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Der Bastard von Mauléon

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Diese zwei Truppen, welche jede einen Viertelkreis beschrieben, vereinigten sich, indem sie das Volk zurücktrieben und vor der Mittelthüre, zu der man ans einer Treppe von zehn Stufen hinausstieg, einen großen Platz, dessen eine Seite die Facade des Palastes bildete, leer ließen. Die Mischung des blendenden Luxus von Afrika mit der strengeren Eleganz der occidentalen Tracht verlieh diesem Schauspiel einen unwiderstehlichen Zauber, dessen Einfluß auch Agenor und sein Knappe unterlagen, als sie einerseits das Gold und den Purpur aus Sattel und Zeug der arabischen Pferde schimmern sahen und die Kleider der maurischen Reiter gewahrten, und andererseits die Seide und die getriebene Arbeit, und besonders jenen fränkischen Stolz, so zu sagen, in die Haltung der Rosse incrustirt erblickten.

Was das Volk betrifft, so rief es, als es dieses ganze Schauspiel sich entwickeln sah: »Es lebe!« wie es dies beim Anblicke aller Schauspiele thut.

Plötzlich erschien das Banner des Großmeisters von San Jago unter dem hohen, im Kleezug ausgehauenen Gewölbe, das die Mittelpforte des Alcazar bildete; begleitet von sechs Leibwachen und getragen von einem mächtigen Kriegsmann, wurde dieses Banner im Mittelpunkte des leeren Raumes ausgepflanzt.

Agenor begriff, daß Don Federigo irgend eine Prozession durch die Straßen halten, oder eine Reise von einer Stadt zur andern zu machen im Begriff war, und er fühlte sich, trotz der Dürftigkeit seiner Börse, versucht, sich nach irgend einem Gasthaus zu begeben, wo er seine Rückkehr abwarten könnte, denn er wollte die Anordnung des Auszuges nicht durch seine lästige Gegenwart stören.

Doch in demselben Augenblick sah er durch eines von den Seitengewölben die Vorhut des maurischen Häuptlings und dann, stets geschaukelt aus dem Rücken weißer Maulthiere, die bekannte Sänfte von vergoldetem Holz hervorkommen, welche Musaron so starke und so religiöse Versuchungen bereitete. Endlich verkündigte ein gewaltiger Lärmen von Posaunen und Trompeten, der Großmeister würde erscheinen, und vierundzwanzig Musiker, acht in der Front, rückten aus dem Gewölbe bis zu den Stufen vor, die sie, stets blasend, hinabstiegen.

Hinter ihnen sprang ein Hund heraus: es war einer von den kräftigen, aber schlanken Hunden der Sierra, mit einem Kopfe spitzig wie der des Bären, mit Augen funkelnd wie die des Luchses, mit Beinen nervig wie die des Hirsches, Sein ganzer Körper war mit glatten, langen, seidenen Haaren bedeckt, welche in der Sonne ihre silbernen Reflexe spielen ließen; er hatte am Hals ein breites Collier von Gold mit Rubinen besetzt, und daran ein Glöckchen von demselben Metall; seine Freude verrieth sich durch Sprünge, und seine Sprünge hatten ein sichtbares Ziel und ein verborgenes Ziel. Das sichtbare Ziel war ein Pferd weiß wie der Schnee, bedeckt mit einer großen Schabracke von Purpur und Brocat, das seine Liebkosungen, als wollte es antworten, wiehernd ausnahm. Das verborgene Ziel war ohne Zweifel irgend ein edler Herr, der unter dem Gewölbe ausgehalten wurde, in das der Hund ungeduldig zurückkehrte, um nach einigen Sekunden springend und freudig wieder zu erscheinen.

Derjenige, für welchen das Pferd wieherte, derjenige, für welchen der Hund sprang, erschien endlich ebenfalls, und es erscholl ein einziger Ruf, wiederholt von tausend Stimmen:

»Es lebe Don Federigo!«

Es kam wirklich Don Federigo, mit dem arabischen Häuptling plaudernd, der zu seiner Rechten ging, her vor; zu seiner Linken schritt ein junger Page von reizendem Antlitz, obgleich seine schwarzen Augenbrauen und das leichte Zusammenziehen seiner frischrothen Lippen seinen Zügen den Ausdruck der Festigkeit verliehen; er hielt weit geöffnet eine Börse voll Goldstücke, aus der Don Federigo, als er auf die erste Stufe kam, mit allen Fingern schöpfte, um, sodann mit seiner frauenartig weißen und zarten Hand einen blendenden Regen auf die bewegten Häupter der Menge strömen zu lassen, welche bei dieser unter den Vorgängern ihres neuen Herrn ungewohnten Freigebigkeit ihr Geschrei verdoppelte.

