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Der Bastard von Mauléon

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Funfunddreißigstes Kapitel.
Die Zigeunerkönigin

Die Zigeuner hatten sich mehrere Male umgedreht, was zum Beweis diente, daß, wenn sie von den zwei Reisenden gesehen worden waren, sie dieselben auch gesehen hatten, und dies bewog Musaron, obwohl mit einer Schüchternheit, die nicht in seiner Gewohnheit lag, die Meinung auszusprechen, sobald man sich um die Baumgruppe gewendet hätte, würde man die kleine Truppe nicht mehr sehen, in Betracht, daß sie wie von selbst verschwunden wäre.

Musaron war nicht im Glück, was Vermuthungen betrifft; denn als man sich um die Baumgruppe gewendet hatte, sah man die Zigeuner, welche scheinbar wenigstens ruhig ihres Weges zogen.

Doch Agenor bemerkte, daß eine Veränderung vorgegangen war; die Frau, die er von fern auf dem Esel gesehen hatte, und die, wie er nicht bezweifelte, die Frau mit den weißen Füßen und dem schönen Antlitz sein mußte, ging zu Fuß, vermischt mit ihren Gefährten, ohne daß sie irgend etwas Auffallendes in Beziehung auf Gang und Haltung bot.

»Hollah, Ihr guten Leute!« rief Agenor.

Die Männer wandten sich um, und der Ritter bemerkte, daß sie mit der Hand an ihren Gürtel fuhren, woran ein langes Messer hing.

»Gnädiger Herr,« sagte Musaron stets klug und vorsichtig, »habt Ihr gesehen?«

»Vollkommen,« antwortete Agenor.

Dann sich an die Zigeuner wendend, sagte er:

»Oh! oh! seid ohne Furcht. Ich komme mit freundschaftlicher Gesinnung, und ich bemerke Euch beiläufig, meine Braven, Eure Messer wären, wenn sich dies anders verhielte, armselige Angriffswaffen gegen meinen Panzer und meinen Schild, und elende Vertheidigungswaffen gegen meine Lanze und mein Schwert. Nachdem dies abgemacht ist, frage ich Euch, wohin geht Ihr, Ihr Leute?«

Einer von den zwei Männern faltete die Stirne und öffnete den Mund, um irgend etwas Hartes zu antworten; doch der Andere hielt ihn sogleich zurück und erwiderte im Gegentheil mit artigem Tone:

»Wollt Ihr uns folgen, damit wir Euch den Weg zeigen, gnädiger Herr?«

»Gewiß,« antwortete Agenor, »abgesehen davon, daß wir von Eurer Gesellschaft beehrt zu sein wünschen.«

Musaron machte eine höchst bezeichnende Grimasse.

»Wohl, gnädiger Herr, wir gehen nach Soria,« sagte der, artige Zigeuner.

»Das fügt sich vortrefflich, wir reisen auch nach Soria.«

»Leider reisen Eure Herrlichkeiten viel schneller als arme Fußgänger,« entgegnete der Zigeuner.

»Ich habe sagen hören,« erwiderte Agenor, »die Leute Eurer Nation können in der Geschwindigkeit einen Wettkampf mit den lebhaftesten Pferden eingehen.«

»Das ist möglich,« versetzte der Zigeuner; »doch nicht, wenn sie zwei alte Frauen bei sich haben.«

Agenor und Musaron tauschten einen Blick, den Musaron mit einer Grimasse begleitete.

»Es ist wahr,« sprach Agenor, »und Ihr reist mit dürftiger Equipage.

Wie können die Frauen, die Euch begleiten, eine solche Strapaze aushalten?«

»Sie sind daran gewöhnt, Senor, und zwar seit langer Zeit, denn es sind unsere Mütter; wir Zigeuner werden im Schmerz geboren.«

»Ah! Eure Mütter!« rief Agenor; »arme Weiber!«

Der Ritter befürchte einen Augenblick, die schöne Zigeunerin könnte einen andern Weg eingeschlagen haben; doch beinahe unmittelbar darauf dachte er an die Frau, die er auf dem Esel hatte reiten sehen, und die nur abgestiegen war, als sie ihn erblickt. Das Thier sah ärmlich aus; aber es genügte, diese kleinen zarten, gesalbten Füße, die er am Abend vorher gesehen, zu schonen.

Er näherte sich den Frauen, sie verdoppelten den Schritt.

»Eine von den Müttern besteige den Esel, und die andere kann hinter mir auf dem Kreuz reiten,« sagte er.

