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Der Graf von Moret

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»O, Monseigneur, ich habe mich nicht mit ihm geschlagen, sondern er mit mir.«

»Der arme Marquis! War er denn nicht schon unglücklich genug, kein Entrée in der Rue de la Cerisaie zu haben, während Ihr und der Graf von Moret dasselbe hattet?«

»Wie, Monseigneur, Ihr wisst? . . .«

»Ich weiß, dass, wenn Euer Degen nicht die Spitze seines Höckers getroffen hätte und seine Rippen nicht so übereinander geschoben wären, dass die Klinge an ihnen wie an einem Harnisch abgleiten musste, er wie ein Käfer an die Mauer gespießt worden wäre. Ihr seid also ein gar schlimmer Kopf, lieber Herr Michel.«

»Ich schwöre, Monseigneur, dass ich keinerlei Händel mit ihm gesucht habe; Voiture und Brancas werden es bezeugen; aber ich war sehr erhitzt, weil ich von der Rue de l'Homme Armé bis zur Rue du Louvre gelaufen war.«

Bei der Erwähnung der Rue de l'Homme Armé öffnete Richelieu Augen und Ohren.

»Auch er war erhitzt,« fuhr Souscarières fort, »durch einen Streit, den er in einem Wirtshaus gehabt hatte.«

»Ja wohl,« sagte Richelieu, welcher jetzt Nur den Weg übersah, den ihm Souscarières, ohne es zu ahnen, eröffnet hatte, in dem Wirtshaus »zum gefärbten Barte«.

»Monseigneur!« rief Souscarières erstaunt.

»Wohin er gegangen war,« fuhr Richelieu fort – auf die Gefahr hin, irre zu gehen, aber in der Absicht, Alles zu erfahren – »wohin er gegangen war, um zu sehen, ob er sich nicht durch die Hand eines gewissen Stephan Latil seines Rivals, des Grafen von Moret, entledigen könnte. Zum Glück fand er statt eines Sbirren einen ehrlichen Bravo, welcher es verweigerte, seine Hand in königliches Blut zu tauchen. Aber wisst Ihr wohl, mein lieber Herr Michel, dass in Eurem in der Kirche gezogenen Degen, in Eurem Duell mit Villandry, in Eurer Begünstigung der Ermordung des Stephan Latil und in Eurem Rencontre mit dem Marquis von Pisani genug Grund vorhanden ist, um Euch viermal den Kopf abschlagen zu lassen, aber natürlich nur, wenn Ihr als Edelmann zweiunddreißig Ahnen hättet und nicht ein Bürgerlicher wäret.«

»Ach, Monseigneur,« sagte Souscarières sehr erschüttert, »ich weiß es und ich gestehe es laut, dass ich mein Leben einzig und allein der Großmut Eurer Eminenz verdanke.«

»Und Eurer Intelligenz, lieber Herr Michel.«

»Ach, Monseigneur, wenn es mir ermöglicht würde, diese Intelligenz zur Verfügung Eurer Eminenz zu stellen,« rief Souscarières, zu den Füßen des Kardinals stürzend, »ich wäre der glücklichste der Menschen.«

»Ich sage nicht nein, Gott behüte; denn ich brauche Männer, wie Ihr seid.«

»Ja, Monseigneur, ergebene Männer; ich wage es auszusprechen.«

»Welche ich hängen lassen kann an dem Tage, an welchem sie aufhören es zu sein.«

Souscarières fuhr zusammen.

