GRAHAMS WIDERSTAND (Survivor 3)

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Aus der Reihe: Survivor #3
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GRAHAMS WIDERSTAND (Survivor 3)
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Grahams Widerstand

Survivor – Band 3

A.R. Shaw



Übersetzt von Raimund Gerstäcker








Copyright © 2015 A.R. Shaw



 Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf vervielfältigt, verbreitet oder in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln, einschließlich Fotokopien, Tonaufnahmen oder mittels anderer elektronischer oder mechanischer Methoden übertragen werden, ohne die vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers einzuholen. Dies gilt nicht für kurze Zitate in Rezensionen und weitere nicht kommerzielle Nutzung gemäß dem Urheberrecht.



 Dieser Roman ist fiktiv. Namen, Figuren, Orte und Ereignisse sind ein Produkt der Fantasie des Autors. Zum Teil werden originale Schauplätze und öffentliche Namen für atmosphärische Zwecke eingesetzt. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlich existierenden Personen, lebendig oder tot, oder mit Unternehmen, Veranstaltungen, Institutionen oder Schauplätzen ist rein zufällig.








Gewidmet meiner wunderbaren Tochter Sarah Melanie.

 Dich bei mir zu haben, macht mein Leben erst komplett.





Impressum



Deutsche Erstausgabe

 Originaltitel: THE LAST INFIDELS

 Copyright Gesamtausgabe © 2020 LUZIFER-Verlag

 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.





Cover: Michael Schubert

 Übersetzung: Matthias Vorhauer

 Lektorat: Astrid Pfister





Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2020) lektoriert.





ISBN E-Book: 978-3-95835-520-0





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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.




Inhaltsverzeichnis





      Grahams Widerstand







Impressum








Vorwort







Dutchs Karawane







Pflichtlektüre







Der Wunsch, sie zu heilen







Dreifach geladen







Schüsse in der Ferne







Raus mit der Wahrheit







Am Lagerfeuer







Eine Geschichte des Feuers







Die Ungerechtigkeit







Ein Gruß







Die Verfolgung







Fliehende Träume







Der Bote







Das Mädchen







Zeit für sich







Ein alter Feind







Gefangen und verloren







Der Albtraum







Sheriff ist weg







Die Einladung







Abschied







Das Gespräch







Die Mission







Im Garten







Angespannte Erwartung







Der Angriff







Druck







Die Beerdigung







Bedauern







Hoffnung auf Heilung







Fest im Sattel







Das Dilemma







Ein zwangloses Gespräch







Junge Liebe







Komm zu mir







Die Zeltstadt







Menschenfallen







Ein Trick







Die Beratung







In festlicher Stimmung







Die bösartige Nation







Leuchtende Augen







Volle Fahrt







Die Flucht







Amerikaner







Das Vorratslager







Zurück







Warten







Alles ist verloren







Grahams Entschlossenheit







Die Immigranten







Vereinigung








Über die Autorin







Vorwort



Willkommen in Grahams Welt. Als Schriftstellerin versuche ich stets die Rückblicke in Grenzen zu halten, die von den Lesern ohnehin meist übersprungen werden. Deshalb berichte ich in diesem Band nicht oft über das, was Sie bereits gelesen haben. In den folgenden Zeilen werde ich jedoch versuchen, Sie darüber zu informieren, was bereits geschehen ist – falls meine Leser es zwischen den Veröffentlichungen vergessen haben sollten.



Zu Beginn dieser Buchreihe sterben achtzig Prozent der Weltbevölkerung an einer Infektion mit dem H5N1-Virus. Die Krankheit wird allgemein als China-Pandemie bezeichnet. Graham ist gerade dabei, seinen Vater zu begraben, das letzte Familienmitglied, das noch gelebt hat, als Hyun-Ok, Bangs Mutter, ihn aufsucht. Sie stirbt, nachdem er sich bereit erklärt hat, sich ihres Sohnes anzunehmen. Zuvor warnt sie ihn aber noch vor den kommenden Gefahren.



