Venus im Kloster

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Venus im Kloster
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Abbé Du Prat, Horst Tran

Venus im Kloster

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Inhaltsverzeichnis

Titel

ERSTES GESPRÄCH

Zweites Gespräch

Drittes Gespräch

Impressum neobooks

ERSTES GESPRÄCH

Schwester Agnès, Schwester Angélique

Agnès. – Oh Gott! Schwester Angélique, kommt nicht in mein Zimmer; ich bin jetzt nicht bekleidet. Muss man denn Leute in einem solchen Zustand überraschen? Ich dachte, ich hätte die Tür gut verschlossen.

Angélique. – Ach, sei still; worüber sorgst du dich? Dass es schlimm ist, dass du dein Hemd wechselst oder dich mit noch besseren Dingen beschäftigst! Gute Freunde sollten sich nicht voreinander verstecken. Setz dich wieder auf dein Bett so wie zuvor, ich schließe die Tür hinter mir.

Agnès. – Glaubt mir, meine Schwester, dass ich vor Scham sterben würde, wenn eine andere als Ihr mich auf diese Weise überrascht hätte. Ihr habt viel Liebe zu mir, deshalb brauche ich vor Euch nichts zu befürchten, was immer Ihr auch gesehen habt.

Angélique. – Das sagst du ganz richtig, mein Kind; und selbst wenn ich nicht all die zärtlichen Gefühle für dich hätte, die ein Herz nur empfinden kann, könntest du in dieser Hinsicht immer beruhigt sein. Ich bin seit sieben Jahren eine Nonne; mit dreizehn bin ich in das Kloster eingetreten und kann sagen, dass ich mir durch mein Fehlverhalten noch keine Feinde gemacht und dass ich das Verleumden immer gehasst habe und von Herzen her nie etwas lieber tat als jemandem in unserer Gemeinschaft einen Dienst zu erweisen. Dieses Verhalten hat mir die Zuneigung der meisten von ihnen verschafft und vor allem die unserer Äbtissin, was mir gelegentlich nicht wenig von Nutzen ist.

Agnès. – Ich weiß, und ich bin oft überrascht, wie es Euch gelang, mit denen zu Rande zu kommen, die zu den anderen gehören. Man braucht wahrscheinlich so viel Geschick und Verstand wie Ihr, um mit solchen Leuten fertigzuwerden. Was mich angeht, konnte ich meine Gefühle niemals zügeln und mir auch nie die Mühe machen, die Freundschaft derjenigen zu erlangen, die mir eigentlich gleichgültig waren. Das ist eine Schwäche meines Geistes, der ein Feind des Zwangs ist und in allem frei handeln will.

Angélique. – Es ist wahrhaft süß, sich von dieser reinen und unschuldigen Natur leiten zu lassen, indem man nur den Neigungen folgt, die sie uns eingibt; doch Ehrgefühl und Ehrgeiz haben die Ruhe in den Klöstern gestört und zwingen die, von denen sie Besitz ergriffen haben, sich zu spalten und aus Vorsicht oft das zu tun, was sie aus Neigung nicht täten.

Agnès. – Das heißt, dass so viele, die sich Eurer Liebe sicher wähnen, nur den Anschein davon besitzen, und dass Eure Beteuerungen ihnen oft einen Segen versprechen, den sie gar nicht genießen. Ich gestehe, ich befürchte sehr, zu ihnen zu gehören und ein Opfer Eurer Strategie zu sein.

Angélique. – Ach, meine Liebe, jetzt beleidigst du mich; Heuchelei hat keinen Platz in einer Freundschaft, die so stark wie die unsere ist. Ich gehöre ganz dir, und obwohl mich die Natur aus dem selben Blut gemacht hat, hätte sie mir nicht zärtlichere Gefühle geben können als die, die ich für dich fühle. Erlaube mir, dass ich dich umarme, damit unsere Herzen inmitten unserer Küsse miteinander sprechen können.

Agnès. – Oh Gott! Wie du mich in deinen Armen hältst! Siehst du nicht, dass ich nackt bin in meinem Hemd? Ah! Du setzt mich in Brand!

