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Die Mohicaner von Paris

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Sie hatte übrigens in Herrn von Villèle den Mann, den sie brauchte. Herr von Villèle war ihre wahre Creatur; er wußte, daß er ihr, da er nur durch ihren Einfluß in der Gewalt vegetierte, blindlings gehorchen mußte; daß er einer von jenen halb adeligen Plebejern, einer von jenen halb plebejischen Adeligen war, der, da er keine Stütze in den hohen gesellschaftlichen Notabilitäten hatte, sich genötigt sah, eine anderswo zu suchen und sie zu nehmen, wo er sie fand. Er hatte sie in einer Faction gefunden, für die er wenig Geschmack besaß, man muß es gestehen, die aber vielleicht noch weniger Neigung für ihn hatte. – Die dauerhaftesten Bündnisse bilden sich nicht durch die Gemeinschaft der Grundsätze, sondern durch die der Interessen.

Man kann den Einfluß der mysteriösen Macht von Saint-Acheul nach der Publicität gewisser religiöser Uebungen beurtheilen, welche in Paris selbst bei Gelegenheit des Jubiläums von 1820 stattfanden. Herr von Quelen hatte dieses Jubiläum in einem zugleich politischen und religiösen Ausschreiben angekündigt, das mit aller Heftigkeit die pestartigen Verführungen und das Gift der verderblichen Schriften bezeichnete, welches in den Adern der Gesellschaft kreise,

um bis in die dritte und vierte Generation anzustecken; »beklagenswerthe Wirkungen,« sagte der Prälat, »einer äußerst beunruhigenden Zügellosigkeit, welche selbst die eifrigsten Parteigänger jener vernünftigen Freiheit verdammen, für die richtige Grenzen festzusetzen und ein genaues Maß zu ordnen den Weisesten so schwer geworden ist.«

Außer den besonderen Stationen, welche eine gewisse Anzahl Devoter truppweise und barfuß machte, fanden vier große Processionen statt, wobei man Karl X., die königliche Familie, Deputationen von allen bürgerlichen und militärischen Corps figurieren sah; man bemerkte Großwürdenträger der Krone vermischt mit langen Reihen von Büßern. Ein Marschall von Frankreich vertauschte seinen Stab gegen eine Kerze; ein ausgezeichneter Advocat hing sich an die Schnur eines Traghimmels, weil er wußte, daß dies die einzige Klingel war, welche das Ministerium der königlichen Gnaden öffnete.

Die Priesterpartei hatte sich also der Gegenwart und der Vergangenheit bemächtigt und fing an die Hand auszustrecken, um ihre Absteckpfähle in der Zukunft einzuschlagen.

»Es gibt nichts,« sagte Herr von Montloster in dem bekannten Memoire àconsulter, »es gibt nichts bis aus die Unterbringung der Dienstboten, was man nicht an sich zu reißen suchte. Die Dorfbewohner, die Officiere des Hofes, die königliche Garde konnten der Ansteckung nicht entgehen; es ist zu meiner Kenntniß gekommen,« fügte er bei, »daß ein Marschall von Frankreich, nachdem er vergebens für seinen Sohn um die Stelle eines Unterpräfecten nachgesucht hatte, sie nur aus die Empfehlung des Pfarrers von seinem Dorfe bekommen konnte!«

Nach dem Jubiläum, das heißt, nachdem man die Manifestationen erlangt hatte, nahm Alles am Hofe von Karl X. einen nicht nur religiöseren, sondern auch traurigeren und, wir möchten sogar sagen, bedrohlicheren Anblick an; man hätte sich, durch einen Sprung rückwärts, an den Hof von Ludwig XIV., am Vorabend der Widerrufung des Edicts von Nantes, versetzt geglaubt. In den Tuilerien gänzlich unterdrückt, waren die Schauspiele und die Bälle durch Conferenzen, Predigten, Frömmigkeitsübungen ersetzt worden. Der alte König brachte sein Leben mit Jagen und Beten hin. Man öffne aufs Gerathewohl ein Journal aus jener Zeit, am Anfange, am Ende, oder in der Mitte des Jahres, und man wird darin die unveränderliche, tägliche, stereotype Phrase finden, welche die Drucker hatten clichiren lassen, um die Kosten des Satzes zu ersparen:

»Diesen Morgen um sieben Uhr hat der König die Messe in der Kapelle gehört. – Um acht Uhr ist Seine Majestät aus die Jagd gefahren.«

