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La San Felice

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Dreizehntes Capitel.
Die Diplomatie des Generale Championnet

Championnet lud den Major ein, zuerst in das Speisezimmer zu treten, und wies ihm zwischen dem General Eblé und sich selbst seinen Platz an.

Das Frühstück war, ohne das eines Sybariten zu sein, doch auch nicht gerade das eines Spartaners. Es hielt zwischen beiden die Mitte und, Dank dem päpstlichen Keller waren ganz besonders die Weine ausgezeichnet.

In dem Augenblick, wo man sich zu Tische setzte, dröhnte ein Kanonenschuß, dann ein zweiter, dann ein dritter.

Bei dem ersten Schusse stutzte der junge Mann, beim zweiten horchte er, beim dritten schien er wieder gleichgültig zu werden. Er that keine Frage.

»Hören Sie, Major?« sagte Championnet, als er sah, daß sein Gast nicht Miene machte, zu sprechen.

»Ja, ich höre, General, aber ich gestehe, daß ich nicht begreife.«

»Es ist die Lärmkanone.«

Fast gleichzeitig begann man Generalmarsch zu schlagen.

»Und dieser Trommelschall?« fragte der österreichische Officier lächelnd.

»Das ist der Generalmarsch.«

»Ich dachte es mir.«

»Zum Teufel, Sie können sich denken, daß nach einem solchen Brief, wie der General Mack mir die Ehre erzeigt hat, zu schreiben – Sie kennen wohl den Inhalt dieses Briefes?«

»Ich habe ihn ja selbst geschrieben«

»Sie schreiben eine sehr schöne Hand, Major.«

»Der General Mark hat ihn aber dictirt.«

»Dann hat der General Mack einen sehr schönen Styl.«

»Aber wie kommt es?« fuhr der junge Mann fort, als er hörte, daß noch mehr Kanonenschüsse gelöst wurden und der Generalmarsch fortwirbelte. »Ich habe Sie doch keinen Befehl geben hören. Ihre Trommeln und Ihre Kanonen haben mich wohl erkannt, oder sind dieselben behext?«

»Unsere Kanonen hätten allerdings sehr nöthig, es zu sein, denn Sie wissen oder Sie wissen nicht, daß wir deren nicht mehr als neun haben. Sie sehen, daß dies nicht viel ist, wenn es gilt, einem Artilleriepark von hundert Geschützen zu antworten. Soll ich Ihnen noch ein Kotelett vorlegen?«

»Wenn Sie die Güte haben wollen, General.«

»Nein, meine Kanonen schießen nicht von selbst und meine Trommeln schlagen sich nicht von selbst. Ich hatte vielmehr schon Befehl dazu gegeben, ehe ich die Ehre hatte, Sie zu sehen.«

»Dann waren Sie wohl von unserem Marsch unterrichtet?«

»O, ich habe wie Sokrates einen vertrauten Geist. Ich wußte, daß der König und der General Mack vor sechs Tagen, das heißt am vergangenen Montag, mit dreißigtausend Mann von San Germano, Micheroux mit zwölftausend von Aquila, und Damas mit zehntausend von Sessa abmarschiert sind, abgesehen von dem General Naselli und seinen achttausend Mann, welche, von dem berühmten Admiral Nelson escortirt, gegenwärtig in Livorno landen sollen, um uns den Rückzug nach Toscana abzuschneiden. O, er ist ein großer Stratege, dieser General Mack, das weiß ganz Europa. Da ich nun im Ganzen nur zwölftausend Mann habe, von welchen das Directorium mir jetzt auch noch dreitausend nimmt, um die Garnison von Korfu zu verstärken – Apropos,« unterbrach sich Championnet, zu Thiébaut gewendet, »haben Sie schon Befehl gegeben, daß diese dreitausend Mann nach Ancona marschieren, um dort eingeschifft zu werden?«

