Killer & Cosa Nostra: Sammelband 4 Krimis

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19


FUNKEN SPRÜHTEN, ALS die MPi-Kugel an den Stahlverstrebungen unter der Decke kratzten.

Ich schnellte vor, legte meine Kraft in einen Karatetritt, stieß dabei einen Kampfschrei aus.

Mein Fuß traf die Uzi meines Gegenübers. Allerdings nicht ganz so, wie ich gehofft hatte. Die Waffe segelte nicht im hohen Bogen durch die Luft. Sie wurde nur hochgerissen. Der Lauf zeigte nach oben. Die Kegeln brannten sich in die Decke und verursachten ein wildes Funkenfeuerwerk, wenn sie auf den Stahl auftrafen, aus dem die Verstrebungen bestanden.

X-large, der Hüne stieß einen tierhaft klingenden Grunzlaut aus, der wohl so etwas wie Verwunderung signalisierte. Er wirbelte in meine Richtung, stierte mich eine Schrecksekunde lang an.

Und diese Schrecksekunde nutzte ich gnadenlos.

Ich konnte nicht warten, bis er seinen gewaltigen Colt Magnum vom Kaliber 4.57 aus dem Gürtel gerissen und mir eine dieser gewaltigen Projektile in den Kopf gejagt hatte. Ich wirbelte herum, versetzte dem Riesen einen Handkantenschlag, der ihn augenblicklich zusammenklappen ließ.

Noch mit dem Schwung dieser Bewegung setzte ich zum zweiten Tritt gegen den 'Boss' an.

Wie ein Dampfhammer landete mein Fuß auf seinem Solar Plexus.

Der 'Boss' japste nach Atem, taumelte zurück, während ich ihm mit der Faust schlug. Eine rechte Gerade streckte ihn nieder. Die Uzi riss ich ihm aus der Hand.

Lenny, der Kerl mit dem Totenkopfamulett richtete unterdessen meine eigene Waffe auf mich.

Ein Geräusch wie das Schlagen mit einer Zeitung war dann zu hören. Feuerrot leckte es aus der Mündung des Schalldämpfers heraus.

Ich duckte mich zur Seite, feuerte gleichzeitig die Uzi ab.

Lennys Körper machte unter der Wucht der Geschosse ein paar ruckartige Bewegungen, die entfernt an einen Break-Dancer erinnerten. Dann fiel er schwer zu Boden und blieb regungslos liegen. Er hatte mir keine andere Wahl gelassen.

Die anderen Gang-Mitglieder waren inzwischen auf der Flucht. Sie rannten zum Ausgang der Lagerhalle. "Stehen bleiben!", rief ich, feuerte ein paar Warnschüsse über ihre Köpfe hinweg.

Sie feuerten aus allen Rohren zurück, ich duckte mich, legte mich flach auf den Boden.

Die Schiebetür nach außen öffnete sich mit einem gewaltigen Knarren. Es musste eine Ewigkeit her sein, dass man sie zuletzt geölt hatte. Das Wellblech schepperte und grollte.

"FBI, keine Bewegung, stehen bleiben!", rief eine heisere Stimme, die ich sofort erkannte. Es war Milo, mein Freund und Kollege.

Er hatte seine SIG im beidhändigen Combat-Anschlag.

Zusammen mit einem guten Dutzend weiterer G-men sowie einigen Kollegen der City Police stürmte er herein.

Die flüchtigen Gang-Mitglieder zögerten kaum den Bruchteil einer Sekunde, dann ließen sie die Waffe sinken.

Sie wussten genau, dass sie ausgespielt hatten.

Jetzt gab es nur noch eins: so viel wie möglich der Schuld auf ihren Boss zu häufen, damit es vor Gericht so glimpflich wie möglich für sie abging.

Aber angesichts dessen, was sie getan hatten, bestand da wohl kaum irgendeine Aussicht.

Ich atmete tief durch, wischte mir den Schweiß von der Stirn.

Dann holte ich mir meine SIG und meine ID-Card wieder.