Gemeinsam machen sich Graham und Bang auf den Weg zur Blockhütte der Familie, die sich nördlich des Skagit Rivers nahe der fiktionalen Stadt Cascade befindet (inspiriert von der Stadt Rockport, Washington). Auf dem Weg dorthin treffen sie auf einen gewalttätigen Wahnsinnigen namens Campos. Graham muss Campos schließlich töten, um den Mann davon abzuhalten, die Zwillinge Macy und Marcy umzubringen, die auf dem Weg zur Wohnung ihres Vaters sind. Sheriff, ein streunender Polizeihund, taucht zusammen mit den Zwillingen auf, er ist einer der wenigen Hunde, die noch nicht vor Hunger verwildert sind, und wird schnell zu einem treuen Begleiter der Mädchen (Sheriff ist zu einer geliebten Figur geworden; fast jede Woche erhalte ich Fanpost, in der ich gebeten werde, ihn am Leben zu erhalten).

 



Graham, Bang, die Zwillinge und Sheriff erreichen schließlich die Blockhütte bei Cascade, in der Graham Ennis vorfindet, einen griesgrämigen alten Mann und Tala, die von den amerikanischen Ureinwohnern abstammt und sehr krank ist. Die Gruppe lernt miteinander auszukommen und ihr Überleben zu organisieren, bis sie eines Tages auf Menschen in Schutzanzügen treffen, die ihnen einen Jungen namens Mark übergeben.



Die Mitglieder von Grahams Gruppe sind allesamt Träger des Virus, und die Menschen in den Schutzanzügen gehören einer Organisation von Preppern an, die die Katastrophe vorausgesehen hat. Die Prepper sind jedoch anfällig für das Virus, das Grahams Gruppe in sich trägt.



Allmählich lernen die beiden Gruppen, zu koexistieren, wobei sie sich aber an sehr genaue Quarantäneregeln halten. Dies geht so lange gut, bis eines Tages eine marodierende Bande Tala entführt. Die Prepper helfen Graham dabei, sie zu retten, aber ein Prepper namens Sam, wird bei der Rettungsaktion dem Virus ausgesetzt. Er überlebt allerdings und ist auf diese Weise fortan ebenfalls Überträger der Krankheit. Für seine siebenjährige Tochter bedeutet dies, dass sie nun als Waise aufwachsen muss. Sie bleibt bei den Preppern, während sich Sam Grahams Gruppe anschließt. Damit endet Buch 1,

Grahams Prüfung

. Sam darf seine kleine Tochter nur aus sicherer Entfernung begegnen – sie auf der einen Seite des Skagit Rivers, er auf der anderen.



Zu Beginn von Buch 2,

Grahams Hoffnung

 bricht der Winter herein

.

Wir erfahren zunächst, dass Sam Teil der Gruppe geworden ist und Graham und Tala befinden sich mittlerweile in einer Beziehung. Alles, was schiefgehen kann, geht auch schief in Buch 2. Sam nimmt Mark und Marcy mit auf einen Jagdausflug, auf dem sie einem Schneesturm und einer Katastrophe ausgesetzt werden. Ennis erkrankt schwer, Graham sucht die Stadt auf und wird von einem wilden Hund schwer verletzt, aber von einem Neuankömmling namens McCann gerettet, der zu Pferd nach Cascade gekommen ist. Im Lager der Prepper wütet außerdem ein verheerendes Feuer, woraufhin Sam alle Quarantäneregeln bricht, um seine Tochter Addy in Sicherheit bringen zu können – ein Unterfangen, das ihn selbst fast umbringt. Daltons Frau Kim und zahlreiche weitere Prepper sterben in dem Feuer.



Am Ende von Buch 2 haben sich die verletzten Mitglieder von Grahams Camp nahezu wieder erholt, aber Ennis stirbt. Die Wissenschaftlerin Clarisse, das wertvollste Mitglied der Prepper, schafft es einen Impfstoff zu entwickeln, um diejenigen schützen zu können, die noch für das Virus anfällig sind. Diese Ereignisse und die Neuigkeit, dass Tala schwanger ist, beenden

Grahams Hoffnung

 sowohl mit dem Licht der Zuversicht als auch mit dem Schatten der Unsicherheit.



Damit ist der Weg frei und ich darf Ihnen nun Band 3,

Grahams Widerstand

, präsentieren.