»Nein, mein General,« antwortete Thiébaut »denn da ich wußte, daß wir, wie Sie eben selbst sagten, im Ganzen nur zwölftausend Mann haben, so habe ich Anstand genommen, unsere Streitmacht noch um dreitausend Mann zu vermindern.«

»So,« sagte der General mit seiner gewöhnlichen heitern Ruhe lächelnd; »Sie haben vergessen, Thiébaut, daß die Spartaner nur dreihundert Mann zählten. Zum Sterben ist man immer genug. Vollziehen Sie daher meinen Befehl, und lassen Sie die Mannschaften augenblicklich abmarschieren.«

Thiébaut erhob sich und verließ das Zimmer.

»Nehmen Sie doch einen Flügel von diesem Huhne, Major,« sagte Championnet. »Sie essen nicht. Scipio, welcher gleichzeitig mein Intendant, mein Kammerdiener und mein Koch ist, wird glauben, seine Küche schmecke Ihnen nicht und er wird sich zu Tode härmen.«

Der junge Mann, welcher sich in der That unterbrochen hatte, um den General zu hören, begann wieder zu essen. Augenscheinlich aber beunruhigte ihn diese unerschütterliche Heiterkeit Championnet’s, welche er anfing für einen Fallstrick zu halten.

»Eblé,« fuhr der General fort, »sogleich nach dem Frühstücke und während wir mit dem Major die Garnison von Rom die Musterung passieren lassen, werden Sie sich bereit halten die Brücke von Tivoli über den Teverone und die Brücke von Borghetto über die Tiber sprengen zu lassen, sobald die französischen Truppen diese beiden Flüsse passiert haben werden.«

»Ja, mein General,« sagte Eblé einfach.

Der junge Mann sah Championnet an.

»Ein Glas von diesem Albaneser, Major,« sagte Championnet. »Er ist aus dem päpstlichen Keller und die Liebhaber finden ihn gut.«

»Dann, General,« sagte der Major, seinen Wein schlürfend, »dann verlassen Sie also Rom?«

»Sie sind ein zu erfahrener Kriegsmann, mein lieber Major,« antwortete Championnet, »nur nicht zu wissen, daß man eine im Jahre 274 von dem Kaiser Aurelian befestigte Stadt im Jahre 1799 unter dem Bürger Barras nicht vertheidigt. Wenn der General Mack mit den Pfeilen der Parther, den Schleudern der Balearen oder auch mit jenen gefürchteten fünfundsiebzig Fuß langen Mauerbrechern des Antonius zu mir käme, so würde ich es allenfalls riskieren, aber hundert Kanonen die Spitze bieten zu wollen, wäre Wahnsinn.«

Thiébaut trat wieder ein.

»Ihre Befehle sind vollzogen, General,« sagte er, Championnet dankte ihm durch eine Kopfbewegung.

»Dennoch,« fuhr er dann fort, »verlasse ich Rom nicht ganz. Thiébaut wird sich mit fünfhundert Mann in die Engelsburg einschließen, nicht wahr, Thiébaut?«

»Wenn Sie es befehlen, mein General, so geschieht es.«

»Und Sie werden sich unter keinem Vorwande ergeben.«

»Unter keinem Vorwande – darauf können Sie sich verlassen, General.«

»Sie werden selbst Ihre Leute wählen. Glauben Sie deren fünfhundert zu finden, welche bereit sind für die Ehre Frankreichs zu sterben? Es wird durchaus nicht schwer halten. Uebrigens marschieren wir heute ab. Ich bitte um Entschuldigung, Major, daß ich so in Ihrer Gegenwart von allen unsern kleinen Angelegenheiten spreche, aber Sie gehören ja zum Handwerke und wissen, was es zu bedeuten hat. Wir marschieren heute ab. Ich verlange, daß Sie sich nur zwanzig Tage halten, Thiébaut. Nach Verlauf von zwanzig Tagen bin ich wieder in Rom.«

