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Jacquot Ohnohr

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Zum Unglück ließ ich bei der ersten Jagd, die ich leitete, den Fuchs entkommen und konnte die Hunde nicht wieder auf die Fährte bringen. Der Fürst wurde wüthend und geneigte, mir auf der Stelle eine väterliche Züchtigung von fünfzig Knutenhieben zuzutheilen; als wir dann ins Schloß zurückkehrten, schickte er mich in den Marstall, wo man mir noch hundert Ruthenhiebe zuzählte; darauf erklärte er, ich wäre zu Nichts zu gebrauchen, als die Schweine zu hüten, und in dieser Absicht schickte er mich auf eine seiner Besitzungen und verbannte mich aus dem fürstlichen Hause.

Fünf Jahre später geneigte er mir ein Wohlwollen wieder zu schenken. Die Sache geschah auf folgende Weise.

Eines Morgens ging der Fürst bei Tagesanbruch auf die Jagd. Es fror und schon bedeckte sich die Wolga mit einer leichten Eislage, doch war sie noch so schwach, daß man sie leicht mit einem Fersenstoß zerbrechen konnte. Es war eine Treibjagd, und man schoß mehr als hundert Stück Wild, sowohl Füchse als Hasen. Darauf machte er auf der Hochebene von Niskevo, die sich plötzlich gegen die Wolga absenkt, Halt. Der Fürst Alexis, schon sehr zufrieden mit der Jagd, wollte sich noch ein wenig mehr belustigen. Anfangs setzte er sich auf ein Faß Wodky und nachdem er vorher ein großes Glas von dem Getränk getrunken, hatte er die Gnade, allen mit eigener Hand davon anzubieten. Darauf wollte er seinen Gästen ein Zeichen von seiner guten Laune geben und befahl seinen Jägern, einen Rejak auszuführen, welche Belustigung in unseren Tagen wenig mehr vorkommt.

Ich wußte in der That selber nicht, was der Rejak war und befragte Jacquot Ohnohr darüber.

O! es war eine der anmuthigsten Unterhaltungen, antwortete mir Jacquot Ohnohr. Man mußte von dem Gipfel des Berges, der auf die Wolga hinausging, mit dem Kopf voran in den Fluß stürzen, die Eisrinde durchbrechen, sich untertauchen und an einem mehr oder weniger entfernten Orte wieder hervorkommen.

Es war die Lieblingsunterhaltung des verstorbenen Fürsten Alexis; aber diesmal ereignete es sich, daß Niemand gewandt genug war, die Belustigung des Rejak zu einer Zufriedenheit auszuführen.

Der Eine fiel der Länge nach auf den Fluß und durchbrach das Eis nicht, da er eine zu große Oberfläche bildete; dieser erhielt sogleich fünfzehn Knutenhiebe auf den Rücken, weil er flach auf den Bauch gefallen, während es sich darum handelte, mit dem Kopfe voran das Eis zu durchbrechen. Ein Anderer brach sich den Hals auf einem Vorsprunge des steilen Ufers, ehe er den Fluß erreichte; und drei andere Dummköpfe, die sehr gut untergetaucht waren und das Eis von oben nach unten durchbrochen hatten, wußten es nicht von unten nach oben zu durchbrechen und blieben bei den Fischen zurück.

Der Fürst gerieth hierauf in einen heftigen Zorn, nahm seine Peitsche und rief:

»Ah! Ihr Schurken! unterhaltet Ihr mich so? Ei, ich will Euch peitschen lassen, bis Ihr schwarz werdet.«

Aber er besann sich eines Bessern; als er sah, daß seine Stallknechte und Stallmeister das Experiment nicht machen konnten, wendete er sich an die niederen Adeligen, seine Tischgenossen.

»Nun,« sagte er, »versucht es auch, Ihr Anderen, und zeigt ihnen, daß Edelleute geschickter sind, als Muschiks.«

Aber mit diesen ging es noch viel schlimmer. Einem einzigen gelang es, das Eis auf passende Art zu durchbrechen und er stürzte mit dem Kopfe voran hinein; aber einmal unter dem Eise, fürchtete er ohne Zweifel, daß man ihn zwingen würde, das Kunststück noch einmal zu machen, und er spielte dem Fürsten den Possen, nicht wieder heraufzukommen.

Da überwand die Scham den Zorn bei dem Fürsten Alexis, und in Thränen ausbrechend, wie ein Kind, sagte er:

»Es scheint, als wenn meine letzten Tage gekommen wären, da kein einziger Mann um mich ist, der tapfer und geschickt genug wäre, den Rejak auf passende Weise auszuführen. Ihr seid alle eine Schaar alter Weiber! – O!« fügte er hinzu, »mein armer Jacquot Ohnohr, wo bist Du?« —

Dann wendete er sich zu denen, die ihn umgaben.