Zuweilen änderte man indessen die Formel, und von Zeit zu Zeit setzte man, ohne Zweifel aus Furcht vor Monotonie:

»Diesen Morgen um acht Uhr ist Seine Majestät auf die Jagd gefahren. – Um sieben Uhr hatte sie die Messe in ihren Gemächern gehört.«

Man hätte glauben sollen, die Bevölkerungen müssen vor Freude entzückt, vor Bewunderung außer sich sein, wenn sie alle Morgen diese interessante Neuigkeit lesen, und man hat Mühe, zu begreifen, wie sie sich gegen einen König empören konnten, der so devot vor den Jesuiten und ein so großer Jäger vor dem Herrn war!

Der Herr Herzog von Angoulême, der seit dem Tode von Ludwig XVIII. keinen andern Willen mehr hatte, als den seines Vaters, modelte sich in Allem nach ihm, richtete sein Leben nach dem von Karl X. ein, und überließ sich denselben Religions- und Jagdübungen.

Die Frau Herzogin von Angoulême wurde von Tag zu Tag finsterer und härter; eine unglückliche Jugend machte ihr ein strenges Alter. Nie sahen sie selbst ihre Vertrautesten lächeln; sie trug aus ihrer Stirne etwas wie einen Reflex der Ereignisse der Vergangenheit, wie ein Vorgefühl der Katastrophen der Zukunft; es schien, sie wittere die Gefahr und sehe, wie ein grauenvolles Gespenst, die Verbannung am Horizont emporwachsen.

Jung, geistreich, wohlwollend, suchte die Frau Herzogin von Berry, wie wir am Anfange dieses Buches gesagt haben, die Monotonie dieses klösterlichen Lebens zu brechen, indem sie ein paar Fêten bald im Elysee, bald in ihrem Schlosse Rosny gab; sie behauptete ihre Popularität dadurch, daß sie einige Almosen immer am rechten Platze austheilte, gewisse Fabriken besuchte. Einkäufe in gewissen Magazinen machte, und sich von Zeit zu Zeit im Theater zeigte; doch das war vergeblich: diese Thätigkeit, welche fieberhaft unter der traurigen Erstarrung um sie her erschien, war ohnmächtig, den in die religiöse Lethargie, die tiefste von allen Lethargien, versunkenen Hof zu beleben!

Und je mehr die Zeit fortschritt, desto mehr überließ sich der alte König blindlings diesem Strome, der ihn nach dem Abgrunde fortriß.

Quos vult perdere Jupiter, Dementat. 56

CVI
Das Liebesgesetz

Am 4. November 1828, das heißt an seinem Namensfeste, hatte Karl X. abermals zwei Priester zu den Functionen von Staatsministern berufen: den Herzog von Clermont-Tonnerre, Erzbischof von Toulouse, und Herrn von Latil, Erzbischof von Reims.

Die ultramontanen Bischöfe konnten also wieder das Haupt erheben und den ersten Rang für sich in Anspruch nehmen, Herr von Latil, ihr Dolmetscher bei Karl X., fing, als er kaum im Ministerium festsaß, damit an, daß er den König gegen die Presse aufhetzte. Das, schon so ungerechte und so strenge, Gesetz von 1822 wurde für ungenügend erklärt, und das Versprechen vergessend, das er zum Throne gelangend gegeben hatte, ein durch so gewaltiges Zujauchzen begrüßtes Versprechen, ermächtigte Karl X. die Werkstätten von Montrouge und Saint-Acheul, ein Gesetz zu schmieden, das alle Resultate der Censur hätte, ohne ihren Namen zu tragen, und das beengender für die Buchdrucker und die Schriftsteller wäre.

Man wollte diesmal Alles mit einem Schlage brechen, den Gedanken und das Werkzeug. So gebot, zum Beispiel, eine der Verfügung des Gesetzes, daß alle Schriften von zwanzig Blättern und darunter, die einen fünf Tage, die andern zehn vor der Veröffentlichung deponiert werden. Erfüllte man diese Förmlichkeit nicht, so wurde die Ausgabe confiscirt, und der Drucker zu einer Buße von dreitausend Franken verurteilt. Die Buchdrucker wurden folglich Censoren der Werke, die sie druckten. Die Verantwortlichkeit lastete gleichmäßig aus den Eigenthümern der Journale: die Strafen waren exorbitant; die Geldbußen steigerten sich auf fünftausend, zehntausend, zwanzigtausend Franken.

