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Der Graf von Moret

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XI.
In welchem der Kardinal den Führer findet, dessen er bedarf

Eines der großen Verdienste des Kardinals war, dass er den König Ludwig XIII., wenn er ihm auch nicht die Eigenschaften geben konnte, die diesem fehlten, wenigstens glauben machte, dass er dieselben besitze.

Der träge und lässige König fing durch Richelieu.s Einfluss an zu glauben, er sei ein Muster von Tätigkeit; er, der schüchtern und misstrauisch war, hielt sich für mutig; seine Grausamkeit und Sein Jähzorn verwandelten sich in seinen Augen in Gerechtigkeitsliebe.

Auch jetzt erging sich der Kardinal in Lobsprüchen über die Sorge, die der König seinem Ruhme und dem Frankreichs zuwende, eine Sorge, die ihn veranlasst hätte, in einer solchen Nacht und bei solchen Wegen die Entfernung von Oulx nach Chaumont zurückzulegen. Doch bestand Richelieu darauf, dass der König sich augenblicklich zur Ruhe begebe, da man noch den ganzen folgenden und einen Teil des zweitnächsten Tages vor sich habe.

Beim Anbruch des Tages wurde übrigens längs des ganzen Weges der Befehl bekannt gemacht, dass die in St. Lauret, Exilles und Sehault befindlichen Truppen sich nach Chaumont in Marsch setzen sollten.

Diese Truppen standen unter dem Befehle des Grafen von Soissons, der Herzog Longueville, La Tremouille, Halliun und Lavalette, der Grafen Harcourt, Sault, der Marquis von Canaples, Mortemar, Tavanne, Valence und Thoyras, die vier Oberkommando's lagen in den Händen der Marschälle Bassompierre, Créqui, Schomberg und des Herzogs von Montmorency.

Das Genie des Kardinals wachte über Alles; er dachte, der König befahl.

Da die Tat, welche wir erzählen wollen, zusammengenommen mit der Belagerung von La Rochelle, deren wir in unserem Buche: »Die drei Musquetiere,« Erwähnung getan, den Glanzpunkt der Regierung Ludwigs XIII. bildet, wird man uns erlauben, in einige Details über die Erstürmung des berühmten Passes von Susa einzugehen, von welchem die Geschichtsschreiber so Großes zu rühmen wissen.

Richelieu verlassend, hatte Victor Amadeus, um sich einen »Abgang« zu sichern, wie man auf dem Theater zu sagen pflegt, erklärt, er wolle nach Rivoli gehen, wo ihn sein Vater erwarte, und er werde binnen 24 Stunden ein Ultimatum überbringen. In Rivoli angekommen, fand er jedoch den Herzog nicht, der in seinem Bestreben, die Dinge in die Länge zu ziehen, nach Turin abgereist war.1

Gegen fünf Uhr Abends ließ sich statt des Prinzen sein erster Minister, der Graf von Verrue, bei dem Kardinal melden.

Bei dieser Meldung wandte sich der Kardinal an den König.

»Wollen Ew. Majestät,« fragte er, »dem Grafen von Verrue die Ehre erzeigen, ihn zu empfangen, oder soll ich die Audienz erteilen?«

»Wenn Prinz Victor Amadeus selbst seinem Versprechen zufolge zurückgekehrt wäre, so hätte ich ihn empfingen; da der Herzog von Savoyen es aber für geeignet hielt, mir seinen Minister zu senden, ist es billig, dass mein erster Minister ihm antwortet.«

»Geben mir also Ew. Majestät Vollmacht zu handeln?«

»Eine unbeschränkte.«

»Übrigens,« sagte Richelieu, »können Ew. Majestät,da ich diese Tür offen lasse, jedes Wort unseres Gespräches hören, und wenn Euch etwas in meinen Worten nicht gefällt, Sire, so könnt Ihr erscheinen, um mir zu widersprechen.«

Ludwig XIII. nickte zustimmend; Richelieu ging in das anstoßende Zimmer, wo ihn der Graf erwartete, und dessen Tür er nicht ganz schloss.