Dutchs Karawane



Dutch spürte ihre Blicke und konnte die Angst der Stuten beinahe riechen. Die wilden Hunde hatten sie die ganze Nacht über verfolgt. Nach dem langen Marsch, den sie durch den Staat Washington hatten unternehmen müssen, um den Invasoren entkommen zu können, erschien es ihm wie eine grausame Fügung des Schicksals, jetzt von Hunden aufgestöbert und gejagt zu werden.



Langsam hob er die Hand, um der Fahrerin des Trucks hinter ihm zu signalisieren, dass sie anhalten sollte. Dann ballte er die Hand zur Faust. Sie verstand das Zeichen und schaltete den Motor aus. Während er die Zügel der Stuten, die vor den Wagen gespannt waren, straff hielt, zog Dutch langsam und kaum merklich seine Remington 870 auf den Schoß. In Hinblick auf die unvermeidliche Konfrontation mit den wilden Bestien hatte er die Schrotflinte zuvor bereits mit einer Kombiladung aus zwei Schrotpatronen Number-One-Buckshot, gefolgt von zwei Ladungen Double-Ought-Buckshot und ergänzt von zwei Flintenlaufpatronen, geladen. Insgesamt verfügte er somit über sechs Schuss. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es eine gute zusätzliche Absicherung war, seine Waffe auf diese Weise zu laden. Sollte das Ganze wider Erwarten nicht funktionieren, hatte er noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung.



Damit ihm auch nicht das geringste Anzeichen von Gefahr entging, lehnte er sich jetzt auf der Sitzbank des Wagens nach vorn und neigte seinen Kopf, um in die Dunkelheit zu lauschen. Er schloss die Augen, denn das half ihm dabei, sich zu konzentrieren. Er hatte sie ohne Rücksicht auf Verluste vorwärtsgetrieben, bis die Dunkelheit über sie hereingebrochen war. Das Heulen der Wildhunde hatte ihn schon beim Anbruch der Dämmerung vor ihren fleischfressenden Absichten gewarnt. In regelmäßigen Abständen waren ihre glühenden Augen im immer dunkler werdenden Wald zu sehen gewesen.



Die Zeit, ein Feuer zu machen und das Lager aufzuschlagen, war leider vorbei. Der gleichmäßige Rhythmus des fünf Tonnen schweren US-Army-Trucks mit Anhänger, vollgepackt mit Vorräten, dröhnte laut, während sich der kleine Konvoi dem Rand der Cascade Mountains näherte. Die Vorräte und die Ausrüstung waren für eine Heimat bestimmt, die sie neu gründen wollten. Sie zu finden, hatte sich Dutch zur Mission gemacht. Er führte den Konvoi in einem offenen Wagen an, der ähnlich schwer beladen war der Army-Truck. Zwei Lineback-Pferde, die sich der gegenwärtigen Gefahr anscheinend äußerst bewusst waren, zogen den Wagen.



Die junge Frau am Steuer des Trucks hinter ihm hatte sich durchaus als nützlich erwiesen. Aber wenn es nicht erforderlich gewesen wäre, beide Fahrzeuge mitzunehmen, hätte Dutch sie in der Nähe des Grand-Coulee-Staudamms an der State Route 20 rausgeschmissen. Er fürchtete nicht nur, von den Invasoren verfolgt zu werden, noch mehr Sorgen bereitete es ihm, dass er sich allmählich für die Sicherheit der Frau verantwortlich fühlte, die im Vergleich zu ihm noch ein halbes Kind war. Die Verantwortung, die ihm ihre bloße Anwesenheit in seiner Nähe auferlegte, könnte ihrer beider Tod bedeuten, und er hatte sich geschworen, nie wieder für andere Menschen Verantwortung zu übernehmen … weder jetzt noch irgendwann in der Zukunft.



Sein Plan war es deshalb, sie so bald wie möglich loszuwerden.

Sie muss lernen, auf sich selbst aufzupassen,

 sagte Dutch seinem schlechten Gewissen immer wieder, das tief in ihm regelmäßig seine Stimme erhob. Er war jetzt beinahe fünfzig Jahre alt, und sie schien Anfang zwanzig zu sein. Sie brauchte keinen Beschützer, schon gar nicht so einen alten Knacker wie ihn, und eine weinerliche Zwanzigjährige zu babysitten, noch dazu in ihrer aktuellen Lage, wo es vor allem ums Überleben ging, löste in ihm ganz und gar keine Jubelstürme aus.