Angélique. – Ah! Wie diese Röte, die dich jetzt belebt, den Glanz deiner Schönheit erhöht! Ah! Wie lieblich dich dieses Feuer macht, das jetzt in deinen Augen leuchtet! Soll ein makelloses Mädchen wie du so zurückgezogen leben? Nein, nein, mein Kind, ich möchte mit dir meine geheimsten Fertigkeiten teilen und dir in unübertrefflicher Weise zeigen, wie eine kluge Nonne sich verhält. Ich meine nicht diese strenge und gewissenhafte Weisheit, die sich vom Fasten ernährt und außer Haaren nur ein Büßergewand am Leib trägt; es gibt noch eine andere Weisheit, die nicht so grimmig ist und zu welcher alle verständigen Menschen sich bekennen, und sie hat nicht wenig mit deiner natürlichen Liebe zu tun.

Agnès. – Ich und natürliche Liebe! Meine Physiognomie muss sehr irreführend sein, oder Ihr kennt Euch mit deren Regeln nicht gut aus. Nichts berührt mich weniger als diese Leidenschaft, und in meinen drei Jahren im Kloster hat sie mir nicht die geringste Sorge bereitet.

Angélique. – Das bezweifle ich sehr, und ich denke, wenn du aufrichtiger wärest, würdest du mir gegenüber zugeben, dass ich nichts als die Wahrheit gesagt habe. Wie! Ein sechzehnjähriges Mädchen mit einem so lebhaften Geist und einem so gut geformten Körper wie deinem soll kalt und empfindungslos sein? Nein, das kann mich nicht überzeugen: All deine sorglosen Handlungen haben mir das Gegenteil bewiesen, und das, was ich – ich weiß nicht was -- durch das Schlüsselloch deiner Tür sah, bevor ich hereinkam, zeigt mir, dass du eine Heuchlerin bist.

Agnès. – Oh Gott! Ich bin verloren!

Angélique. – Das ist doch Unsinn. Was hast du von mir denn zu befürchten? Warum ängstigst du dich vor einer Freundin? Ich habe dir das nur gesagt, um dir viele ähnliche Bekenntnisse von meiner Seite anzuvertrauen. Es gibt da wahrlich schöne Dinge, und selbst die Rechtschaffendsten gebrauchen sie, und in der Klostersprache heißt das: die Vergnügung der Jungen und der Zeitvertreib der Alten.

Agnès. – Aber sagt mir doch, was habt Ihr gesehen?

Angélique. – Dein Benehmen geht mir auf die Nerven. Weißt du nicht, dass Liebe jede Angst verbannt? Wenn wir beide in einer so vollkommenen Verbindung leben wollen, wie ich mir wünsche, dann darfst du nichts vor mir verbergen, und ich darf dir nichts verheimlichen. Küss mich, meine Süße. In deinem jetzigen Zustand wäre eine Peitsche das richtige Mittel, um dich für die geringe Gegenleistung zu bestrafen, die du für meine Liebenswürdigkeit erbringst. Ach Gott! Wie üppig und wohlproportioniert du bist! Lass mich dich...

Agnès. – Ah! Hört auf damit; ich muss mich von meinem Schrecken noch erholen. Im Ernst, was habt Ihr denn gesehen?

Angélique. – Weißt du denn nicht, was ich vielleicht gesehen habe, Dummerchen? Ich sah dich, wie du etwas tatest, das auch ich dir leisten kann, wenn du möchtest; meine Hand wird dir dann den Dienst erweisen, den deine vorher an einem anderen Teil deines Körpers geleistet hat. Das ist das große Verbrechen, das ich entdeckt habe und das die Äbtissin D.L.R., wie sie sagt, in ihren unschuldigsten Vergnügungen praktiziert, das die Priorin nicht verdammt und das die Novizenmeisterin als ekstatische Intromission bezeichnet. Du würdest nicht glauben, wie diese heiligen Seelen imstande sind, sich solch weltlichen Übungen zu widmen. Ihre Mienen und ihre Äußeres haben dich getäuscht, und der Anschein der Heiligkeit, mit dem sie sich, wenn erforderlich, gut zu schmücken wissen, ließ dich denken, dass sie in ihrem Körper leben, als bestünden sie nur aus Geist. Ach, mein Kind, ich werde dich viele Dinge lehren, die du nicht weißt, wenn du nur ein wenig Vertrauen in mich hast und wenn du mich wissen lässt, wie es um deine Seele und dein Gewissen gegenwärtig steht; und ich versichere dir, dass du so tief in mein Herz blicken wirst, dass du auch seine feinsten Rührungen fühlst.