»O genieren Sie sich nicht, mein General, sagen Sie zwanzig Tage, sagen Sie fünfundzwanzig, sagen Sie dreißig.«

»Ich brauche nicht mehr als zwanzig und gebe Ihnen obendrein mein Ehrenwort, Thiébaut, daß ich Sie befreie, ehe noch zwanzig Tage um sind. Eblé,« fuhr der General fort, »Sie werden sich mir in Civitià Castellane wieder anschließen. Dort werde ich mich contentriren. Die Position ist gut. Mittlerweile wird es gerathen sein, einige Außenwerke anzulegen. Sie entschuldigen doch, mein lieber Major, daß ich immer noch von solchen Dingen spreche?«

»Ich kann nur wiederholen, was soeben mein Camerad Thiébaut zu Ihnen sagte: Geniren Sie sich meinetwegen nicht.«

»Sie sehen, ich bin einer von den Spielern, welche die Karten auf den Tisch legen. Sie haben sechzigtausend Mann, hundert Kanonen, so viel Munition, daß Sie nicht wissen, was Sie damit machen sollen. Ich habe, dafern Joubert mir nicht die verlangten dreitausend Mann schickt – neuntausend Mann, fünfzehntausend Stück Geschützkugeln und zwei Millionen Patronen. Wenn man so im Nachtheil ist, begreifen Sie wohl, daß man seine Vorsichtsmaßregeln treffen muß.«

Da der junge Mann über dem Eifer des Zuhörens seinen Kaffee kalt werden ließ, fuhr Championnet fort:

»Trinken Sie doch Ihren Kaffee, so lange er heiß ist, Major. Scipio bildet sich auf seinen Kaffee nicht wenig ein, empfiehlt aber stets ihn kochend heiß zu trinken.«

»Der Kaffee ist vortrefflich,« sagte der Major.

»Nun dann trinken Sie Ihre Tasse aus, mein junger Freund, denn wenn es Ihnen recht ist, so wollen wir zu Pferde steigen, um die Garnison zu mustern, aus welcher gleichzeitig Thiébaut seine fünfhundert Mann wählen wird.«

Der Major trank seinen Kaffee bis auf den letzten Tropfen aus, erhob sich und gab, indem er sich verneigte, zu verstehen, daß er bereit sei.

Scipio näherte sich.

»Wie es scheint, brechen wir auf, mein General?« fragte er.

»Allerdings, mein lieber Scipio! Du weißt, bei unserm verteufelten Handwerk ist man seiner Sache nie sicher.«

»Dann, mein General, müssen die Koffer gepackt, die Bücher emballirt und die Karten und Pläne aufgewickelt werden.«

»Nein, nein. Laß Alles, wie es ist. Wir werden es bei unserer Rückkehr wiederfinden. Mein lieber Major,« fuhr Championnet fort, indem er seinen Säbel umschnallte, »ich glaube, der General Mack wird sehr wohl thun, wenn er in diesem Palast logiert. Er findet hier eine gute Bibliothek und vortreffliche Karten. Sie werden ihm meine Bücher und meine Pläne empfehlen, denn ich halte sehr viel auf dieselben. Ich leihe sie ihm, wie meinen ganzen Palast, und stelle Alles unter Ihre Obhut. Die Sache wird um so bequemer sein, als Ihnen gegenüber, wie Sie sehen, der unermeßliche Palast Farnese steht, wo aller Wahrscheinlichkeit nach der König logieren wird. Se. Majestät und der General können dann von den Fenstern aus einander telegraphieren.

»Wenn der General diesen Palast bewohnt,« antwortete der Major, »so kann ich Ihnen dafür stehen, daß Alles, was Ihnen gehört, ihm heilig sein wird.«

»Scipio,« sagte der General, »packe für mich eine Uniform und sechs Hemden in einen Mantelsack. Du kannst denselben gleich hinten am Sattel schnallen lassen. Wenn die Musterung vorüber ist, setzen wir uns sofort in Marsch.«

Fünf Minuten später waren Championnet’s Befehle ausgeführt und vier oder fünf Pferde erwarteten ihre Reiter am Thore des Palastes Corsini.

