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Der Graf von Bragelonne

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Colbert biß sich aus die Lippen. »Wir werden auf das Gefängnis verzichten und einen Zufluchtsort finden, aus dem der Unbesiegbare nicht entkommen kann.«

»So ist es gut, mein Bundesgenosse!« sprach die Herzogin. »Doch es ist spät; kehren wir nicht zurück?«

»Um so lieber, Madame, als ich Anstalten zu treffen habe, um mit dem König abzureisen.«

»Nach Paris!« rief die Herzogin dem Kutscher zu. Und der Wagen kehrte nach der Faubourg Saint-Antoine zurück, nach dem Abschluß dieses Vertrags, der den letzten Freund von Fouquet, den letzten Vertheidiger von Belle-Isle, den alten Freund von Marie Michon, den neuen Feind der Herzogin dem Tode überlieferte.

XI.
Die zwei Cabanen

D’Artagnan war abgereist, Fouquet war auch abgereist, und dieser mit einer Geschwindigkeit, welche die zarte Theilnahme seiner Freunde verdoppelte.

Die ersten Augenblicke dieser Reise, oder vielmehr dieser Flucht wurden durch die unablässige Furcht vor allen den Pferden, vor allen den Wagen, die man hinter den Flüchtlingen erblickte, beunruhigt.

Es war in der That nicht natürlich, daß Ludwig XlV., wenn er diese Leute fassen wollte, sie entschlüpfen lassen sollte; der junge Löwe verstand sich schon aus die Jagd, und er hatte Jagdhunde, welche eifrig genug, daß er auf sie bauen konnte.

Aber allmälig verschwanden alle Befürchtungen; durch die Eile des Führers legte der Oberintendant eine solche Entfernung zwischen sich und die Verfolger, daß keiner ihn erreichen konnte. Was die Haltung betrifft, so hatten sie ihm seine Freunde vortrefflich gemacht. Reiste er nicht, um in Nantes mit dem König zusammen zu treffen und, zeugte nicht gerade die Eile selbst von seinem Eifer?

Er kam ermüdet, aber beruhigt in Orleans au, wo er durch die Bemühung eines Couriers, den er vorausgeschickt hatte, eine schöne achtruderige Cabane fand.

Diese ein wenig schwerfälligen, ein wenig breiten Cabanen hatten ungefähr die Form von Gondeln; sie enthielten ein kleines, in Form eines Oberlaufs bedecktes Zimmer und ein durch ein Zelt gebildetes Zimmer im Hintertheil, verrichteten den Dienst von Orleans nach Nantes aus der Loire, und diese, in unsern Tagen lange, Fahrt schien damals sanfter und bequemer, als die Landstraße mit ihren Postkleppern oder ihren schlechten, kaum hängenden Wagen. Fouquet stieg in diese Cabane, welche sogleich abfuhr. Die Ruderer, da sie wußten, daß sie die Ehre hatten, den Oberintendanten der Finanzen zu führen, arbeiteten mit ihren besten Kräften, denn das magische Wort Finanzen verhieß ihnen einen guten Lohn, dessen sie sich würdig machen wollten.

Die Cabane flog aus den Wellen der Loire. Ein herrliches Wetter, eine von den ausgehenden Sonnen, welche die Landschaften mit Purpur übergießen, ließ dem Fluß hier seine ganze durchsichtige Heiterkeit. Der Strom und die Ruderer trugen Fouquet, wie die Flügel den Vogel tragen; er kam nach Beaugency, ohne daß ein Unfall die Reise bezeichnet hatte.

Fouquet hoffte vor allen Andern nach Nantes zu kommen; dort würde er die Notabeln sehen und sich eine Unterstützung unter den bedeutendsten Mitgliedern der Stände verschaffen: er würde sich nothwendig machen, was ein Leichtes für einen Mann von seinem Verdienst, und die Katastrophe verzögern, wenn es ihm nicht gelänge, sie ganz zu vermeiden.

»Ueberdies!« sagte Gourville zu ihm, »überdies werdet Ihr oder werden wir in Nantes die Absichten Eurer Feinde errathen; wir werden Pferde bereit halten, um das unentwirrbare Poitou, eine Barke, um das Meer zu erreichen, und sind wir einmal aus dem Meere, so ist Belle-Isle ein unverletzlicher Hafen. Auch seht Ihr, daß Euch Niemand bespäht, und daß uns Niemand folgt.«

Kaum hatte er gesprochen, als man in der Ferne, hinter einer Biegung, die der Fluß bildete, den Mastbaum einer bedeutenden herabfahrenden Gabare erblickte.

