn, sich neben sie unter das purpurne Zeltdach der Galeere zu setzen, indem sie erklärte, die anderen Herren möchten gehen, wohin sie wollten, der Admiral aber gehöre nur ihr und ihrer Freundin.

Emma nahm hierauf ihrer Gewohnheit gemäß zu den Füßen der Königin Platz.

Mittlerweile erklärte Sir William Hamilton, der in seiner Eigenschaft als Gelehrter die Geschichte von Neapel besser kannte als der König selbst, diesem, wie die Insel Capri, an welcher man in diesem Augenblicke vorüberkam, den Neapolitanern abgekauft oder vielmehr gegen die Insel Ischia abgetauscht worden und zwar durch Augustus, welcher bemerkt hatte, daß in dem Augenblicke, wo er diese Insel betrat, die dürren, zur Erde herabhängenden Aeste einer alten Eiche sich wieder aufgerichtet und frische grüne Blätter getrieben hatten.

Der König hörte Sir William mit der größten Aufmerksamkeit an und sagte, als derselbe fertig war:

»Mein lieber Gesandter, seit drei Tagen hat der Zug der Wachteln begonnen. Wenn Sie wollen, so können wir in einer Woche auf Capri eine Jagd halten. Wir werden dann diese Vögel dort zu tausenden treffen.«

Der Gesandte, welcher selbst ein großer Jäger war, und besonders dieser Eigenschaft die hohe Gunst verdankte, deren er sich bei dem König erfreute, verneigte sich zum Zeichen der Zustimmung und sparte für eine bessere Gelegenheit eine gelehrte archäologische Abhandlung über Tiberius, seine zwölf Landhäuser und die Wahrscheinlichkeit auf, daß die Azurgrotte den Alten bekannt gewesen, aber damals noch nicht die prachtvolle Farbe gehabt habe, welche sie heute schmückt, und daß sie dieselbe der Veränderung des Wasserniveaus verdanke, welches im Laufe der von Tiberius bis auf uns vergangenen achtzehn Jahrhunderte um fünf bis sechs Fuß höher geworden sei.

Die Commandanten der vier Forts von Neapel hielten mittlerweile ihre Fernröhre auf die königliche Flottille und ganz besonders auf die Galeere »Capitane« gerichtet.

Als sie dieselbe schwenken und auf Neapel zusteuern sah, commandierten sie in der Voraussetzung, daß Nelson sich darauf befände, eine ungeheure Salve von hundert Kanonenschüssen, die ehrenvollste, die es gibt, weil es dieselbe ist wie die, welche sich hören läßt, wenn ein Thronerbe geboren ist.

Nach Verlauf einer Viertelstunde schwiegen die Salven, um jedoch in dem Augenblick wiederzubeginnen, wo die immer noch von der königlichen Galeere geleitete Flottille in den Kriegshafen einlief.

Am Fuße der nach dem Schlosse führenden Anhöhe warteten die Equipagen des Hofes und der britischen Gesandtschaft, welche letzteren an Glanz mit ersteren wetteiferten.

Man war übereingekommen, daß der König und die Königin beider Sicilien an diesem Tage alle ihre Rechte an Sir William und Lady Hamilton abtreten, daß Nelson in der englischen Gesandtschaft absteigen und daß der englische Gesandte das Diner und das Fest geben sollte, wodurch man die Anwesenheit des Siegers zu feiern gedachte.

Was die Stadt Neapel betraf, so sollte sie dieses Fest durch Illumination und Feuerwerk verherrlichen.

Ehe Lady Hamilton an's Land stieg, näherte sie sich dem Admiral Caracciolo und sagte in ihrem sanftesten Ton und mit ihrer graziösesten Miene:

»Das Fest, welches wir unserem berühmten Landsmann geben, wäre unvollständig, wenn der einzige Seemann, der sich ihm gleichstellen kann, sich nicht anschlösse, um einen Sieg zu feiern und einen Toast auf die Größe Englands, das Glück bei der Sicilien und die Demüthigung der übermüthigen französischen Republik auszubringen, welche gewagt hat, den Königen den Krieg zu erklären. Diesen Toast haben wir dem Manne vorbehalten, der bei Toulon so muthig gekämpft, dem Admiral Caracciolo.«

Caracciolo verneigte sich höflich, aber ernst.

»Mylady,« sagte er, »ich bedaure aufrichtig, nicht als Ihr Gast die rühmliche Aufgabe übernehmen zu können, welche Sie mir zutheilen. So schön aber der Tag gewesen, so stürmisch droht die Nacht zu werden.«

Emma ließ einen einzigen Blick am Horizont hinschweifen. Abgesehen von einigen leichten Wolken aber, welche von Procida herkamen, war der Azur des Himmels so durchsichtig wie der ihrer Augen.