 

Der junge Major suchte mit den Augen das seinige, aber vergebens. Der Reitknecht des Generals brachte ihm ein schönes frisches Pferd mit Pistolen in den Holftern.

Er sah den General fragend an.

»Ihr Pferd war müde, Herr Major,« sagte Championnet. »Lassen Sie ihm Zeit auszuruhen. Man wird es Ihnen hier zurücklassen.«

Der Major verneigte sich dankend und schwang sich in den Sattel. Eblé und Thiébaut thaten dasselbe.

Eine kleine Escorte, unter welcher unser alter Freund, der Brigadier Martin, glänzte, der noch ganz stolz darauf war, den Weg von Itri nach Rom im Wagen eines Gesandten zurückgelegt zu haben, folgte dem General in kurzer Entfernung. Scipio, welcher noch mit häuslichen Angelegenheiten zu thun hatte, sollte später nachkommen.

Der Palast Corsini, in welchem, beiläufig gesagt, Christine von Schweden starb, steht auf dem rechten Ufer der Tiber. Der, welcher ihn bewohnt, kann, wenn er die Hand ausstreckt, auf der andern Seite der Via Lungara das von Raphael unsterblich gemachte anmuthige Bauwerk der Farnesina berühren.

Der kolossale Palast Farnese und das reizende Gebäude, das nur ein Anhängsel dazu ist, war es, aus welchem Ferdinand jene Meisterwerke des Alterthums und des Mittelalters hatte kommen lassen, welche wir ihn im Schlosse von Caserta dem jungen Bankier Andreas Backer haben zeigen sehen.

Der kleine Trupp ritt das rechte Tiberufer die Via Lungara hinauf, der Major Reischach links, der General Eblé rechts neben Championnet.

Der ein wenig dahinter reitende Oberst Thiébaut diente zwischen der Haupttruppe und der kleinen Escorte gewissermaßen als Bindestrich.

Man ritt eine Weile schweigend entlang, dann nahm Championnet das Wort.

»Das Wunderbare auf diesem römischen Boden,« sagte er, »ist, daß man, mag man den Fuß setzen, wohin man will, die Geschichte des Alterthums oder die des Mittelalters berührt. Sehen Sie,« setzte er hinzu, indem er eine Hand nach der der Tiber entgegengesetzten Richtung ausstreckte, »dort auf dem Gipfel jenes Hügels steht San Onofrio, wo Tasso starb. Das Fieber raffte ihn in dem Augenblicke hinweg, wo Clemens der Achte ihn nach Rom gerufen, um ihn hier feierlich krönen zu lassen. Zehn Jahre später ließ derselbe Clemens der Achte, der einzige Mann, welchen Sixtus der Fünfte, wie er erklärte, in Rom gefunden, hier zu unserer Rechten in das Gefängniß Savella die bekannte Beatrice Cenci einsperren. In diesem Gefängniß und am Tage vor ihrem Tode fertigte Guido Reni von ihr das schöne Porträt, welches Sie in vier oder fünf Tagen, wenn Sie in Rom eingezogen sein werden, im Palast Colonna sehen können. Auf dem der Engelsburg gegenüberliegenden Tiberufer werde ich Ihnen die Trümmer des Gefängnisses von Tordinone zeigen, wo Beatrix’s Brüder gefangen saßen. In Folge einer besonderen Gnade ward sie nur zur Enthauptung verurtheilt, während ihr Bruder Giacomo, ehe er nach dem Schaffot gebracht ward, an dessen Fuße er mit seiner Schwester zusammentreffen sollte, auf einem Karten in der ganzen Stadt herumgefahren ward, während der Henker ihm dabei mit glühenden Zangen das Fleisch von der Brust riß, und dies alles um den Tod eines Nichtswürdigen zu rächen, welcher zwei seiner Söhne umgebracht, eine Tochter geschändet und der selbst der rächenden Gerechtigkeit nur dadurch entrann, daß er seine Richter mit einem goldenen Regen überschwemmte. Einen Augenblick lang war Clemens der Achte geneigt, dieser Familie Cenci, deren einziges Verbrechen darin bestand, daß sie das Amt des Henkers verrichtet, wenigstens das Leben zu schenken; zum Unglück für Beatrice aber brachte zu derselben Zeit der Fürst von Santa Croce seine Mutter um, eine Art Messalina, welche durch ihre Liebschaften mit Lakaien den väterlichen Namen entehrte. Der Papst erschrak, in den Kindern mehr Moralität als in den Vätern, in den Mördern mehr Gerechtigkeit als in den Richtern zu finden und die Köpfe der beiden Brüder, der Schwester und der Schwiegermutter fielen alle auf einem und demselben Schaffot; von hier aus können Sie auf der andern Seite der Tiber den Platz sehen, wo man es aufgeschlagen hatte. Die Sage behauptet, Clemens der Achte habe der Hinrichtung von einem Fenster der Engelsburg aus beigewohnt, wohin er durch jene lange bedeckte Gallerie gelangt war, welche Sie zu unserer Linken sehen und die von Alexander dem Sechsten erbaut worden, welcher seinem Nachfolger im Falle einer Belagerung oder einer Revolution die Möglichkeit gewähren wollte, den Vatikan zu verlassen und sich in die Engelsburg zu flüchten. Er benutzte ihn selbst mehr als einmal, wie man versichert, um die Cardinäle zu besuchen, welche er in dem Grabmale Hadrians gefangen hielt.«