Agnès. – Nach so vielen Worten glaube ich nicht, dass ich an Eurer Aufrichtigkeit zweifeln muss; deshalb sage ich Euch nicht nur, was Ihr über mich wissen wollt, sondern verrate Euch mit großer Freude auch meine geheimsten Gedanken und Handlungen. Es wird ein umfassendes Bekenntnis sein, von dem Ihr, wie ich weiß, keinen Missbrauch machen werdet, und das Vertrauen, das ich Euch entgegenbringe, wird nur dazu dienen, uns beide noch enger und unauflöslicher zu vereinen.

Angélique. – Daran besteht kein Zweifel, meine Liebe; du wirst dann feststellen, dass es nichts Süßeres auf der Welt gibt als eine wahre Freundin zu haben, die der Hüter unserer Geheimnisse, unserer Gedanken und sogar unserer Leiden ist. Ach! Wie erleichternd es bei solchen Gelegenheiten ist, sein Herz auszuschütten! So sprich, meine Hübsche. Ich setze mich neben dich aufs Bett, du braucht dir nichts anzuziehen, die Jahreszeit erlaubt dir, so zu bleiben, wie du bist. Mir scheint, dass du noch lieblicher wirst und an Zauber und Schönheit gewinnst, je näher du dem Zustand kommst, in dem die Natur dich ins Leben gerufen hat. Küss mich, meine liebe Agnès, bevor du beginnst, und bestätige mit deinen Küssen unsere gegenseitigen Beteuerungen, uns einander für immer zu lieben. Ah! Wie rein und unschuldig diese Küsse sind! Ah! Voller Zärtlichkeit und Süße! Ah! Wie sie mich entzücken! Eine kurze Waffenruhe, mein kleines Herz, ich bin ganz in Flammen, diese Liebkosungen bringen mich außer Atem. Ach Gott, wie mächtig ist die Liebe! Und was wird aus mir werden, wenn schon einfache Küsse mich so entrücken?

Agnès. – Ah! Wie schwierig es ist, sich in den Grenzen seiner Pflicht zu halten, wenn wir dieser Leidenschaft nur ein wenig nachgeben! Würdet Ihr glauben, Angélique, dass diese Scherze, die im Grunde nichts sind, mich auf so wunderbare Weise aufwühlen? Ah! Ah! Ah! Gebt mir etwas Luft, es scheint, dass mein Herz zu eng wird! Ah! Diese Seufzer tun mir wohl! Ich fange an, Euch auf neue Weise zu lieben, zärtlicher und stärker als zuvor! Ich weiß nicht, woher es kommt, denn können Küsse eine Seele so sehr in Aufruhr versetzen? Eure Liebkosungen sind wirklich sehr geschickt und fesselnd; denn Ihr habt mich so sehr in Besitz genommen, dass ich nun mehr Euch als mir selbst gehöre. Ich fürchte sogar, dass im Überfluss der Befriedigung, die ich empfunden habe, Dinge geschehen sind, die ich mit meinem Gewissen vereinbaren müsste, was ich etwas ärgerlich fände; denn wenn ich in der Beichte darüber sprechen muss, sterbe ich vor Scham und wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll. Ach Gott! Wie schwach wir doch sind und wie vergeblich unsere Bemühungen, auch mit den geringsten Anfechtungen einer verderbten Natur fertig zu werden.

 

Angélique. – Das ist der Punkt, auf den ich gewartet habe. Ich weiß, dass du bei vielen Dingen immer Bedenken hattest und eine gewisse Zärtlichkeit des Gewissens dir nicht leicht fiel. Das kommt davon, wenn man in die Hände eines ungebildeten und ignoranten Lehrers fällt. Was mich angeht, kann ich dir sagen, dass ich von einem gelehrten Mann unterrichtet wurde, wie ich mich zu verhalten habe, um ein glückliches Leben zu führen, ohne etwas zu tun, das aus der Sicht gewöhnlicher Menschen schockierend ist oder direkt gegen Gottes Gebote verstößt.