Die Ruderer des Schiffes von Fouquet gaben einen Schrei des Erstaunens von sich, als sie diese Gabare sahen.

»Was gibt es?« fragte Fouquet.

»Gnädigster Herr,« erwiederte der Patron der Barke, »es ist in der That außerordentlich, diese Gabare läuft wie ein Orkan.«

Gourville bebte und stieg auf den Oberlaus, um besser zu sehen.

Fouquet stieg nicht hinaus, aber er sagte zu Gourville mit einem bewältigten Mißtrauen:

»Seht doch nach, was es ist, mein Lieber.«

Die Gabare war durch die Biegung gefahren. Sie schwamm so rasch, daß man hinter ihr den weißen Streifen ihres Soges, beleuchtet von den Feuern des Tages, zittern sah.

»Wie sie laufen!« wiederholte der Patron, »wie sie laufen! es scheint, die Bezahlung ist gut. Ich glaubte nicht, hölzerne Ruder könnten besser arbeiten, als die unseren. Aber dort beweist man mir das Gegentheil.«

»Ich glaube wohl!« rief einer von den Ruderern: »sie sind zu zwölf und wir nur zu acht.«

»Zwölf!« sagte Gourville, »zwölf Ruderer! unmöglich!«

Die Zahl von acht Ruderern war nie überschritten worden, nicht einmal für den König.

Man hatte diese Ehre dem Oberintendanten mehr aus Eile, als aus Achtung erwiesen.

»Was bedeutet das?« fragte Gourville, der unter dem Zelte, das man schon erblickte, die Reisenden zu unterscheiden suchte, welche das schärfste Auge noch nicht zu erkennen vermocht hätte.

»Sie müssen große Eile haben,« sagte der Patron, »denn es ist nicht der König.«

Fouquet bebte.

»Woran seht Ihr, daß es nicht der König ist?« fragte Gourville.

»Einmal, weil die weiße Flagge mit den Lilien, welche die königliche Gabare immer führt, nicht vorhanden ist.«

»Und dann,« sagte Fouquet, »weil es der König unmöglich sein kann, insofern er gestern noch in Paris war.«

Gourville entgegnete dem Oberintendanten mit einem Blick: Ihr waret ja selbst dort.

»Und woran steht man, daß sie Eile haben?« fügte er, um Zeit zu gewinnen, bei.

»Mein Herr,« antwortete der Patron, »diese Leute müssen lange nach uns abgefahren sein und haben uns beinahe eingeholt.«

»Bah!« rief Gourville, »wer sagt Euch, daß sie nicht von Beaugency oder gar von Niort abgefahren sind?«

»Wir haben keine Gabare von dieser Stärke gesehen, wenn nicht in Orleans. Sie kommt von Orleans, mein Herr, und sputet sich.«

Fouquet und Gourville wechselten einen Blick.

Der Patron bemerkte diese Unruhe. Gourville sagte sogleich, um ihn von der Fährte abzubringen:

»Es wird ein Freund sein, der gewettet hat, er werde uns einholen; wir wollen die Wette gewinnen und uns nicht erreichen lassen.«

Der Patron öffnete den Mund, um zu entgegnen, das wäre unmöglich; da sprach Fouquet mit stolzem Tone:

»Wenn Jemand uns einholen will, so laßt ihn kommen.«

»Man kann es versuchen,« sagte schüchtern der Patron. »Auf, Ihr Leute, kräftig! rudert!«

»Nein!« rief Fouquet, »haltet im Gegentheil an.«

»Monseigneur, welche Tollheit!« unterbrach ihn Gourville, der sich an sein Ohr neigte.

»Sogleich angehalten!« wiederholte Fouquet.

Die acht Ruderer hielten an und gaben, dem Wasser widerstehend, der Gabare eine rückgängige Bewegung. Sie stand stille.

Die zwölf Ruderer des andern Schiffes unterschieden Anfangs dieses Manoeuvre nicht, denn sie trieben fortwährend das Fahrzeug so kräftig an, daß es bald nur noch aus einen Musketenschuß entfernt war.