»Sie sind ein bewundernswürdiger Cicerone, General, und ich bedaure sehr, daß ich anstatt vier Stunden, wovon unglücklicherweise zwei schon verflossen sind, nicht wenigstens vier Tage bei Ihnen zuzubringen habe.«

»Vier Tage wären zu wenig für dieses wunderbare Land. Nach vier Tagen würden Sie vier Monate, nach vier Monaten vier Jahre verlangen. Ein ganzes Menschenleben würde nicht hinreichen, um die Register der Erinnerungen zu fertigen, welche die Stadt in sich schließt, die man mit Recht die ewige nennt. Sehen Sie jene Spuren, welche noch an beiden Seiten des Ufers haften. Dort war die Triumphbrücke, dort sind nach einander, aus dem Marstempel kommend, der da stand, wo gegenwärtig die Peterskirche steht, Paulus Aemilius, der Sieger über Perseus, Pompejus, der Besieger Tigran’s, des Königs von Armenien, des Artoces, Königs von Iberien, des Oroses, Königs von Albanien, des Darius, Königs von Medien, des Antiochus, Königs von Comagenes und der Seeräuber, vorüber gezogen. Er hatte tausend feste Schlösser, neunhundert Städte, achthundert Schiffe genommen und neun Städte gegründet oder wieder bevölkert. In Folge des Triumphes baute er mit seinem Antheil an der Beute jenen schönen Minerventempel, welcher den Platz der Septa Julia in der Nähe des Aquaducts der Virgo schmückte und auf dessen Vorderseite er in ehernen Buchstaben die Inschrift hatte anbringen lassen: »Pompejus der Große, Imperator, nachdem er einen dreißigjährigen Krieg beendet, zwölf Millionen hundertundachtzigtausend Menschen besiegt, in die Flucht geschlagen, getödtet oder gezwungen, sich zu ergeben, achthundertsechsundvierztg Schiffe in den Grund gebohrt oder genommen, eintausend fünfhundertachtunddreißig Städte oder Schlösser unterworfen und das ganze Land vom See Möris bis zum rothen Meer erobert, löst das Gelübde, welches er der Minerva gethan.« Und über dieselbe Brücke zogen nach ihm Julius Cäsar und Augustus Tiberius. Zum Glück ist sie eingestürzt.« fuhr der republicanische General mit wehmüthigem Lächeln fort, »denn sonst wären wir in unserm Stolze ebenfalls darübergezogen. Und wer sind wir, daß wir wagen sollten, in die Fußstapen solcher Männer treten zu wollen?«