Herr von Peyronnet, Siegelbewahrer, Justizminister, wurde, nach der Adresseberathung mit der gefährlichen Ehre beauftragt, der Deputirten-Kammer dieses Gesetz vorzulegen, das zugleich ein Angriff aus die menschliche Intelligenz und aus die Existenz von einer Million Bürger war. Als am andern Tage die Bestimmungen des Gesetzesentwurfes in Paris bekannt wurden, erhob sich auch an allen Punkten der Hauptstadt ein Hurrah der Entrüstung, das sich drei Tage nachher an allen Punkten Frankreichs wiederholte.

Man fühlte, daß aus der Stelle eine, furchtbare, unversöhnliche Währung sich der Geister bemächtigt hatte.

Aus dieser Währung entstand ein Vorfall, der natürlich seinen Platz in diesem Buche finden muß, das bestimmt ist wie ein Spiegel, – doch wie ein Spiegel, der den Eindruck der Gegenstände bewahrt, – die verschwundenen Ereignisse zu reflektieren.

Der berührte Vorfall wurde veranlaßt durch Herrn Lacretelle, Mitglied der französischen Academie. Diese schätzenswerthe Institution macht, als eine wohlerzogene Tochter, so wenig von sich reden, daß wir mit allem Eifer die Gelegenheit ergreifen, ihr Bestehen im Jahre 1827 zu offenbaren; sie ist vielleicht seitdem gestorben, doch es wird ein Factum für die Geschichte erworben sein, nämlich, daß sie im Jahre 1827 noch lebte.

Von den lebhaftesten Befürchtungen ergriffen, nicht nur für die Freiheit, sondern für die Restauration selbst, stellte Herr Lacretelle in. der französischen Academie den Antrag, entweder an den König, ihren Protector, oder an die zwei Kammern eine energische Reclamation gegen einen für die Wissenschaften entehrenden, in der politischen Ordnung unheilvollen Gesetzesentwurf zu richten. Er hatte diesen Schritt mit Herrn Villemain verabredet. Die Mehrzahl der Academie war Entfernt nicht feindlich gegen die Regierung gesinnt; ganz im Gegentheile: die wahren Freunde des Königs waren vielleicht mehr hier als anderswo; und es geschah ohne irgend einen Geist der Abgunst, daß die Versammlung ins Feuer gerieth über diese Motion, welche die Harmonie und die Unabhängigkeit der Wissenschaften so nahe berührte.

 

Es wurde sogleich der Tag zu einer Zusammenkunst festgesetzt, zu der alle Mitglieder berufen werden sollten. Bei der Eröffnung der Sitzung las man oder versuchte man es vielmehr, zu lesen, einen Brief von Herrn von Quelen, Erzbischof von Paris und Mitglied der Academie; der Eifer dieses Prälaten für die nationalen Freiheiten war sehr erlahmt, wie man dies nach der Stelle seines Ausschreibens beurtheilen konnte, die wir weiter oben angeführt haben, und in seinem Briefe ging er so weit, daß er die Befürchtung äußerte, eine einfache Supplik an den König könnte mit der Auslösung der illustren Körperschaft, welcher anzugehören er die Ehre habe, bestraft werden.

Dieses Uebermaß von Angst war der Gesellschaft äußerst mißfällig, und sie beschloß aus das Verlangen des Herrn von Villemain, die Lesung des Briefes von Herrn von Quelen solle ausgesetzt werden.

Die zahlreichen Beschwerden gegen den Gesetzesentwurf wurden mit Kraft vorgetragen, mit Weisheit erörtert, mit Scharfsinn ins Auge gefaßt von den Herren von Chateaubriand, von Ségur, Villemain, Andrieux, Lemercier, Lacretelle, Parsenal-Grandmaison, Duval und Jouy. welche indessen sehr verschiedenen Meinungsnuancen angehörten. Herr Michaud, der Verfasser der Geschichte der Kreuzzüge, sprach in demselben Sinne, obschon sein monarchischer Eifer durch die Redaction der Quotidienne und besser noch durch die vielen Verfolgungen, die er unter der Regierung des Kaisers ausgestanden hatte, bezeugt wurde. Kurz, dieser Gesetzesentwurf fand nur schüchterne, verlegene Apologeten, welche bald die Vertheidigung aufgaben und sich daraus beschränkten, daß sie das Ungebührliche und sogar Unconstitutionelle der Supplik darzuthun suchten . . . Die Motion von Herrn Lacretelle wurde nichtsdestoweniger mit einer Stimmenmehrheit von siebzehn gegen neun angenommen. Die Herren von Châteaubriand, Villemain und Lacretelle wurden für Abfassung der Petition ernannt.