Nicht, dass sie tatsächlich weinerlich war, ganz im Gegenteil. Am meisten irritierte es ihn an ihr, dass sie überhaupt nicht sprach. Von dem Moment an, als er ihr vor vier Tagen in der Gegend von Saint Maries, südlich von Coeur d'Alene, Idaho, begegnet war, hatte sie ihn mit ihrem Schweigen fast in den Wahnsinn getrieben. Leider hatte er keine andere Wahl gehabt, als sie mitzunehmen, da er auf dem ganzen Weg hierher keiner anderen lebenden Seele begegnet war. Sie war fleißig, das musste er ihr zugestehen. Ein paar Tage lang würde er sie noch tolerieren, bis sie wieder ganz zu sich gefunden hatte. Er hoffte, dass die derzeitigen Bewohner von Cascade sie aufnehmen würden, sobald er sie vor der kommenden Gefahr gewarnt hatte. Er würde ihr sogar einen vollgepackten Rucksack und eine der Stuten, die hinten am Wagen angebunden waren, als Bezahlung mitgeben und sie fortschicken.



Der wahre Grund, warum er es gewagt hatte, sie überhaupt mitzunehmen, war, dass er wusste, was mit ihr geschehen wäre, wenn er sie dort zurückgelassen hätte: Sie wäre den Invasoren zum Opfer gefallen. Da diese mittlerweile längst ins Landesinnere eingedrungen waren, vermutete er, dass sie inzwischen entlang der Interstate 90 Jagd auf Überlebende der Seuche machten und dabei ihr neu erobertes Territorium in Augenschein nahmen.



Die Regeln der Invasoren waren wahrhaftig simpel: Entweder man schloss sich ihnen an, oder man wurde umgebracht. Sie waren dafür bekannt, keine Munition zu verschwenden. Sie erledigten den Job mit brutaler Ernsthaftigkeit, zur Not mit bloßen Händen oder mit einem Beil, einem Messer oder dem Schwert. Sie liebten es, auf diese animalische Weise zu töten. Auf die gleiche Art handhabten sie auch die Dinge in ihren eigenen Ländern. Schusswaffen sparten sie für die Jagd auf, Ungläubige schlachteten sie lieber mit der Klinge ab. Sie waren schließlich die Bodentruppen Gottes … nur, dass es dieses Mal amerikanischer Boden war, auf dem sie sich bewegten.



China war lediglich der Anbieter der Waffe gewesen, und die Chinesen übers Ohr zu hauen war eine leichte Übung für sie gewesen. In den Kühlkammern ihrer Labors hatten die Chinesen bereits die waffenfähige Version ihres Virus gelagert, also war es nur eine Frage des Geldes gewesen, um die notwendigen Informationen zu beschaffen und das Geschäft abzuwickeln. Was China allerdings nicht auf dem Schirm gehabt hatte, war die Notwendigkeit, die Schuld auf sie zu lenken und dafür zu sorgen, dass die Chinesen als Erschaffer des Virus bloßgestellt wurden, war dabei nur passend gewesen. So waren sie es letzten Endes, die die gesamte Welt als der einzig mögliche Schuldige am Tod von Hunderttausenden sah.



Die laufende Invasion war Phase 3 eines äußerst ausgeklügelten Fünf-Punkte-Plans, um den Dschihad über die Welt zu bringen und auf allen Kontinenten die Herrschaft zu übernehmen. In Phase 1 hatten sie zuerst das H5N1-Virus verbreitet, indem sie mehrere Attentäter damit infizierten. Sobald sich das tödliche Virus in ihnen vermehrt hatte, hatten sie die Flugzeuge bestiegen. Dank der Umluftsysteme in den Kabinen waren innerhalb kürzester Zeit alle anderen Passagiere ebenfalls infiziert worden und somit zu ahnungslosen Kurieren geworden, die in ihre Heimat zurückkehrten und dort zahlreiche weitere Menschen ansteckten, bevor sie schließlich starben. Auf diese Weise verbreitete sich das Virus exponentiell und der Völkermord war perfekt.