»Der Esel ist mit unsern Kleidungsstücken belastet,« entgegnete der Zigeuner, »und daran hat er schon genug. Was aber Euer Pferd betrifft, Senor, so treibt Eure Excellenz wohl nur Scherz, denn es ist ein zu edles und zu munteres Thier für eine arme alte Zigeunerin.«

Während dieser Zeit schaute Agenor die zwei Frauen schärfer an, und er erblickte an den Füßen der einen von ihnen die hirschledernen Stiefelchen, die er am Abend vorher wahrgenommen hatte.

»Sie ist es!« murmelte er, diesmal gewiß, sich nicht mehr zu täuschen. »Auf, auf, gute Mutter mit dem blauen Schleier, nehmt mein Anerbieten an; steigt hinter mir auf's Kreuz, und wenn Euer Esel eine hinreichende Last trägt, nun, so mag Eure Gefährtin hinter meinem Knappen aufsitzen.«

»Ich danke, Senor,« erwiderte die Zigeunerin mit einer Stimme, deren Harmonie die letzten Zweifel, welche noch dem Geiste des Ritters bleiben konnten, beseitigte.

»In der That,« sprach Agenor mit einem spöttischen Ton, der die zwei Frauen beben und die Hände der zwei Männer bis an ihre Messer aussteigen machte, »in der That, das ist eine weiche, sanfte Stimme für ein altes Weib.«

»Senor!. . .« rief mit zornigem Ausdruck der Zigeuner, der noch nicht gesprochen hatte.

»Oh! ärgern wir uns nicht,« fuhr Agenor ruhig fort, »wenn ich an ihrer Stimme errathe, daß Eure Gefährtin jung ist, und wenn ich, indem ich an ihrer Stimme errathe, daß sie jung ist, an der Dichtheit ihres Schleiers zugleich auch errathe, daß sie schön ist, so liegt darum doch kein Grund vor, mit Messern zu spielen.«

Die zwei Männer traten einen Schritt vor, als wollten sie ihre Gefährtin beschützen.

»Halt!« sprach gebieterisch die junge Frau.

Die zwei Männer blieben stehen.

»Ihr habt Recht, Senor,« sagte sie.

»Ich bin jung, und wer weiß, vielleicht sogar schön . . . Doch, was kümmert das Euch, frage ich, und warum solltet Ihr mich auf meiner Reise belästigen, weil ich zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre weniger alt bin, als ich zu sein scheine?«

Agenor blieb in der That unbeweglich bei den Tönen dieser Stimme, welche die hochgestellte und an das Befehlen gewöhnte Frau bezeichneten. Die Erziehung und der Charakter der Unbekannten standen also im Einklang mit ihrer Schönheit.

»Senora,« stammelte der junge Mann, »Ihr habt Euch nicht getäuscht, ich bin Ritter.«

»Ihr seid Ritter, gut; doch ich bin keine Senora ich bin eine arme Zigeunerin, etwas weniger häßlich vielleicht, als die Frauen meines Standes.«

Agenor machte eine Geberde des Unglaubens.

»Habt Ihr zuweilen die Frauen von vornehmen Herren zu Fuß reisen sehen?« fragte die Unbekannte.

»Oh! das ist ein schlechter Grund,« entgegnete Agenor, »denn noch vor einem Augenblick seid Ihr auf dem Esel geritten.«

»Richtig,« erwiderte die junge Frau; »doch Ihr werdet wenigstens zugestehen, daß mein Anzug nicht der einer Dame von Stand ist.«

»Die Damen von Stand verkleiden sich zuweilen, Madame, wenn sie ein Interesse haben, für Weiber aus dem Volk gehalten zu werden.«

»Glaubt Ihr,« erwiderte die Zigeunerin, »eine Frau von Stand lasse sich, an Sammet und Seide gewöhnt, herbei, ihren Fuß in eine solche Bekleidung zu stecken?«

Und sie zeigte ihr hirschledernes Stiefelchen.

»Jede Bekleidung wird am Abend abgelegt, und ist der zarte Fuß durch den Marsch am Tag angestrengt worden, so verliert er die Müdigkeit, wenn man ihn mit duftenden Salben einreibt.«

Hätte die Reisende ihren Schleier aufgehoben, so hätte Agenor sehen können, wie ihr das Blut in's Gesicht stieg und das Feuer ihrer Augen in einem purpurnen Kreise glänzte.