Dieser neue Herr war von einem Wuchse, der selbst zu Pferde majestätisch erschien. Die Mischung des gallischen Blutes mit dem spanischen hatte ihm lange schwarze Haare, blaue Augen und eine weiße Gesichtshaut gegeben: und aus diesen blauen Augen kamen so wohlwollende, so sanfte Blicke hervor, daß Viele, um ihn nicht eine Secunde aus den Augen zu verlieren, nicht einmal daran dachten, die Zechinen aufzuheben, und daß die Luft rings um den Palast von Segnungen erscholl.

War es Zufall, oder geschah es absichtlich, plötzlich nahmen die Trompeten und Posaunen, welche sich kurze Zeit unterbrochen hatten, ihre Fanfaren wieder auf; doch statt der heiteren, lustigen Töne, die sie hatten hören lassen, gaben sie dem Volk nur eine traurige, schwermüthige Melodie, während die Glocken, diese neue Erfindung, um als Dolmetscher zwischen den Menschen, und Gott zu dienen, statt ihres lebhaften und glänzenden Spieles, dumpfe, lange gedehnte Klänge aussandten, die einem Todtengeläute glichen.

Zu gleicher Zeit erhob sich der Hund vor seinem Herrn, stützte seine Vorderpfoten auf seine Brust und ließ ein so düsteres, so klägliches Geheule vernehmen, daß die Muthigsten darob schauerten.

Die Menge blieb stumm, und mitten unter diesem Stillschweigen rief eine Stimme: »Zieht nicht hinaus, Großmeister, bleibt bei uns, Don Federigo.«

Doch Niemand konnte wissen, wer den Rath gegeben hatte.

Bei diesem Rufe sah Agenor den Mauren beben und eine Erdfarbe annehmen, was die Blässe der Kinder der Sonne ist, während sein unruhiger Blick in der Tiefe des Herzens von Don Federigo die Antwort suchte, die er der so allgemeinen Bestürzung und dem vereinzelten Rufe geben würde.

Doch Don Federigo streichelte mit der Hand seinen heulenden Hund, machte seinem Pagen ein sanftes Zeichen, grüßte mit einem traurigen Lächeln die Menge, die ihn mit flehenden Augen und gefalteten Händen anschaute, und sprach:

»Meine guten Freunde, der König, mein Bruder, ruft mich nach Sevilla, wo mich die Feste und Turniere zur Feier unserer Wiederversöhnung erwarten. Statt mich abhalten zu wollen, zu meinem Bruder und meinem König zu gehen, segnet vielmehr die Einhelligkeit zweier Brüder, die sich lieben.«

Doch statt diese Worte mit Freude zu empfangen, empfing sie das Volk mit seinem düsteren Stillschweigen. Der Page flüsterte seinem Herrn einige Worte zu, und der Hund fuhr fort zu heulen.

Mittlerweile verlor der Maure weder das Volk, noch den Pagen, noch den Hund, noch Don Federigo aus dem Blick.

Die Stirne des Großmeisters verdüsterte sich jedoch einen Augenblick. Der Maure glaubte, er zögere, und sprach:

»Hoher Herr, Ihr wißt, daß jedes Menschen Geschick bei den Einen in dem goldenen Buch, bei den Andern in dem ehernen Buch eingeschrieben ist. Das Eurige ist in dem goldenen Buch eingeschrieben, erfüllt also muthig Euer Geschick.«

Don Federigo schlug seine Augen aus, die er eine Minute gesenkt gehalten hatte, als suchte er in dieser ganzen Menge ein befreundetes Gesicht, einen ermuthigenden Blick.

Gerade in dieser Sekunde erhob sich Agenor aus seinen Steigbügeln, um nicht den geringsten Umstand der Scene zu verlieren, die vor ihm in Erfüllung ging; als hätte er errathen, was der Großmeister suchte, hob er mit einer Hand sein Helmvisir aus und schwang mit der andern seine Lanze.

Der Großmeister stieß einen Freudenschrei aus, seine Augen funkelten und ein Lächeln der Wonne, das sich aus seinen jungfräulich-rosigen Lippen erschloß, verbreitete sich über sein ganzes Antlitz.

»Don Agenor!« rief er, die Hand gegen den Ritter ausstreckend.