Fouquet hatte ein schlechtes Gesicht; Gourville war durch die Sonne gehindert, die gerade aus seine Augen fiel; der Patron erblickte allein, mit der Gewohnheit und der Schärfe, die der Kampf mit den Elementen verleiht, deutlich die Reisenden der benachbarten Gabare.

»Ich sehe sie,« rief er, »sie sind zu zwei.«

»Ich sehe nichts,« erwiederte Gourville.

»Ihr werdet sie alsbald unterscheiden; mit zwanzig Ruderschlägen sind sie nur noch zwanzig Schritte von uns entfernt.«

Aber was der Patron ankündigte, verwirklichte sich nicht; die Gabare ahmte die von Fouquet befohlene Bewegung nach, und statt ihre vorgeblichen Freunde einzuholen, hielt sie mitten im Flusse an.

»Das ist mir unbegreiflich,« sagte der Patron.

»Mir auch,« fügte Gourville bei.

»Ihr, der Ihr so gut die Leute seht, welche die Gabare führt,« sagte Fouquet, »sucht sie uns zu schildern, Patron, ehe wir zu fern von ihnen sind.

»Ich glaubte zwei zu sehen,« antwortete der Patron, »ich sehe nur noch einen unter dem Zelt.«

»Wie sieht er aus?«

»Es ist ein Mann von braunem Gesichte, mit breiten Schultern und kurzem Hals.«

Eine kleine Wolke zog in diesem Augenblick über den blauen Himmel hin und maskirte die Sonne.

Gourville, der beständig, eine Hand über den Augen, schaute, konnte sehen, was er suchte; er sprang vom Oberlaus in das Zimmer, wo ihn Fouquet erwartete, und sagte mit einer von der Aufregung bebenden Stimme:

»Colbert!«

»Colbert!« wiederholte Fouquet, »oh! das ist seltsam; nein, es ist unmöglich!«

»Ich erkenne ihn, sage ich Euch, und er selbst hat mich so gut erkannt, daß er so eben in das Zimmer im Hintertheil gegangen ist. Vielleicht schickt ihn der König, um uns zurückkommen zu lassen.«

»Ich liebe die Ungewißheiten nicht,« rief Fouquet, »fahren wir gerade auf ihn zu.«

»Oh! Monseigneur, thut das nicht, die Gabare ist voll von bewaffneten Leuten.«

»Er würde mich also verhaften? warum kommt er dann nicht?«

»Monseigneur, es ist nicht Eurer Würde angemessen, daß Ihr Eurem Verderben selbst entgegengeht.«

»Soll ich es aber dulden, daß man mich bewacht wie einen Missethäter?«

»Nichts sagt, man bewache Euch, Monseigneur, habt Geduld.«

»Was ist zu thun?«

»Haltet nicht an; Ihr fahrt nur so schnell, um den Anschein zu haben, als gehorchtet Ihr voll Eifer den Befehlen des Königs. Verdoppelt Eure Schnelligkeit, man wird dann sehen.«

»Das ist richtig! Vorwärts!« rief Fouquet, »da man dort stille hält, so wollen wir weiter fahren.«

Der Patron gab das Zeichen, und die Ruderer von Fouquet arbeiteten wieder mit allem Erfolg, den man von ausgeruhten Leuten erwarten konnte.

 

Kaum hatte die Gabare hundert Klafter gemacht, als die andere, die mit den zwölf Ruderern, ihre Fahrt auch wieder fortsetzte.

Dies ging so den ganzen Tag fort, ohne daß sich die Entfernung zwischen den zwei Fahrzeugen vermehrte oder verminderte.

Gegen Abend wollte Fouquet die Absichten seines Verfolgers ergründen. Er befahl den Ruderern, sich gegen das Land zu ziehen, als beabsichtigte man, auszusteigen.

Die Gabare von Colbert ahmte dieses Manoeuvre nach und segelte in einer schrägen Linie nach dem Lande.

Durch einen großen Zufall folgte an der Stelle, wo Fouquet zu landen Miene machte, ein Stallknecht vom Schlosse Langenals, mit drei Pferden an der Leine, dem blumichten Ufer. Ohne Zweifel glaubten die Leute der zwölfruderigen Gabare, Fouquet wende sich nach den Pferden, welche zu seiner Flucht bereit gehalten werden, denn man sah vier bis fünf mit Musketen bewaffnete Männer aus dieser Gabare ans Land springen und aus dem Ufer fortschreiten, als wollten sie den Pferden und dem Reiter zuvorkommen.