Unterrichtet von dem, was vorging, suchten die ehrwürdigen Väter von Montrouge, durch welche Schläge sie die Academiker treffen könnten. Châteaubriand war unverwundbar. da man ihn nach und nach aller seiner Aemter beraubt hatte; aber Villemain und Lacretelle waren Professoren bei der philosophischen Facultät. Am 18. Januar erschien im Moniteur eine Ordonnanz, die sie von ihren Functionen abberief: Villemain, Requetenmeister im Staatsrathe, Michaud, Vorleser des Königs, und Lacretelle, dramatischen Censor. Dieser Staatsstreich in Miniatur setzte Niemand in Erstaunen; man erwartete nun, Villemain und Lacretelle von den Functionen, mit denen sie bei der Universität betraut waren, abberufen und den Cortége der berühmten in Ungnade Gefallenen, die man Royer-Collard, Guizot, Cousin, Poinsot nannte, anwachsen zu sehen.

Der König, – dieser arme in der Jagd und in der Devotion lebende König, – war dergestalt der Sehkraft beraubt durch seine seltsamen Verblender, daß er vergaß, es erheben alle diese in Ungnade gefallenen Royalisten die Stimme nur gegen die Abkömmlinge von Revaillac aus Liebe für Heinrich IV.!

Doch für die ausgesprochene Ungnade und in Vorhersehung derjenigen, welche ihrer darrte, erhielten die drei Academiker in der Sitzung vom 18. die Glückwünsche und die Umarmungen der ganzen illustren Gesellschaft. Herr Villemain war besonders der Gegenstand einer wohlverdienten Ovation; ohne ein anderes Erbe als sein Talent, mit so geschwächten Augen, daß man ihn schon für blind hielt, und daß er zu dictiren genötigt war, verlor Herr Villemain mehr als die Anderen, indem er seine Stelle verlor: er verlor sein Brod, das seiner Frau und seiner Kinder. Allerdings fing er an seinen großen Ruf als Mann von redlichem Herzen und erhabenem Geiste zu begründen, den er sich bis aus diesen Tag zu bewahren gewußt hat, und der ihm bis zu seinem Tode treu sein wird.

Bei seinem Eintritte in den Saal des Instituts erinnerte sich Jedermann des blinden Houdar de la Motte, der auf eine brutale Art von einem Menschen geschlagen wurde, an den er im Vorübergehen gestoßen hatte.

»Ah! mein Herr!« hatte der Dichter gesagt: »Sie werden Ihre Lebhaftigkeit wohl bereuen: ich bin blind.«

Die Regierung hatte eben so brutal geschlagen, als der Vorübergehende; nur bereute sie nicht.

Diese Entsetzungen hielten den Entwurf der Supplik nicht auf . . . Zur Wiedervergeltung hielt der Supplikentwurf den Gesetzesentwurf nicht auf.

Herr von Peyronnet ließ vertheidigen oder vertheidigte selbst im Moniteur seinen Gesetzesentwurf; er nannte dieses Werk, das ein Inquisitionstribunal zur Entscheidung vor seinem Richterstuhle hätte in Anspruch nehmen können, ein Liebesgesetz, ein Name, der diesem Gesetze blieb und bleiben wird. Es war zuweilen ein äußerst muthwilliger Geist, dieser College von Herrn von Villèle!

Die Supplik der Academie war nicht der einzige Protestactionsact gegen das Liebesgesetz. Alle Buchdrucker Frankreichs vereinigten sich, um zu petitioniren. Royer-Collard, ehmaliger Generaldirector des Buchhandels, übergab der Kammer ihre Petition: sie war bedeckt von zweihundert dreiundzwanzig Unterschriften.

Dieses Gesetz, ein Gesetz der Zornes und der Rache, fing übrigens an seine Früchte zu tragen. Schon in den ersten Tagen der Discussion war ein Stillstand in den Arbeiten der Druckereien, der Papiermühlen, der Schriftgießereien eingetreten; jede Bestellung hatte aufgehört, der Buchhandel konnte nicht mehr Stand halten.