Der Page, als ob er allein das Vorrecht hätte, in seinem Herzen zu lesen, brauchte nicht mehr zu hören; er eilte von der Seite von Don Federigo fort, lief aus den Ritter zu und rief:

»Kommt, Don Agenor, kommt.«

Die Menge trat aus die Seite, denn sie liebte Alles, was Don Federigo liebte, und sogleich hefteten sich Aller Augen aus den Ritter, den der Großmeister so freudig empfing, als einst der junge Tobias den göttlichen Gefährten, den ihm der Himmel sandte.

Agenor stieg ab, warf den Zügel seines Pferdes Musaron an den Arm, gab ihm seine Lanze, hing seinen Schild an den Sattelbogen und durchschritt die Menge, geführt von Pagen.

Der Maure erbleichte abermals. Er hatte den fränkischen Ritter, den er aus der Straße nach Coimbra getroffen, und den Knappen, dem er nicht geantwortet, wiedererkannt.

Federigo streckte indessen Agenor die Arme entgegen, und dieser stürzte darein mit dem Ergusse eines zwanzigjährigen Herzens.

Sie waren wunderbar anzuschauen, diese zwei schönen jungen Leute, deren Antlitz alle edle Gefühle athmete, welche so selten das Bild der Schönheit aus Erden vollständig machen.

»Folgst Du mir?« fragte Don Federigo Agenor.

»Ueberallhin,« antwortete der Ritter.

»Meine Freunde,« sprach nun der Großmeister mit seiner klangreichen Stimme, welche die Liebe der Menge war, »ich kann nun von hinnen ziehen und Ihr habt nichts zu befürchten; Don Agenor von Mauléon, mein Bruder, mein Freund, die Blüthe der fränkischen Ritterschaft, kommt mit mir.«

Und aus ein Zeichen des Großmeisters schlugen die Trommler einen lebhaften Marsch, bliesen die Trompeter eine freudige Fanfare; der Stallmeister brachte Don Federigo sein schönes schneeweißes Pferd, und alles Volk rief einstimmig: »Es lebe Don Federigo, der Großmeister von San Jago! Es lebe Don Agenor, der fränkische Ritter!«

In diesem Augenblick schaute der Hund von Don Federigo dem Ritter und dem Mauren ins Gesicht, Dem Mauren zeigte er seine weißen Zähne mit einem boshaften, bedrohlichen Knurren, dem Ritter machte er tausend Liebkosungen.

Der Page fuhr mit einem traurigen Lächeln mit der Hand über den Hals des Hundes.

»Hoher Herr,« sprach Agenor zu dem jungen Fürsten, »als Ihr mich Euch zu folgen batet, und ich Euch erwiderte, ich würde folgen, ging ich nur mit meinem Eifer zu Rath, wie ich dies that, als ich von Tarbes hierherkam. Von Tarbes hierher kam ich in sechzehn Tagen, und das ist ein harter Marsch; meine Pferde sind auch todt vor Müdigkeit, und ich kann Eure Herrlichkeit nicht sehr weit begleiten.«

 

»Ei!« rief Don Federigo, »habe ich Dir nicht gesagt, mein Palast sei der Deinige? Meine Waffen und meine Pferde gehören Dir, wie Alles, was in Coimbra ist; wähle in meinen Ställen Pferde für Dich, Maulthiere für Deinen Knappen, oder vielmehr, nein, nein, verlasse mich nicht einen Augenblick, Fernando wird Alles besorgen. Laß Antrim, mein Schlachtroß, satteln, und frage im Vorübergehen den Knappen von Don Agenor, ob er ein Pferd oder ein Maulthier vorziehe. Was Deine müden Rosse betrifft, ist Dir an ihnen gelegen, und jedem guten Ritter ist an den seinigen gelegen, so sollen sie bei der Nachhut folgen, und man wird sie schonen.«

Der Page machte nur einen Sprung und verschwand.

Mittlerweile war der Maure im Glauben, man würde ausbrechen, die Treppe hinabgestiegen, um rings um seine Sänfte zu gehen und denjenigen, welche sie bewachten, einige Befehle zu geben. Als er aber sah, daß man mit dem Ausbruch zögerte und daß die zwei Freunde, welche allein geblieben waren, ein paar vertrauliche Worte auszutauschen sich anschickten, stieg er rasch wieder zu ihnen hinaus und nahm abermals seinen Platz an der Seite des Großmeisters ein.