Die Betrachtungen, welche sich Championnet aufdrängten, ließen ihm die Stimme auf den Lippen verlöschen und er bewahrte ein Schweigen, welches der junge Officier nicht zu unterbrechen wagte, von der Triumphbrücke an, welche er zu seiner Rechten ließ, bis zur Engelsbrücke, welche er dann betreten mußte, um auf das linke Tiberufer zu gelangen.

Mitten auf dieser Brücke jedoch fragte der Major, selbst auf die Gefahr hin, indiscret zu erscheinen:

»Ist das nicht das Grabmal Hadrians, welches wir hinter uns lassen?«

Championnet sah sich um, als ob er aus einem Traume erwachte.

»Ja,« sagte er. »und die Brücke, auf welcher wir uns jetzt befinden, ward ohne Zweifel erbaut, um ihn dahin zu führen. Bernin hat sie restauriert und seine gewöhnlichen Koketterien daran verschwendet. In dieses Monument wird Thiébaut sich einschließen und es wird dies nicht die erste Belagerung sein, welche es ausgehalten haben wird. Sehen Sie, hier ist der Platz, welchen Sie von Weitem gesehen, und auf welchem Beatrice und ihre Familie enthauptet wurden. Wenn wir uns noch weiter links halten, so können wir den Platz des Tardinone selbst berühren. Auf dem kleinen Platze, wo wir jetzt anlangen, steht die Herberge »zum Bären« mit noch demselben Aushängeschild, welches sie zu der Zeit hatte, wo Montaigne, jener große Skeptiker, hier wohnte, dessen Wahlspruch aus den drei Worten: »Was weiß ich?« bestand. Es war dies nach sechstausend Jahren das letzte Wort des Menschengeistes, in abermals sechstausend Jahren kommt ein anderer Skeptiker, welcher sagen wird: »Vielleicht.«

»Und Sie, mein General,« fragte der Major, »was sagen Sie?«

»Ich sage, daß diese Regierung die letzte ist – sehen Sie einmal links; – ich meine die Regierung, welche beinahe im Herzen einer Stadt solche Wüsten entstehen läßt. Alle diese Sümpfe, in welchen acht Monate des Jahres hindurch die Malaria wohnt, gehören dem König, dem sie dienen. Es ist das Erbtheil der Farnese. Paul der Dritte ahnte, als er diese umfangreichen Strecken seinem Sohn, dem Herzog von Parma, vermachte, nicht, daß er ihm das Fieber vererbte. Sagen Sie daher Ihrem König Ferdinand, daß er nicht blos ein frommer Erbe, sondern auch ein frommer Christ sein würde, wenn er diese Fluren trockenlegen und anbauen ließe, die ihn dann durch reichliche Ernten dafür belohnen würden. Eine hier gebaute Brücke würde einem neuen Stadttheil genügen. Die Stadt würde den Fluß überschreiten, Häuser würden sich in diesem ganzen leeren Raume von der Engelsburg bis zum Volksplatze erheben und das Leben würde den Tod davon verscheuchen. Dazu aber bedürfte es einer Regierung, welche sich mit dem Wohlbefinden ihrer Unterthanen beschäftigte. Es bedürfte dazu jener großen Wohlthat, welche Sie, obschon ein unterrichteter und intelligenter Mann, bekämpfen wollen, es bedürfte der Freiheit. Und sie wird auch eines Tages kommen, nicht zeitweilig und zufällig, wie die, welche wir bringen, sondern die unsterbliche Tochter des Fortschrittes und der Zeit. Hier ist das Gäßchen, in welchem die St. Hieronymuskirche steht, aus welcher eines Morgens vier Männer zu Fuße und ein Reiter kamen. Der Reiter trug über die Croupe seines Pferdes hinweg einen Leichnam, dessen Füße auf der einen und dessen Kopf auf der andern Seite herabhingen.«

»Sehet ihr nichts?« fragte der Reiter.