Milo und Josy kamen auf mich zu. Cosgrove folgte mit etwas Abstand.

"War verdammt knapp, Milo", meinte ich.

"Ich bin auch froh, dich gesund und munter zu sehen, Jesse!"

"Leider noch kein Grund, sich in Ruhe zurückzulehnen. Die Jagd ist noch nicht vorbei!"

"Jesse..."

"Ich weiß, was du sagen willst, Milo! Aber es wurmt mich einfach, dass diese AUTONOMY-Terroristen irgendwo gemütlich im Hintergrund sitzen, abwarten was geschieht und dann nach belieben in Angst versetzen, wen sie gerade wollen!"

"Und jetzt willst du den Weg zu Ende gehen!"

"Hast du je daran gezweifelt, Milo?"

Milo sah mich an, dann schüttelte er nach kurzem Zögern den Kopf.

"Nicht wirklich."

"Freut mich zu hören!" Und dann deutete ich auf den AUTONOMY-Mann, der noch an seinen Seilen von der Decke hinabhing. "Leider wird der dort uns nichts mehr über seine Hintermänner verraten können!"

"Wir haben draußen noch einen von der Sorte gefunden", berichtete Milo. "Mit ihm ist auch kurzer Prozess gemacht worden." Er fuhr sich mit einer fahrigen Geste durch das Haar, steckte dann die SIG beiseite. Im Hintergrund war das Klicken von Handschellen zu hören.

Wir wandten uns dem Boss zu.

"Sie werden uns 'ne Menge Fragen zu beantworten haben", meinte Milo. Etwas später raunte ich ihm zu: "So lange ich verdeckt ermittle und als Atkinson auftrete, wäre es gut, wenn keiner dieser Leute wieder frei herumläuft."

Milo zuckte die Achseln.

"Auf die Höhe von Kautionen oder sonstige juristische Dinge haben wir beide leider keinen Einfluss."

"Das ist wahr!"

"Bedaure das nicht, Jesse. Es ist schon gut, dass das in verschiedenen Händen ist, auch wenn man sich manchmal über die Schlipsträger mit den Paragraphengesichtern ein bisschen ärgert."

"Denen geht es umgekehrt genauso!"

"Wo du Recht hast, hast du Recht, Jesse!"

Milo machte eine Pause. Dann meinte er: "Wie geht's jetzt weiter?"

"Ich werde 'untertauchen' und mich dann melden."

"Gefällt mir nicht, Jesse."

"AUTONOMY setzt alles Mögliche in Bewegung, um Atkinson aus dem Weg zu räumen. Es muss einen Grund dafür geben, dass sie so eine Heidenangst davor haben, dass er auspackt. Und wenn wir auf die richtige Stelle drücken, treffen wir vielleicht den neuralgischen Punkt, Milo."

"So weit haben wir sie doch schon, Jesse."

"Nein nicht wirklich. Sie schicken Killer. Irgendwelche seelenlosen Söldner, die für einen guten Preis bereit sind, selbst ihre eigene Großmutter abzuknallen, wenn's nötig ist."

"Und du willst erreichen, dass die Drahtzieher aus der Reserve gelockt werden?"

"Ja! Früher oder später werden sie Fehler machen, Milo."

Milo seufzte. "Hoffen wir, dass das früher geschieht..."




20


"WEIßT DU, WAS DAS IST?", fragte Birdie, während er einen Plastikbehälter auf den Tisch stellte.

Ray saß vor seinem Computerequipment, wollte gerade einen Schluck aus der Bierdose nehmen, die er in der Hand hielt, musste feststellen, dass sie leer war. Er knurrte etwas Unverständliches vor sich hin, zielte mit der Bierdose auf den überfüllten Mülleimer. Er traf daneben.

"Shit", murmelte er.

Dann drehte er sich zu Birdie herum, starrte den Behälter an.

"Keine Ahnung, Mann!"

Birdie lächelte.

"Ein Kurier hat es gerade gebracht."

"Was ist drin?"