»Senor Mothril,« sprach dieser, »der Ritter, den Ihr hier seht, ist einer meiner Freunde. Es ist mehr als einer meiner Freunde, es ist mein Waffenbruder; ich nehme ihn mit mir nach Sevilla, denn, ich will ihn meinem Herrn, dem König von Castilien als Kapitän anbieten, und wenn der König die Gnade hat, mir ihn zu lassen, nachdem ich ihm denselben angeboten habe, werde ich ihn segnen. Denn es ist eine unvergleichliche Klinge und ein Herz noch tapferer als seine Klinge.«

Der Maure antwortete in vortrefflichem Spanisch, obgleich seine Aussprache durchaus nicht von dem gutturalen Accent frei war, den Agenor schon bemerkt hatte, als er aus der Straße nach Coimbra das einzige arabische Wort aussprach, nach welchem er sich wieder in Marsch gesetzt:

»Ich danke unserem Herrn, daß er mir den Namen und die Eigenschaft des Herrn Ritters mitgetheilt; doch der Zufall hatte mir schon den edlen Franzosen vorgestellt. Leider muß ein Fremder, ein Reisender, wenn er von einer feindlichen Race ist, wie ich, oft dem Zufall mißtrauen. Ich habe auch nicht mit der Höflichkeit, die ich hätte anwenden sollen, den Senor Agenor empfangen, den ich vor Kurzem im Gebirge traf.«

»Ah! Ah!« sagte Federigo neugierig; »Eure Herrlichkeiten haben sich schon begegnet?«

»Ja, Seigneur,« erwiderte Agenor in französischer Sprache, »und ich muß gestehen: daß sich der Herr Maure nicht herbeiließ, die einfache Frage zu beantworten, die ich durch meinen Stallmeister an ihn richtete, um mich nach dem Weg zu erkundigen, verletzte mich einigermaßen. Wir sind höflicher jenseits der Pyrenäen gegen die Fremden, unsere Gäste.«

»Messire,« erwiderte Mothril in spanischer Sprache, »Ihr irrt Euch, in einem Punkte. Es ist wahr, die Mauren sind noch in Spanien, doch sie sind schon nicht mehr zu Hause; und diesseits der Pyrenäen, Granada ausgenommen, sind die Mauren selbst nur Gäste der Spanier.«

»Ah!« machte leise Musaron, der sich allmälig den Stufen genähert hatte, »nun versteht er das Französische.«

»Diese Wolke zerstreue sich unter Euch; der Tenor Mothril, Freund und Minister meines Herrn, des Königs von Castilien, wird hoffentlich dem Ritter von Mauléon, dem Freund und Bruder seines Bruders, wohl einige Geneigtheit zuwenden.«

Der Maure verbeugte sich, ohne zu antworten, und da Musaron, stets neugierig, zu erfahren, was die Sänfte enthielt, sich dieser mehr näherte, als Mothril wohl wünschte, daß man sich ihr nähern möchte, so stieg er die Stufen hinab und stellte sich, unter dem Vorwand, einen von seinen Knechten einen vergessenen Auftrag vollziehen zu lassen, zwischen die Sänfte und den Knappen.

Federigo benützte diesen Augenblick, um sich an das Ohr von Agenor zu neigen, und sagte: »Du siehst in diesem Mauren denjenigen, welcher meinen Bruder beherrscht, und folglich mich beherrscht.«

»Ah!« erwiderte Agenor, »warum dieses bittere Wort? Ein Fürst von Eurem Geschlecht, ein Ritter von Eurer Tapferkeit, erinnert Euch dessen stets, Don Federigo, darf nur von Gott beherrscht werden.«

»Und dennoch gehe ich nach Sevilla,« entgegnete seufzend der Großmeister.

»Und warum geht Ihr dahin?«

»Der König Don Pedro bittet mich darum und die Bitten des Königs Don Pedro sind Befehle.«

Der Maure schien getheilt zwischen dem Aerger, sich von seiner Sänfte trennen zu sollen, und der Furcht, Don Federigo zu viel zu dem französischen Ritter sagen zu lassen. Die Furcht bekam die Oberhand und er kehrte zu den zwei Freunden zurück.