In Phase 2 brauchten sie dann nur zu warten, bis der Tod seine Arbeit erledigte. Gleichzeitig manipulierten sie ihre Statistiken, die nun eine höhere Sterblichkeitsrate bei ihnen angab, als es tatsächlich der Fall war – eine einfache, aber effektive Täuschung. Dass Tausende der ihren dem Virus zum Opfer fielen, war notwendig im Sinne des Dschihad. Essenziell für die Auslöschung des größten Teils der Weltbevölkerung war außerdem, den Hass in allen Formen zu schüren. Keine Beleidigung war zu schändlich, auf kein Tabu wurde Rücksicht genommen, nichts wurde mehr als heilig angesehen.



Da die Kontamination früh erfolgt war, war Europa, von innen zerstört, wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Nun würde bald auch das, was von den Vereinigten Staaten noch übrig war, unter ihre Herrschaft fallen. Der Dschihad war ein langfristiger Plan, doch die ersten beiden Phasen waren höchst erfreulich verlaufen … Amerika, wie es einst gewesen war, gab es nicht mehr.



Dutch war auf seiner zweiten Tour im Irak gewesen, als ihm ein improvisierter Sprengsatz seinen linken Unterschenkel direkt unterhalb des Knies genommen hatte. Das war es dann für ihn gewesen. Während seiner Genesung hatte er sich allerdings bemerkenswert schnell an die Prothese gewöhnt. Immer wieder hatte er versucht, seine Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass er in noch besserer Form war als zuvor, aber Regeln waren nun mal Regeln und blieben es. Laut Abschnitt 313 der Armeevorschriften gehörte sein Name angeblich eindeutig in die Spalte, die die Überschrift

Entlassungen

 trug. Nach einer längeren Genesungsphase hatte er schließlich seine Siebensachen gepackt und war in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt.



Die verlassene Ranch seines Vaters südlich von Coeur d‘Alene, Idaho, war letzten Endes zu seinem Rückzugsort geworden. Dort hatte er sich mit der gleichen Intensität in die Landwirtschaft und die Viehzucht gestürzt, die ihm im Krieg zu eigen gewesen war, denn andere Optionen waren zu dieser Zeit Mangelware. Dutch hatte niemals geheiratet, und seine Eltern waren ein Jahr vor seiner Verwundung verstorben. Auf gewisse Art und Weise war er sogar froh darüber, dass es so gekommen war, denn er war sich nicht sicher, ob seine Mutter seine Verletzung hätte ertragen können. Sein Vater hingegen hätte zweifellos von ihm erwartet, dass er bis zum bitteren Ende seinen Mann stand.

 



Sein Bruder Clive hatte zu dieser Zeit in Kalifornien gelebt. Zweimal hatte er Dutch angerufen, als die Pandemie über das Land hereingebrochen war. Beim ersten Anruf hatte er ihm erzählt, dass seine Frau an der Virusinfektion erkrankt war, und beim nächste Anruf hatte er verzweifelt berichtet, dass seine Tochter direkt nach der Mutter gestorben war. Dutch war deshalb nicht überrascht gewesen, seinen Bruder sagen zu hören, dass dieser sich gleich nach dem Gespräch das Leben nehmen würde. Er hatte gar nicht erst versucht, Clive aufzuhalten, denn er konnte es ihm ehrlich gesagt, nicht verübeln. Wofür sollte er denn noch leben? Deshalb hatte er ihm nur geantwortet: »Ich liebe dich, Bruder«, bevor er den Anruf beendet hatte.



Noch oft hörte Dutch in der folgenden Zeit dieselbe traurige Geschichte. Sie wiederholte sich wieder und wieder im ganzen Land. Er wartete geradezu darauf, dass er sich selbst ebenfalls das unvermeidliche Virus einfing. Er hätte es durchaus begrüßt und war sogar in ein paar lokale Bars gegangen, nachdem er sich mit der Arbeit auf der Ranch fast umgebracht hatte, in der Erwartung, das verdammte Ding mit nach Hause zu nehmen. Aber das Virus hatte sich einfach nicht in ihm festgesetzt. Eines Tages war er mit Schnupfen aufgewacht und hatte gedacht:

Okay, jetzt geht es los.

 Aber ein paar Tage später war er so fit wie zuvor. Mit der Zeit stellte er fest, dass er … nun ja, irgendwie enttäuscht war.