Der Graf von Verrue, den man nicht mit seinem Enkel verwechseln darf, welcher der Gemahl der berüchtigten Johanna d'Albret von Luynes war, der Geliebten Victor Amadeus II., die in der Geschichte unter dem Namen »Dame der Wollust« bekannt ist, – der Graf von Verrue, sagen wir, dessen die Geschichte kaum Erwähnung tut, war ein Mann von 40 Jahren, von geradem Sinn, bemerkenswertem Verstand, erprobtem Mute. Mit einer schwierigen Mission beauftragt, verwendete er zu derselben allen Freimut, der sich mit einer von Carl Emanuel herrührenden Botschaft vereinigen ließ.

Als er die ernste Gestalt des Kardinals sah, als er in dieses, die Herzen durchdringende Auge blickte, als er diesem ungeheueren Genie gegenüberstand, das für sich allein allen anderen Souveränen Europas- das Gleichgewicht hielt, verbeugte er sich tief und ehrfurchtsvoll.

»Monseigneur,« sagte er, »ich komme statt des Prinzen Victor Amadeus, der gezwungen ist, in der Nähe des Herrn Herzogs zu bleiben, welcher von einem so bedeutenden Unwohlsein befallen ist. dass er genöthigt war, sich nach Turin bringen zu lassen, weshalb ihn der Prinz auch in Rivoli nicht antraf.«

»Ihr kommt also versehen mit der Vollmacht des Herzogs von Savoyen, Herr Graf?«

»Ich komme, Euch seine nahe Ankunft anzuzeigen, Monseigneur. So krank er auch ist, will er seine Sache bei Sr. Majestät selbst vertreten; er lässt sich in einer Sänfte hierher bringen.«

»Und wann glaubt Ihr, dass er eintreffen kann?« fragte der Kardinal.

»Die Schwäche, von der Se. Hoheit befallen sind, und die Langsamkeit des Bewegungsmittels, dessen .er sich bedienen muss, berechtigen mich zu der Ansicht, dass er nicht vor übermorgen hier eintreffen kann.«

»Und um welche Stunde?«

»Ich würde seine Ankunft vor Mittag nicht versprechen können.«

»Ich bin in Verzweiflung, Herr Graf; aber ich habe dem Prinzen Victor Amadeus gesagt, dass wir bei Tagesanbruch die Verschanzungen vor Susa angreifen würden, und der Angriff wird auch mit dem Anbruche des Tages erfolgen.«

»Ich hoffe, dass Ew. Eminenz von dieser Strenge abgehen werden,« sagte der Graf von Verrue, »wenn Ihr erfahrt, dass der Herzog von Savoyen den französischen Truppen den Durchzug nicht verweigert.«

»Wenn wir also über diesen Punkt einig sind,« antwortete der Kardinal, »so bedarf es zwischen Sr. Majestät und Seiner Hoheit keiner weiteren Unterredung.«

»Freilich,« bemerkte der Graf in sichtlicher Verlegenheit, »stellt Se. Hoheit eine Bedingung.«

»O, o!« sagte lächelnd der Kardinal; »und die wäre?«

»Oder vielmehr, er spricht eine Hoffnung aus,« verbesserte sich der Graf.

»Redet!«

»Nun, Se. Hoheit der Herzog hoffen, dass die Belohnung dieser Nachgiebigkeit und des großen Opfers, welches er bringt, Se. allerchristlichste Majestät ihm vom Herzog von Mantua jenen Teil des Montferrat abtreten lassen wird, welchen der König von Spanien ihm für den Fall der Teilung zugestand, oder dass der König, wenn er ihm selbst dieses Land nicht schenken will, damit Madame, seiner Schwester, ein Geschenk machen würde, und unter dieser Bedingung werden die Wege frei sein.«

Der Kardinal heftete einen Moment seinen Blick auf den Grafen; dieser konnte den Blick nicht ertragen und senkte das Haupt.