Die Zahl der Buchdruckereien war für Paris auf achtzig limitiert; doch, abgesehen von denen, weichen es an beständiger Arbeit fehlte, waren mehrere Patente durch das Ministerium entzogen worden. Vergebens kündigten die Buchdrucker von allen Seiten den Verkauf ihrer Patente an: kein Käufer zeigte sich; Niemand wollte sich in eine Industrie wagen, welche fortan nicht nur die Verluste und die Fallimente, sondern auch die Geldstrafen, die Beraubungen, die Gewaltthätigkeiten, die Einkerkerungen zu befürchten hatte.

Nie war ein so grimmiger Haß, ein so barbarischer Zorn ausgebrochen seit dem großen Mordbrenner, den man Omar nannte. Und dieser hatte noch zur Entschuldigung, er verbrenne nur vergangene Bücher, während die Omars von 1827 es aus die Vernichtung der zukünftigen Bücher abgesehen hatten.

Die der Restauration am meisten ergebenen Männer, diejenigen, welche der königlichen Sache am meisten Unterpfänder geliefert und am meisten Zuneigung der Familie der Bourbonen gezeigt hatten, drückten laut und mit Traurigkeit ihren Verdruß über das Benehmen des Ministeriums aus und beklagten die unseligen Folgen dieses Unterdrückungssystemes.

Beängstigt, da sie die Erziehung völlig dem mönchischen Einflusse unterworfen sahen, schauernd vor Furcht bei diesem Winde, der von Saint-Acheul und Montrouge wehte, nahmen viele Familien ihre Kinder aus den Pensionen und Colleges zurück und ließen sie, so weit dies immer möglich war, bei sich bilden, indem sie einem vielleicht minder ausgedehnten, aber mehr moralischen Unterrichte den Vorzug gaben.

Es fragte sich, dieses unglückliche Volk von Frankreich, das jährlich über eine Milliarde Steuern zahlte, das sich zur Ader ließ, um die Mittel zu allen öffentlichen Diensten zu liefern, das nichts Anderes wünschte, als sich im Frieden der Entwickelung seiner Industrie und seiner Intelligenz widmen zu können, – es fragte sich, was es gethan habe, um so behandelt, in seinen Rechten bedroht, in seinen Interessen verletzt, in seinem Stolze gedemüthigt zu werden, und zwar durch einige kaum und mit Mühe aus ihrer angeborenen Dunkelheit hervorgegangene Menschen, die ihre Prätensionen durch keine Talente, durch keine Tugenden, durch keine Fähigkeiten rechtfertigen, und die durchaus keine Stärke haben, als die, welche sie von einer in Frankreich verhaßten, in Spanien tyrannischen und überall anderwärts lächerlichen Faction entlehnen!

Und das Seltsame und besonders Ungerechte bei Allem dem war, daß das Ministerium, der einzige Urheber der Aufregungen und Unzufriedenheiten, die sich kundgaben, hiervon den Vorwand nahm, um Gesetze zu verlangen, welche viel mehr geeignet waren, die Geister auszureizen, als sie zu beschwichtigen; es war die Presse, welche das Ministerium eines Zustandes der Dinge bezichtigte, an dem es selbst allein Schuld war. und die Minister hatten keine andere Beweisgründe an ihre Gegner zu richten, als die, welche sie den drei entsetzten Academikern entgegengehalten hatten: »Ihr seid die Feinde der Regierung.«

Uebrigens wurde die Armee, – die alte wenigstens, diejenige, welche gekämpft, gesiegt, die Welt erobert hatte, – die Armee wurde nicht besser behandelt, als die Literatur; und die Willkür der Liguisten von Montrouge und Saint-Acheul beschränkte sich nicht aus die Entsetzung der Academiker, sie beraubte die Marschälle von Frankreich der Titel, die der Kaiser ihnen gegeben hatte, und im Salon des österreichischen Botschafters, des Herrn von Appony, hörten trotz des Artikels der Charte, welcher sagte: »Der alte Adel nimmt seine Titel wieder an, der neue Adel behält die seinen,« trotz dieses Artikels hörten hochberühmte Feldherren ihre Herzogs- und Fürstentitel von den mit ihrer Meldung beauftragten Lackeien verweigern.