»Das war ein wackerer Kerl, und er führte den Rejak dreimal hinter einander aus. Wo ist er? Wo ist er? Führt ihn her!«

Man näherte sich furchtsam dem Fürsten und sagte zu ihm:

»Kleiner Vater Alexis, erinnerst Du Dich nicht mehr, daß Du geneigt hat, ihn zu verbannen, weil er bei Dir in Ungnade gefallen war?«

»Und hätte er das Grab meiner Mutter angespuckt, so soll er doch kommen und ich werde ihm verzeihen.«

Darauf eilten zwei oder drei Männer zu Pferde fort und kamen im Galopp, um mich abzuholen.

Ich bestieg eines von den Pferden und eine Viertelstunde später war ich bei dem Fürsten.

Wenn ich es zugegeben hätte, glaube ich, würde mich der hohe Herr umarmt haben.

Er wollte mir die Sache erklären; da aber keine Zeit zu verlieren war, indem bei der zunehmenden Kälte das Eis jede Minute eine Linie stärker wurde, so sagte ich zu ihm:

»Ich weiß es, mein Fürst, ich weiß es.«

Und ich stürzte mich von der Höhe des Ufers herunter, durchbrach das Eis mit meinem Kopfe und erschien zwanzig Schritte davon wieder.

Noch war keine Viertelstunde vergangen, als ich das Experiment zur großen Genugthuung des Fürsten und zum außerordentlichen Erstaunen der Zuschauer dreimal erneuert hatte.

Ich wollte zum vierten Mal beginnen, obgleich mein Kopf blutig war, aber der Fürst rief mir zu:

»Es ist gut, es ist gut; genug für heute; ich gebe Dir meine Gunst wieder und mache Dich zum Oberaufseher der Meute der Windhunde.«

Und überdies hatte er die Gnade, mir ein Geschenk von fünfundzwanzig Rubel zu machen, ertheilte mir den Befehl, ihm auf allen seinen Jagden zu folgen, gab mir feine Livrée, ernannte mich einige Zeit darauf zum Oberaufseher aller seiner Meuten und verheirathete mich mit einer Kammerfrau.

Von der Zeit an blieb ich immer in seiner Gunst und kann mich rühmen, sein bevorzugter Diener gewesen zu sein.

Im folgenden Jahre hatte ich Gelegenheit, dem verstorbenen Fürsten einen großen Dienst zu leisten, welcher Dienst mich vollends in seiner Gunst befestigte.

Zwanzig Wert von Niskevo, auf der anderen Seite des Waldes von Undol, liegt das Dorf Zabor.

Dort wohnte zu jener Zeit ein ehemaliger Korporal, Namens Solmime. Er war wegen seines Alters und einiger Wunden, die er im Jahre 1799 unter Suwarow erhalten hatte, vom Dienste befreit worden.

Er wohnte in Zabor mit einer jungen Frau, die er aus Litthauen mitgebracht hatte, und die so schön war, daß man sagte, man fände in ganz Rußland, weder in Groß— noch in Klein— Rußland, nicht ihres Gleichen.

Da nun der Fürst Alexis ein so feiner Kenner der Frauen, wie der Pferde und Hunde war, so zog die Frau des Korporal Solmime natürlich eine erhabenen Blicke auf sich.

Er wollte sie zuerst unter irgend einem anständigen und einleuchtenden Vorwande auf das Schloß Grubenski bringen; aber sie verweigerte es ohne Umschweife, und ihr Mann wurde aufgebracht und drohte schwörend, sich entweder bei unserem kleinen Vater, dem Kaiser, über die Beleidigung zu beklagen, die man ihm bereite, oder, was noch kürzer wäre, den Fürsten mit eigener Hand zu tödten.

Eines Tages – es war im Sommer, wie ich mich erinnere – gingen wir, in dem Walde von Undol zu jagen, und nachdem wir ein Dutzend Füchse erlegt hatten, machten wir in der Nähe von Zabor Halt.

Der Fürst war traurig und hielt sich abgesondert; weder der Anblick des Wildes, welches auf dem Rasen lag, noch auch die fünf oder sechs Gläser Wodky, die er zu trinken so gnädig war, konnten die Verstimmung verbannen, die sich seiner bemächtigt hatte. Er richtete so glühende Augen auf das Dorf Zabor, daß man hätte glauben sollen, daß er es anzünden wolle.