Sie lächelte.

»Sie zweifeln an meinen Worten, Mylady, hob Caracciolo wieder an; »ein Mann aber, welcher zwei Drittheile seines Lebens auf dem launenhaften Meer zugebracht, welches man das mittelländische nennt, kennt alle Geheimnisse der Atmosphäre. Sehen Sie jene leichten Dünste, welche am Himmel hingleiten und sich uns rasch nähern? Dieselben bedeuten, daß der Wind, welcher bis jetzt aus Nordwesten kam, nach Westen umspringt. Gegen zehn Uhr Abends wird er von Süden kommen, das heißt, wir werden Sirocco haben. Der Hafen von Neapel steht allen Winden offen und ganz besonders diesem. Ich muß daher die vor Anker liegenden Schiffe. Seiner britischen Majestät überwachen, welche von dem Kampfe hart mitgenommen, vielleicht nicht Kraft genug haben, um dem Sturme zu widerstehen. Das, was wir heute gethan, Mylady, ist so gut wie eine in dürren Worten ausgesprochene Kriegserklärung an Frankreich, und die Franzosen stehen in Rom, das heißt fünf Tagesreisen von uns. Glauben Sie mir: binnen hier und wenigen Tagen werden wir sehr nöthig haben, daß unsere beiden Flotten in gutem Stand seien.«

Lady Hamilton machte eine leichte Bewegung mit dem Kopf, welche einen gewissen Grad von Unmuth zu verrathen schien.

»Fürst,« sagte sie, »ich nehme Ihre Entschuldigung an, die so große Sorgfalt für die Interessen der Majestäten von Britannien und Sicilien verräth. Wenigstens aber hoffen wir, auf unserem Ball Ihre liebenswürdige Nichte, Cäcilie Caracciolo, zu sehen, welche übrigens keine Entschuldigung haben würde, da sie bereits in Kenntniß gesetzt ist, daß wir auf die gleich an demselben Tage zählten, wo wir den Brief des Admirals Nelson erhielten.«

»Ja, darüber wollte ich eben mit Ihnen spreche Madame. Seit einigen Tagen ist die Mutter meiner Nicht meine Schwägerin, so leidend, daß ich heute Morgen, ehe wir aufbrachen, einen Brief von der armen Cäcilie erhielt, welche mir ihr Bedauern zu erkennen gibt, an Ihrem Feste nicht theilnehmen zu können. Zugleich beauftragte sie mich, bei Ihnen, Mylady zu entschuldigen und dies habe ich eben in diesem Augenblicke die Ehre zu thun.«

Während zwischen Lady Hamilton und Franz Caracciolo diese Worte gewechselt wurden, hatte die Königin sich genähert, sie hatte gehorcht und gehört.

Den Beweggrund der doppelten Weigerung des starren Neapolitaners recht wohl verstehend, runzelte sie die Stirn ihre Unterlippe verlängerte sich und eine leichte Blässe übe zog ihr Gesicht.

»Nehmen Sie sich in Acht, Fürst!« sagte sie schneidendem Tone und mit einem drohenden Lächeln, welches jenen leichten Wolken glich, worauf der Admiral Lady Hamilton aufmerksam gemacht und welche das Nahen ein Sturmes verkündete. »Nehmen Sie sich in Acht! Nur die Personen, welche Lady Hamiltons Fest besuchen, werde zu den Festen des Hofes eingeladen.«

»Ach, Madame,« antwortete Caracciolo, ohne das seine heitere Ruhe durch diese Drohung nur im mindest gestört zu werden schien, »das Unwohlsein meiner armen Schwägerin ist so ernst, daß, wenn die von Eurer Majestät dem Admiral Nelson zu gebenden Feste auch einen Monat dauern sollten, sie denselben doch nicht beiwohnen könne wird, und mit meiner Nichte wird dies natürlich derselbe Fall sein, weil ein junges Mädchen von ihrem Alter um ihrem Namen selbst bei der Königin nicht ohne ihre Mutter erscheinen kann.«

»Es ist gut, mein Herr,« antwortete die Königin, die nicht länger an sich zu halten vermochte.