Zufrieden, den Feind zu einer Demonstration genöthigt zu haben, glaubte Fouquet im Klaren zu sein und ließ sein Schiff weiter fahren.

Die Leute von Colbert stiegen sogleich wieder in das ihrige, und der Lauf der zwei Fahrzeuge wurde mit derselben Beharrlichkeit fortgesetzt.

Als Fouquet dies sah, fühlte er sich von Nahem bedroht, und er sprach mit einer prophetischen Stimme sehr leise:

»Nun! Gourville, was sagte ich bei unserem letzten Mahle in meinem Hause? Gehe ich oder gehe ich nicht zu meinem Ruin?«

»Oh! Monseigneur!«

»Diese zwei Fahrzeuge, die sich mit einem Wetteifer folgen, als ob wir, Herr Colbert und ich uns um einen Preis der Geschwindigkeit streiten würden, stellen sie nicht das Glück von jedem von uns Beiden vor, Gourville, und glaubst Du nicht, daß der Eine von Beiden in Nantes Schiffbruch leiden wird?«

»Es ist wenigstens noch Ungewißheit in dieser Sache,« entgegnete Gourville; »Ihr werdet in den Ständen erscheinen, Ihr werdet zeigen, was für ein Mann Ihr seid. Eure Beredsamkeit und Euer Genie in den öffentlichen Angelegenheiten sind der Schild und das Schwert, die Euch zu Eurer Vertheidigung, wenn nicht zum Siege, dienen werden. Die Bretannier kennen Euch nicht, und wenn sie Euch kennen werden, ist Eure Sache gewonnen. Oh! Herr Colbert mag sich gut halten, denn seine Gabare ist der Gefahr des Scheiterns eben so sehr ausgesetzt, als die Eurige. Beide gehen schnell, die seinige schneller, als die Eurige, das ist wahr; man wird sehen, welche zuerst zum Schiffbruch gelangt.«

Fouquet nahm die Hand von Gourville und sprach:

»Freund, das ist Alles abgemacht, erinnere Dich des Sprichworts: die Ersten gehen voran. Colbert ist durchaus nicht Willens, mir voran zu fahren! Colbert ist ein Vorsichtiger.«

Er hatte Recht: die zwei Gabaren fuhren, einander überwachend, bis Nantes; als der Oberintendant landete, hoffte Gourville, er könnte sogleich seinen Zufluchtsort suchen und die Relais in Bereitschaft halten.

Doch beim Ausschiffen holte die zweite Gabare die erste ein, und Colbert näherte sich Fouquet aus dem Kai und grüßte ihn mit den Zeichen der tiefsten Ehrfurcht.

Mit so sichtbaren, so geräuschvollen Zeichen, daß in Folge derselben eine ganze Bevölkerung nach der Fosse lief.

Fouquet war völlig Herr seiner Person; er fühlte, daß er in dem letzten Augenblicke seiner Größe Verbindlichkeiten gegen sich selbst hatte.

Er wollte von so hoch fallen, daß sein Sturz einen seiner Feinde zerschmettern würde.

Colbert war da, schlimm für Colbert.

Der Oberintendant näherte sich ihm auch, erwiederte seinen Gruß mit dem ihm eigenthümlichen, hochmüthigen Blinzeln der Augen und sagte:

»Wie! Ihr seid es, Herr Colbert?«

»Um Euch meine Huldigung darzubringen, Monseigneur,« erwiederte dieser.

»Ihr waret aus dieser Gabare?«

Er bezeichnete die oft erwähnte Barke mit den zwölf Ruderern.

»Ja, Monseigneur.«

»Mit zwölf Ruderern!« rief Fouquet, »welch ein Luxus, Herr Colbert! Ich glaubte einen Augenblick, es wäre die Königin Mutter oder der König.«

»Monseigneur . . . « stammelte Colbert erröthend.

»Das ist eine Reise, welche diejenigen, die sie bezahlen, viel kosten wird, Herr Intendant,« sprach Fouquet. »Doch Ihr seid angekommen. Ihr seht wohl,« fügte er einen Augenblick nachher bei, »ich, der ich nicht mehr als acht Ruderer hatte, bin vor Euch angekommen.«

Und er wandte sich um und verließ Colbert, ohne daß dieser entschieden wußte, ob alle die Ränke oder Manoeuvres der zweiten Gabare der ersten entgangen waren.