»Hoher Herr,« sprach er zu Don Federigo, »ich sehe mich veranlaßt, Eurer Herrlichkeit eine Nachricht mitzutheilen, die ihre Pläne durchkreuzt. Ich mußte mich zuvor bei meinem Geheimschreiber erkundigen, obschon ich beinahe Gewißheit hatte. Der König Don Pedro hat zum Anführer seiner Leibwachen einen Kapitän von Tarisa, einen tapferen Mann, in den er sein ganzes Vertrauen setzt, obgleich seine Voreltern jenseits der Meerenge geboren sind. Ich würde also befürchten, der Herr Franzose dürfte sich eine vergebliche Mühe machen, wenn er an den Hof von König Don Pedro käme, und ertheile ihm deshalb den Rath, in Coimbra zu bleiben, um so mehr, als bekanntermaßen Dona Padilla die Franzosen nicht liebt.«

»In der That, das ist wahr, Senor Mothril.« sprach Federigo; »desto besser, dann behalte ich meinen Freund bei mir.« »Ich bin nicht nach Spanien, sondern nach Portugal gekommen. Ich bin nicht gekommen, um dem König Don Pedro, sondern um dem Großmeister Don Federigo zu dienen,« sprach Agenor voll Stolz. »Den Dienst, den ich suchte, habe ich, und ich will keinen Andern. Dies ist mein Herr.«

Und er verbeugte sich höflich vor seinem Freund.

Der Maure lächelte. Seine weißen Zähne funkelten unter seinem schwarzen Bart.

»Oh! die schönen Zähne!« sagte Musaron, »wie gut muß er beißen!«

In diesem Augenblick brachte der Page Antrim, das Schlachtroß des Großmeisters, und Coronella, das Maulthier von Musaron. Der Austausch war bald vorgenommen.

Agenor von Mauléon bestieg das frische Pferd, Musaron das frische Maulthier; man übergab die müden Rosse den Troßknechten, und aus die Einladung des Mauren ging Don Federigo die Stufen hinab und wollte ebenfalls zu Pferde steigen.

Doch zum zweiten Male schien sich der schöne Hund mit den langen seidenen Haaren seiner Absicht zu widersetzen. Er stellte sich zwischen seinen Herrn und sein Pferd, suchte seinen Herrn zurückzudrängen und heulte.

Doch Don Federigo schob ihn mit dem Fuß aus die Seite, schwang sich trotz aller dieser Kundgebungen seines treuen Hundes in den Sattel und gab Befehl zum Aufbruch. Dann, als hätte er diesen Befehl begriffen und als wäre er dadurch in Verzweiflung gebracht, sprang der Hund dem Roß an die Kehle und biß es grausam.

Das Pferd bäumte sich, wiehernd vor Schmerz, und machte einen Seitensprung, der jeden Andern, als einen so erfahrenen Reiter wie Don Federigo aus dem Sattel geworfen hätte.

»Nun! Alan,« rief er, indem er seinem Hund den Namen gab, unter welchem man seine Race bezeichnete. »Böses Thier, wirst du wüthend?«

Und er versetzte ihm mit der Peitsche, die er in der Hand hielt, einen so gewaltigen Hieb, daß das Thier niedergeschmettert zehn Schritte fortrollte.

»Man muß diesen Hund tödten,« sagte Mothril.

Fernando schaute den Mauren von der Seite an.

Alan setzte sich auf die Stufen des Alcazar, hob den Kopf in die Höhe, öffnete den Rachen und heulte zum zweiten Male kläglich.

Da erhob das ganze Volk, welches stillschweigend dieser langen Scene beigewohnt, die Stimme, und der Ruf, der schon einmal aus einem einzigen Munde ertönt hatte, wurde ein allgemeiner Schrei.

»Zieht nicht von hinnen, Großmeister Don Federigo! bleibt bei uns. Großmeister! Was braucht Ihr einen Bruder, da Ihr ein Volk habt! Was verheißt Euch Sevilla, was Euch nicht, auch Coimbra böte?«

»Hoher Herr,« sprach Mothril, »soll ich zum König, meinem Herrn, zurückkehren und ihm sagen. Euer Hund, Euer Page und Euer Volk wollen nicht, daß Ihr kommet?«

»Nein, Senor Mothril,« erwiderte Don Federigo, »wir gehen; vorwärts, meine Freunde.«

Und er grüßte das Volk mit der Hand, stellte sich an die Spitze des Reiterzuges und durchschnitt die schweigsame Menge, die sich vor ihm öffnete.

Man schloß die vergoldeten Gitter des Alcazar, welche ächzten wie die verrosteten Pforten eines leeren Grabgewölbes.

Der Hund blieb auf den Stufen, so lange er seinen Herrn sehen konnte, so lange er hoffen konnte, er würde seinen Entschluß ändern und zurückkehren; als er aber diese Hoffnung verloren hatte, als Don Federigo an der Biegung der Straße, welche nach dem Thore von Sevilla führte, verschwunden war, stürzte er ihm nach und holte ihn ein, als wollte er, da er ihn nicht hatte abhalten können, der Gefahr entgegenzugehen, wenigstens diese Gefahr mit ihm theilen. Zehn Minuten nachher hatte man Coimbra hinter sich und schlug den Weg ein, aus welchem am Morgen der Maure Mothril und Agenor von Mauléon gekommen waren.