»O, es wird unmöglich sein, dass ich so unglücklich bin, zu vergessen, was ich Eurer Eminenz schulde.«

»Das ist Eure Sache, Herr Michel. Ihr habt Euer Glück in Eurer eigenen Hand, aber vergeht nur auch nicht, dass ich das Ende des Strickes in der meinigen halte.«

»Wenn nur Eure Eminenz geruhen wollten, mir zu sagen, bei welcher Gelegenheit ich jene Intelligenz in Anwendung bringen soll, die Ihr mir zuzuschreiben so gütig seid.«

»O, was das betrifft, recht gern.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Wohl an denn; nehmen wir an, ich gewährte Euch das Privilegium zu Eurer Erfindung.«

»Das Privilegium auf Tragsessel?« rief Souscarières, der das Glück in greifbarer Form vor sich sah, von dem der Kardinal gesagt hatte, er halte es in Händen, das er jedoch bisher nur im Traum zu sehen vermocht hatte.

»Nur die Hälfte,« sagte der Kardinal; »nur die Hälfte; die andere Hälfte behalte ich mir für ein Geschenk vor, das ich machen will.«

»Noch eine zweite Intelligenz, welche Monseigneur belohnen wollen?« wagte Souscarières zu fragen.

»Nein, eine Ergebenheit; das ist seltener.«

»Monseigneur sind Herr darüber. Mit der Hälfte des Privilegiums werde ich überreich beglückt sein.«

»Es sei! Ihr habt also die Hälfte der Tragsessel für Paris; nehmen wir z. P. zweihundert.«

»Ja, Monseigneur, nehmen wir zweihundert.«

»Das macht in Summa vierhundert Sesselträger. Nun: denn, Herr Michel, nehmen wir an, diese Träger wären intelligente Leute und passten wohl auf, wohin ihre Kunden sich tragen ließen und was sie sagten, und sie notierten sich pünktlich deren ganzes Gehen und Kommen, Thun und Lassen. Nehmen wir ferner an, an der Spitze dieses Corps stände gleichfalls ein intelligenter Mann, welcher mir, aber auch nur mir allein, Berichte erstattet über Alles, was er sieht und hört, und was ihm rapportirt wird. Und endlich nehmen wir noch an, dass dieser Mann nur zwölftausend Livres Renten hätte, sich jedoch mit Leichtigkeit vierundzwanzig tausend machen könnte, dabei aber natürlich nicht den Namen Michel führen dürfte, sondern Herr Peter von Bellegarde, Marquis von Montbrun und Herr von Souscarières heißen müsste. . . Ich würde ihm sagen: Mein lieber Freund, legt Euch so viele Namen bei, als Ihr nur wollt, je mehr, desto besser, und was die Namen anbelangt, die Ihr Euch bereits angeeignet habt, so verteidigt Ihr sie gegen Jeden, der sie vielleicht reklamieren sollte, aber seid ganz ruhig, ich werde es nicht sein, der Euch deshalb das Mindeste in den Weg legt.«

»Und das wäre Ernst, was mir da Monseigneur sagen?«

»Voller Ernst, mein lieber Herr Michel. Das Privilegium für die Hälfte der in Paris einzuführenden Tragsessel ist Euch verliehen und morgen soll Euch Euer Kompagnon, der den Vertrag für seinen Teil schon unterschrieben haben wird, denselben zu gleichem Zwecke überbringen. Ist Euch das recht?«

»Und wird die Schrift auch die Verbindlichkeiten enthalten, die mir auferlegt sind?« fragte zögernd Souscarières.

»Auf keinen Fall, lieber Herr Michel. Ihr begreift, dass die Sache ganz unter uns bleibt; es ist sogar von höchster Wichtigkeit, dass sie nicht ausposaunt werde. Teufel! wüsste man Euch auf meiner Seite, so wäre Alles gefehlt. Es schadet sogar nicht das Geringste, wenn man glaubt, Ihr wäret für Monsieur oder für die Königin; hierzu wird es Euch genügen, zu sagen, ich wäre ein Tyrann, ich verfolge die Königin, und Ihr begreift nicht, wie König Ludwig XIII. unter einem so harten Joch, wie das meinige, leben könne.«

»Aber ich werde niemals derartige Suchen sagen können!« rief Souscarières.