Agnès. – Gebt mir doch bitte, Schwester Angélique, eine vollkommene Vorstellung von diesem schönen Verhalten; glaubt mir, meine Bereitschaft ist groß, Euch zuzuhören und mich von Eurer Vernunft überzeugen zu lassen, wenn ich sie nicht durch stärkere Gründe widerlegen kann. Das Versprechen, das ich Euch gab, ganz offen über mich zu reden, werde ich dadurch umso besser einhalten, denn in meinen Antworten werdet Ihr feststellen, wie man mich geformt hat, so dass Ihr nach meinem aufrichtigen Bekenntnis beurteilen könnt, ob ich auf einem guten oder einem schlechten Weg bin.

Angélique. – Mein Kind, du wirst vielleicht überrascht sein von den Lektionen, die ich dir geben werde, und ein Mädchen von neunzehn bis zwanzig Jahren, das den Gelehrten spielt, in die verborgensten Geheimnisse der Religionspolitik eindringen sehen. Denke nicht, meine Liebe, dass ein eitler Geist der Herrlichkeit meine Worte belebt; nein, ich weiß, dass ich in deinem Alter noch unverständiger war als du, und dass allem, was ich gelernt habe, eine extreme Unwissenheit vorausging; aber ich muss dir auch gestehen, dass man mir Dummheit vorwerfen müsste, wenn die Mühe, die sich mehrere große Männer mit mir gaben, keine Frucht getragen und die Kenntnis von sieben Sprachen, die sie mir vermittelten, mich durch die Lektüre guter Bücher dabei nicht vorangebracht hätte. Um bei dieser Unterweisung methodisch vorzugehen, müsst Ihr beachten, dass die Religion (mit diesem Wort meine ich alle Mönchsorden) aus zwei Körpern besteht, von denen der eine rein himmlisch und übernatürlich ist und der andere irdisch und korrumpierbar, was eine Erfindung der Menschen ist; einer ist politisch und der andere ist mystisch in Bezug auf Jesus Christus, das einzige Haupt der wahren Kirche. Der eine ist dauerhaft, weil er aus dem unveränderlichen und ewigen Wort Gottes besteht, der andere aber einer Unendlichkeit von Veränderungen unterworfen, da er von endlichen und fehlbaren Menschen abhängt. Allerdings müssen wir diese beiden Organe trennen und eine angemessene Unterscheidung treffen, um zu wissen, was unsere wirklichen Pflichten sind. Die Schwierigkeit, diese Bereiche zu entwirren, ist nicht gerade gering. Die Politik ist der schwächste Teil und mit dem stärksten Teil so sehr verbunden, dass jetzt fast alles durcheinandergeraten ist und die Stimme der Menschen mit der von Gott verwechselt wird. Aus dieser Unordnung sind Illusionen, Skrupel, Scham und Gewissensbisse entstanden, die eine arme Seele oft verzweifeln lassen; und dieses Joch, das leicht zu tragen sein sollte, ist für viele durch die von Menschen auferlegten Bürden schwer und unerträglich geworden. In einer so dichten Finsternis und so sichtbaren Veränderung aller Dinge ist es notwendig, sich nur an den Stamm des Baumes zu binden, ohne sich die Mühe zu machen, seine Äste und Zweige zu umarmen. Wir müssen uns damit begnügen, den Geboten des souveränen Gesetzgebers zu gehorchen, und davon ausgehen, dass all das, wozu uns die Menschen darüber hinaus verpflichten wollen, uns nicht einen Moment lang in Unruhe versetzen darf. Wenn wir den Befehlen dieses Gottes gehorchen, müssen wir darauf schauen, ob sein Wille von seinen eigenen Fingern geschrieben ist oder aus dem Mund seines Sohnes oder nur aus dem Mund der Menschen kommt. So kann Schwester Angélique bedenkenlos ihre Ketten lockern, ihre Einsamkeit verschönern und all ihren Handlungen Fröhlichkeit verleihen, wenn sie sich mit der Welt vertraut macht. Sie kann sich mit der gebotenen Klugheit und Umsicht von all dem Wust von Schwüren und Versprechungen lösen, die sie unbedachterweise gegenüber den Menschen geleistet hat, und wieder in ihre Rechte vor dieser Verbindung eintreten und allein den ursprünglichen Verpflichtungen folgen."