Er gewährte ihm wenigstens nicht die Befriedigung, zu zeigen, daß er Furcht gehabt hatte.

Obgleich aus eine so ärgerliche Weise geschüttelt, ließ sich Colbert doch nicht zurückschrecken; er erwiederte:

»Ich bin nicht rasch gewesen, Monseigneur, weil ich nicht weiter fuhr, so oft Ihr anhieltet.«

»Und warum dies, Herr Colbert?« rief Fouquet aufgebracht über diese niedrige Frechheit; »warum, da Ihr eine der meinigen überlegene Gabare hattet, holtet Ihr mich nicht ein oder fuhret Ihr nicht an mir vorbei?«

»Aus Respect,« sagte der Intendant, indem er sich bis aus die Erde verbeugte.

Fouquet stieg in einen Wagen, den ihm die Stadt, man weiß weder warum, noch wie schickte, und fuhr nach dem Hause von Nantes, geleitet von einer großen Menge, welche seit mehreren Tagen in Erwartung einer Zusammenberufung der Stände in Bewegung war.

Kaum hatte er sich einquartiert, als Gourville weglief, um die Pferde auf der Straße nach Poitiers und Bannes und ein Boot in Paimboeuf bereit halten zu lassen.

Er ging bei allen diesen verschiedenen Operationen aus eine so geheimnißvolle, so thätige und edelmüthige Weise zu Werk, daß Fouquet, der gerade von seinem Fieberanfall bearbeitet wurde, der Rettung, abgesehen von der Mitwirkung des ungeheuren Agitators der menschlichen Entwürfe, des Zufalls, nie näher stand.

Es verbreitete sich in der Stadt in dieser Nacht das Gerücht, der König komme in großer Eile aus Postpferden, und er werde in zehn bis zwölf Stunden eintreffen.

In Erwartung des Königs ergötzte sich das Volk sehr am Anblick der Musketiere, welche frisch mit Herrn d’Artagnan, ihrem Kapitän, erschienen und schon im Schloß eincasernirt waren, wo sie alle Posten, in der Eigenschaft von Ehrenwachen, besetzten.

D’Artagnan, der sehr artig war, fand sich gegen zehn Uhr beim Oberintendanten ein, um ihm seine ehrfurchtsvolle Huldigung darzubringen, und obgleich der Minister das Fieber hatte, obgleich er leidend und in Schweiß gebadet war, wollte er doch Herrn d’Artagnan empfangen, den diese Ehre entzückte, wie man aus der Unterredung, die sie mit einander hatten, ersehen wird.

XII.
Freundesrathschläge

Fouquet hatte sich niedergelegt wie ein Mensch, der dem Leben Werth beimißt und so sparsam als möglich mit dem dünnen Gewebe des Daseins umgeht, dessen unersetzliche Zartheit die Stöße und Ecken dieser Welt so rasch abnutzen.

D’Artagnan erschien aus der Schwelle des Zimmers und wurde von dem Oberintendanten mit einem äußerst freundlichen guten Morgen begrüßt.

»Guten Morgen, Monseigneur,« erwiederte der Musketier, »wie befindet Ihr Euch nach dieser Reise?«

»Ich danke, ziemlich gut.«

»Und wie steht es mit dem Fieber?«

»Ziemlich schlecht. Ich trinke, wie Ihr seht. Kaum angelangt, habe ich Nantes mit einer Tisanesteuer belegt.«

»Ihr müßt vor Allem schlafen, Monseigneur.«

»Ei! alle Teufel! lieber Herr d’Artagnan, ich würde sehr gern schlafen . . . «

»Wer hindert Euch daran?«

»Ihr, vor Allem.«

»Ich! ah! Monseigneur!«

»Allerdings. Kommt Ihr nicht in Nantes, wie in Paris, im Auftrage des Königs?«

»Um Gotteswillen, Monseigneur,« erwiederte der Kapitän, »laßt doch den König in Ruhe! an dem Tag, an dem ich im Austrage des Königs in Betreff dessen, was Ihr sagen wollt, kommen werde, lasse ich Euch nicht schmachten, das verspreche ich. Ihr werdet mich, dem befehle gemäß, die Hand an den Degen legen sehen und aus der Stelle mit meiner Ceremonienstimme sagen hören: »»Monseigneur, ich verhafte Euch im Namen des Königs!««

Fouquet bebte unwillkührlich, so natürlich und kräftig war der Ausdruck des geistreichen Gascogners gewesen. Die Vorstellung der Sache war beinahe so furchtbar, als die Sache selbst.

