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Robert Heidecker Polizeipsychologe a.D.

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„Wie heißen Sie?“, half Heidecker deshalb nach. Er rieb sich die Hände. Scheiße war das kalt. Wie schön wäre es jetzt mit Dagmar zusammen im Warmen zu sitzen und zu kuscheln.

„Thorsten“, kam die Antwort nach langem Schweigen.

Heidecker nickte und blies warme Luft in seine kalten Hände.

„Was wird denn das hier, Thorsten?“, fragte er.

„Hä?“, machte sein Gegenüber.

Heidecker machte eine Handbewegung Richtung Dachkante.

„Na, springst du jetzt oder nicht?“

Der junge Mann glotzte zu ihm herüber.

„Na ja. Ich wollte die Sache nur abkürzen. Ich meine, wir können Stunden hier rumstehen oder du entscheidest dich sofort. Irgendwann musst du es sowieso tun, also warum nicht jetzt? Hopp oder top?“

„Was sind Sie denn für einer?“, fragte Thorsten entgeistert.

Heidecker machte einen Schritt nach vorne, und als keine Reaktion kam, noch einen.

„Ich bin einer der friert und der eigentlich ein Date hat“, begann er. „Es wäre wirklich nett, wenn du dich schnell entscheidest, damit ich zurück zu meiner Freundin kann. Außerdem hältst du nicht nur mich auf, sondern noch eine Menge anderer Menschen. Hast du mal nach unten gesehen?“

Thorsten starrte nach unten, obwohl er das schon die ganze Zeit getan hatte. Er sah blinkende Warnlichter.

„Die Straße ist wegen dir gesperrt worden und viele Menschen fluchen jetzt, weil sie einen Umweg fahren müssen und zu spät zu … keine Ahnung … zu irgendwas kommen. Die Feuerwehrleute und die Polizisten sind nur wegen dir hier und stehen sich die Beine in den Bauch. Auch der Krankenwagen da“, er deutete in die Richtung, „Alles nur für dich. Alle Leute warten auf deine Entscheidung.“

Thorsten sah zwischen Heidecker und dem Abgrund hin und her.

„Frage mich, warum die überhaupt einen Krankenwagen bestellt haben“, sinnierte Heidecker in der Zwischenzeit.

„Wenn du da runter springst, bleibt ja nicht mehr so viel übrig, was in einen Krankenwagen gehört. Die Straßenreinigung wäre da wohl sinnvoller.“

Er fing Thorstens entsetzten Blick auf, machte eine beschwichtigende Handbewegung und entschuldigte sich.

„Aber mal im Ernst“, sprach Heidecker weiter, „Wenn du springen willst, dann tust du das besser schnell. Sobald die Polizei deinen Namen rausgefunden hat, werden sie jemanden aus deiner Familie hier ankarren, um dich umzustimmen. Mutter, Schwester, Freundin … egal. Du willst doch sicher nicht, dass diese Leute deine matschigen Überreste sehen.“

Thorsten trat einen Schritt von der Kante weg und starrte Heidecker hasserfüllt an.

„Halten Sie den Mund!“, fuhr er ihn an.

Heidecker hob wieder die Hände. „Ich sag nur, wie es ist.“