Dutch half seinen Nachbarn und kümmerte sich um ihr Vieh, so gut er konnte. Doch dann starben sie einer nach dem anderen, und eines Tages fiel ihm auf, dass er der Einzige war, der sich noch durch die Stadt bewegte. Er klapperte daraufhin die Viehställe und Weiden der verstorbenen Bauern ab und ließ das gesamte Vieh frei … alle Rinder, Pferde, Esel, Schweine, Schafe, Ziegen und Hühner. Er öffnete einfach die Tore und Gatter und sah zu, wie sie davonliefen. Zunächst zögerten die Tiere, aber dann zerstreuten sie sich schnell. Jetzt waren sie endlich frei und konnten zusammen mit den Maultierhirschen und umherstreunenden Elchherden auf Futtersuche gehen. Schließlich würde sich niemand mehr um sie kümmern, also sah er es als seine Pflicht an, sie gehen zu lassen, bevor sie elendig in ihren Ställen verhungerten. Zumindest hatten sie so anstelle des sicheren Hungertodes die Chance, sich an die wilde Seite des Lebens anzupassen.



Irgendwann hatte er dann begonnen, den Funk abzuhören. Lange Zeit hatte sich nichts getan, bis es vor ein paar Monaten schließlich losgegangen war. Das Funksignal, das ihm als Erstes aufgefallen war, war über das Hochfrequenzband gesendet worden. Es war eine Übertragung in Morsezeichen gewesen. Das Signal kam noch immer regelmäßig aus dem Nordosten des Bundesstaates Washington herein. Zuerst hatte er es für ein automatisches Signal gehalten, eine Art Funk-Leuchtfeuer, denn die Nachricht wiederholte sich immer wieder, und es war deshalb gut möglich, dass einfach nur niemand mehr übrig war, um es auszuschalten. Dutch war ein bisschen aus der Übung, doch nach einer Weile hatte er es geschafft, die Nachricht zu entziffern. Es war ein Schock für ihn gewesen, als er begriffen hatte, dass es dort draußen noch mehr Überlebende wie ihn gab.



Er wollte sofort Kontakt aufnehmen, doch dann zögerte er. Jemandem da draußen einfach so zu vertrauen war für ihn keine Option. Also wartete er und ließ sich diese Möglichkeit für einen späteren Zeitpunkt offen. Doch dann begann Dutch plötzlich, Übertragungen ganz anderer Art aufzufangen. Die damit einhergehende allmählich einsickernde Erkenntnis zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Er war alles andere als begeistert über die neue Entdeckung. Die Nachricht wurde nämlich in einer Sprache gesendet, die er bislang nur in fernen, vom Krieg zerrissenen Ländern gehört hatte. Ländern, in denen versteckte Bomben lauerten und sogar Frauen und Kinder verdächtig waren, weil auch sie dazu benutzt wurden, dich zu töten.



Nach ein paar Tagen erhöhter Aktivität hatten die losen Punkte schließlich mehr und mehr Sinn ergeben. War das Ganze etwa ein geplanter Angriff gewesen? Es gab keine andere Schlussfolgerung, die sich noch anbot. Die Verschwörungstheoretiker hatten also tatsächlich die ganze Zeit über recht gehabt. Anfangs war es nur ein Verdacht gewesen, dass es sich hierbei um ein waffenfähiges Virus handelte, doch jetzt war er sich sicher, dass dieser Verdacht auf der Wahrheit beruhte.



Dutch sprach selten laut auf seiner einsamen Ranch, es sei denn, er sagte etwas zu seinen beiden Hunden, doch als ihm allmählich bewusst wurde, was die Übertragungen bedeuteten, die er die ganze Zeit mitgehört hatte, sagte er in den leeren Raum hinein: »Ihr habt euch wohl nicht getraut, Mann gegen Mann gegen uns zu kämpfen … ihr gottverdammten Feiglinge.«



Einige Wochen lang verfolgte er die Funksprüche und erkannte dadurch, dass sich die schlimmste seiner Befürchtungen bestätigt hatte: Hier lief gerade eine Invasion der Vereinigten Staaten. Sie hatten bereits mehrere Teams losgeschickt, um die Großstädte zu sichern. Verdammt, sie mussten also schon im Land gewesen sein, bevor die Viruserkrankung überhaupt ausgebrochen war. Schläfer, die sich im Schatten versteckt hatten. Dutch wurde klar, dass sie eine Art Impfstoff haben mussten, denn sonst wären sie dieses Risiko nicht eingegangen.