Viertes Kapitel.
Wie Musaron wahrnahm, daß der Maure zu seiner Sänfte sprach und daß die Sänfte antwortete

Die Truppe des Großmeisters bestand im Ganzen aus achtunddreißig Männern, den fränkischen Ritter und seinen Knappen mit inbegriffen, und den Mauren und seine zwölf Leibwachen, Pagen oder Knechte nicht gerechnet; Maulthiere trugen das reiche Gepäcke, denn schon seit acht Tagen war Don Federigo davon in Kenntniß gesetzt, daß er von seinem Bruder in Sevilla erwartet werde, als Mothril ankam. Er hatte sodann Befehl gegeben, sogleich auszubrechen, in der Hoffnung, der Maure würde zu müde sein, um ihm zu folgen, und daher zurückbleiben. Doch die Müdigkeit war etwas Unbekanntes für diese Söhne der Wüste und für ihre Pferde, welche von jenen Stuten, von denen Birgit spricht und die der Wind befruchtete, abzustammen schienen.

Man machte noch zehn Meilen an demselben Tage: dann kam die Nacht, und man schlug die Zelte auf dem Abhange des Gebirges auf, an dessen Ende Pombal sich erbebt.

Der Maure hatte während dieses ersten Tagemarsches die zwei Freunde beständig überwacht. Anfangs unter dem Vorwand, sich bei dem fränkischen Ritter wegen seiner Unhöflichkeit zu entschuldigen, und sodann, um seine frühere Unhöflichkeit durch seine gegenwärtige Artigkeit wieder gut zu machen, verließ er Agenor nur die Zeit, die er nothwendig brauchte, um einige Worte mit den Wächtern der Sänfte auszutauschen. Doch so kurz auch diese Abwesenheiten waren, zu denen ihn ein Gefühl, stärker als alle andern Gefühle, zu nöthigen schien, so hatte Agenor doch Zeit, zu dem Großmeister zu sagen:

»Don Federigo, ich bitte, habt die Gnade, mich zu belehren, woher es kommt, daß uns Senor Mothril mit solcher Beharrlichkeit folgt und zu unterhalten sucht. Er liebt Euch also ungemein, hoher Herr, denn ich meinerseits glaube seine etwas verspäteten Zuvorkommenheiten nicht so aufgenommen zu haben, daß ihm dadurch eine große Zuneigung für mich eingeflößt worden sein sollte.«

»Ich weiß nicht, ob mich Mothril ungemein liebt,« erwiderte Don Federigo; »doch ich weiß, daß er Dona Padilla, die Geliebte des Königs, ungemein haßt.«

Agenor schaute den Großmeister wie ein Mensch an, der gehört, aber nicht begriffen hat. Doch der horchende Maure kam alsbald wieder, und Don Federigo hatte nur Zeit, zu dem Ritter zu sagen:

»Sprecht von etwas Anderem.«

Agenor beeilte sich, zu gehorchen, und da dieser Gedanke sich auf eine natürliche Weise seinem Geiste bot, so sprach er:

»Ah! edler Don Federigo, wollt mir doch mittheilen, wie, sich in Spanien unsere geehrte Dame Blanche von Bourbon, Königin von Castilien, angewöhnt hat. Man ist sehr unruhig in Frankreich über diese gute Prinzessin, welche so viele Wünsche bei Ihrer Abreise von Narbonne begleiteten, wo Ihr sie im Auftrage des Königs, ihres Gemahls, abholtet.«

Agenor hatte nicht sobald vollendet, als er sich heftig am linken Knie durch das rechte Knie des Pagen gestoßen fühlte, der, wie durch sein Pferd fortgerissen, zwischen Don Federigo und seinen Freund geritten kam und, während er sich bei dem Ritter für sich und sein Roß entschuldigte, zugleich einen Blick an ihn richtete, der ganz im Stande war, die Worte in die Kehle des Indiscretesten zurückzudrängen.

Don Federigo begriff indessen, daß er antworten mußte, denn in der Lage, in der er sich befand, konnte sein Stillschweigen nur noch schlimmer gedeutet werden, als seine Worte.