"Tollwut-Erreger. Sie sind in diesem Spezialbehälter relativ lange haltbar. Stell dir vor, die darin enthaltene Lösung infiziert die Angestellten der Stadtverwaltung, verschiedener Behörden, die Beamten der City Police, des FBI und so weiter. Die öffentliche Ordnung in New York würde zusammenbrechen!"

Ray grinste.

"Das, was wir immer wollten!"

"Es dauert natürlich eine ganze Weile, bis sich die Epidemie ausbreitet. Aber genau das ist der Vorteil, den wir auf unserer Seite haben! Wenn man das Ausmaß des Schadens bemerkt, wird es zu spät sein. Das Herz des in der Entstehung begriffenen globalen Superstaates wird damit getroffen..."

"New York!"

"...und sich nicht wieder erholen. Anders als beim Anschlag auf das World Trade Center wird der Effekt sehr nachhaltig sein!"

Birdies Augen leuchteten. Er ballte die Hände zu Fäusten. Die Adern an seinen Schläfen schwollen an. Der Gedanke an die Zerstörungskraft, die in seinem Plan steckte, schien ihn geradezu zu elektrisieren. Seine Nasenflügel bebten.

Ray musterte seinen Komplizen stirnrunzelnd.

 

Er deutete auf den Behälter.

"Woher kommt das Zeug? Direkt von Mister X?"

"Vergiss die Frage, Ray."

"Wieso?"

"Unser Erfolg basiert darauf, dass die einzelnen Operationseinheiten von AUTONOMY nichts von den anderen wissen. Wir sind ebenso auf uns allein gestellt, wie alle anderen, die mit uns kämpfen."

Ray atmete tief durch, erhob sich von dem durchgesessenen Bürostuhl, auf dem er bislang platzgenommen hatte. "Muss gute Kontakte haben, unser Mister X. Es dürfte nämlich gar nicht so leicht sein, an so ein Zeug heranzukommen."

Ray versuchte sich vorzustellen, wie vielleicht tausende, ja hunderttausende von Funktionsträgern in der Stadt qualvoll verendeten. Tollwut war für Menschen absolut tödlich, sobald die Krankheit ausgebrochen war. Eine Impfung hatte nur Sinn, solange noch keine Symptome festzustellen waren. Und das Tückischste war in diesem Fall, dass in einer reinen Stadtlandschaft wie dem Big Apple die Ärzte diese Symptome kaum richtig zu deuten wissen würden. Jedenfalls nicht, ehe die Katastrophe bereits in vollem Umfang ausgebrochen war. Schließlich gab es in den Straßenschluchten von Manhattan eher selten Kontakte zwischen Menschen und Wildtieren. Selbst streunende Hunde hatten hier kaum die Möglichkeit, auf infizierte Tiere zu stoßen und sich anzustecken.

Birdie machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf.

Er strich sich dann eine Haarsträhne aus den Augen.

"Was die Verbreitung der Erreger angeht, so..."

"Ich habe die Baupläne verschiedener öffentlicher Gebäude aus dem Zentralrechner der Stadtverwaltung herausgezogen", unterbrach Ray ihn. "Außerdem detaillierte Angaben zu den verwendeten Klimaanlagen..."

"Es gibt eine Änderung im Plan. Sorry, dass ich dir das nicht vorher sagen konnte."

Ray runzelte die Stirn.

"Was soll das heißen?"

"Die Verbreitung der Krankheitserreger ist nach der Meinung von Mister X nicht effektiv genug. Außerdem wissen wir nicht, was Atkinson darüber schon ausgeplaudert hat!"

"Und? Wie soll es nun geschehen?"

"Über das Kantinenessen."

Ray lachte heiser. "Und das soll wirkungsvoller sein?"

"Hör zu, es gibt so gut wie kein Kantinengericht, das ohne Geschmacksverstärker hergestellt wird. Anders wäre es gar nicht möglich. Wir brauchen nur die Geschmacksverstärker zu präparieren. Den Rest besorgen die Köche der mit der Versorgung der städtischen Bediensteten beauftragten Unternehmen. Dieses Verfahren hätte übrigens auch den Vorteil, dass wir die eine oder andere Außenstelle erreichen, die uns sonst durch die Lappen ginge."