»Was liegt mir an Eurem Wild?« sagte er endlich, indem er sich zu uns wendete. »Es ist nicht dieses Wild, welches ich will – ah! was würde ich nicht dem von Euch geben, der mir das Reh bringt, welches sich dort in jenem Dorfe verbirgt!«

Und mit verzweifelter Miene deutete der arme Fürst auf Zabor.

Kaum hatte ich ihn diesen Wunsch aussprechen hören, als ich aufs Pferd sprang und ihm die Sporen in die Seiten stieß.

Vor Solmimes Hause angekommen, sah ich über eine Hecke seine Frau, die in seinen Garten ging und Himbeeren pflückte. Die Hecke mit einem Satze zu überspringen, die Schöne zu umfassen und sie vor mich auf den Sattel zu setzen, war die Sache eines Augenblicks. Ich erreichte im schnellsten Galopp den Ort, wo der Fürst sich befand, und setzte die Frau zu seinen Füßen nieder, nach welcher er zu seufzen geneigte.

»Und nun habe ich Eurer Gnaden Wunsch erfüllt,« sagte ich; »ich wollte Ihnen zeigen, daß ich ein ergebener Diener sei.«

Plötzlich sahen wir den Mann herbei eilen; er war so wüthend, daß er, von seinem Zorn verblendet, den Fürsten beinahe unter die Füße eines Pferdes getreten hätte.

Ich kann nicht genau sagen, wie die Sache vor sich ging. Ich erinnere mich nur, daß der Kampf hitzig war, und daß der Korporal auf dem Platze blieb. Die schöne kleine Litthauerin lebte von jetzt an in Grubenski in einem abgelegenen Pavillon, aus welchem sie drei Jahre später hervorkam, um sich scheeren zu lassen und als Nonne in das Kloster von Zimorag einzutreten. Der Fürst Alexis, der immer eine offene Hand hatte, beschenkte das Kloster reichlich, ließ dort eine Kirche bauen und fügte als Geschenk hundert Morgen Landes hinzu.

Diese Litthauerin war eine vortreffliche Frau: der Herr gebe ihr ihren Antheil an seinem himmlischen Reiche! So lange sie in dem Schlosse wohnte, wußte sie immer den Zorn des Fürsten zu besänftigen. Sobald sie ihn in Wuth gerathen sah gegen irgend einen seiner Muschiks, wußte sie zur rechten Zeit einzuschreiten und auf so wirksame Weise, daß sie mehr als einen Schuldigen von der Prügelstrafe rettete, die einer wartete. Auch als sie starb, waren viele Leute, die für sie beteten.

Ich kündigte dem Fürsten diesen Tod an, und er würde gewiß sehr davon gerührt gewesen sein, wenn ich ihm nicht zu gleicher Zeit den Tod Arabkas, seiner Lieblingshündin, anzuzeigen gehabt hätte.

 

Es war das zweite Mal, daß man den Fürsten weinen sah.

»Ach! meine arme Arabka!« sagte er zu mir; »ich erkannte ihre Stimme unter tausend Hunden, und wenn sie in der Nacht heulte – erinnerst Du Dich, mein armer Jacquot, daß ich Dich aufwecken und Dir sagen ließ: Jacquot, Arabka beklagt sich; geh' und sieh, ob diesem lieben kleinen Thiere nicht. Etwas fehlt!«

Und so war es.

Als der Fürst Arabka begraben ließ, zwang er den Pope, die Todtenmesse bei ihr zu halten, und errichtete ihr ein hübsches kleines Grab, wovon man noch die Ruinen im Park sieht.

III.
Die Messe von Makarieff

Du mußt wissen, mein lieber Iwan Andreowitsch, fuhr Jacquot Ohnohr fort, daß ehemals in Makarieff eine prächtige Messe war, die seitdem durch den Willen unseres Vaters, des Czaren, nach Nichney-Nowgorod verlegt wurde, und daß zu dieser Messe nicht nur die Leute in der Umgegend, sondern auch die Kaufleute aus den umliegenden Ländern und selbst aus den entferntesten Theilen der Erde kamen: die Chinesen brachten dorthin ihren Thee, die Kalmucken und die Tartaren ihre Thiere, die Perser ihre Teppiche und ihre Türkisen, so daß man, wenn der Zusammenfluß am stärksten war, wohl rechnen konnte, daß sich drei- bis vierhundert-tausend Menschen in Makarieff befanden.

Um die gute Ordnung zu erhalten, kamen von Nichney, von Kasan und selbst von Saratow Commissaire mit Dragonerregimentern hierher; indessen hatte der Fürst alles Ansehen und alle Macht.