»Zur geeigneten Zeit und am geeigneten Ort werden wir uns dieser Weigerung zu erinnern wissen.«

Dann nahm die Lady Hamiltons Arm und sagte:

»Kommen Sie, liebe Emma.«

Nach einer Weile murmelte sie:

»Ha, diese Neapolitaner! diese Neapolitaner! Ich weiß wohl, daß sie mich hassen, aber ich stehe nicht hinter ihnen zurück. Ich verabscheue sie.«

Und mit raschem Schritt näherte sie sich der Schiffstreppe, jedoch nicht so rasch, daß der Admiral Caracciolo ihr nicht zuvorgekommen wäre.

Auf ein Signal von ihm stimmte die Musik schmetternde Fanfaren an, die Kanonen donnerten von Neuem; die Glocken läuteten alle auf einmal und die Königin mit Wuth im Herzen und Emma mit Scham auf der Stirn stiegen mitten unter allen äußeren Zeichen von Freude und Triumph ans Land.

Der König, die Königin, Emma Lyonna und Nelson bestiegen den ersten Wagen, der Kronprinz, die Kronprinzessin, Sir William Hamilton und der Minister Acton den zweiten, und alle Uebrigen nach ihrem Belieben die folgenden.

Zuerst und auf dem geradesten Weg begab man sich nach der Kirche von Santa Clara, um hier ein Te Deum zu hören und ein Dankgebet zu verrichten.

Horaz Nelson, Sir William Hamilton und Emma Lyonna wären in ihrer Eigenschaft als Ketzer dieser Ceremonie gern überhoben gewesen, der König dagegen war ein zu guter Christ, besonders wenn er Furcht hatte, um zu gestatten, daß man dieses vergäße.

Das Te Deum ward von Monsignore Capece Zurio, Erzbischof von Neapel, gesungen, einem vortrefflichen Mann, dem vom Gesichtspunkte des Königs und der Königin aus nichts weiter zum Vorwurf gemacht werden konnte als allzugroße Hinneigung zu den freisinnigen Ideen.

Assistiert ward er bei Verrichtung dieses Triumphdienstes durch einen zweiten hohen geistlichen Würdenträger, den Cardinal Fabrizio Ruffo, welcher zu jener Zeit blos erst wegen seines eben nicht rühmlichen öffentlichen und Privatlebens bekannt war.

Auch ward die ganze Zeit, welche das Te Deum dauerte, von Sir William Hamilton, der ein eben so großer Sammler von scandalösen Anecdoten als archäologischen Merkwürdigkeiten war, benutzt, um Lord Nelson von den Abenteuern des vornehmen Porporato zu unterrichten.

Diese Mittheilungen bestanden in Folgendem und es ist wichtig, daß unsere Leser diesen Mann kennen lernen, welcher bestimmt ist, im Laufe der Ereignisse, welche wir zu erzählen haben, eine so bedeutende Rolle zu spielen.

Ein italienisches Sprichwort, welches die großen Familien verherrlichen und ihr geschichtliches Alter constatiren soll, sagt: »Die Apostel in Venedig, die Bourbonen in Frankreich, die Colonna in Rom, die San Severini in Neapel, die Ruffo in Calabrien.«

Der Cardinal Fabrizio Ruffo gehörte dieser berühmten Familie an.

Eine Ohrfeige, welche er als Knabe dem schönen Ange Braschi gegeben, welcher später unter dem Namen Pius der Sechste Papst ward, war der Ursprung seines Glückes.

Er war Neffe des Cardinals Tommaso Ruffo, Decan es heiligen Collegs. Eines Tages nahm Braschi, der damals päpstlicher Schatzmeister war, den kleinen Sohn eines Gönners auf die Knie und als der kleine Ruffo mit dem schönen blonden Haar des Schatzmeisters spielen wollte und dieser, indem er den Kopf fortwährend emporrichtete, ihm eine Marter bereitete, welche der des Tantalus glich, ersetzte der Knabe in dem Augenblick, wo Braschi den Kopf wieder zu ihm herabneigte, anstatt die Locken seines Haares zu fassen zu suchen, wie er bis jetzt gethan, ihm aus Leibeskräften eine schallende Ohrfeige.

Dreißig Jahre später fand Braschi, nachdem er Papst geworden, in dem Manne von vierunddreißig Jahren den Knaben wieder, der ihn geohrfeigt. Er erinnerte sich, daß dies der Neffe des Gönners war, dem er Alles zu verdanken hatte, und er machte ihn zu dem, was er in dem Augenblick, wo er jene Ohrfeige empfing, selbst gewesen, nämlich zum Schatzmeister des heiligen Stuhls, ein Amt, von welchem man blos zum Cardinal avanciert.