»Schon gut; wenn Ihr Euch etwas Gewalt antut, werdet Ihr sehen, dass das von selbst geht. Wir sind also nun im Reinen. Eure Sessel werden in Mode kommen, Ihr werdet Opposition machen, Ihr werdet den ganzen Hof haben, man wird nirgends mehr hingehen ohne Tragsessel, besonders wenn diese für zwei Personen berechnet sind und recht dichte Vorhänge haben.«

»Monseigneur haben mir Niemand besonders zu empfehlen?«

»O doch. Ich empfehle Euch namentlich folgende Damen: die Frau Prinzeß zuvörderst, dann Madame Marie von Gonzaga, die Herzogin von Chevreuse, Frau von Fargis; ferner von den Herren: den Grafen von Moret, Herrn von Montmorency, den Herzog von Chevreuse, den Grafen Cramail. Ich spreche nicht vom Marquis von Pisani; er kann mich, Dank Eurer Geschicklichkeit, einige Tage lang nicht beunruhigen.«

»Monseigneur können beruhigt sein. Und wann soll ich meine Kundschafterdienste beginnen?«

»So bald als möglich. In acht Tagen kann die ganze Sache im Zuge sein, natürlich, wenn Euch das Anlagecapital nicht fehlt.«

»Nein, Monseigneur. Übrigens wenn es mir auch fehlte, bei einer solchen Gelegenheit fände ich es gewiss.«

»In diesem Falle braucht Ihr nicht zu suchen, sondern Euch nur direkt an mich selbst zu wenden.«

»An Euch, Monseigneur?«

»Ja. Habe ich nicht ein Interesse an der Sache? Doch da ist Cavois, der, wie es scheint, mir etwas zu sagen hat. Er ist es, der Euch morgen das kleine Papier zum Unterzeichnen bringt, und da er alle die Bedingungen desselben kennen wird, selbst die, welche unter uns bleiben, so würde auch er es sein, der sie Euch im Falle einer Vergesslichkeit ins Gedächtnis zurückzurufen käme, aber ich glaube gewiss zu sein, dass Ihr nichts vergessen werdet. Tritt ein, Cavois, tritt ein. Du siehst diesen Herrn, nicht wahr?«

»Ja, Monseigneur,« sagte Cavois, der dem Befehle des Kardinals gehorcht hatte.

»Gut. Er ist einer meiner Freunde. Aber er gehört zu Jenen, die mich nur zwischen zehn Uhr Abends und zwei Uhr Morgens besuchen. Für mich, aber nur für mich allein, heißt er Michel, für alle Übrigen ist es Herr Peter von Bellegarde, Marquis von Montbrun, Herr von Souscarières. – Auf Wiedersehen, lieber Herr Michel

Souscarières verneigte sich bis auf die Erde und entfernte sich, kaum an sein Glück glaubend und fast unklar darüber, ob der Kardinal mit ihm ernstlich gesprochen oder sich bloß über ihn lustig gemacht hatte.

Da er aber wusste, dass der Kardinal stets sehr beschäftigt war, begriff er endlich doch, derselbe habe nicht die Zeit, über ihn zu spotten und habe daher aller Wahrscheinlichkeit nach in vollem Ernste gesprochen.

Was den Kardinal anbelangt, so hatte er das Bewusstsein, seine Macht durch die Rekrutierung eines mächtigen Alliierten verstärkt zu haben; seine gute Laune war also zurückgekehrt und er rief mit seiner freundlichsten Stimme:

»Madame Cavois! Madame Cavois. kommt doch herein!«

XIII.
Worin der Kardinal sein Schachbrett klar zu übersehen beginnt

Kaum war dieser Ruf erschallt, als eine kleine Frau von fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahren eintrat. Sie war munter, beweglich, das Näschen in der Luft und es schien durchaus nicht, als sei sie durch den Kardinal eingeschüchtert.