"Habe ich also umsonst gearbeitet", knurrte Ray. "Was macht übrigens das Problem namens Zeb Robbins?"

"Jean Latal kümmert sich darum."

"Hoffentlich versagt er nicht wieder."

"Er wird nach Erfolg bezahlt, das wird ihn anspornen."

"Das will ich hoffen!"

"Atkinson ist das größere Problem."

"Der wird jetzt niemanden mehr trauen. Solange er noch unter den Fittichen des FBI stand, wussten wir wenigstens immer halbwegs genau, wo er war."

Birdie nickte. Sein Gesicht bekam einen düsteren Zug.

"Ja, es wird jetzt schwieriger. Du musst in die Kriminaldateien der verschiedenen Polizeibehörden hinein..."

"NYSIS ist leicht zu knacken, Partner! Wäre ja auch nicht das erste Mal! Was willst du denn wissen?"

Birdie grinste.

"Was glaubst du, wird Atkinson als nächstes tun?"

"Er braucht eine neue Identität."

"Richtig. Und auf den FBI wird er sich jetzt nicht mehr verlassen."

"Also wendet er sich an diejenigen, die auf diesem Gebiet 'privatwirtschaftlich' tätig sind..."

"Ich brauche alle den Cops bekannten Passfälscher oder Leute, die im Zusammenhang mit derartigen Delikten angeklagt oder verdächtigt wurden. Sicherheitshalber auch ein Abgleich mit dem Rechner des JFK-Airports."

"Atkinson wird nicht so dumm sein, die Stadt zu verlassen. Er weiß doch, wie wir arbeiten!"

Birdie schluckte. "Ja, allerdings! Aber sicher ist sicher."

Eine Pause entstand.

"Wie wirst du es machen?", fragte Ray.

"Genau wie beim Helikopter: Alle in Frage kommenden Personen bekommen ein Angebot, dass sie nicht ablehnen können!"

Ray kratzte sich am Hinterkopf. "Nur gut, dass unsere Kriegskasse gut gefüllt ist."

"Darum kümmert sich Mister X."

"Ich weiß..."




21


WIR SAßEN IN UNSEREM Dienstzimmer, das Milo und ich uns im Field Office teilten. Agent Scott Cosgrove hatte ein paar Hot Dogs besorgt. Der Kaffee von Mandy trug auch einiges dazu bei, unsere Laune zu heben.

Clive und Orry betraten etwas später den Raum.

"Gute Nachrichten was Fred betrifft", erklärte Clive. "Er muss noch ein paar Tage im St.Joseph's Hospital bleiben. Die Rippen werden ihm noch eine Weile zu schaffen machen. So etwas wächst nicht von heute auf Morgen wieder zusammen."

"Hauptsache, er behält keine bleibenden Schäden", meinte ich.

"Danach sieht es nicht aus, auch was die Kopfverletzungen betrifft", ergänzte Clive.

Dann warf er einen Computerausdruck auf den Schreibtisch.

"Noch mehr gute Nachrichten?", fragte Milo.

"Ich war gerade bei Max Carter und Sid Maddox. Unsere Innendienstler arbeiten auf Hochtouren. Wir wissen nicht, woher der Granatwerfer und die Infrarot-Zielerfassung stammen, die bei dem Anschlag auf Atkinson verwendet wurden", berichtete Clive. "Bei den Army-Depots ist angeblich nichts verschwunden."

"Bleibt wohl nur der illegale Markt", kommentierte Milo.

"Ja, aber auch die müssen ihr Material ja irgendwoher bekommen", gab Clive zu bedenken. "Die Kollegen der Militärpolizei ermitteln, ob vielleicht irgendeine Manipulation vorliegt. Außerdem überprüfen wir den Hersteller. Auch dort könnte so ein System abgezweigt worden sein. Aber das ist im Moment auch nicht so wichtig. Wir haben nämlich die Firma, die den Helikopter umgebaut hat. Dazu sind nur eine Handvoll Unternehmen in der Lage."