 

»Aber« sagte Mothril, der ein ebenso großes Interesse zu haben schien, das Gespräch fortzusetzen, als Federigo, es fallen zu lassen, »hat denn Herr Agenor keine Nachrichten mehr von Dona Bianca erhalten, seitdem sie in Spanien ist?«

»Herr Maure,« erwiderte der Ritter ganz erstaunt, »seit zwei bis drei Jahren führe ich Krieg mit den Compagnien gegen England, den Feind von meinem Herrn, dem König Johann, der in London gefangen sitzt, und unserem Regenten, dem Prinzen Karl, den man eines Tags Karl den Weisen nennen wird, eine so frühzeitige Klugheit und eine so hohe Tugend zeigt er.«

»Wo Ihr auch sein mochtet,« erwiderte Mothril, »ich hätte geglaubt, die Geschichte von Toledo habe Lärm genug gemacht, um bis zu Euch zu gelangen.«

Don Federigo erbleichte leicht, und der Page legte seinen Finger an seine Lippen, um Agenor zu bedeuten, er möge schweigen.

Agenor begriff vollkommen und begnügte sich, innerlich zu murmeln:

»O Spanien! Spanien! Land der Geheimnisse!«

Mothril aber rechnete nicht so.

»Da Ihr nicht besser über die Schwägerin Eures Regenten unterrichtet seid, Herr Ritter,« sprach er, »so will ich Euch sagen, was aus ihr geworden ist.«

»Wozu, Herr Mothril?« entgegnete Don Federigo: »die Frage meines Freundes Don Agenor ist eine von den alltäglichen Fragen, welche eine Antwort mit Ja oder Nein heischen und durchaus nicht eine von den langen Erzählungen, welche kein Interesse für einen Zuhörer hätten, der Spanien fremd ist.«

»Aber wenn Herr Agenor Spanien fremd ist,« entgegnete Mothril, »so ist er wenigstens Frankreich nicht fremd und Dona Bianca ist eine Französin. Uebrigens wird die Erzählung nicht lange sein, und wenn er an den Hof des Königs von Castilien geht, muß Senor Agenor nothwendig wissen, was man dort sagt, und was man dort nicht sagen soll.«

Don Federigo stieß einen Seufzer aus und schlug seinen großen weißen Mantel aus seine Augen nieder, als wollte er die letzten Strahlen der untergehenden Sonne vermeiden.

»Ihr habt Dona Bianca von Narbonne nach Urgel begleitet,« fuhr Mothril fort; »ist das die Wahrheit oder hat man mich getäuscht, Senor Agenor?«

»Es ist die Wahrheit,« sprach der Ritter, der durch, die Warnung des Pagen und durch das verdüsterte Antlitz von Don Federigo zwar vorsichtig geworden, dennoch aber unfähig war, die Wahrheit zu verbergen.

»Nun wohl, sie setzte ihre Reise gen Madrid fort, und durchzog Aragonien und einen Theil von Neucastilien, unter der Obhut von Don Federigo, der sie nach Alcala führte, wo die königliche Hochzeit mit einer des erhabenen Paares würdigen Pracht gefeiert wurde; doch schon am andern Tag,« sagte Mothril, indem er aus Federigo einen von den scharfen, glänzenden Blicken warf, die bei ihm Gewohnheit waren, »schon am andern Tag . . . der Beweggrund ist geheim geblieben . . . kehrte der König nach Madrid zurück und ließ seine junge Frau mehr als Gefangene, denn als Königin im Schlosse von Alcala.«

Mothril unterbrach sich einen Augenblick, um zu sehen, ob der eine oder andere von den zwei Freunden etwas zu Gunsten von Dona Bianca sagen würde; doch Beide schwiegen, und der Maure fuhr fort:

»Von diesem Augenblick an fand eine völlige Trennung zwischen den beiden Gatten statt. Mehr noch, ein Concil von Bischöfen sprach die Ehescheidung aus; Ihr werdet zugeben, Ritter,« sagte der Maure mit seinem ironischere Lächeln, »Ihr werdet zugeben, daß wichtige Gründe zur Klage gegen die fremde Frau vorliegen mußten, wenn eine so ehrwürdige und fromme Versammlung wie ein Concil das Band brach, das die Politik und die Religion geschlossen hatten.«

»Oder wohl,« entgegnete Federigo, der nicht länger seine Gefühle zu verbergen vermochte, »oder wohl, daß dieses Concil ganz und gar dem König Don Pedro zugethan war.«

»Oh!« rief Mothril mit jener Naivetät, die den Spott nur schärfer und bitterer macht, »wie läßt sich voraussetzen, zweiunddreißig fromme Männer, deren Auftrag es ist, das Gewissen Anderer zu lenken, haben sich so gegen das ihrige verfehlt? Das ist unmöglich, oder was müßte man sonst von einer von solchen Dienern vertretenen Kirche denken?«

Die zwei Freunde schwiegen.