»Herr Graf,« sagte der Kardinal, »ganz Europa hat eine so gute Meinung von der Gerechtigkeitsliebe meines Gebieters, des Königs von Frankreich, dass ich nicht begreifen kann, wie Se. Hoheit der Herzog nur einen Augenblick lang glauben konnte, Ludwig XIII. würde auf seinen Vorschlag eingehen. Der König von Spanien konnte wohl einen Teil von den versprechen, was ihm nicht gehörte, um Se. Hoheit zu verpflichten, dass er ihm in seiner ungerechten Usurpation beistehe; Gott möge es jedoch nicht gefallen, dass der König, mein Herr, der zur Winterzeit über die Alpen geht, um einem unterdrückten Fürsten Hilfe zu bringen, so über das Gut seiner Verbündeten verfüge; – wenn Se. Hoheit sich nicht mehr erinnern sollten, was ein König von Frankreich im Stande ist. so wäre es ihm übermorgen ins Gedächtnis zurückgerufen worden.«

»Aber darf ich zum mindesten bitten, dass Ew. Eminenz diese Vorschläge Sr. Majestät dem König unterbreiten?«

»Das ist unnöthig,« sagte eine Stimme hinter dem Kardinal, »der König hat Alles gehört und erstaunt darüber, dass ein Mann, der ihn kennt, ihm einen solchen Vorschlag machen kann, bei dem seine Ehre und die Ehre Frankreichs kompromittiert wären. – Hört somit Mein letztes Wort, welches eine Bestätigung der Worte des Herrn Kardinals ist. Wenn morgen die Wege nicht offen sind, so wird übermorgen der Angriff stattfinden.«

Der König richtete sich bei diesen Worten auf und nahm eine wahrhaft majestätische Haltung an.

»Ich werde in Person bei dem Angriffe sein,« sagte er, »und man wird Mich an den weißen Federn Meines Hutes erkennen, wie man Meinen erhabenen Vater in der glorreichen Schlacht bei Ivry an demselben Zeichen erkannt hat. Ich hoffe, der Herr Herzog wird ein ähnliches Abzeichen wählen, damit die Entscheidung der Schlacht sich dorthin verlege, wo Wir Beide uns befinden. Bringet ihm diese Meine Worte; es sind die einzigen, die Ich ihm erwidern kann und muss.«

Und er entließ mit einer Handbewegung den Grafen, der sich unter tiefen Verbeugungen zurückzog.

Während des Abends und der ganzen Nacht konzentrierte sich die Armee um Chaumont, Der König kommandierte tatsächlich eine Armee von 23,000 Mann Fußvolk und 4000 Reitern.

Gegen zehn Uhr Abends stellten sich Artillerie und Armee in der Umgebung von Chaumont auf; die Kanonen waren der feindlichen Gegend zugerichtet. Der König befahl, die Munitionswagen zu untersuchen und ihm zu berichten, wie viele Schüsse man hätte. Damals, wo das Bajonnet noch nicht erfunden war, entschieden die Kanonen und die Musketen fast Alles.

Heutzutage hat das Schießgewehr in den Gefechten einer kriegerischen Nation den zweiten Mang eingenommen.

Es wurde bloß, wie der Marschall von Sachsen es vorhergesagt hatte, zum Handgriffe des Bajonnets.

 

Um Mitternacht begann der Kriegsrat.

Er war zusammengesetzt aus dem Könige, dem Kardinal, dem Herzog von Montmorency und den Marschällen Bassompierre. Schomberg und Créqui.

Bassompierre. der Älteste von ihnen, hatte zuerst das Wort. Er warf den Blick auf die Karte und studierte die Stellungen des Feindes, welche man genau kannte, da der Graf von Moret so vortreffliche Nachrichten gegeben hatte.

»Folgendes,« sagte er, indem er sich vor dem Könige und dem Kardinal verbeugte, »ist mein Vorschlag.«

»Ich schlage vor, dass die Regimenter der französischen und der Schweizer Garde die Téte bilden; das Regiment Navarra den linken und das Regiment d'Estillac den rechten Flügel. Jeder der beiden Flügel lässt durch zweihundert Musketiere die Höhen der Berge von Montmoron und von Montabon ersteigen. Haben sie die Gipfel erreicht, dann wird es ihnen ein Leichtes sein, die Barrikaden zu beherrschen. Sobald wir die ersten Schüsse von den Höhen hören, greifen wir an und während die Musketiere ihre Schüsse von der Rückseite auf die Barrikaden richten, stürmen wir dieselben von vorne mit den besten Garderegimentern. Tretet zu der Karte, meine Herren, seht Euch die Stellung des Feindes an und wenn Ihr einen bessern Vorschlag zu machen habt, als ich, so sprecht ihn dreist aus.«

Die Marschälle Schomberg und Créqui besichtigten die Karte und schlossen sich dann diesem Plane unbedingt an.