"Und?", hakte ich nach.

"Clarkson Ltd., Chicago. Gegen die Firma wird jetzt wegen Verstoßes gegen verschiedene Waffengesetze ermittelt."

Unsere Kollegen vom zuständigen Field Office haben im übrigen herausgekriegt, wer den Auftrag gab. Es waren zwei Männer. George L. Torrence und Zeb Robbins. Beides ehemalige Elitesoldaten, die in einer Hubschrauberstaffel dienten, bevor sie wegen verschiedener Vergehen unehrenhaft entlassen wurden. Die beiden haben für einen Barbesitzer in Chicago als Rausschmeißer und Schuldeneintreiber gearbeitet, bis ein gewisser Sonny Martinez sie in den Big Apple holte."

"Sonny Martinez?", echote ich. "Der Name kommt mir bekannt vor..."

"Das ist der Besitzer eines Oben-ohne-Schuppens namens BUENA SUERTE", klärte Clive uns auf. "Gehört zum Syndikat der Exilkubaner."

"Jetzt wissen wir also, wo du dich in deiner Freizeit herumtreibst, Jesse!", stichelte Milo.

Ich hob die Augenbrauen. "Du meinst doch mit Freizeit nicht etwa die zwanzig Minuten, in denen ich mich morgens rasiere und frühstücke!"

"Wenn man dich so hört, könnte man ja denken, du hättest einen tollen Job als Galeerensklave - und nicht beim FBI", kommentierte Clive. Dann fuhr er fort: "Ich muss das noch mit Mister McKee absprechen, aber ich denke, wir werden uns Sonny Martinez mal vorknöpfen und ihm einige Fragen stellen."

Ich atmete tief durch.

"Da werde ich ja leider außen vor bleiben müssen, wenn ich meine Rolle als Brent Atkinson nochmal spielen möchte!"

Clive nickte.

"Was würde Atkinson jetzt tun, Jesse? Allein auf sich gestellt, ohne das geringste Vertrauen zum FBI, zur Staatsanwaltschaft oder zu sonstwen..."

"Er würde versuchen, sich selbst eine neue Identität zu besorgen", meinte ich.

"Wie wäre es, wenn du das jetzt auch tust? AUTONOMY hat Verbindung zur Unterwelt und wenn 'Atkinson' sich einen neuen Pass besorgen will, wird sich das herumsprechen! Blitzschnell! Einen so heißen Kunden dürften die Fälscher von New York lange nicht gehabt haben!"

"Ein guter Vorschlag!", meinte ich. "Wenn wir Glück haben, hat AUTONOMY eine Art Kopfgeld auf Atkinson ausgesetzt."

"Dann würde sein Auftauchen unsere Freunde vielleicht so aufschrecken, wir wir das gerne hätten!", vermutete Milo.

"Ich brauche genügend Kleingeld, das ich für eine Anzahlung auf den Tisch legen kann", sagte ich. "Schließlich sind Passfälscher keine Sozialarbeiter. Die machen keinen Handschlag umsonst."

"Gehen wir zu Mister McKee", forderte Clive. "Ich wollte vorher eigentlich nur wissen, ob du noch im Spiel bist!"

"Bin ich", antwortete ich. "An die Rolle des Köders habe ich mich schon richtig gewöhnt!"




22


MISTER MCKEE ENTSCHIED, dass die Strip-Bar von Sonny Martinez zunächst nur beobachtet wurde, in der Hoffnung, dass Zeb Robbins oder sein Partner dort auftauchten.

Außerdem wurden Martinez' Telefonanschlüsse abgehört. Seit der Einführung der neuen Anti-Terror-Gesetze, galt eine entsprechende richterliche Genehmigung jeweils für sämtliche Telefon-, Email- und Fax-Verbindungen einer bestimmten Person. Das erleichterte unseren Job in diesem Fall erheblich.

Wir waren überzeugt davon, dass Robbins und Torrence in dem Helikopter gesessen hatten, von dem aus der Anschlag auf Atkinson verübt worden war.