 

Fabrizio Ruffo führte das Schatzamt so gut, daß man nach Verlauf von drei oder vier Jahren ein Deficit von drei der vier Millionen entdeckte. Dies betrug also eine Million jährlich.

Pius der Sechste sah, daß er billiger wegkäme, wenn er Ruffo zum Cardinal machte, als wenn er ihn Schatzmeister bleiben ließe.

Demgemäß schickte er ihm den rothen Hut und ließ ihm die Schlüssel zum Schatzamte abverlangen.

Ruffo, der nun, anstatt Schatzmeister mit einer Million, Cardinal mit dreißigtausend Francs jährlich war, wollte nicht in Rom bleiben, um hier die Rolle eines ruinierten Mannes zu spielen.

Er ging daher nach Neapel und suchte, mit einem Empfehlungsbrief von Pius dem Sechsten versehen, um ein Amt bei dem König Ferdinand dem Vierten nach, dessen Unterthan er in seiner Eigenschaft als Calabrese war.

Ueber seine Fähigkeiten befragt, antwortete Ruffo, dieselben seien durchaus kriegerisch. Er habe Ancona befestigt und eine neue Methode zum Glühendmachen der Kugeln erfunden.

Deshalb verlangte oder wünschte er vielmehr einen Posten beim Kriegswesen oder bei der Marine.

Ruffo besaß eben nicht die Gabe, der Königin zu gefallen, und da es die Königin war, welche durch die Unterschrift ihres Günstlings Acton, des Premierministers, über die Anstellungen bei der Marine und beim Kriegswesen verfügte, so ward Ruffo selbst von untergeordneten Aemtern unerbittlich zurückgewiesen.

Der König ernannte nun aus Rücksicht auf den Empfehlungsbrief des Papstes den Cardinal zum Director seiner Seidenmanufacturen in San Leucio.

Ein wie seltsamer Posten dies auch für einen Cardinal war, besonders wenn man das Geheimniß ins Auge faßte, welches der Errichtung dieser Colonie zu Grunde lag, so nahm Ruffo denselben doch an.

Vor allen Dingen brauchte er Geld und der König hatte mit dem Titel des Directors der Colonie von San Leucio eine Abtei verbunden, welche zwanzigtausend Livres Renten eintrug.

Uebrigens war Ruffo sehr unterrichtet und selbst gelehrt, schön von Gesicht, noch jung, tapfer und stolz wie jene Prälaten aus der Zeit Heinrichs des Vierten und Ludwigs des Dreizehnten, welche in ihren freien Augenblicken die Messe lasen und die ganze übrige Zeit den Harnisch trugen und das Schwert handhabten.

Sir Williams Mittheilungen dauerten gerade so lange als das Te Deum des Monsignore Capece Zurio.

Als das Te Deum beendet war, stieg man wieder in die Wagen und begab sich an das äußerste Ende der Straße von Chiaja, wo, wie wir bereits erwähnt, der Palast der englischen Gesandtschaft, eines der schönsten und größten Gebäude in Neapel, stand und noch steht.

Um sich von der Kirche von Santa Clara zu entfernen, mußten eben so wie um dahin zu gelangen, die Wagen im Schritt fahren, so sehr waren die Straßen mit Menschen angefüllt.

Der an die geräuschvollen und leichten Demonstrationen des Südens nicht gewohnte Nelson war ganz berauscht von diesem hunderttausendstimmigen Rufe: »Es lebe Nelson, es lebe unser Befreier!« und förmlich geblendet von den Tüchern aller Farben, die von hunderttausend Armen geschwenkt wurden.

Etwas setzte ihn mitten unter der lärmenden Größe seines Triumphs aber doch ein wenig in Erstaunen.

Es war dies die Vertraulichkeit der Lazzaroni, welche auf die Tritte, auf den Vorder- und Hintersitz des königlichen Wagens stiegen, und ohne daß der Kutscher, die Lakaien oder der Läufer sich darum zu kümmern schienen, den König beim Zopfe oder an der Nase zupften.

Dabei nannten sie ihn »Gevatter Nasone,« hießen ihn Du und fragten, an welchem Tage er wieder in Mergellina seine Fische verkaufen oder in San Carlo Maccaroni speisen würde.

Es war dies ein gewaltiger Abstand gegen die steife Majestät, welche die Könige von England zur Schau trugen, und gegen die Ehrfurcht, welche man gegen sie an den Tag legte.