»Duftende Salben,« flüsterte sie, und schaute dabei ihre Gefährtin unruhig an, während Musaron, der nicht ein Wort von diesem Gespräch verloren hatte, duckmäuserisch lächelte.

Agenor versuchte es nicht, sie noch mehr zu ängstigen.

»Meine liebe Frau,« sprach er, »ein süßer Wohlgeruch entströmt Eurer Person, das ist es, was ich sagen wollte, und nichts Anderes.«

»Ich danke für das Compliment, Herr Ritter; doch da es das ist, was Ihr sagen wolltet, und nichts Anderes, so müßt Ihr zufrieden sein, da Ihr es gesagt habt.«

»Damit wollt Ihr mir mich zu entfernen befehlen, nicht wahr?«

»Damit will ich sagen, daß ich in Euch an Eurer Aussprache, Senor, und an Euren Worten besonders einen Franzosen erkenne.

Es ist aber gefährlich, mit Franzosen zu reisen, wenn man eine, für Artigkeiten sehr empfängliche, arme junge Frau ist.«

»Ihr besteht also darauf, daß ich mich von Euch trenne?«

»Ja, zu meinem großen Bedauern, doch ich bestehe darauf.«

Bei dieser Antwort ihrer Gebieterin schienen die zwei Diener bereit, ihren Willen zu unterstützen,

»Ich werde gehorchen, Senora,« sprach Agenor, »doch glaubt mir, nicht wegen der drohenden Miene Eurer zwei Gefährten, die ich gern in einer minder guten Gesellschaft als der Eurigen treffen möchte, um sie zu oft nach ihren Messern greifen zu lehren, sondern wegen der Dunkelheit, mit der Ihr Euch umgebt, und die ohne Zweifel irgend einen Plan unterstützen soll, dem ich nicht entgegentreten will.«

»Ihr tretet keinem Plan entgegen und lauft auch nicht Gefahr, eine Dunkelheit aufzuhellen,« sagte die Reisende.

»Schon genug, Madame,« sprach Agenor; »überdies,« fügte er, ein wenig gereizt durch die geringe Wirkung, welche sein gutes Aussehen hervorgebracht, bei, »überdies würde mich Euer langsames Marschiren hindern, so bald, als es für mich dringend nothwendig ist, am Hof von König Don Pedro anzukommen.«

»Ah! Ihr begebt Euch zu König Don Pedro?« rief lebhaft die junge Frau.

»Auf der Stelle, Senora, und ich nehme von Euch Abschied, indem ich Eurer liebenswürdigen Person alles Glück wünsche.«

Die junge Frau schien einen raschen Entschluß zu fassen und hob ihren Schleier auf.

Diese plumpe Umhüllung hob wo möglich die Schönheit ihres Gesichtes und die Eleganz ihrer Züge noch mehr hervor; sie hatte einen freundlichen Blick und einen lachenden Mund.

Agenor hielt sein Pferd an, das schon einen Schritt vorwärts gemacht hatte.

»Ah! Senor,« sagte sie, »man sieht wohl, daß Ihr ein zartfühlender und bescheidener Rittersmann seid; denn Ihr habt vielleicht errathen, wer ich bin, und dennoch habt Ihr mich nicht verfolgt, wie es ein Anderer an Eurer Stelle gethan hätte.«

 

»Ich habe nicht errathen, wer Ihr seid; wohl aber habe ich errathen, wer Ihr nicht seid.«

»Nun, Herr Ritter, da Ihr Tuch so artig benehmt, will ich Euch die volle Wahrheit erzählen,« sprach die schöne Reisende.

Bei diesen Worten schauten die zwei Diener einander erstaunt an; doch immer lächelnd, fuhr die falsche Zigeunerin fort:

»Ich bin die Frau eines Officiers von König Don Pedro, und seit einem Jahr von meinem Mann getrennt, der dem König nach Frankreich folgte, will ich es versuchen, ihn in Soria zu treffen; Ihr wißt aber, daß das Land von den Soldaten der beiden Parteien besetzt ist, und ich würde eine wichtige Beute für die Leute des Prätendenten. Um ihnen zu entgehen, habe ich diese Verkleidung gewählt, bis ich mit meinem Mann zusammengetroffen bin, daß dieser mich beschützen kann.«

»Das lasse ich mir gefallen,« sprach Agenor, diesmal von der Wahrhaftigkeit der jungen Frau überzeugt. »Wohl, Senora, ich hätte Euch meine Dienste angeboten, heischte nicht meine Sendung die größte Eile.«