Die Messe wurde am neunten Freitag nach Pfingsten eröffnet. Vom frühen Morgen an war. Alles in Bewegung wie in einem Ameisenhaufen; jeder zeigte sich in feinen festlichen Kleidern, puderte sich und erschien zu Pferde oder im Wagen. Wenn Alles bereit war, kam ein Unterintendant – dieses Amt war gewöhnlich einem ruinierten kleinen Edelmann anvertraut – und begab sich geradeswegs zu dem Fürsten, um ihn zu benachrichtigen, daß es Zeit sei, die Messe zu eröffnen; der Fürst ließ uns dann den Befehl mittheilen, uns alle in Ordnung zu stellen, und wenn man ihm sagte, daß wir seine Befehle erwarteten, erschien er auf der Freitreppe in Galakleidung, die in einem rothen Rocke mit Gold gestickt, in einer Weste von glaciertem Brocat mit silbernen Knöpfen, in einer gepuderten Perrücke, in einem dreieckigen Hute, in kurzen Beinkleidern und einem Degen an der Seite bestand. Außer uns folgten ihm hundert kleine Edelleute von seiner Bekanntschaft und Pagen, alle in Seide gekleidet, und Perrücken auf den Köpfen. Die Fürstin Marfa Petrowna, in einem Kleide à la Pompadour, reich mit Silber gestickt, mit carmoisinrothen Bordüren, die Haare zurückgeschlagen und gepudert, der Hals und die Schultern im eigentlichen Sinne mit Edelsteinen bedeckt, erschien auf dem Perron, von ihren Frauen begleitet, alle in seidenen Gewändern und gepudert und mit den Gesellschafterinnen, alle wie Prinzessinnen gekleidet.

Man muß hier sagen, was die Gesellschafterinnen waren: es war eine Vereinigung der hübschesten Sclavinnen des Fürsten, die einen Harem bildeten, wie der eines Großsultans; wenn ein Bauernmädchen die Maitresse des Fürsten gewesen, war ihre Zukunft gesichert; sie erhielt eine Mitgift von tausend Rubel, um entweder einen von uns zu heirathen oder in ein Kloster einzutreten; wenn sie lieber bei ihren Gefährtinnen im Schlosse bleiben wollte, so blieb sie dort; aber in dem Falle wurde sie der Aufsicht von zwei alten Weibern unterworfen, wovon die eine Vafilika und die andere Uliaschka hieß: es waren in Hinsicht der Häßlichkeit zwei entsetzliche Vogelscheuchen, und in Betreff der Stärke konnten sie mit den kräftigsten unter uns kämpfen. Wenn irgend eine Strafe im Harem auszutheilen war, konnte man sich hinsichtlich des Schlagens auf sie verlassen: sie theilten diese Ruthenhiebe mit dem vollen Hasse aus, den die Häßlichen gegen die Schönen, die Alten gegen die Jungen hegen.

Hinter den Gesellschafterinnen befanden sich die Dienerinnen, mit goldgestickten kurzen Röcken und kleinen Mützen von Marderfellen bekleidet.

»Vorwärts!« sagte der Fürst.

Und der Zug setzte sich in Bewegung.

Fünfzig Reiter eröffneten den Marsch: ihr Kostüm bestand aus einer Tunica von rothem Tuch, einem himmelblauen Pantalon mit silbernen Streifen und einem silbernen Gürtel, gelben Stiefeln, gepuderten Perrücken und gelben Mützen mit Federn von demselben Roth wie die Tunica.

Hinter den Reitern kamen die Compagnien der Jäger, der Meutenführer, der Stallmeister, der Hundeaufseher; dies Alles war in drei Schwadronen getheilt: die ersten trugen rothe Röcke und ritten braune Pferde; die zweiten trugen grüne Röcke und saßen auf hellbraunen Pferden; die dritten endlich trugen blaue Röcke und ritten graue Pferde.

Dann kamen die Stallknechte in himbeerfarbigen Röcken mit gelben Mützen, mit Federn von derselben Farbe, wie die Röcke, verziert, goldene Schärpen tragend, mit einem silbernen Horn darauf gestickt.

Endlich nach den Stallknechten kamen die Angesessenen und die Bekannten von dem niederen Adel, auf den Pferden des Fürsten reitend, jeder nach seinen Mitteln, aber immer so gut wie möglich gekleidet.

Dann kam in geringer Entfernung der Fürst Alexis in einer ganz vergoldeten Carrosse, von sechs weißen Pferden gezogen, deren Schweife und Mähnen schwarz gefärbt waren; hinter der Kutsche fanden vier Heiducken; sechs Läufer folgten zu Fuß mit ihren Federhüten, ihren weißen Beinkleidern, ihren seidenen Schuhen und ihren silbernen Stäben.