Ein paar Wochen später bewegte sich der Feind dann in der Dunkelheit der Nacht nördlich an ihm vorbei. Sie benutzten die Interstate Highways und fuhren in langen, lärmenden Konvois. Alle Gemeinschaften von Überlebenden wurden auf ihrem Weg unbarmherzig abgeschlachtet. Mit einem seiner Pferde unternahm er etliche Aufklärungsausritte und beobachtete sie aus sicherer Entfernung, bevor er den Plan entwarf, sie zu umgehen und die Gruppe im Norden vor ihnen zu warnen. Er durfte es auf keinen Fall riskieren, dass sie einen seiner Funksprüche abfingen, der automatisch seinen Standort verraten würde. Zu Pferd unterwegs zu sein, war die sicherste Alternative. Er musste es nur von Saint Maries nach Coeur d'Alene schaffen.



Auf einem seiner Aufklärungstrips hatte Dutch in einer dunklen, kalten Frühlingsnacht immer lauter werdende feindliche Stimmen gehört und war kurz darauf Zeuge eines brutalen Mordes geworden. Ein anderer amerikanischer Überlebender, der ebenfalls nicht willens gewesen war, sich den Invasoren zu unterwerfen, hatte letzten Endes um sein Leben gefleht. Der Mann hatte schließlich seine Waffe niedergelegt und seinen Tod akzeptiert. Sie hatten ihn so bestialisch zu Tode geprügelt, wie sie es zu Hause wahrscheinlich nicht einmal mit ihren schlimmsten Kriminellen taten.



In derselben Nacht war Dutch dann dem rothaarigen Mädchen begegnet. Sie war in eine schwarze Burka gehüllt gewesen. Wie ein aufgeschrecktes Reh war sie in dem dunklen Wald direkt in seine Richtung geflohen, womit sie beinahe seine Position verraten hätte. Als er sie abfing, hatte sie sich erbittert gewehrt. Er hatte ihr Entsetzen und all ihre Blutergüsse gesehen und einen Augenblick lang überlegt, ihr sofort das Genick zu brechen, um sie von ihrem Elend zu erlösen. Es wäre eine barmherzige Tat gewesen, doch stattdessen war sie in seinen Armen zusammengebrochen und hatte ihre angsterfüllten hellgrünen Augen weit aufgerissen, als versuche sie, aus einem Albtraum zu erwachen. Er hatte sie hastig zurück in den Schatten gezogen und im Schutz der Nacht alles darangesetzt, sie davon abzuhalten, auch nur das kleinste Geräusch von sich zu geben, bis die Feinde meilenweit entfernt waren.



Als er seine Hand von ihrem Mund genommen hatte, hatte sie nicht ein Sterbenswort gesagt – nicht einmal, als er sie nach ihrem Namen gefragt hatte. Sie hatte sich nur fest an seinen Oberkörper geklammert und die Hände zu Fäusten geballt, bis ihr Körper allmählich erschlaffte, während er sie im Schutz der Dunkelheit wegführte.



Dutch hatte kein Auge zugemacht in dieser Nacht, stattdessen war er damit beschäftigt gewesen, sein Lager zusammenzupacken. Er hatte zuerst seine Habseligkeiten und dann das Mädchen verladen, als gehöre sie mit zu seinen Besitztümern. Danach waren sie zu seiner Ranch in Saint Maries zurückgeritten. Als sie kurz vor Tagesanbruch an seiner Hütte angekommen waren, hatte sie tief und fest geschlafen.



Er hatte ihren schlaffen, zerbrechlich wirkenden Körper von Gus, dem Lineback-Pferd, das sich jetzt an der Spitze des Gespanns befand, das den Wagen zog, heruntergezogen. Nachdem er sie in seiner Hütte hingelegt hatte, begannen sich die Hunde Elsa und Frank für die Fremde zu interessieren. Sie stupsten mit ihren nassen Nasen in die flammendroten Haare, die über ihr schlafendes Gesicht fielen, bis Dutch schließlich das Handzeichen gab, das die gut ausgebildeten, belgischen Schäferhunde, die wie er beim Militär gedient hatten, zurückpfiff. Sie ließen widerwillig