"Das", so fuhr er fort, "betrifft den inneren Frieden; denn nach außen kann man nicht, ohne gegen Klugheit und Umsicht zu verstoßen, darauf verzichten, den Gesetzen, Gebräuchen und Sitten zu gehorchen, denen man sich beim Eintritt in das Kloster unterworfen hat. Ihr müsst sogar bei den unangenehmsten Übungen eifrig und leidenschaftlich erscheinen, wenn Euer Interesse an Ruhm oder Ehre von diesen Tätigkeiten abhängt; Ihr könnt Eure Zelle mit Sackleinen, Büßerhemden und Rosenkränzen schmücken und durch diese fromme Zurschaustellung so viel Verdienste erwerben wie eine, die unverständig ihren Körper malträtiert."

Agnès. – Oh, ich bin so froh, das von dir zu hören. Das große Entzücken, das ich dabei empfand, hat mich davon abgehalten, dich zu unterbrechen, und die Gewissensfreiheit, die mir deine Worte zu geben beginnen, entlastet mich von einer beinahe unendlichen Zahl von Nöten, die mich bisher quälten. Aber fahrt bitte fort und sagt mir, was die Politik damit bezweckte, so viele Verordnungen mit so strengen Regeln zu erlassen.

Angélique. – Bei der Gründung der Klöster können wir zwei Funktionen betrachten, die Gründung und die Politik. Die Absicht des Gründers ist oft rein, heilig und weit entfernt von den Absichten der Politik. Und ohne etwas anderes im Blick zu haben als die Erlösung der Seelen, schlug er Regeln und Lebensweisen vor, die er für notwendig oder zumindest nützlich für seinen spirituellen Fortschritt und den seines Nächsten hielt. Auf diese Weise wurden die Wüsten besiedelt und die Klöster gebaut. Der Eifer eines Einzelnen erhitzte viele, und ihre Hauptaufgabe bestand darin, ohne Unterlass den wahren Gott zu lobpreisen, und durch diese frommen Übungen zogen sie ganze Kompanien an, die sich mit ihnen vereinigten und einen einzigen Körper bildeten. Ich spreche hier von dem, was in der Leidenschaft der ersten Jahrhunderte geschah; was das Übrige angeht, müssen wir unser Urteil ändern und nicht denken, dass diese ursprüngliche Unschuld und dieser schöne Zug der Hingabe sich lange erhalten haben und von denen, die wir jetzt sehen, geteilt werden.

Als die Politik, die in einem Staat keine Fehler zulassen darf, sah, wie sich der Zahl der Zurückgezogenen und ihre Unordnung und Störungen vermehrten, war sie gezwungen, die Sache in die Hand zu nehmen; mehrere von ihnen wurden verbannt und aus dem Regelwerk der anderen das herausgenommen, was für das Gemeinwohl nicht als notwendig erschien. Die Politik hätte sich gewünscht, all die Blutegel loszuwerden, die sich in schrecklicher Trägheit und Faulheit von der Arbeit der Armen ernährten; aber dieser religiöse Schild, mit dem sie sich bedeckten, und der Geist des Vulgären, der sie bereits ergriffen hatte, ließ sie eine andere Richtung einschlagen, so dass solche Unternehmen für die Republik nicht ganz nutzlos waren. Die Politik hat daher alle dieser Häuser als gemeinschaftliche Orte betrachtet, wo sie sich eines Überschusses entledigen konnte; sie benutzt sie nämlich zur Erleichterung der Familien, die durch die große Zahl der Kinder arm und bedürftig wären, wenn diese keine Rückzugsmöglichkeit hätten, und damit ihr Rückzug keine Aussicht auf Rückkehr hat, erfand die Politik die Gelübde, durch die sie uns unlösbar an den Zustand binden will, den sie uns preisen lässt; sie lässt uns sogar auf unsere Rechte verzichten, die uns die Natur gegeben hat, und trennt uns so sehr von der Welt, dass wir kein Teil mehr davon sind. Verstehst du das alles gut?