»Ihr versprecht mir diese Offenherzigkeit?« sagte der Oberintendant.

»Bei meiner Ehre! doch glaubt mir, wir sind nicht so weit.«

»Was läßt Euch das denken, Herr d’Artagnan? Ich glaube gerade das Gegentheil.«

»Ich habe durchaus nichts sagen hören.«

»He! he!«

»Nein, Ihr seid ein angenehmer Mann, trotz Eures Fiebers. Der König kann nicht umhin. Euch im Grunde seines Herzens zu lieben.«

Fouquet machte eine Grimasse.

»Aber Herr Colbert?« sprach er. »Sollte mich Herr Colbert auch so sehr lieben, als Ihr sagt?«

»Ich spreche nicht von Herrn Colbert,« erwiederte d’Artagnan. »Dieser ist ein ausnahmsweiser Mann! Es ist möglich, er liebt Euch nicht, aber Mordioux! das Eichhörnchen kann sich vor der Natter hüten, wenn es nur immer will.«

»Wißt Ihr, daß Ihr als Freund mit mir sprecht, und daß ich, bei meinem Leben, nie einen Mann von Eurem Geist und von Eurem Herzen getroffen habe?«

»Es beliebt Euch, das zu sagen,« erwiederte d’Artagnan, »Ihr habt bis heute gewartet, um mir ein solches Compliment zu machen.«

’»Oh! wie blind sind wir,« murmelte Fouquet.

»Eure Stimme wird heiser,« sagte d’Artagnan. »Trinkt, Monseigneur, trinkt.«

Und er bot ihm mit der herzlichsten Freundschaft eine Tasse Tisane; Fouquet nahm sie und dankte durch ein gutes Lächeln.

»Solche Dinge begegnen nur mir,« sprach der Musketier. »Ich habe zehn Jahre unter Eurem Barte zugebracht, als Ihr noch in Tonnen Goldes wühltet; Ihr setztet vier Millionen Pension jährlich aus; mich habt Ihr nie bemerkt, und nun gewahrt Ihr, daß ich auf der Welt bin, gerade in dem Augenblick . . . «

»Wo ich fallen soll,« unterbrach ihn Fouquet. »Das ist wahr, lieber Herr d’Artagnan.«

»Ich sage das nicht.«

»Ihr denkt es, und das ist dasselbe. Wohl denn! wenn ich falle, haltet mein Wort für wahr, werde ich nicht einen Tag hinbringen, ohne mir, indem ich mir vor den Kopf schlage, zu sagen: »»Narr! Narr! thörichter Sterblicher! du hattest Herrn d’Artagnan unter der Hand, und du hast dich seiner nicht bedient! du hast ihn nicht bereichert!««

»Ihr überhäuft mich mit Güte,« sprach der Kapitän. »Ich schwärme für Euch.«

»Noch ein Mann, der nicht denkt, wie Herr Colbert,« sagte der Oberintendant.

»Wie dieser Colbert Euch an den Hüften hält! das ist schlimmer, als Euer Fieber!«

»Oh! ich habe meine Gründe; beurtheilt sie,« sagte Fouquet.

Und er erzählte ihm die einzelnen Umstände von der Fahrt der Gabaren und die heuchlerische Verfolgung von Colbert.

»Nicht wahr, das ist das beste Merkmal meines Ruins?«

D’Artagnan wurde ernst.

»Es ist richtig,« sprach er. »Ja, das riecht schlecht, wie Herr von Treville sagte.«

Und er heftete aus Fouquet seinen festen und bedeutungsvollen Blick.

»Nicht wahr, Kapitän, ich bin sehr bezeichnet? Nicht wahr, der König führt mich nach Nantes, um mich von Paris zu trennen, wo ich viele Anhänger habe, um sich des befestigten Belle-Isle zu bemächtigen?«

»Wo Herr d’Herblay ist,« fügte d’Artagnan bei.

Fouquet schaute empor.