»Hört, mein Herr,« sagte die schöne Reisende, »nun, da Ihr wißt, wer ich bin, und da ich weiß, wer Ihr seid, werde ich so schnell gehen, als Ihr wollt, wenn Ihr mir erlaubt, daß ich mich unter Euren Schutz stelle und in Eurem Geleite reise.«

»Ah! Ah! Ihr habt also Eure Ansicht geändert, Madame?«

»Ja, Senor, ich habe bedacht, daß ich auf Leute stoßen könnte, welche ebenso scharfsichtig, aber minder artig wären, als Ihr.«

»Wie werden wir es also machen, Madame? wenn Ihr nicht meinen ersten Vorschlag annehmt . . .«

»Oh! beurtheilt mein Thier nicht nach seinem Aussehen, so unscheinbar mein Esel ist, so ist er doch von Race, wie Euer Pferd; er kommt aus, den Ställen von Don Pedro, und dürfte die Vergleichung mit Eurem Renner aushalten.«

»Aber Sure Leute, Madame?«

»Kann Euer Knappe meine Amme nicht aufs Kreuz nehmen? meine Leute werden uns zu Fuß folgen.«

»Besser wäre es, wenn Ihr Euren Esel Euren zwei Dienern überließet, die sich desselben abwechselnd bedienen könnten, wenn Eure Amme, wie Ihr sagt, hinter meinen Knappen aufstiege, und wenn Ihr Euch, wie ich es Euch vorschlage, hinter mich setztet; auf diese Art würden wir eine ansehnliche Truppe bilden.«

»Gut, es geschehe, wie Ihr wollt,« sprach die Dame.

Und beinahe in demselben Augenblick schwang sich die schöne Reisende in der That mit der Leichtigkeit eines Vogels auf das Kreuz des Pferdes von Agenor.

Die zwei Männer setzten die Amme hinter Musaron, der nicht mehr lachte.

Einer von den zwei Männern bestieg den Esel, der andere nahm ihn beim Schwanzriemen, aus dem er sich einen Haltpunkt machte, und die ganze Truppe zog in scharfem Trab von dannen.

Sechsunddreißigstes Kapitel.
Wie Agenor und die unbekannte Reisende mit einander zogen, und von den Dingen, die sie sich während der Reise sagten

Es ist sehr schwer für zwei junge, hübsche, gescheite Wesen, die sich umschlungen halten und auf demselben Thiers sitzend die Stöße und Unebenheiten der Straße theilen, nicht bald ein vertrauliches Verhältniß mit einander einzugehen.

Die junge Frau begann mit Fragen; als Frau hatte sie das Recht dazu.

»Also Herr Ritter,« sagte sie, »ich habe richtig errathen, und Ihr seid ein Franzose?«

»Ja, Madame.«

»Und Ihr geht nach Soria?«

»Ah! das habt Ihr nicht errathen, ich habe es Euch gesagt.«

»Es mag sein . . . Ihr wollt ohne Zweifel Don Pedro Eure Dienste anbieten?«

Agenor bedachte, ehe er diese Frage entschieden beantwortete, daß er diese Frau bis Soria führe, daß er den König vor ihr sehen würde, und daß er folglich keine Indiscretion zu fürchten haben könnte: überdies hatte er viele Dinge zu sagen, ehe er die Wahrheit zu sagen hatte.«

»Madame,« sprach er, »diesmal täuscht Ihr Euch; ich will keines Weges meine Dienste Don Pedro anbieten, insofern ich Don Enrique oder vielmehr dem Connetable Duguesclin angehöre: ich überbringe dem besiegten König Friedensvorschläge.«

»Dem besiegten König!« rief die junge Frau mit einem stolzen Ausdruck, den sie sogleich unterdrückte und in Erstaunen verwandelte.

»Allerdings besiegt, da sein Mitbewerber an seiner Stelle zum König gekrönt worden ist.«

»Ah! es ist wahr,« sagte mit gleichgültigem Tone die junge Frau; »Ihr bringt also dem besiegten König Worte des Friedens?«

»Die er wohl annehmen wird,« erwiderte Agenor, »denn seine Sache ist verloren.«

»Ihr glaubt?« »Ich bin dessen sicher.«

»Warum dies?«

»Weil er, schlecht umgeben und besonders schlecht berathen, wie er ist, unmöglich widerstehen kann.«

»Schlecht umgeben?«

»Allerdings; Unterthanen, Freunde, Geliebte, Alles verräth ihn, plündert ihn, treibt ihn zum Bösen an.«

»Also seine Unterthanen? . . . «

»Verlassen ihn.«

»Seine Freunde»? . . . «

»Plündern ihn.«

»Und seine Geliebte?. . . « fragte zögernd die junge Frau.