Diese Beleidigung brachte zwei ähnliche Wirkungen hervor, die eine auf einen Rechtsgelehrten, die andere aus einen Dichter. Der Rechtsgelehrte. Herr Dupin der Aeltere, erhob sich in einem an den Constitutionnel gerichteten Briefe lebhaft gegen die den kaiserlichen Illustrationen wiederfahrene Versagung. Das Journal von Herrn Corbière gab Oesterreich vollkommen Recht, erklärte, die französischen Generale seien legitim ihrer Titel verlustig, und der Botschafter von Herrn von Metternich habe das volle Recht, sie ihnen zu verweigern. Der Dichter, Herr Victor Hugo, – Sohn, wie er selbst gesagt hat, eines lothringischen Vaters und einer vendeeischen Mutter,– hatte bis dahin in den royalistischen Gliedern gezählt; doch bei der Beleidigung, welche dieser edlen Armee widerfuhr, deren Kinder er eines war, trat er vor, wie die Helden des Alterthums, welche die Front der Schlachtordnung verließen, um eine Herausforderung anzunehmen oder vorzuschlagen, und warf seinen Handschuh den Aufreizern hin. Drei Tage nach der Soiree des österreichischen Gesandten erschien die Ode an die Säule.

Es war also ein Krieg aus Leben und Tod, erklärt unter allen Formen der Intelligenz, dem menschlichen Geiste, den Gesetzen, den Wissenschaften, der Literatur, der Industrie. Eine seltsame Epoche, die Epoche, wo Rousseau nicht hätte Wähler sein können, und wo Cuvier nicht Geschworener sein konnte!

Alles, was auf die Besserung der Menschen, aus die Läuterung des Geschmacks, aus die Unterstützung des Fortschrittes, aus Aneiferung der Künste, aus Entwicklung der Wissenschaft abzielte; Alles, was zum Zwecke hatte, die Civilisation einen Schritt mehr machen zu lassen, war verboten, verachtet, beschimpft! Die Kunst, die Völker zu verblenden, war für diese schwarzen Gesetzgeber das Geheimnis, zu regieren!

Verbot aber die Regierung das Lesen, so ermunterte sie dagegen die Kneipen, die Lotterien, die Spielhäuser; und rief ihr ein Journal zu: »Ihr begünstigt das Böse; Ihr gebt dem Arbeiter nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Versuchung, die Frucht seiner Arbeit zu verschleudern!« so antwortete die Regierung: »Ihr verleumdet mich; ich bin die Moralität selbst, und zum Beweise dient, daß die Reglements meiner Polizei den Zutritt zu den Spielhäusern den jungen Leuten unter einundzwanzig Jahren verbieten; daß es verboten ist, um weniger als zwei Franken zugleich zu spielen; daß man weder in einer Blouse, noch in einem Wammse eintreten darf; die Arbeiter und die Handwerksleute sind folglich bewahrt. Leset also meine Reglements, wenn Ihr sie nicht gelesen habt, oder wenn Ihr sie gelesen habt, leset sie noch einmal!«

Das war vollkommen wahr, und diese Polizei-Reglements bestanden effectiv, doch die Regierung sagte nicht, daß sie selbst das Mittel gefunden hatte, diese schützenden Reglements zu vereiteln. Es war verboten, vor dem einundzwanzigsten Jahre in die Spielhäuser einzutreten; an welchem Merkmahle erkannte man aber das Alter? Am Barte: der benachbarte Perruquier klebte einen Schnurrbart und einen Backenbart an, daß dadurch aus der Stelle aus einem sechzehnjährigen Knaben ein volljähriger Mann wurde! Es war verboten, weniger als zwei Franken im Spiele zu setzen; doch vier Unglückliche legten zusammen, um das Recht zu haben, jeder die armseligen zehn Sous zu verlieren, die einen ganzen Tag lang einer Familie Brod gegeben hätten! Es war nicht erlaubt, in einer Blouse oder in einem Wammse in ein Spielbaus einzutreten; doch die Administratoren der Spiele hatten eine Kleiderkammer eingerichtet, wo der Handwerksmann sein Wamms gegen einen Frack und der Arbeiter seine Blouse gegen einen Ueberrock vertauschte!

 

Was sagt Ihr von dieser moralischen Regierung,

Ihr, die Ihr mit Erstaunen alle diese vergessenen Dinge wiederleset? Ihr sagt, wie wir, nie sei die Anwerbung zur Demoralisation weiter getrieben worden!

56Wen Jupiter vernichten will, den macht er kopflos.