»Monseigneur,« fuhr d’Artagnan fort, »ich, was mich betrifft, kann Euch versichern, daß mir der König nichts gegen Euch gesagt hat.«

»Wahrhaftig?«

»Der König hat mir nach Nantes abzureisen besohlen, das ist wahr; er hat mir befohlen, nichts davon Herrn von Gesvres zu sagen.«

»Meinem Freund!«

»Herrn von Gesvres, Eurem Freunde, ja, Monseigneur,« fuhr der Musketier fort, dessen Augen nicht aufhörten, eine der Sprache seiner Lippen, entgegengesetzte Sprache zu sprechen. »Der König hat mir auch besohlen, eine Brigade Musketiere mitzunehmen, was überflüssig zu sein scheint, da das Land ruhig ist.«

»Eine Brigade?« fragte Fouquet, indem er sich aus seinen Ellenbogen erhob.

»Sechs und neunzig Reiter, ja, Monseigneur, dieselbe Zahl, die man genommen hatte, um die Herren von Chalais, von Cinq-Mars und Montmorency zu verhaften.«

Fouquet horchte bei diesen ohne ein scheinbares Gewicht ausgesprochenen Worten.

»Und dann?« sagte er.

»Und dann noch einige andere unbedeutende Befehle, als da sind: das Schloß mit meinen Musketieren besetzen, jede einzelne Wohnung besetzen, keinen von den Garden von Herrn von Gesvres Schildwache stehen zu lassen . . . von Herrn von Gesvres, Eurem Freund.«

 

»Und in Beziehung auf mich,« rief Fouquet, »welche Befehle?«

»In Beziehung aus Euch nicht das kleinste Wörtchen.«

»Herr d’Artagnan, es handelt sich darum, mir die Ehre und vielleicht das Leben zu retten. Ihr würdet mich nicht täuschen?«

»Ich! . . . in welcher Absicht? Seid Ihr bedroht? Nur ist in Beziehung aus die Wagen und Schiffe ein Befehl gegeben . . . «

»Ein Befehl?«

»Ja, doch er dürste nicht Euch betreffen. Eine einfache Polizeimaßregel . . . «

»Nennt sie, Kapitän, nennt sie!«

»Es sollen alle Pferde oder Schiffe verhindert werden, Nantes ohne einen vom König unterzeichneten Geleitbrief zu verlassen.«

»Großer Gott! . . . aber . . . «

D’Artagnan lachte.

»Es wird dies erst nach der Ankunft des Königs in Nantes ausgeführt werden; Ihr seht auch wohl, Monseigneur, daß der Befehl Euch in keiner Hinsicht trifft.«

Fouquet wurde träumerisch, und d’Artagnan stellte sich, als bemerkte er nicht, welche Gedanken den Oberintendanten in Anspruch nahmen.

»Daß ich Euch so den Inhalt der Befehle, die mir gegeben worden sind, anvertraue, muß ich Euch lieben, und es muß mir daran gelegen sein. Euch zu beweisen, daß keiner gegen Euch gerichtet ist,«

»Allerdings,« erwiederte Fouquet zerstreut.

»Recapituliren wir,« sprach der Kapitän mit seinem ganz dringlichen Blicke: »Specielle und strenge Bewachung des Schlosses, in welchem Ihr Eure Wohnung haben werdet, nicht wahr? . . . Kennt Ihr dieses Schloß? . . . Ah! Monseigneur, ein wahres Gefängnis! Gänzliches Fernhalten von Herrn von Gesvres, der die Ehre hat, einer Eurer Freunde zu sein. Schließung der Thore der Stadt und des Flusses, doch erst wenn der König angekommen sein wird. Wißt Ihr wohl, Herr Fouquet, daß ich, wenn ich, statt mit einem Manne zu sprechen wie Ihr, der Ihr zu den ersten des Reiches gehört, mit einem beunruhigten, beängstigten Gewissen spräche, mich für immer gefährden würde? Welch eine schöne Gelegenheit, wenn Jemand das Weite suchen wollte! Keine Polizei, keine Wachen, keine Befehle; das Wasser frei, die Landstraße offen, Herr d’Artagnan genöthigt, seine Pferde zu leihen, wenn man sie von ihm forderte! Dies Alles muß Euch beruhigen, Herr Fouquet, denn der König würde mich nicht so unabhängig gelassen haben, hätte er schlimme Absichten gehabt. In der That, Herr Fouquet, verlangt von mir Alles, was Euch angenehm sein dürste: Ich bin zu Eurer Verfügung; nur wenn Ihr die Güte haben wollt, leistet mir einen Dienst: den, Aramis und Porthos einen guten Tag von mir zu wünschen, falls Ihr Euch nach Belle-Isle einschiffen solltet, wie Ihr dies zu thun berechtigt seid, und zwar gerade wie Ihr geht und steht, im Schlafrock.«

Nach diesen Worten und nachdem er sich tief verbeugt, ging der Musketier, dessen Blicke nichts von ihrem verständigen Wohlwollen verloren hatten, aus dem Zimmer und verschwand.