Ferdinand schien sich aber über diese Vertraulichkeit so sehr zu freuen, beantwortete die zum Theil sehr unfeinen Bemerkungen, die man an ihn richtete, in so heiterem Tone und versetzte denen, welche ihn zu stark zupften, so kräftige Püffe, daß, als man an dem Thor des Gesandtschaftshotels ankam, Nelson in diesem Austausch von Vertraulichkeiten blos die Freudenausbrüche von ihren Vater fanatisch liebenden Kindern und die Schwächen eines gegen seine Kinder allzu nachsichtigen Vaters sah.

Hier harrten seines Siegerstolzes neue Ueberraschungen.

Das Thor des Gesandtschaftshotels war in einen ungeheuren Triumphbogen verwandelt. Ueber demselben war das neue Wappen angebracht, welches der König von England dem Sieger von Abukir mit der Lordswürde zu gleich verliehen.

Zu beiden Seiten dieses Thores waren zwei vergoldete Masten gleich denen aufgepflanzt, die man an Festtagen auf der Piazzetta von Venedig errichtet, und von der Spitze dieser Masten flatterten lange rothe Wimpel mit den beiden Namen Horaz Nelson in goldenen Buchstaben, welche von dem Seewind entrollt und der Dankbarkeit des Volkes sichtbar gemacht wurden.

Die Treppe war ein Gewölbe von Lorbeeren und den seltensten Blumen, welche Nelsons Namenszug, das heißt in H und ein N, bildeten.

Die Livréeknöpfe der Lakaien, das Porzellangeschirr, Alles bis auf die Tischtücher der in der Gemäldegalerie hergerichteten ungeheuren Tafel von achtzig Couverts, Alles bis auf die Servietten der Gäste, war mit diesen beiden von einem Lorbeerkranz umgebenen Anfangsbuchstaben bezeichnet.

Eine Musik, welche sanft genug war, um die Conversation zu gestatten, ließ sich mit ungreifbaren Aromas gemischt hören. Der ungeheure Palast war, gleich dem bezaubernden Wohnsitze Armida‘s, erfüllt von schwebenden Wohlgerüchen und unsichtbaren Melodien.

Man erwartete, um sich zur Tafel zu setzen, nur noch die Ankunft zweier Würdenträger, des Erzbischofs Capece Zurio und des Cardinals Fabrizio Ruffo.

Kaum waren sie angelangt, als den Regeln der königlichen Etikette gemäß, welche verlangt, daß die Könige, wo sie auch sein mögen, in ihrer eigenen Behausung sind, gemeldet ward, daß die Tafel ihrer Majestäten serviert sei.

Nelson erhielt seinen Platz dem König gegenüber, zwischen der Königin Marie Caroline und Lady Hamilton, angewiesen.

Wie jener Apicius, der auch in Neapel wohnte, welchem Tiberius die Fische schickte, die er für sich selbst zu groß und zu theuer fand, und der sich, als er nur noch einige Millionen besaß, das Leben nahm, indem er erklärte, es lohne nicht mehr der Mühe, zu leben, wenn man ruiniert sei, hatte auch Sir William Hamilton, indem er die Wissenschaft unter den Befehl der Gastronomie stellte, die Erzeugnisse der ganzen Welt in Contribution gesetzt.

Tausende von Kerzen spiegelten sich in den Candelabern, in den Krystallen und verbreiteten in dieser Zaubergallerie ein blendenderes Licht, als jemals die Sonne in den heißesten Stunden des Tages und an den hellsten, durchsichtigsten Tagen des Sommers gethan.

Dieses auf den Goldstickereien und den Diamanten der Ordenskreuze spielende Licht schien die vornehmen Gäste mit jener Glorie zu umgeben, welche in den Augen sclavischer Völker aus den Königen, den Königinnen, den Prinzen, den Höflingen, mit einem Worte aus den Großen der Erde, ein Geschlecht von Halbgöttern und erhabenen bevorrechteten Wesen macht.

Bei jedem Gange ward ein Toast ausgebracht und der König Ferdinand gab selbst das Beispiel dazu, indem er den ersten Toast auf die glorreiche Regierung, das unumwölkte Gedeihen und das lange Leben seines vielgeliebten Vetters und erhabenen Verbündeten Georgs des Dritten, Königs von England, ausbrachte.

Die Königin hatte allem Herkommen zuwider die Gesundheit Nelsons, des Befreiers von Italien, ausgebracht.

Ihrem Beispiele folgend, trank Emma Lyonna auf die Gesundheit des Helden vom Nil und verwandelte dann, indem sie Nelson das Glas reichte, in welches sie ihre Lippen getaucht, den Wein in Feuer.

Jeder dieser Toaste ward mit einem donnernden Beifalle aufgenommen, von welchem der Saal erbebte.