Und wenn wir Glück hatten, hatten sie ihren alten Arbeitgeber noch nicht ganz vergessen.

Ich machte mich inzwischen auf den Weg zu Jack Anselmo in Yonkers, von dem wir durch Informanten wussten, dass er unter anderem Geschäfte mit falschen Pässen vermittelte.

Leider war ihm das bislang zu beweisen gewesen.

Anselmo betrieb eine Reihe von Coffee Shops, in die er das Geld, dass er mit seinen illegalen Geschäften verdient hatte, investierte.

Seine Zentrale befand sich in der Richmond Street in Yonkers.

Ich parkte den unscheinbaren metallicgrauen Ford unserer Fahrbereitschaft vor dem Laden, stieg aus und betrat ein paar Augenblicke später das Innere des Coffee Shops.

Milo war mir mit ein paar Kollegen auf den Fersen.

Allerdings in gebührendem Abstand. Schließlich sollte niemand bemerken, dass mir jemand gefolgt war. Sie warteten darauf, dass ich ihnen über das Mikro an meinem Hemdkragen das Signal zum Eingreifen gab.

Eine Sicherheitsmaßnahme, auf der Mister McKee bestanden hatte.

Der Coffee Shop war gut besucht.

Stimmengewirr erfüllte den Raum.

Ich ging zum Tresen und sprach den Mann dahinter an, der eine Art Uniform mit Namensschild trug. George Bruno stand darauf. Ein Mitvierziger mit dunklem Teint und graudurchwirktem Vollbart.

 

"Was wollen Sie? Am besten Sie setzen sich, ich komme schon zu Ihnen, Sir!"

"Ich will Mister Anselmo sprechen", sagte ich.

"Mister Anselmo ist nicht hier. Bedaure."

Ich packte George Bruno am Kragen, zog ihn über den Tresen zu mir heran. Einige der Gäste waren bereits verstummt und blickten zu uns herüber. Mir war das nur recht. Schließlich wollte ich keineswegs unbemerkt bleiben.

"Sie rufen jetzt sofort Mister Anselmo!", forderte ich.

Bruno schluckte.

"Und was soll ich ihm bitte sagen?"

"Sagen Sie ihm, dass ein gewisser Brent Atkinson in Schwierigkeiten ist und seine Hilfe braucht!"

Bruno nickte. "Okay, das werde ich ihm sagen", murmelte er.

Ich ließ ihn los. Er ging zum Telefon, nahm ab und betätigte eine Kurzwahltaste. Wahrscheinlich eine hausinterne Verbindung.

Zweimal kurz hintereinander sagte er "In Ordnung!", dann legte er auf und wandte sich wieder mir zu.

"Mister Anselmo ist in seinem Büro."

"Wo finde ich das?"

"Sie werden abgeholt!"

Bruno grinste dreckig.

Er deutete auf einen Nebenausgang, aus dem jetzt ein breitschultriger Kerl trat, der mich mindestens um anderthalb Köpfe überragte.

Der kobaltblaue Anzug, den er trug musste eine Sonderanfertigung sein. Das dunkle Haar war so kurzgeschoren, dass man die Kopfhaut sehen konnte. Links trug er einen Ohrring, der zu seinem ansonsten sehr konservativen Outfit nicht recht passte.

Der Koloss trat neben mich, wandte sich an Bruno.

"Ist er das?"

"Ja."

Er sah mich an. "Folgen Sie mir!"

Wir verließen durch den Nebeneingang den Raum, durchschritten dann einen schmalen Korridor.

Nach kaum einem Dutzend Schritten wirbelte der Kerl plötzlich herum, packte mich und drückte mich brutal gegen die Wand. Er hatte enorme Kräfte und einen Griff, der mich an einen Schraubstock erinnerte.

Er tastete mich nach Waffen ab.

Aber damit hatte ich gerechnet.

Meine SIG steckte ausnahmsweise mal nicht am Gürtel, sondern in einem Spezialholster, das ich an der Wade trug.

Und so gründlich war die Durchsuchung des Riesen dann auch wieder nicht, dass er das herausgefunden hätte.