»Seine Geliebte treibt ihn zum Bösen an.«

Die junge Frau faltete die Stirne, und etwas wie eine Wolke zog über ihr Antlitz hin.

»Ihr meint ohne Zweifel die Maurin?« sagte sie.

»Welche Maurin?«

»Die neue Leidenschaft des Königs.«

»Wie beliebt?« fragte Agenor, dessen Blick nun ebenfalls funkelte.

»Habt Ihr nicht sagen hören, der König Don Pedro sei wie wahnsinnig in die Tochter des Mauren Mothril verliebt?«

»In Aissa!« rief der Ritter.

»Ihr kennt sie?« sprach die junge Frau.

»Gewiß.«

»Wie sollte es Euch dann unbekannt sein, daß der schändliche Ungläubige sie in das Bett des Königs zu bringen im Begriff ist.«

»Einen Augenblick Geduld!« rief der Ritter, indem er sich bleich wie der Tod gegen seine Gefährtin umwandte; »sprecht nicht so von Aissa, wenn nicht unsere Freundschaft, ehe sie geboren ist, sterben soll.«

»Ah! wie soll ich anders sprechen, Senor, da ich die Wahrheit sage? Diese Maurin ist oder wird die anerkannte Geliebte des Königs werden, da er sie überall begleitet, da er am Schlage ihrer Sänfte geht, da er ihr Concerte, Feste gibt und den Hof zu ihr führt.«

»Ihr wißt das?« sagte Agenor ganz zitternd, denn er erinnerte sich dessen, was der Alcade Musaron mitgetheilt hatte; »die Reise von Don Pedro an der Seite von Aissa ist also wahr?«

»Ich weiß viele Dinge, Herr Ritter,« sprach die schöne Reisende, »denn wir Leute vom Hause des Königs erfahren die Neuigkeiten schnell.«

»Ah! Madame, Ihr durchbohrt mir das Herz,« sagte traurig Agenor, in dem die Jugend ihre ganze Blüthe entwickelte, welche aus den zwei zartesten Substanzen der Seele, der Leichtgläubigkeit beim Hören, der Naivetät beim Sprechen besteht.

»Ich durchbohre Euch das Herz?« fragte die Reisende ganz erstaunt.

»Kennt Ihr zufällig diese Frau?«

»Ah!I ich liebe sie auf's Innigste!« sprach der Ritter in Verzweiflung.

Die junge Frau machte eine Geberde des Mitleids und erwiderte:

»Aber sie, sie liebt Euch also nicht?«

»Sie sagte mir, sie liebe mich. Oh! dieser Schurke Mothril muß ihr gegenüber Gewalt oder Zauberkunst angewendet haben!«

»Es ist ein großer Bösewicht, der dem König schon viel Schlimmes zugefügt hat,« sprach kalt die junge Frau.

»Doch in welcher Absicht glaubt Ihr, daß er handle?«

»Das ist ganz einfach: er will eine Andere an die Stelle von, Maria Padilla bringen.«

»Es ist dies also auch Eure Ansicht?«

»Sicherlich, Madame.«

»Aber man sagt, Dona Maria sei sehr verliebt in den König; glaubt Ihr, sie dulde, daß Don Pedro sie so verläßt?«

»Sie ist Weib, sie ist schwach, sie wird unterliegen, wie Dona Bianca unterlegen ist; nur war der Tod der Einen ein Mord, während der Tod der Andern eine Sühnung sein wird.«

»Eine Sühnung? . . . Eurer Ansicht nach hat also Maria Padilla etwas zu sühnen?«

»Ich spreche nicht nach meiner Ansicht, Madame, sondern nach der der Welt.«

»Eurer Ansicht nach wird man Maria Padilla nicht beklagen, wie man Blanche von Bourbon beklagte?«

»Sicherlich nicht; obgleich, wenn Beide todt sind, wahrscheinlich die Geliebte so unglücklich gewesen sein wird, als die Gemahlin.«

»Ihr werdet sie also beklagen?«

»Ja, obschon ich sie weniger als irgend Jemand beklagen müßte.«

»Und warum dies?« fragte die junge Frau, ihre großen, schwarzen, erweiterten Augen auf Agenor heftend.