 

»Ihr habt mich gerufen, Monseigneur,« sagte sie, das Wort zuerst ergreifend und mit sehr ausgesprochenem Languedoc'schen Accent,, »Hier bin ich.«

»Gut; und Cavois sagte, Ihr würdet vielleicht nicht kommen wollen.«

»Ich nicht kommen, wenn Ihr mir die Ehre antut, .mich rufen zu lassen? Eher wäre ich gekommen, wenn mich Auch Euer Eminenz gar nicht hätte holen lassen,«

»Madame Cavois! Madame Cavois!« sagte der Gardecapitän mit einem Versuche, die Stimme zu erheben.

»Madame Cavois, so viel Du willst! Monseigneur lässt mich für Dies oder Jenes kommen. Will er mit mir sprechen, so möge er sprechen; will er, dass ich zu ihm spreche, so werde ich zu ihm sprechen.«

»Ich will Beides, Madame Cavois,« sagte der Kardinal, indem er seinem Gardecapitän winkte, sich nicht in das Gespräch zu mischen,

»Ah, Monseigneur brauchen ihm kein Stillschweigen aufzuerlegen. Es wird genügen, dass ich ihn schweigen heiße, und er wird schweigen, oder sollte er sich zufällig einmal den Anschein geben wollen, als sei er der Herr?«

»Monseigneur werden sie entschuldigen,« sagte Cavois; »sie ist nicht vom Hofe und . . .«

»Wie? Monseigneur soll mich entschuldigen? Das machst Du wahrhaft nicht übel, Cavois! Monseigneur hat sich bei mir zu entschuldigen.«

»Wie?« sagte der Kardinal lachend, »ich habe mich zu entschuldigen?«

»Gewiss. Oder ist es etwa christlich gehandelt, wenn man Leute, die sich lieben, ewig getrennt hält?«

»Ah, ah! Ihr betet also Euren Gatten an?«

»Wie sollte ich nicht? Wisst Ihr, wie ich ihn kennen gelernt habe, Monseigneur?«

»Nein, aber saget mir das, Madame Cavois, das interessiert mich ungeheuer.«

»Mireille, Mireille!« sagte Cavois, indem er Versuchte, seine Frau zur Ordnung zu rufen.

»Cavois, Cavois!« sagte der Kardinal, den Akzent seines Gardecapitäns nachahmend.

»Nun denn, wisst Ihr, ich bin die Tochter eines Edelmannes aus Languedoc, während Cavois der Sohn eines Krautjunkers aus der Picardie ist.«

Cavois machte eine Bewegung.

»Das will nicht sagen, dass ich Dich verachte, Louise Mein Vater hieß De Serignan, Er war General-Major in Catalonien, nicht mehr nicht minder. Ganz jung wurde ich schon die Witwe eines gewissen Lacroix; ich war kinderlos und hübsch, dessen darf ich mich rühmen.«

»Ihr seid es noch immer, Madame Cavois,« sagte der Kardinal.

»Ach, mein Gott ja! Ich war damals 16 Jahre und heute bin ich 26 und habe acht Kinder, Monseigneur.«

»Wie? Acht Kinder? Unglücklicher; und Du beklagst Dich noch, dass ich Dich hindere, viel zu Hause zu sein?«

»Wie, Du hast Dich darüber beklagt, mein kleiner Cavois?« rief Mireille, »O Du liebes Männchen, lass Dich umarmen.«

Und ohne sich an die Anwesenheit des Kardinals zu kehren, sprang sie ihrem Manne an den Hals und küsste ihn.

»Madame Cavois, Madame Cavois!« rief der Kapitän der Garde zitternd, wahrend der Kardinal, nunmehr im vollen Besitz seiner guten Laune, herzlich lachte.