Dann kamen die Neger in langen Röcken von dunkelrothem Atlas mit goldenen Gürteln, und sie hatten eine silberne Kette um den Hals und eine rothe Mütze auf dem Kopfe.

Nach ihnen näherte sich die Fürstin Marfa in einer anderen Carrosse, nicht weniger reich, als die erstere, und von Pferden gezogen, nicht weniger schön, als die des Fürsten; um diese Carrosse sprangen ein Dutzend Läufer in Gewändern von Roth und Gold, und alles Uebrige des Kostüms war Weiß und Silber; sie trugen große gepuderte Perrücken und hielten ihre Mützen in den Händen, die nicht für ihre Köpfe paßten.

Der Fürstin folgten einige vierzig vierspännige Wagen; diese vierzig Wagen enthielten die Frauen des Gefolges der Fürstin, und hinter jedem dieser Wagen fanden zwei Lakaien in gelber Tunica.

Am Ufer des Flusses angekommen, fuhren alle auf Fähren hinüber, die alle zum Voraus eingerichtet und mit rothen Sammet geschmückt waren, worauf die Pferde stampften, wie auf dem Rasen, und die Wagen fort rollten, wie über ein Pflaster; dann landete man am anderen Ufer; man begab sich in das Kloster, man hörte dort die Messe, man hielt eine Procession um die Kirche und begab sich dann auf das Feld, wo die Messe gehalten wurde, um die Fahnen der verschiedenen Corporationen zu weihen. Mit eigenen Händen überreichte der Fürst dem Archimandriten die Fahne der Stadt; darauf spielte die Musik, die Musketen wurden abgefeuert und die Artillerie donnerte.

Der Archimandrit sprengte einige Tropfen Weihwasser auf die Fahne, der Fürst hißte sie auf die Spitze des Mastes und dann ertönte bei dem Donner der Kanonen und dem Gewehrfeuer ein unermeßliches Hurrah, von dreihunderttausend Stimmen ausgestoßen.

All' dieser Lärm bedeutete, daß die Messe eröffnet und daß es von diesem Augenblick an erlaubt sei, zu verkaufen. Wenn irgend ein unvorsichtiger Kaufmann es sich hätte einfallen lassen, vor diesem herkömmlichen Signal seine Bude zu öffnen, so würde der Fürst Alexis nicht verfehlt haben, ihn tüchtig auspeitschen und alle seine Waaren ins Wasser oder ins Feuer werfen zu lassen.

Der Fürst begab sich hierauf mit einem Gefolge zu dem Archimandriten, der ihn zur Mittagstafel einlud, während die Bewohner von Makarieff und den umliegenden Dörfern sich in Masse auf einen großen Platz in der Nähe der Messe begaben, wo Tische zu einem großen Bankett aufgestellt waren.

Der Fürst gab an diesem Tage in der That fünf bis sechstausend Gästen ein Bankett; dreihundert Fässer Wein und hundert Fässer Branntewein wurden dem Volke zur Verfügung gestellt, welches weiter Nichts zu thun hatte, als zu trinken und zu essen so viel es wollte; auch trank und aß man so viel, daß es ein schlechtes Jahr war, wenn nicht wenigstens fünfzig Trunkenbolde auf dem Platze blieben. An diesem Tage hatte Niemand das Recht, einen Trunkenbold zu beunruhigen, welchen Ort er auch gewählt haben mochte, um seinen Rausch auszuschlafen. Wenn er quer im Wege vor dem Wagen lag, mußte man ihm ausweichen, auf die Gefahr, mit dem Wagen in den Graben zu werfen; die Fußgänger schritten über diesen würdigen Sohn des Noah hinweg; aber es war jedem verboten, ihn nur mit dem Finger anzurühren, und dieses Verbot galt für jeden, welches auch ein Rang war, und um ein gutes Beispiel zu geben, befolgte es der Fürst zuerst.

Am folgenden Tage gab der Fürst ein Fest im Schlosse Grubenski; er lud dazu alle großen Herren aus der Nachbarschaft ein, die sich alle mit zahlreichem Gefolge dorthin begaben; die vorzüglichsten Kaufleute der Stadt, so wie die, welche aus der Fremde gekommen waren, wurden gleichfalls dazu eingeladen. In den schlechten Jahren betrug die Anzahl der zu diesem Feste Geladenen tausend bis fünfzehnhundert; in den guten Jahren habe ich bis zu dreitausend versammelt gesehen.

Auf dem Rasenplatze hinter dem Schlosse war das Bankett für die geringeren Leute gleich dem am Tage zuvor eingerichtet; es herrschte dort derselbe Ueberfluß an Speisen und Getränken; kaum hörte man sein eigenes Wort bei der Musik, bei den Gesängen und dem Knall der Feuerwaffen; am Abend tanzte man bei dem Scheine der Fackeln und ließ alle Frauen und Mädchen, die man auf der Messe und in der Umgegend finden konnte, herbeikommen.