Es blieb nun noch die Ansicht des Herzogs von Montmorency zu vernehmen.

Der Herzog war mehr wegen seines feurigen Mutes bekannt, den er oft bis zur Verwegenheit steigerte, als durch seine strategischen Kenntnisse und seine Umsicht und Klugheit auf dem Schlachtfelde überdies sprach er mit einer gewissen Schwierigkeit, so dass er zu Anfang beinahe stotterte; dies verlor sich jedoch um so mehr, je länger er sprach.

Indes ergriff er entschlossen das Wort, als der König ihn dazu aufforderte.

»Sire,« sagte er, »ich bin der Ansicht des Marschalls von Bassompierre und der Herren von Créqui und von Schomberg, welche wissen, wie sehr ich ihren Mut und ihre Erfahrung schätze; aber wenn die Barrikaden und die Redouten genommen sind – und ich zweifle nicht daran, dass wir sie nehmen werden – dann bleibt noch immer die schwierigste Aufgabe zu erfüllen, das heißt, wir müssen die Schanze stürmen, die den Pass vollständig versperrt. Sollte es kein Mittel geben, hinsichtlich dieses Teiles der Verschanzungen eben das zu tun, was Herr von Bassompierre so richtig hinsichtlich der Redouten vorgeschlagen bat? Sollte man nicht auf irgend einem Bergpfade, so schwierig und gefahrvoll er auch sei, die Stellung umgehen, zwischen dem halben Monde und Susa von der Höhe hinabsteigen und den Feind von hinten angreifen können, während wir unsern Angriff von vorne auf ihn richten? Nur müsste man hierzu einen treuen und erfahrenen Führer, sowie einen unerschrockenen Offizier haben.«

»Ihr hört den Vorschlag des Herrn Herzogs von Montmorency,« sagte der König, »was haltet Ihr davon?«

»Vortrefflich!« sagten die Marschälle; »doch ist keine Zeit zu verlieren, um sich diesen treuen Führer und diesen – tapferen Offizier zu verschaffen.«

In diesem Augenblicke trat Stephan Latil ein und flüsterte dem Kardinal einige Worte ins Ohr, die dieser freudestrahlend anhörte.

»Messieurs,« sagte er, »ich glaube, dass uns da soeben die Vorsehung einen treuen Führer und einen tapferen Offizier in einer und derselben Person sendet.«

Und sich zu Latil wendend, welcher seine Befehle erwartete, sagte er:

»Kapitän Latil, lasset den Grafen von Moret eintreten.«

Latil verbeugte sich und ging hinaus.

Fünf Minuten später trat der Graf von Moret ein und unter dem unscheinbaren Gewand eines Gebirgsbewohners konnte Jedermann an der Ähnlichkeit, die er mit seinem Vater hatte – eine Ähnlichkeit, um die ihn Ludwig XIII. nicht wenig beneidete – den Sohn des erhabenen Königs Heinrich IV. erkennen, welcher in diesem Augenblicke von seiner Reise nach Mantua zurückkehrte, und zwar zu so gelegener Zeit, dass es schien, als ob, wie der Kardinal bemerkt hatte, die Vorsehung selbst ihn sende.

XII.
Der Pass von Susa

Der Graf von Moret, der den Gebirgspfad, welchen wir ihn einschlagen sahen, um ungefährdet durch Piemont zu kommen, genau studiert hatte, konnte wirklich zu gleicher Zeit den Führer und den Anführer der Truppen abgeben, welche zur Umgehung des Feindes bestimmt waren.

In der Tat hatte man ihm kaum dargelegt, um was es sich handle, als er einen Bleistift nahm, und auf der von Herrn von Pontis gezeichneten Karte einen Strich führte, der zuerst den Gebirgsweg von Chaumont nach der Schmugglerhütte, und von dort nach der Brücke von Giavon andeutete, dann aber jenen Steig bezeichnete, der unmittelbar zu den Wällen von Susa hinlief, auf die man mit Hilfe desselben gelangen konnte.