»Ich fahre fort, Monseigneur,« sagte Madame Cavois, nachdem sie ihren Mann nach Herzenslust abgeküßt hatte. »Er war zu jener Zeit bei Herrn von Montmorency, und da war es denn nicht zu verwundern, dass er, obschon Picarde, dennoch nach Languedoc kam. Da sieht er mich und ist flugs in mich verliebt. Weil er jedoch nicht sehr reich war und ich etwas Vermögen hatte, so wagte der Einfaltspinsel nicht, sich zu erklären. Durch diesen Liebeshandel aber geräth er in einen Raufhandel und im Begriffe, sich Tags darauf zu schlagen, geht er zu einem Notar, macht sein Testament zu meinen Gunsten und gibt mir – was? Alles, was er bei Leib und Seele besitzt, nicht mehr, nicht minder, – mir, die nicht einmal wusste, dass er mich liebte. Da sehe ich denn plötzlich die Frau des Notars, meine Freundin, zu mir eintreten, die mir sagt: »Ihr wisst es doch schon, wenn Herr Cavois stirbt, beerbt Ihr ihn?« – »Herr Cavois? Ich kenne ihn nicht.« – »O,« erwiderte die Frau des Notars, »ein hübscher Junge,« denn er war ein hübscher Junge zu jener Zeit, Monseigneur; seitdem hat er etwas abgenommen; aber das macht nichts, ich liebe ihn deshalb nicht weniger. Nicht wahr, Cavois

»Monseigneur,« sagte Cavois in flehentlichem Tone, »nicht wahr. Ihr entschuldigt sie?«

»Was meint Ihr, Madame Cavois,« sagte Richelieu, »wenn wir diesen Plärrer vor die Tür setzten?«

»O nein, Monseigneur. Ich sehe ihn nicht oft genug, um das tun zu können. Das hat mir also die Frau erzählt. Er liebt mich daher wie ein Narr, er schlägt sich Tags darauf für mich, und wenn er stirbt, gehört sein Hab und Gut mir. Das rührt mich, wie Ihr begreifen werdet; ich erzähle das meinem Vater, meinen Brüdern, allen meinen Freunden. Ich lasse am frühen Morgen Alle zu Pferde steigen und die Gegend durchsuchen, um Cavois und seinen Gegner an dem Rencontre zu hindern. Sie kommen an, als er seinem Gegner bereits zwei Degenstiche gegeben hatte, und bringen mir ihn frisch und gesund nach Hause. Ich springe ihm an den Hals und sage: »Wenn Ihr mich liebt, müsst Ihr mich heiraten; es ist schlecht, wenn man hungrig bleibt« . . . und er hat mich geheiratet.«

»Und er ist nicht hungrig geblieben, wie es scheint,« sagte der Kardinal.

»Nein, denn, seht Ihr, Monseigneur, es gibt keinen glücklicheren Mann, als dieser Spitzbube da ist. Ich versehe alle häuslichen Geschäfte, er hat nichts zu tun, als seinen Dienst bei Euer Eminenz, was ein Amt für einen Faulpelz ist. Wenn er nach Hause kommt – unglücklicherweise ist es sehr selten – liebkose ich ihn – mein kleiner Cavois hier – mein kleines Männchen dort. Ich mache mich so hübsch als möglich, um ihm zu gefallen; in seiner Gegenwart wird von nichts Ärgerlichem gesprochen, da gibt es rein Geschrei, keine Klagen, kurz es ist, als hätte gar kein böser Geist die Hand im Spiele.

»Was ich aus alle dem ersehe, ist. dass Ihr Meister Cavois mehr liebt, als die ganze übrige Welt.«

»O ja, Monseigneur.«

»Mehr als den König?«

»Ich wünsche dem König alles mögliche Glück; aber wenn der König stürbe, stürbe ich nicht mit; wenn aber mein armer Cavois umkäme, könnte ich mir nichts Besseres wünschen, als mit ihm zu gehen.«