Wenn die Freudenfeuer erloschen, begab sich der Fürst mit einigen Vertrauten in die Pavillons, und wir Anderen setzten unsere Belustigungen bis zum Anbruch des Tages fort.

Während der ganzen Dauer der Messe, das heißt sechs Wochen lang, fand eine ununterbrochene Folge von Festen und Lustbarkeiten statt.

Um sich selber zu versichern, daß Alles in guter Ordnung zugehe, geneigte der Fürst die Messe alle Tage in Person zu besuchen; wehe denen, die einen Fehler begingen, die Strafe ließ nicht auf sich warten. Er war ein Mann, der es nicht liebte, daß eine Sache sich in die Länge zog; sobald das Vergehen bestätigt war, wurde die Untersuchung angestellt; nach der Untersuchung wurde das Urtheil gefällt; bei ihm bedurfte es keines langen Processes; auch zollten ihm alle Kaufleute eine hohe Bewunderung und nannten ihn ihren kleinen Vater und ihren Wohlthäter. Sie zeigten ebenfalls keine große Achtung vor Papieren und Schreibereien; die prompte und rasche Justiz des Fürsten gefiel ihnen um so mehr, da sie ihnen eine besonders in der Messe sehr kostbare Zeit ersparte und sie aus den Händen der Commissarien, der Assessoren und anderer Richter errettete. Die würdigen Kaufleute wußten wohl, wenn sie mit allen Leuten des Gesetzes zu thun hätten, daß nicht nur alle Vortheile der Messe aus ihren Händen kommen, sondern auch, daß sie bald alle ihre früheren Ersparnisse auf immer aus dem ledernen Sack, der ihnen als Schutzort diente, entfliehen sehen würden.

Die Art, wie der Fürst Justiz übte, war höchst einfach. Er ließ den Delinquenten vor sich erscheinen, und wenn das Vergehen sich bestätigte, wurde der, welcher es begangen hatte, mochte er nun Edelmann, Kaufmann oder Leibeigener sein, mit derselben Unparteilichkeit behandelt. Der Fürst begann damit, ihm eine Strafrede zu halten, und bei dieser Strafrede fehlte es weder an starken Ausdrücken, noch an Beleidigungen; er geneigte sogar zuweilen, die Strafrede durch ein paar Ohrfeigen oder eine Anzahl Peitschenhiebe, die er mit höchst eigener Hand austheilte, zu verstärken; dann ließ er den Schuldigen in den Marstall führen, wo ihm eine mehr oder weniger beträchtliche Anzahl von Peitschen- oder Ruthenhieben zugetheilt wurde, wobei man sich weder nach einer Stellung, noch nach seinem Range, sondern allein nach dem Vergehen richtete, worauf sich der Delinquent zu dem Fürsten begab, um ihm für seine Güte und die Mühe seiner väterlichen Fürsorge zu danken.

Der Fürst hielt ihm eine kleine Rede, die den Umständen angemessen war, reichte ihm die Hand zum Kusse, ließ ihm zu essen und zu trinken geben, und damit war Alles aus.

Die Kaufleute auf der Messe hatten die Vorschrift, an die Reichen so theuer zu verkaufen, wie sie könnten, und sie auf jede Art, sei es nun hinsichtlich der Beschaffenheit, des Gewichts oder des Maßes der Waare zu täuschen; aber hinsichtlich der Armen war der ausdrücklichste Befehl ertheilt worden, ihnen kein Unrecht zu thun.

Einmal lud der Fürst zur Mittagstafel in sein Schloß einen Kaufmann aus Moskau ein, der von jeder Messe in Makarieff fünf- bis sechstausend Rubel Profit mitnahm; sein Handel bestand besonders in Seiden- und kurzen Waaren.

 

Als die Mittagstafel beendet war und der Fürst so wie der Kaufmann jeder seine Taffe Kaffee in der Hand hielt, entspann sich folgendes Zwiegespräch:

»Wie theuer verkaufst Du Deinen rothen Levantin, Trifon Egoritsch?«

»Ich verkaufe ihn für eine Grivne und vier Allinen, Excellenz,« antwortete der Kaufmann, »wenn er nämlich von der ersten Qualität ist.«

»Bei Dir hat gestern die Frau des Pope Athanasius gekauft.«

»Es ist möglich, gnädigster Herr, ich erinnere mich dessen nicht mehr; es kommen in einem Tage so viele Leute zu mir, daß ich mich nicht an alle erinnern kann, welche kommen.«

»Ich sage Dir, daß die Frau des Pope gestern bei Dir eine Archine Levantin gekauft hat. Um welchen Preis hast Du ihr denselben verkauft?«

»Ich erinnere mich dessen nicht, Excellenz; übrigens ist es möglich, daß sie diesen Levantin bei mir gekauft hat und daß ich ihr denselben doch nicht selber verkauft habe, sondern einer von meinen Leuten.«

»Man rufe mir einen Courier,« sagte der Fürst.