Agnès. – Ja, aber wie kommt es, dass diese verfluchte Politik, die uns aus freien Menschen zu Sklaven macht, lieber die harten und strengen Regeln billigt als jene, die weniger unangenehm sind?

Angélique. – Der Grund ist dies. Die Politik betrachtet religiöse Männer und Frauen als von ihrem Körper abgeschnittene Glieder und als getrennte Teile, deren Leben sie als nicht besonders nützlich, sondern eher als schädlich für die Allgemeinheit ansieht. Und da es unmenschlich erschiene, sie sich offen vom Hals zu schaffen, verwendet sie Strategeme und fordert diese armen Opfer unter dem Vorwand der Hingabe auf, sich selbst die Kehle durchzuschneiden und sich so viele Fasten, Bußen und Kasteiungen aufzuerlegen, dass diese unschuldigen Frauen ihnen schließlich erliegen und durch ihren Tod anderen Platz machen, die genauso unglücklich sein müssen, wenn ihr Verstand sie nicht davon abhält. Auf diese Weise ist ein Vater oft der Henker seiner Kinder, und ohne sich dessen bewusst zu sein, opfert er sie der Politik, während er glaubt, sie nur Gott anzubieten.

Agnès. – Ah! Die erbärmliche Auswirkung einer verabscheuungswürdigen Regierung! Du schenkst mir das Leben, meine liebe Angélique, indem du mich mit deinen Überlegungen von dem großen Weg, dem ich gefolgt war, wieder zurückholst. Nur wenige Leute machten von den härtesten Kasteiungen mehr Gebrauch als ich. Ich hatte mich selbst mit Schlägen bestraft, um unschuldige Regungen meiner Natur zu bekämpfen, die meine Lehrerin als schreckliche Störungen betrachtete. Ah! Bin ich so missbraucht worden? Diese grausame Maxime ist zweifellos der Grund, warum die milderen Orden verachtet werden und jene, wo Hass herrscht, gepriesen und in den Himmel erhoben. Oh Gott, erlaubt Ihr denn, dass Euer Name auf diese Weise für solch ungerechte Handlungen missbraucht wird, und erlaubt Ihr den Menschen, Euch zu verfälschen?

Angélique. – Ah! Mein Kind, diese Ausrufe zeigen mir, dass es dir noch an Einsicht mangelt, um auf alle Dinge mit klarem Blick zu schauen! Lass uns hier einhalten: Dein Verstand ist im Moment noch nicht zu feineren Betrachtungen imstande. Liebe Gott und deinen Nächsten und glaube, dass das ganze Gesetz in diesen beiden Geboten enthalten ist.

Agnès. – Was! Wollt Ihr mich in einem Irrtum belassen, Angélique?

Angélique. – Nein, mein Herz, du wirst vollständig belehrt werden, und ich werde dir ein Buch in die Hände legen, das dir alles Wissen vermittelt und mit dem du leicht das lernen wirst, was ich dir nur verworren erklären könnte.

Agnès. – Das genügt mir. Ich muss gestehen, dass mir diese Stelle gefiel: Dass Klöster die gemeinschaftlichen Orte sind, an denen die Politik ihren Müll ablagert! Mir scheint, dass man nicht anstößiger und verächtlicher darüber sprechen kann.

Angélique. – Es stimmt, dass die Formulierung etwas stark ist; doch sie ist kaum schockierender als die von jemand anderem, der sagte, dass Mönche und Nonnen in der Kirche das sind, was die Katzen und Mäuse in der Arche des Noah waren.

Agnès. – Ihr habt Recht, und ich bewundere die Leichtigkeit, mit der Ihr Euch auszudrücken versteht; ich würde nicht für alles, was mir lieb und teuer ist, missen wollen, dass meine halb geöffnete Tür zu unserem Gespräch geführt hat. Ja, ich habe den Sinn all Eurer Worte erfasst.

Angélique. – Ausgezeichnet! Wirst du guten Gebrauch davon machen? Und wird dieser schöne Körper, der sich keines Verbrechens schuldig gemacht hat, immer noch als der schlimmste Bösewicht der Welt behandelt werden?