»Zwei der Fußgänger schauten nach der Seite der Engelsburg, zwei nach der Seite des Volksplatzes.«

»Nein, wir sehen nichts,« sagten sie.

»Nun ritt der Reiter bis an den Rand des Flusses und drehte sein Pferd so herum, daß die Croupe dem Wasser sich zukehrte. Zwei der andern Männer faßten nun den Leichnam, der eine beim Kopfe, der andere bei den Füßen, schwenkten ihn dreimal hin und her und schleuderten ihn dann weit in den Fluß hinein.«

»Bei dem Geräusch, welches der Leichnam beim Hineinstürzen ins Wasser machte,« fragte der Reiter:

»Ist’s geschehen?«

»Ja, gnädiger Herr,« antworteten die Männer.

»Der Reiter drehte sich herum.

»Und was schwimmt auf dem Wasser?« fragte er.

»Gnädiger Herr,« antwortete einer der Männer, »es ist sein Mantel.«

»Ein anderer hob Steine auf, lief flußabwärts das Ufer entlang und warf Steine in den Mantel, bis derselbe verschwand.

»Alles geht gut,« sagte nun der Reiter. Und ergab den Männern eine Börse, setzte sein Pferd in Galopp und verschwand.

»Der Todte war der Herzog von Candia, der Reiter war Cäsar Borgia. Eifersüchtig auf seine Schwester Lucretia, hatte Cäsar Borgia so eben seinen Bruder, den Herzog von Candia, umgebracht. – Zum Glück,« fuhr Championnet fort, »sind wir nun zur Stelle. Der Zufall, lieber Freund, der Rächer der Könige und anderen Herrscher, hatte Ihnen diese Geschichte bis zuletzt aufgehoben. Es war, wie Sie sehen, nicht die am wenigsten interessante.«

In der That kam jetzt der Trupp, dem wir von dem Palast Corsini bis an das äußerste Ende von Ripetta gefolgt sind, auf den sogenannten Volksplatz heraus, wo die Garnison von Rom in Schlachtordnung aufgestellt stand. Diese Garnison bestand aus ziemlich dreitausend Mann – zwei Dritteln Franzosen und einem Drittel Polen.

Als man den General erblickte, riefen dreitausend Stimmen wie aus einem Munde:

»Es lebe die Republik!«

Der General ritt bis in die Mitte der ersten Reihe und gab zu verstehen, daß er sprechen wolle. Das Geschrei verstummte.

»Meine Freunde,« sagte der General, »ich sehe mich genöthigt, Rom zu verlassen, aber ich gebe es nicht auf. Ich lasse den Oberst Thiébaut zurück. Er wird die Engelsburg mit fünfhundert Mann besetzen. Ich habe mein Wort gegeben, binnen zwanzig Tagen wiederzukommen, und ihn zu befreien. Macht Ihr Euch mit mir hier verbindlich?«

»Ja! Ja!l ja!« riefen dreitausend Stimmen.

»Auf eure Ehre?« fragte Championnet.

»Ja, auf unsere Ehre!« wiederholten die dreitausend Stimmen.

»Nun,« fuhr Championnet fort, »dann wählt aus eurer Mitte fünfhundert Mann, welche bereit sind, sich lieber unter den Trümmern der Engelsburg zu begraben, als sich zu ergeben.«

 

»Alle! alle! Wir sind alle dazu bereit!« riefen die Soldaten.

»Sergeanten,« sagte Championnet, »tretet vor und wählet von jeder Compagnie fünfzehn Mann.«

Binnen zehn Minuten standen vierhundert achtzig Mann ausgewählt beisammen.