Er war noch nicht aus den Stufen des Vorhauses, als sich Fouquet an die Glocke hing und, außer sich, rief:

»Meine Pferde! meine Gabare!«

Niemand antwortete.

Der Oberintendant kleidete sich selbst mit Allem an, was er unter seiner Hand fand.

»Gourville! . . . Gourville!. . rief er, während er seine Uhr in seine Tasche steckte.

Und die Klingel spielte abermals, indeß Fouquet wiederholte.

»Gourville! . . . Gourville! . . . «

Gourville erschien keuchend, bleich.

»Laßt uns ausbrechen,« rief der Oberintendant, sobald er ihn sah.

»Es ist zu spät!« erwiederte der Freund des armen Fouquet.

»Zu spät? warum?«

»Horcht.«

Man hörte Trompeten und ein Geräusch von Trommeln vor dem Schloß.

»Was gibt es denn, Gourville?«

»Der König kommt so eben an, Monseigneur.«

»Der König!«

»Der König, der Station für Station mit der größten Eile zurückgelegt, der König, der Pferde zu Tode geritten hat, und der Eurer Berechnung acht Stunden zuvorkommt.«

»Wir sind verloren!« murmelte Fouquet. »Braver d’Artagnan, Du hast zu spät zu mir gesprochen!«

Der König traf in der That in der Stadt ein, man hörte schon die Kanonen vom Walle und die eines Schiffes, welche unten vom Flusse antworteten.

Fouquet faltete die Stirne, rief seine Kammerdiener und ließ sich in Gala ankleiden.

Von seinem Fenster aus, hinter den Vorhängen, sah er das eifrige Gedränge des Volkes und die Bewegung einer großen Truppe, die dem Fürsten gefolgt war, ohne daß man errathen konnte, wie.

Der König wurde mit großem Gepränge nach dem Schlosse geführt, und Fouquet sah ihn beim Fallgatter absteigen und leise d’Artagnan, der ihm den Steigbügel hielt, ins Ohr sprechen.

Als der König unter das Gewölbe gegangen war, wandte sich d’Artagnan nach dem Hause von Fouquet, doch so langsam, so langsam und indem er so oft stehen blieb, um mit seinen als Spalier ausgestellten Musketieren zu sprechen, daß man hätte glauben sollen, er zähle die Sekunden oder die Schritte, ehe er seinen Auftrag vollzog.

Fouquet öffnete das Fenster, um mit ihm in den Hof hinab zu sprechen.

»Ah!« rief d’Artagnan, als er ihn erblickte, »Ihr seid noch zu Hause, Monseigneur?«

Und dieses noch bewies Fouquet vollends, wie viele Unterweisungen und nützliche Rathschläge der erste Besuch des Musketiers enthielt.

Der Oberintendant seufzte nur.

»Mein Gott, ja, mein Herr,« antwortete er, »die Ankunft des Königs hat mich in meinem Vorhaben unterbrochen.«

»Ah! Ihr wißt, daß der König angekommen ist?«

»Ja, mein Herr, ich habe ihn gesehen, und diesmal kommt Ihr in seinem Auftrag . . . «

»Ich soll mich nach Euch erkundigen und Euch, wenn Eure Gesundheit nicht zu schlecht ist, bitten, Ihr wöget Euch nach dem Schlosse begeben.«

»Auf der Stelle, Herr d’Artagnan, aus der Stelle.«

»Ah! verdammt!« sagte der Kapitän, »nun da der König da ist, gibt es für Niemand mehr Promenaden, für Niemand mehr einen freien Willen, der Befehl beherrscht nun Euch wie mich, mich wie Euch.«

Fouquet seufzte zum letzten Mal, stieg in einen Wagen, so groß war seine Schwäche, und begab sich, geleitet von d’Artagnan, dessen Höflichkeit diesmal nicht minder schrecklich war, als sie kurz zuvor heiter und tröstlich gewesen, nach dem Schlosse.