»Um diese Zeit wurde der König krank, und man glaubte, er müsse sterben. Da fingen die geheimen ehrgeizigen Bestrebungen an, an den Tag zu treten; der edle Don Enrique von Transtamare . . .«

»Senor Mothril,« sagte Federigo, der diese Gelegenheit ergriff, um dem Mauren etwas zu entgegnen, »vergeßt nicht, daß Don Enrique von Transtamare mein Zwillingsbruder ist, und daß ich eben so wenig in meiner Gegenwart von ihm, als von meinem Bruder Don Pedro, dem König, von Castilien, etwas Böses zu sagen erlauben werde.«

»Das ist richtig,« erwiderte Mothril, »entschuldigt mich, erhabener Großmeister. Ich vergaß Eure Brüderschaft, indem ich Don Enrique so meuterisch und Euch dem König Don Pedro so liebevoll zugethan sah. Ich werde also nur von Dona Bianca sprechen.«

»Verdammter Maure!« murmelte Don Federigo.

Agenor warf dem Großmeister einen Blick zu, welchen sagen wollte: »Soll ich Euch von diesem Menschen befreien, hoher Herr? Das wird bald geschehen sein.

Mothril stellte sich, als hörte er die Worte nicht und als sähe er den Blick nicht.

»Ich sagte also, die ehrgeizigen Bestrebungen haben angefangen an den Tag zu treten, die Anhänglichkeiten wurden lockerer, und in dem Augenblick, wo der König Don Pedro beinahe die Ewigkeit berührte, öffneten sich die Pforten des Schlosses von Alcala und in einer Nacht entfernte sich Dona Bianca daraus, geleitet von einem unbekannten Ritter, der sie bis Toledo führte, wo sie verborgen blieb. Doch die Vorsehung wollte, daß unser viel geliebter König Don Pedro, beschützt durch alle Gebete seiner Unterthanen und wahrscheinlich auch durch die seiner Familie, wieder zu Kraft und Gesundheit gelangte. Da vernahm er die Flucht von Dona Bianca, die Hilfe des unbekannten Ritters und den Ort, wohin sie sich geflüchtet hatte. Er befahl sogleich, sie festzunehmen, die Einen sagen, um sie nach Frankreich zurückzuführen, und ich bin der Ansicht von diesen, die Andern sagen, um sie in engeren Gewahrsam als zuvor einzuschließen. Was aber auch die Absicht des Königs, ihres Gemahls, gewesen sein mag, Dona Bianca flüchtete sich, zu rechter Zeit von den Befehlen, die er gegeben, in Kenntniß gesetzt, in die Kathedrale von Toledo an einem Sonntag, mitten unter dem Gottesdienst, und hier erklärte sie den Einwohnern, sie fordere das Asylrecht und stelle sich unter den Schutz des Gottes der Christen. Es scheint, Dona Bianca ist schön,« fuhr der Maure fort, indem er abwechselnd den Ritter und den Großmeister anschaute, als wollte er sie befragen, »zu schön sogar. Ich meines Theils habe sie nie gesehen. Ihre Schönheit, das mit ihrem Unglück verknüpfte Geheimniß, wer weiß? vielleicht schon lange vorbereitete Einflüsse bewegten alle Seelen zu ihren Gunsten. Der Bischof, der einer von denjenigen war, welche die Ehe für nichtig erklärt hatten, wurde aus der Kirche verjagt, die man in eine Festung verwandelte, und wo man sich Dona Bianca gegen die herannahenden Wachen des Königs zu vertheidigen anschickte.«

»Wie,« rief Agenor, »die Wachen hatten im Sinn, Dona Bianca aus einer Kirche wegzuführen! Christen willigten ein, das Asylrecht zu verletzen!«

»Ei! mein Gott, ja!« erwiderte Mothril. »Der König Don Pedro wandte sich zuerst an seine maurischen Bogenschützen; doch diese baten ihn, in Erwägung zu ziehen, daß die Entheiligung eine noch größere wäre, wenn er Ungläubige zu einer solchen Profanation verwenden würde, und Don Pedro begriff diese Bedenklichkeit. Er wandte sich also an Christen, und diese willigten ein. Was wollt Ihr, Herr Ritter! alle Religionen sind voll von solchen Widersprüchen, und diejenigen, welche am wenigsten haben, sind die besten.«