»Mehr als die Königin?«

»Ich verehre Ihre Majestät, aber ich finde, dass sie für eine Königin von Frankreich nicht genug Kinder hat; wenn ihr zum Unglück etwas zustieße, waren wir in der größten Verlegenheit. Deshalb bin ich ihr böse.«, »Mehr als mich?«

»Ich glaube wohl, Monseigneur. Ihr macht mir nichts als Plage, indem Ihr bald krank seid, bald mich von ihm entfernt, bald ihn in den Krieg fortführt, wie Ihr es fast ein Jahr lang bei La Rochelle tatet, während er mir nichts als Vergnügen macht.«

»Aber endlich,« sagte Richelieu, »wenn der König stürbe, wenn die Königin stürbe, wenn ich stürbe, wenn alle Welt stürbe, was tätet Ihr Zwei dann ganz allein?«

Madame Cavois brach in ein Gelächter aus und schaute ihren Gatten an.

»Nun,« sagte sie, »wir würden —«

»Was würdet Ihr denn tun?«

»Wir würden tun, was Adam und Eva taten, als sie auch allein waren.«

Der Kardinal stimmte in ihr Lachen ein.

»Also,« sagte er, »acht Kinder sind im Hause?«

»Entschuldigt Monseigneur, nur noch sechs. Es hat dem Herrn gefallen, uns zwei wieder zu nehmen.«

»O, er wird sie Euch zurückgeben, ich weiß es gewiss.«

»Ich will es hoffen; Du auch, nicht wahr, Cavois

»Da muss man dann wohl für die Existenz dieser armen Kleinen sorgen!«

»Gott sei Dank, Monseigneur, sie leiden keine Noch.«

»Ja, aber wenn ich sterbe, täten sie es.«

»Gott bewahre uns vor einem solchen Unglück,« riefen die beiden Gatten.

»Ich hoffe, er wird Euch davor bewahren und mich, auch. Indessen muss man sich für Alles vorsehen. Madame Cavois, ich gebe Euch in Compagnie mit Herrn Michel, genannt Peter von Bellegarde, Marquis von Montbrun, Herr von Souscarières, das Privilegium auf Tragsessel für ganz Paris.«

»Ah, Monseigneur!«

»Und nun, Cavois,« fuhr Richelieu fort, »führt Eure Frau weg, und dass Sie mit Euch zufrieden sei, sonst gebe ich Euch acht Tage Arrest in ihrem Schlafzimmer.«'

»O, Monseigneur,« riefen beiden Gatten, indem sie sich ihm zu Füßen warfen und ihm die Hände küssten.

Der Kardinal streckte beide Hände über sie aus.

»Was zum Teufel' murmelt Ihr denn da, Monseigneur?« fragte Madame Cavois, welche nicht Latein verstand.

»Die schönsten Worte des Evangeliums«, deren praktische Ausübung aber leider den Kardinälen verboten ist.«

Beide verließen hierauf das Kabinett, in welchem binnen zwei Stunden so viele Dinge vorgegangen waren.

Allein geblieben nahm das Gesicht des Kardinals seinen gewöhnlichen Ernst wieder an., .

»Sehen wir einmal,« sagte er, »wiederholen wir uns die Ereignisse des Abends.« Und er nahm einen Bleistift und schrieb in seine Schreibtafel:

»5. Dezember 1628.

»Der Graf von Moret vor acht Tagen ans Savoyen angekommen, verliebt in Frau von la Montagne. Rendezvous mit der Fargis im Hotel »zum gefärbten Barte«, er als Baske verkleidet, sie als Catalonierin, aller Wahrscheinlichkeit nach mit Briefen für die beiden Königinnen von Karl Emanuel betraut.

»Ermordung des Stephan Latil wegen Verweigerung der Ermordung des Grafen von Moret; Pisani, von Frau von Maugiron zurückgewiesen, durch Souscarières verwundet, durch seinen Höcker gerettet.

»Souscarières, privilegiert zur Einführung von Tragfesseln und Chef meiner weltlichen Polizei als Seitenstück zu du Tremblay, dem Haupt der geistlichen Polizei.