Ich muß Dir nämlich sagen, mein lieber Andreowitsch, daß immer in der Nähe der Freitreppe ein Dutzend Couriere neben ihren völlig gesattelten Pferden hielten, um bereit zu sein, fortzureiten, wenn der Fürst ihnen. Etwas befehlen sollte.

Ein Courier trat ein.

Der Kaufmann wurde bestürzt, denn er glaubte, er würde in den Marstall geführt werden; aber es war Nichts.

Der Fürst Alexis sagte zu dem Courier:

»Du gehst mit diesem Kaufmann zu seiner Bude auf dem Meßplatze und dort wird er Dir ein Restchen von seinem besten Levantin zustellen; damit gehst Du sogleich zu dem Pope Athanasius, verlangt seine Frau Visigha zu sprechen und sagt zu ihr: »Meine kleine Mutter, hier ist ein Restchen Levantin, den Ihnen der Kaufmann Trifon Egoritsch Tschurine aus Moskau zum Geschenke schickt; er hat Ihnen gestern einen zu hohen Preis abgenommen und bittet Sie, von ihm diese Entschädigung anzunehmen.« Was Dich betrifft, Trifon Egoritsch Tschurine, Du wirst wohlthun, Deine Commis ein wenig besser zu überwachen, damit sie den armen Leuten nicht zu viel abnehmen, sonst müßte ich mich auf meine Weise mit Dir abfinden. Diesmal wollen wir nicht weiter gehen, aber nimm Dich in Acht! Ich werde ein Auge auf Dich haben, und wenn Du wieder beginnt, so werde ich Dein Commis sein und Deinen Verkauf übernehmen.«

Kaum waren acht Tage vergangen, als der Fürst erfuhr, daß Tschurine einen armen Bauer bei einem Stück Bafin am Maß betrogen habe.

Er ließ sich ein Pferd geben und ritt sogleich auf den Meßplatz.

»Nun, Trifon Egoritsch,« sagte er zu dem Kaufmann, »wie es scheint, hast Du meinen Rath vergessen; Du hast ein schlechtes Gedächtniß, mein Freund – glücklicherweise ist das meinige gut. Du weißt, was verabredet worden? Ich komme, als Dein Commis bei Dir einzutreten. – Und Ihr anderen Meßkünstler, eilt, Euch von hier zu entfernen! Von diesem Augenblick an bin ich zugleich Commis und Kaufmann.«

Tschurine wußte, daß mit dem Fürsten nicht zu scherzen sei. Er verließ in demselben Augenblick seine Bude und alle seine Commis folgten ihm.

Der Fürst Alexis stellte sich hierauf hinter den Ladentisch und begann mit lautester Stimme zu rufen:

»Ihr alle, ehrliche Leute und liebe Käufer, wir bitten Euch sehr inständig, unsere Bude mit Eurem Vertrauen zu beehren. Wir haben Waaren für jeden Geschmack, prächtige Atlasse, englische Bafins, Nankins aus China; wir haben alle Arten von Putz für die Damen, Strümpfe, Shawls, Batist à la Pompadour. Sagt, was Ihr wünscht, und wir wollen Euch zu billigen Preisen und nach gutem Maß verkaufen. Wir verkaufen unsere Waaren gegen baar; wenn aber Jemand kein Geld hat, so geben wir ihm auch Credit. Wenn er später bezahlt, um so besser, wenn er aber zu bezahlen vergißt, so werden wir ihn darum nicht verfolgen.«

»Du kannst Dir wohl denken, mein kleiner Vater, daß bei einer solchen Aufforderung alle Welt zu der Bude des Fürsten hinströmte. Er hinter seinem Ladentische gab Allen Gehör und maß niemals vier Archinen für fünf aber oft fünf für vier. So hatte er in drei Stunden Alles verkauft, was die Bude des Kaufmanns Tschurine enthielt. Nur fand es sich, daß das baare Geld nicht sehr reichlich einging, da es weniger Käufer gab, die baar zahlten, als solche, die auf Credit kauften.

Als dies beendet war, rief der Fürst Tschurine herbei.