Er wurde bevollmächtigt, fünfhundert Mann mit sich zu nehmen. Eine größere Truppenzahl auf diesem engen und. steilen Wege zu führen, wäre unmöglich gewesen.

Der Kardinal wollte, dass der junge Mann einige Stunden der Ruhe pflege, aber dieser weigerte sich standhaft. Wenn er zur rechten Zeit ankommen wollte, um im Momente des Angriffes eine Diversion zu machen, hatte er in der Tat nicht eine Minute zu verlieren.

Er bat den Kardinal, ihm auf dieser Expedition Stephan Latil mitzugeben, an dessen Ergebenheit und Mut er nicht zweifelte.

Latil war außer sich vor Freude, als diese Bitte gewährt wurde.

Um drei Uhr ging die kleine Truppe geräuschlos ab. Jeder Mann trug für einen Tag Lebensmittel bei sich.

Keiner der fünfhundert Männer, die unter dem Befehle des Grafen von Moret standen, kannte seinen jugendlichen Anführer, aber als man ihnen gesagt hatte, er sei ein Sohn Heinrichs IV., drängten sie sich mit Freudenrufen um ihn, und er musste bei dem Scheine zweier Fackeln sein Gesicht zeigen, dessen Ähnlichkeit mit dem Heinrichs IV. den Enthusiasmus verdoppelte.

Kaum waren die fünfhundert Mann des Grafen von Moret, begünstigt von dem Dunkel der Nacht, welche nicht zehn Schritte weit zu sehen erlaubte, abgezogen, als sich der Rest der Armee in Bewegung setzte.

Das Wetter war schrecklich, und die Erde mit einer zwei Fuß hohen Schneedecke überzogen.

Fünfhundert Schritte von dem Felsen Gelane entfernt machte man Halt.

Sechs Sechspfünder wurden aufgefahren, um die Barrikaden zu forcieren und fünfzig Mann zur Bewachung derselben beordert.

Die zu dem Angriff bestimmten Truppen waren sieben Compagnien der Garde, sechs der Schweizer, neunzehn des Regiments Navarra, vierzehn des Regiments d'Estillac und fünfzehn des Regimentes Saulx.

Ferner die berittenen Musketiere des Königs.

Jedes Corps sollte fünfzig Tirailleure voraus senden. welche einen Soutien von hundert Mann hatten, und dieser sollte wieder durch fünfhundert Mann unterstützt werden.

Gegen sechs Uhr Morgens standen die Truppen in Schlachtordnung.

Der König, welcher die Vorbereitungen überwacht hatte, befahl nun dem Herrn von Comminges, von einem Trompeter gefolgt, über die Grenze zu reiten, und freien Durchzug für die Person des Königs und die Armee zu verlangen.

Herr von Comminges tat, wie ihm befohlen. Hundert Schritte vor der ersten Verschanzung wurde er angehalten.

Der Graf von Verrue kam ihm entgegen.

»Was wollt Ihr, mein Herr?« fragte der Graf von Verrue den Parlamentär.

»Wir wollen durch Euer Land ziehen.«

»Als Freunde oder als Feinde?«

»Als, Freunde, wenn Ihr uns freien Durchzug gewährt, als Feinde, wenn Ihr Euch widersetzt; ich habe Auftrag, nach Susa zu reiten, um dort für den König, meinen Herrn, eine Wohnung zu bestellen, denn er denkt daselbst einen Ruhetag zu halten.«

»Der Herzog, mein Gebieter,« antwortete der Graf von Verrue, »wird es sich zur Ehre rechnen, den König von Frankreich als Gast zu beherbergen, aber Se. Majestät kommt in so großer Gesellschaft, dass ich nichts bestimmen kann, ehe ich die Befehle Sr. Hoheit eingeholt habe.«

»Gut,« sagte Comminges, »solltet Ihr zufällig die Absicht haben, uns den Durchzug zu verweigern?«

»Ich hatte die Ehre, zu bemerken,« sagte der Graf von Verrue kalt, »dass ich hierüber zuerst die Ansicht Sr. Hoheit hören muss.«

»Mein Herr,« entgegnete Comminges, »ich benachrichtige Euch, dass ich meinen Bericht dem Könige erstatten werde.«

»Ihr könnt tun, was Euch beliebt,« sagte der Graf; »Ihr seid Herr Eurer Handlungen.«

Darauf grüßten Beide einander höflich, der Graf ritt nach den Verschanzungen und Comminges zu dem Könige zurück.