»Die. Königin unter Vorwand von Migräne abwesend vom Ballett.

»Was gibt es denn noch?«

Und er suchte in seinem Gedächtnisse.

»Ah,« sagte er plötzlich; »und dieser Brief, der aus dem, Portefeuille des königlichen Arztes gestohlen und durch den Kammerdiener an du Tremblay verkauft worden ist; sehen wir einmal, was darin steht, da ja doch Rossignol den Schlüssel zu den Chiffren gefunden hat,« – und er rief:

»Rossignol! Rossignol

Das Männchen mit der Brille erschien.

»Den Brief und die Chiffren,« sagte der Kardinal.

»Hier, Monseigneur!«

Der Kardinal nahm Beides.

»Es ist gut,« sagte er, »auf morgen also; und wenn ich mit der Übertragung zufrieden bin, werdet Ihr einen Bon auf vierzig statt aus zwanzig Pistolen zu schreiben haben.«

»Ich hoffe, Euer Eminenz werden zufrieden sein.«

Rossignol entfernte sich; der Kardinal öffnete den Brief und las ihn.

Hier ist der wörtliche Inhalt desselben:

»Wenn Jupiter vom Olymp vertrieben ist, kann er sich nach Creta flüchten. Minos wird ihm mit größtem Vergnügen Gastfreundschaft gewähren. Aber die Gesundheit Kephalos kann nicht andauern; warum sollte man im Falle des Todes nicht Prokris mit Jupiter verheiraten? Das Gerücht geht um, dass das Orakel sich der Prokris entledigen will, um Venus mit Kephalos zu verheiraten. In der Erwartung, dass Jupiter fortfahren werde, Hebe den Hof zu machen, und wegen dieser Leidenschaft die größte Misshelligkeit mit Juno vorzuspiegeln, ist es wichtig, dass. so fein es auch ist, oder vielmehr sich glaubt, das Orakel sich irre, indem es Jupiter für verliebt in Hebe hält,

»Minos

»Jetzt,« sagte der Kardinal, »sehen wir die Chiffren.« Die Chiffren waren, wie wir gesagt haben, nicht aus Buchstaben gebildet, sondern so, wie wir sie unseren Lesern vorlegen:

Kephalos Der König.

Prokris Die Königin.

Jupiter Monsieur.

Juno Maria von Medicis.

Der Olymp Der Louvre.

Das Orakel Der Kardinal.

Venus Frau Combalet.

Hebe Maria von Gonzuga.

Minos Karl IV., Herzog von Lothringen.

Creta Lothringen.

Wurden die wirklichen Namen den falschen substituiert. so gaben sie die folgende Depesche, deren Wichtigkeit Rossignol, wie man sehen wird, nicht überschätzt hatte.

»Wenn Monsieur aus dem Louvre vertrieben wird, kann er sich nach Lothringen flüchten; der Herzog Carl IV. wird ihm mit größtem Vergnügen Gastfreundschaft anbieten, über die Gesundheit des Königs kann nicht dauernd sein. Warum sollte man im Falle des Todes nicht die Königin mit Monsieur verheiraten? Das Gerücht geht um, der Kardinal wolle Frau von Combalet an den König verheiraten. In der Erwartung, dass Monsieur fortfahren wird, Maria von Gonzaga den Hof zu machen und Wegen dieser Leidenschaft die größte Misshelligheit mit Maria von Medicis vorzuspiegeln, ist es wichtig, dass, so fein er auch sei oder zu sein glaubt, der Kardinal sich tausche, indem er Monsieur in Maria von Gonzaga verliebt wähnt.

 

»Carl IV.«

Richelieu las die Depesche ein zweites Mal durch; dann sagte er mit dem Lächeln eines triumphierenden Spielers

»Es geht; ich beginne mein Schachbrett deutlich zu überblicken!«