Agnès. – Nein, ich werde ihm Genugtuung dafür geben, was er durch mich schon zu erleiden hatte; ich bitte ihn um Verzeihung, und besonders für eine harte Züchtigung, die ich ihm gestern durch den Rat gab, den ich in der Beichte erhielt.

Angélique. – Küss mich, mein armes Kind; ich bin von dem, was du mir sagst, mehr gerührt, als wenn ich es an mir selbst erlebt hätte. Diese Strafe muss die letzte sein, mit der du dich kasteit hast; doch hast du dir großen Schaden zugefügt?

Agnès. – Ach! Mein Eifer war maßlos, und ich glaubte, je mehr ich schlug, desto größer wäre mein Verdienst; mein üppiger Körper und meine Jugend ließen mich auch die geringsten Schläge empfindlich spüren; so sehr, dass mein Hintern am Ende dieser schönen Übung förmlich brannte; ich weiß nicht einmal, ob ich eine Verletzung habe, denn ich war ganz von Sinnen, als ich ihn so wild misshandelte.

 

Angélique. – Ich muss ihn untersuchen, mein hübsches Mädchen, um zu sehen, was ein fehlgeleiteter Eifer bewirken kann.

Agnès. – Oh Gott! Muss ich das ertragen? Meint Ihr auch alles gut, was Ihr sagt? Das macht mich ganz verlegen. Oh! Oh!

Angélique. – Und welchen Nutzen hat alles, was ich dir gesagt habe, wenn eine dumme Verlegenheit dich immer noch zurückhält? Was ist so schlimm daran, mir zu gewähren, um was ich dich bitte?

Agnès. – Das stimmt, der Fehler liegt bei mir und nicht bei Eurer Neugierde; also befriedigt sie, wie Ihr es wünscht.

Angélique. – Oh! Nun ist es also entblößt, das schöne Gesicht, das sonst immer verschleiert ist! Knie auf deinem Bett und senke deinen Kopf ein wenig, damit ich die Gewalt deiner Schläge sehen kann. Oh, gütiger Gott, was für eine Farbenpracht! Mir scheint, ich sehe Taft aus China oder den Himmel beim Sonnenuntergang! Es bedarf einer großen Hingabe an das Mysterium der Geißelung, um deinen Hintern auf diese Weise zum Leuchten zu bringen.

Agnès. – Nun, hast du genug von dieser unschuldigen Grausamkeit gesehen? Oh Gott! Was tun deine Hände da? Lass ihn doch in Ruhe, damit er sich erholt und diese seltsame Farbe los wird. Was, du küsst ihn?

Angélique. – Widersetze dich nicht, mein Kind, ich habe die mitfühlendste Seele der Welt, und da es ein Werk der Barmherzigkeit ist, die Leidenden zu trösten, denke ich, dass ich ihn gar nicht genug liebkosen kann, um diese Pflicht zu erfüllen. Ah! Wie wohlgeformt dieser Körperteil bei dir ist! Und wie seine Blässe und Üppigkeit ihn erstrahlen lässt! Ich sehe auch eine andere Stelle, die von der Natur nicht weniger gut ausgestattet wurde, es ist die Natur selbst.

Agnès. – Nimm bitte deine Hand von dieser Stelle, wenn du keinen Brand verursachen willst, der nicht leicht zu löschen ist. Ich muss dir meine Schwäche gestehen: Ich bin das empfindlichste Mädchen, das man finden kann, und was bei anderen nicht das geringste Gefühl auslöst, bringt mich oft in Wallung.

Angélique. – Was! Du bist nicht so kalt, wie du mich zu Beginn unseres Gesprächs glauben machen wolltest, und ich denke, du wirst eine so gute Figur machen wie jede andere, die ich kenne, wenn ich dich in die Hände von fünf oder sechs guten Brüdern gegeben habe. Ich wünschte mir bei dieser Gelegenheit, dass die Exerzitien, die ich dem Brauch entsprechend durchführen muss, verschoben werden könnten, damit ich mit dir im Besuchsraum sein kann. Aber egal, ich tröste mich mit dem Bericht, den du mir über das Geschehene geben wirst; ob es der Abt besser gemacht hat als der Mönch, ob sich der Feuillant gegen den Jesuiten durchgesetzt hat, und schließlich, ob die ganze Bruderschaft dich zufriedengestellt hat.

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