»Nun, mein Herr?« fragte Ludwig XIII.

Comminges erzählte seine Unterredung: der König verlor kein Wort davon und sagte, als der Erzähler geendigt hatte:

»Der Graf hat nicht nur als ein treuer Diener seines Herrn, sondern auch als ein Mann von Geist geantwortet, der seinen Beruf versteht.«

In diesem Augenblicke befand sich der König auf der Grenzlinie zwischen Frankreich und Piemont, inmitten der ersten Reihen seiner Truppen.

Bassompierre näherte sich ihm lächelnd, den Hut in der Hand.

»Sire,« sagte er, »Alles ist bereit; die Violinen sind gestimmt, die Masken vor der Tür, und sobald es Ew. Majestät beliebt, können wir mit dem Ballet beginnen.«

Der König runzelte die Stirn und blickte den Marschall durchdringend an.

»Herr Marschall,« sagte er, »wisst Ihr wohl, das; man mir soeben Bericht erstattete, wir haben nur fünfhundert Pfund Blei zu verschießen?«

»Sire,« antwortete Bassompierre, »daran zudenken ist jetzt keine Zeit; soll etwa, weil eine Tänzerin fehlt, das Ballet nicht aufgeführt werden? Lasset uns nur machen, Sire, es wird Alles gut gehen.«

»Bürgt Ihr dafür, Herr Marschall?«

»Sire, es wäre kühn von mir, eine so zweifelhafte Sache, wie ein Sieg ist, zu verbürgen, aber ich bürge Euch dafür, dass wir Ehre einlegen, oder dass ich entweder todt oder gefangen sein werde.«

»Nehmt Euch in Acht! Sollten wir geschlagen werden, so halte ich mich an Euch.

»Was kann mir Schlimmeres begegnen, als dass Eure Majestät mich Marquis von Uxelle nennen?2 Aber seid unbesorgt, Sire. Ich werde trachten, eine solche Beschimpfung nicht zu verdienen; nur lasset uns gewähren.«

»Sei es,« sagte der Kardinal, der neben dem Könige hielt; »ich schöpfe schon aus der frohen Miene des Marschalls große Hoffnungen. Geht denn, Herr Marschall, und tut Euer Bestes!«

Bassompierre ritt zu Créqui, der ihn erwartete. Dann stiegen Beide, so wie Montmorency, von den Pferden, um die Angriffskolonne zu ordnen, und sich an deren Spitze zu stellen. Schomberg allein blieb zu Pferde, weil er die Gicht in dem Knie hatte.

Man schritt auf den Felsen von Gelane zu, an dessen Fuß man vorüber musste. Die Feinde hatten diese feste Position unbegreiflicher Weise aufgegeben und verlassen.

Kaum waren jedoch die französischen Truppen an dem Felsen vorbei, als sie sich dem feindlichen Feuer preisgegeben sahen, welches zugleich von dem andern Abhange des Berges und aus der ersten Verschanzung mit großer Heftigkeit eröffnet wurde.

Schon bei der ersten Salve wurde Herr von Schomberg durch eine Kartätschenkugel in der Seite verwundet.

Bassompierre drang durch das Tal gerade auf die Lunette zu, welche den Pass versperrte; Créqui blieb an seiner Seite; ihnen folgten die Truppen.

Herr von Montmorency kletterte, wie ein einfacher Plänkler, die linke Felsenwand, welche zu dem Gipfel Montmoron führte, hinauf.

Schomberg ließ sich auf seinem Pferde festbinden, welches wegen der Unebenheit des Bodens am Zügel geführt werden musste, und ritt mitten in den vordersten Reihen.