»Freunde,« sagte Championnet zu ihnen, »Ihr werdet die Fahnen der beiden Regimenter behalten und wir werden dieselben wieder in Empfang nehmen. Die Fahnenträger haben sich daher in die Reihen der für die Engelsburg bestimmten Mannschaften zu begeben.«

Die Fahnenträger gehorchten unter dem jubelnden Rufe: »Es lebe Championnet! Es lebe die Republik!«

»Oberst Thiébaut,« fuhr Championnet fort, »schwören Sie und lassen Sie auch Ihre Leute schwören, daß Sie sich lieber bis auf den letzten Mann tödten lassen, als sich ergeben wollen.«

Alle streckten die Hände empor und riefen:

»Wir schwören!«

Championnet näherte sich seinem Adjutanten.

»Umarmen Sie mich, Thiébaut,« sagte er zu ihm. »Wenn ich einen Sohn hätte, so würde ich diesem die glorreiche Mission übertragen, welche ich Ihnen anvertraue.«

Der General und sein Adjutant umarmten einander unter dem Hurrah- und Vivatgeschrei der Garnison.

Auf der St. Marienkirche schlug es zwei Uhr.

»Major,« sagte Championnet zu dem jungen Oesterreicher, »die vier Stunden sind um, und zu meinem großen Bedauern habe ich nicht mehr das Recht, Sie zurückzuhalten.«

Der Major warf einen Blick in der Richtung von Ripetta.

»Warten Sie auf etwas?« fragte ihn Championnet.

»Ich sitze auf einem Ihrer Pferde, General.«

»Ich hoffe, daß Sie mir die Ehre erzeigen werden, es zu behalten – zur Erinnerung an die nur zu kurzen Augenblicke, die wir mit einander verlebt.«

»Das Geschenk, welches Sie mir machen,« nicht annehmen, oder auch nur zögern es anzunehmen, hieße sich weniger artig zeigen, als Sie, mein General. Ich sage Ihnen daher meinen innigen Dank.«

Der Major legte die Hand auf die Brust und verneigte sich.

»Und welche Antwort soll ich dem General Mark bringen?« fragte er dann.

»Berichten Sie ihm, was Sie gesehen und gehört haben, und setzen Sie hinzu, daß an dem Tage, wo ich Paris verließ und von den Mitgliedern des Directoriums Abschied nahm, der Bürger Barras mir die Hand auf die Schulter legte und sagte: »Wenn der Krieg zum Ausbrach kommt, so sollen Sie zur Belohnung fürs Ihre Dienste der erste der republikanischen Generale sein, welcher von der Republik beauftragt wird, einen König zu entthronen.«

»Und was antworteten Sie darauf?«

»Ich antwortete darauf: Die Absichten der Republik werden ausgeführt werden, darauf gebe ich mein Wort, und im ich mein Ehrenwort niemals gebrochen, so sagen Sie dem Könige Ferdinand, er solle sich so gut als möglich halten.«

»Ich werde es ihm sagen, General,« entgegnete der junge Mann, »denn mit einem Anführer wie Sie und Soldaten wie diese ist Alles möglich. Und nun haben Sie die Güte, mir bin Weg zeigen zu lassen.«

»Brigadier Martin,« sagte Championnet, »nehmen Sie vier Mann und geleiten Sie den Herrn Major bis an das Thor San Giovanni. Auf der Straße von Storta werden Sie sich uns dann wieder anschließen.«

Die beiden Männer begrüßten einander zum letzten Mal. Der von dem Brigadier Martin geführte und von dessen vier Dragonern escortirte Major ritt in scharfem Trabe in die Via del Babuino hinein. Der Oberst Thiébaut und seine fünfhundert Mann marschierten über Ripetta in die Engelsburg, in welche sie sich einschlossen, und die übrige Garnison zog mit Championnet und seinem Generalstabe an der Spitze durch das Thor del Popolo mit klingendem Spiele zur Stadt hinaus.