»Hier,« sagte er zu ihm, »ist Deine Bude; ich gebe sie Dir hübsch und gut ausgeräumt zurück. In dieser Schublade ist das baare Geld, und auf diesem Register stehen die Namen und Adressen derjenigen, die auf Credit gekauft haben. Es ist an Dir, das Geld so schnell wie möglich einzutreiben. Ich hoffe, Du wirst weder die Frau mit dem Levantin, noch den Bauer mit dem Bafin vergessen. Jetzt wollen wir zur Mittagstafel ins Schloß gehen, obgleich es eigentlich an Dir wäre, mich einzuladen; denn Du bist mir einen famosen Krug Wein schuldig, weil ich Deine Angelegenheiten so gut geordnet und gemacht habe, daß Du vor allen Anderen Deine Messe beendet hast. Aber ich will es Dir erlassen, und ich bewirthe Dich heute; komm'!«

Tschurine beeilte sich nicht zu gehorchen. Er war sichtbar unruhig.

»O! fürchte. Nichts, Patron,« sagte der Fürst Alexis, »und komm' in allem Vertrauen. Du begreift, daß, wenn ich Lust hätte, Dir eine hübsche Anzahl von Knutenhieben zutheilen zu lassen, so könnte ich es hier ebenso gut, wie in Niskevo thun. Komm' also in aller Ruhe, Patron!«

Es war Nichts zu sagen gegen eine so einfache Rede. Von diesen Worten beruhigt, setzte sich also Tschurine an die Seite des Fürsten in seine Carrosse.

Bei der Mittagstafel nahm Tschurine den Ehrenplatz ein, und während der ganzen Mahlzeit blieb der Fürst hinter seinem Stuhle stehen, bot ihm die besten Bissen an, schenkte ihm den besten Wein ein und nannte ihn beständig Patron.

Dies ist noch nicht Alles. Als er von dem Fürsten Abschied nahm, erhielt der Kaufmann von ihm ein Geschenk, welches von einem hohen Wohlwollen zeugte: er gab ihm einen kleinen Hund und eine kleine Hündin von der Race seiner geliebten Arabka.

Von dem Augenblicke an erschien Tschurine nicht wieder, weder im Schlosse, noch in Makarieff, und im folgenden Jahre sagte man, um eine Abwesenheit zu erklären, der schlechte Verkauf auf der letzten Messe habe so seine Angelegenheiten zerrüttet, daß er sich nie davon erholt habe.

Der Fürst Alexis liebte Diejenigen sehr, welche unerschrocken und frei mit ihm umgingen. Einmal ging er ganz allein und ohne Auszeichnung auf der Messe umher, als ihm ein Kaufmann begegnete, der ihm ungehorsam gewesen war, indem er seine Bude an einer anderen Stelle, als ihm bezeichnet worden, eröffnet hatte. Die Begegnung fand an einer abgelegenen Stelle hinter den Baraken auf einer großen sandigen Ebene statt, an deren Ende sich ein kleiner See von sehr ebenem Grunde erstreckte, und zu welchem man vermöge eines sanften Abhanges gelangte.

Der Fürst erblickte und erkannte feinen Delinquenten, einen Burschen von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, der einen Kopf größer war, als er.

»Komm' hierher, mein Junge,« sagte er zu ihm.

Aber der Kaufmann, der sich überzeugt hielt, daß es sich um eine Haut handelte, bewegte sich nicht von der Stelle und sagte zu dem Fürsten, indem er sich in der Entfernung von etwa vierzig Schritten hielt:

»Nicht so dumm, mein kleiner Vater! Ich weiß, um was es sich handelt; ich wünsche durchaus nicht, mit Ihrem Rohrstock Bekanntschaft zu machen.«

»Ah! Schurke von einem Ellenreiter!« sagte der Fürst, »so beeilst Du Dich, mir zu gehorchen?«

Und er stürzte auf den Kaufmann los, indem er sein Rohr schwang. Der Kaufmann sah ein, daß sein Rücken in einer um so größeren Gefahr war, da der Fürst in einen heftigen Zorn gerieth. Er verlor also keine Zeit, seinen Gegner zu erwarten: – er floh mit der ganzen Schnelligkeit seiner Beine auf den See zu. Der bewegliche Sand der Ebene hinderte ihn sehr auf einer Flucht; aber ebenso wie er dem Kaufmanne hinderlich war, mußte er auch dem Fürsten hinderlich sein. Alle Beide sanken bis an die Knöchel ein. Der Kaufmann, welcher errieth, daß der Fürst, älter und weniger gewandt, als er, schon weit zurückgeblieben sein müsse, sah sich um und bemerkte, daß seine Erwartung sich bestätigte.