»Weil sie es ist, die dem König die Ermordung von Don Federigo gerathen hat, und weil Don Federigo mein Freund war.«

»Solltet Ihr zufällig der fränkische Ritter sein, den Don Federigo zu sich beschieden hatte?« fragte die junge Frau.

»Ja, und dem der Hund den Kopf seines Herrn brachte.«

»Ritter! Ritter!« rief die junge Frau, indem sie Agenor bei der Hand nahm, »hört wohl: bei dem Heile ihrer Seele, bei dem Antheil, den Maria Padilla am Paradies zu bekommen hofft, sie ist es nicht, die den Rath gegeben hat, sondern Mothril!«

»Aber sie hat gewußt, daß der Mord stattfinden sollte, und hat sich nicht widersetzt.«

Die Reisende schwieg.

»Das ist genug, daß sie Gott bestraft, oder vielmehr, daß sie von Don Pedro gestraft werden wird,« sagte Agenor.

»Wer weiß, ob er sie nicht schon weniger liebt, weil das Blut seines Bruders zwischen ihm und dieser Frau geflossen ist?«

»Ihr habt vielleicht Recht,« sprach die Unbekannte mit sonorer Stimme: »doch Geduld, Geduld!« »Ihr scheint Mothril zu hassen, Dona?«

»Tödtlich.«

»Was hat er Euch gethan?«

»Er hat mir gethan, was er jedem Spanier gethan bat; er hat den König seinem Volk entfremdet,«

»Die Frauen hegen selten aus einer politischen Ursache einen Haß gegen einen Mann, wie Ihr ihn gegen Mothril zu hegen scheint.«

»Ich habe mich auch persönlich über ihn zu beklagen: seit einem Monat verhindert er es, daß ich meinen Gatten wiederfinde.«

»Wie so?«

»Er hat um den König Don Pedro eine solche Bewachung angeordnet, daß keine Botschaft oder kein Bote bis zu ihm oder bis zu denjenigen gelangt, welche ihm dienen: so habe ich an meinen Gatten zwei Emissäre abgeschickt, welche nicht zurückgekehrt sind, und ich weiß nicht, ob ich werde nach Soria hineinkommen können, und ob Ihr selbst . . .«

»Oh! ich komme hinein; denn ich erscheine als Botschafter.«

Die junge Frau schüttelte spöttisch lächelnd den Kopf.

»Ihr kommt hinein, wenn er es will,« entgegnete sie mit einer heiseren Stimme, welche eine innere Erschütterung entstammte.

Agenor streckte die Hand aus, zeigte den Ring, den ihm Enrique von Transtamare gegeben hatte, und sprach:

»Dies ist mein Talisman.«

Es war ein Smaragdring, dessen Stein von zwei verschlungenen E gehalten wurde.

»Ja, in der That,« sagte die junge Frau, »es wird Euch vielleicht gelingen, die Wachen zu bewältigen.

»Wenn es mir gelingt, die Wachen zu bewältigen, so wird es Euch auch gelingen, denn Ihr gehört zu meinem Gefolge, und man wird Euch ehren.«

»Ihr versprecht mir also, daß ich, wenn Ihr hineinkommt, auch hineinkomme.«

»Das schwöre ich Euch bei meinem Ritterwort.«

»Nun wohl! ich beschwöre Euch im Austausch gegen diesen Eid, mir zu sagen, was in diesem Augenblick Euch am meisten erfreuen kann.«

»Ach! was ich am meisten wünsche, könnt Ihr mir nicht bewilligen.«

»Gleichviel, sagt es immerhin.«

»Ich möchte gern Aissa wiedersehen und mit ihr sprechen.«

»Wenn ich in die Stadt komme, sollt Ihr sie sehen und sprechen.«

»Oh! wie dankbar werde ich Such sein.«

»Wer sagt Euch, daß Ihr nicht für mich am meisten gethan habt?«

»Ihr gebt mir das Leben wieder.«

»Und Ihr, Ihr werdet mir mehr als das Leben wiedergegeben haben,« sprach die junge Frau mit einem seltsamen Lächeln.

Und als man während dieses Austausches von Geständnissen und der Ratification dieses Allianzvertrages zu dem Dorf kam, wo man Halt machen sollte, sprang die schöne Reisende leicht vom Pferd von Agenor herab, und da man diese Gesellschaft von Christen und Zigeunern vielleicht seltsam gefunden hätte, so wurde verabredet, daß man sich am andern Tag ungefähr eine Meile vom Dorf wiedervereinigen sollte.