Man stürmte die erste Barrikade, und während man sie von vorn angriff, schossen, nach dem Plane Bassompierre's, die Tirailleure von den Gebirgsabhängen herab gar manchen ihrer Verteidiger nieder.

Die Piomentesen kämpften tapfer, Victor Amadeus und sein Vater befanden sich in der Redoute, welche den Hügel Montabon krönte.

Montmorency hatte mit seinem gewöhnlichen Ungestüm die Barrikade auf dem linken Flügel angegriffen und genommen. Da ihn seine Rüstung in seinen Bewegungen beengte, hatte er alle Stücke derselben auf seinem Wege verstreut; den Sturm leitete er, bloß mit einem Wams von Büffelleder bekleidet.

 

Bassompierre drang in der Talsohle vor und hatte das ganze Feuer aus der Lunette auszuhalten.

Dann folgte der König mit seinem weißen Federbusch; neben ihm ritt der Kardinal in einem Anzug von hellbraunem Samt, mit Gold gestickt.

Dreimal wurde auf die Redouten Sturm gelaufen, und dreimal wurde derselbe abgeschlagen; die Kugeln prallten von den Felsen ab und eine tödtete einen Pagen des Herrn von Créqui. welcher neben dem Pferde des Königs stand.

Bassompierre und Créqui beschlossen nun, jeder mit fünfhundert Mann, an den Bergabhängen hinaufzuklettern, Ersterer um Montmorency, Letzterer um Schomberg zu unterstützen.

Zweitausendfünfhundert Mann blieben im Tal, um grade auf die Lunette vorzurücken.

Bassompierre, der etwas wohlbeleibt und fünfzig Jahre alt war, stützte sich auf einen Gardesoldaten, um leichter den steilen Abhang hinanklimmen zu können; plötzlich fühlte er, dass seine Stütze ihm fehle; der Gardesoldat hatte einen Schuß mitten in die Brust bekommen.

Er kam in dem Augenblicke auf dem Gipfel des Hügels an, in welchem Montmorency in das Innere der Redoute sprang; er folgte ihm ohne Aufenthalt.

Montmorency wurde am Arme leicht verwundet; Bassompierre's Kleider waren von Kugeln durchbohrt. Die Redoute der linken Seite war genommen; die piemontesische Besatzung flüchtete sich in die Lunette.

Die beiden Befehlshaber warfen nun ihren Blick nach der Redoute auf der rechten Seite.

Man kämpfte dort mit derselben Erbitterung.

Endlich sah man zwei Reiter aus derselben hervorkommen, und im schnellsten Galopp abwärts nach der Lunette von Susa jagen.

Diese Reiter waren der Herzog von Savoyen, Carl Emanuel und sein Sohn, Victor Amadeus.

Eine Menge Flüchtiger folgte; auch die zweite Redoute war genommen.

Es blieb nur noch die Lunette, der gefährlichste Punkt.

Ludwig XIII. ließ den Herzog von Montmorency und die Marschälle wegen ihrer Erfolge beglückwünschen, empfahl ihnen aber zugleich, sich zu schonen.

Bassompierre ließ dem Könige in seinem Namen und dem der Anderen antworten:

»Sire, wir sind Euch für das wohlwollende Interesse sehr dankbar, welches Ihr an unserer Person nehmt, aber es gibt Augenblicke, in denen das Blut eines Prinzen oder eines Marschalls von Frankreich nicht kostbarer ist, als das des letzten Soldaten; wir verlangen zehn Minuten Ruhe für unsere Leute, dann wird der Ball wieder beginnen!«

Und in der Tat schmetterten nach einer Pause von zehn Minuten wieder die Trompeten, wirbelten die Trommeln, und die Kolonne marschierte im Sturmschritte auf die verhängnisvolle Lunette zu.

1Es ist hier nicht die Rede von dem Rivoli, welches der Sieg Bonaparte's berühmt machte, sondern von einem andern Rivoli, das nur wenige Stunden von Turin entfernt liegt.
2Man wird sich erinnern, dass es der Marquis von Uxelle war, welcher dir unglückliche Expedition führte, die durch die Intrigen Marias von Medicis scheiterte.