"Du scheinst sauber zu sein", meinte er.

"Wo ist Mister Anselmo?"

"Kommen Sie!"

Er führte mich zu einer Tür.

"Öffnen Sie!"

Ich gehorchte, spürte dann im nächsten Moment den Pistolenlauf in meinem Rücken.

"Immer cool bleiben", sagte ich.

"Keine Sorge, damit habe ich keine Probleme", erwiderte der Koloss.

Ich betrat das Büro.

Hinter dem Schreibtisch saß Jack Anselmo. Ich erkannte ihn von den Fotos, die wir in unseren Dateien von ihm gespeichert hatten. Jack Anselmo war ein dicklicher Mitfünfziger. In seinem rechten Mundwinkel steckte eine Zigarre.

"Mach die Tür zu!", wies Anselmo seinen Leibwächter an.

Der Koloss mit dem Ohrring kickte sie mit dem Absatz ins Schloss.

"Kein besonders freundlicher Empfang", meinte ich. "Behandeln Sie Ihre Kundschaft immer so, Anselmo? Dann wird man Sie wohl kaum weiter empfehlen..."

Auf Anselmos etwas aufgedunsenem Gesicht erschien ein mattes Lächeln.

Er erhob sich jetzt hinter seinem Schreibtisch.

Jetzt erst wurde sichtbar, dass er eine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer in der Rechten trug.

Mit der Linken nahm er die Zigarre aus dem Mund und legte sie in den Aschenbecher.

"Wenn Sie mich fragen, er sieht wirklich aus wie Atkinson", meldete sich der Kerl mit dem Ohrring zu Wort.

Jack Anselmo nickte leicht.

"Ja, scheint mir auch so. Außerdem, wenn wir den falschen umbringen, ist auch das auch halb so wild. Schließlich ist der Long Island Sound tief genug..." Er kicherte.

Dann verengten sich Anselmos Augen. "Ich weiß alles über Sie, Mister Atkinson. Sie sind hier, um eine neue Identität zu bekommen. Jemand, der ein sehr starkes Interesse an Ihnen zu haben scheint, hat mich vorgewarnt. Und - was soll ich Ihnen sagen ? - er bietet einfach mehr, als Sie mir zahlen könnten!"

"Wer ist das?"

"Wissen Sie das nicht besser als ich, Atkinson?"

Ich versuchte Zeit zu gewinnen.

Zeit, in der Milo und meine Kollegen den Ort des Geschehens erreichen konnten. Die Kontakte der AUTONOMY-Terroristen schienen noch reibungsloser zu funktionieren, als wir uns das bisher in unseren düstersten Albträumen ausgemalt hatten. Sie benutzten gewöhnliche Gangster offenbar wie Marionetten, um selbst im Hintergrund bleiben zu können.

"Sie haben von dem Attentat auf das Federal Building gehört..."

"Sicher", meinte er.

"Finden Sie nicht, dass das alles eine Nummer zu groß für Sie ist?"

"Ich konnte es mir nicht aussuchen. In dem Moment, in dem Sie hier auftauchten, war ich mit im Spiel. Und ich denke nicht daran, diesen sicheren Gewinn auszuschlagen."

"Wer sagt Ihnen, dass man Sie überhaupt bezahlt?"

Er lachte.

"Das hat man bereits! Jedenfalls zum Teil!"

"Was?"

"Als mein Angestellter mir einen gewissen Atkinson meldete, habe ich Kontakt aufgenommen. Innerhalb von Sekunden erfolgte eine Online-Buchung über einen sechsstelligen Betrag!" Er hob die Waffe, zielte auf mich.

"Geh zur Seite, Eddie, damit du nichts abkriegst!" befahl er.

"Okay, Boss!"

Der Koloss trat zur Seite.

Jack Anselmo drückte ab.

Ein Geräusch wie der Schlag mit einer Zeitung.

Ich blickte in das Mündungsfeuer, das wie die rote Feuerzunge eines Drachens aus dem Schalldämpfer herausleckte.