Berufs- und Arbeitspädagogik

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Berufs- und Arbeitspädagogik
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Dr. Lothar Semper

Dipl.-Kfm. Bernhard Gress

Berufs- und Arbeitspädagogik

Für die praxisnahe Vorbereitung auf den

„Geprüften kaufmännischen Fachwirt nach der Handwerksordnung“

Mit fallbezogenen Übungs- und Wiederholungsaufgaben

2. Auflage 2020

Holzmann Medien | Buchverlag

Dieses Lehrbuch enthält in der Regel Berufsbezeichnungen, Gruppenbezeichnungen usw. nur in der männlichen Form. Wir bitten diese sinngemäß als Doppelbezeichnungen, wie zum Beispiel Frau / Mann, Handwerksmeisterin / Handwerksmeister, Betriebsinhaberin / Betriebsinhaber usw. zu interpretieren und anzuwenden.

Impressum

2., überarbeitete Auflage 2020

ISBN (Print): 978-3-7783-1440-1 | Artikel-Nr. 1454.02

ISBN (E-Book): 978-3-7783-1441-8 | Artikel-Nr. 1454.98

© 2020 by Holzmann Medien GmbH & Co. KG, 86825 Bad Wörishofen

Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, fotomechanischen Wiedergabe und Übersetzung nur mit Genehmigung durch Holzmann Medien.

Das Werk darf weder ganz noch teilweise ohne schriftliche Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm, elektronische Medien oder ähnliches Verfahren) gespeichert, reproduziert oder sonst wie veröffentlicht werden.

Diese Publikation wurde mit äußerster Sorgfalt bearbeitet, Verfasser und Verlag können für den Inhalt jedoch keine Gewähr übernehmen.

Lektorat: Achim Sacher, Holzmann Medien | Buchverlag

Umschlaggestaltung: Markus Kratofil, Holzmann Medien | Buchverlag

Bildquellen Umschlag: © ehrenberg-bilder – Fotolia.com

Satz: abavo GmbH | Buchloe

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020

Vorwort

Am 01. April 2016 ist die Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss „Geprüfte/r kaufmännische/r Fachwirt/in nach der Handwerksordnung“ in Kraft getreten. Die bundeseinheitliche Rechtsverordnung ersetzt damit die bisherigen Kammerregelungen.

Die neue Fortbildung richtet sich insbesondere an Absolventen einer kaufmännischen Ausbildung. Aber auch Absolventen mit einem Abschluss als „Geprüfte/r Fachmann/frau für kaufmännische Betriebsführung (HwO)“ sollen von der neuen Weiterbildung angesprochen werden.

Für den erfolgreichen Abschluss zum „Geprüften kaufmännischen Fachwirt nach der Handwerksordnung“ sind in den folgenden fünf Handlungsbereichen fortbildungsspezifische kaufmännische Qualifikationen nachzuweisen:

1.Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen analysieren und fördern

2.Marketing nach strategischen Vorgaben gestalten

3.Betriebliches Rechnungswesen, Controlling sowie Finanzierung und Investition gestalten

4.Personalwesen gestalten und Personal führen

5.Prozesse betriebswirtschaftlich analysieren und optimieren

Darüber hinaus ist der Erwerb der berufs- und arbeitspädagogischen Qualifikationen entsprechend der Allgemeinen Meisterprüfungsverordnung (AMVO) bzw. Ausbildereignungsverordnung (AEVO) nachzuweisen. Die Vermittlung der berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse soll dabei handlungsorientiert erfolgen.

Handlungsorientierung bedeutet, dass berufliche Handlungssituationen oder Handlungsfälle, die an der Betriebs- und Berufspraxis und an Geschäfts- und Arbeitsprozessen orientiert sind, beispielhaft zum Gegenstand der Ausbildung gemacht werden. Der Lernende soll selbstständig Handlungen planen, durchführen und kontrollieren sowie sich im Anschluss über die jeweiligen Zusammenhänge klar werden. Damit erreicht er berufliche Handlungskompetenz, das heißt, er kann in beruflichen Situationen im betrieblichen Gesamtzusammenhang sach- und fachgerecht durchdacht und in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verantwortung handeln.

Bis auf wenige – teils redaktionelle – Formulierungen sind AMVO und AEVO deckungsgleich. Die vier Handlungsfelder orientieren sich am Ablauf der Ausbildung:

1.Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen

2.Ausbildung vorbereiten und Einstellung von Auszubildenden durchführen

3.Ausbildung durchführen

4.Ausbildung abschließen

Die von den angehenden kaufmännischen Fachwirten zu erwerbenden berufs- und arbeitspädagogischen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten sind für AMVO und AEVO für alle vier Handlungsfelder als Kompetenzen formuliert. Auf der Grundlage der entsprechenden Rahmenlehrpläne ist der Inhalt des vorliegenden Lehrbuchs nach Handlungsfeldern und Lernsituationen gegliedert. Bei jeder Lernsituation werden die zu erwerbenden Kompetenzen vorangestellt.

Nach den Textteilen zu jeder Lernsituation folgen handlungsorientierte, fallbezogene Aufgaben zur begleitenden Kontrolle des Lernprozesses und zur rationellen Vorbereitung auf die Prüfung. Dazu enthält dieses Lehrbuch eine Mischung aus drei im Wesentlichen in der Prüfungspraxis zur Anwendung kommenden fallbezogenen Aufgabentypen, nämlich programmierte Aufgaben mit Auswahllösungen, Situationsaufgaben mit Leitfragen bzw. Leithinweisen und offenen Lösungen sowie Situationsaufgaben mit frei formulierter Lösung. Die fallbezogenen Aufgaben mit programmierten Auswahllösungen sind durch Ankreuzen einer der fünf vorgegebenen Lösungen zu bearbeiten. Die richtigen Lösungen sind am Ende des Buches zur Kontrolle abgedruckt. Bei allen Aufgaben erfolgt am Schluss der Aufgabenstellung ein Hinweis zum Textteil als Lösungshilfe und um bei festgestellten Lücken entsprechend nachlesen bzw. nacharbeiten zu können.

Diese überarbeitete Auflage berücksichtigt insbesondere das neue Berufsbildungsgesetz, das am 01. Januar 2020 in Kraft getreten ist.

Wir wünschen Ihnen bei der Vorbereitung und Ablegung Ihrer Prüfung zum „Geprüften kaufmännischen Fachwirt nach der Handwerksordnung“ viel Erfolg!

Januar 2020

Die Autoren und

Holzmann Medien | Buchverlag

Inhalt
1Handlungsfeld: Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen

1.1 Lernsituation: Vorteile und Nutzen betrieblicher Ausbildung darstellen und begründen

Kompetenzen:

> Ziele und Aufgaben der Berufsausbildung, insbesondere die Bedeutung der beruflichen Handlungskompetenz, für Branche und Betrieb herausstellen.

> Vorteile und Nutzen der Ausbildung für Jugendliche, Wirtschaft und Gesellschaft beschreiben.

> Nutzen der Ausbildung auch unter Berücksichtigung der Kosten für den eigenen Betrieb begründen.

1.1.1 Ziele und Aufgaben der Berufsausbildung
1.1.1.1 Berufliche Handlungskompetenz als grundlegendes Ziel der Ausbildung

Ziel der Bildung und Ausbildung

Bildung und Ausbildung des Menschen waren – einfach ausgedrückt – im Wesentlichen schon immer darauf ausgerichtet, ihn zu befähigen, sachgerecht in allen privaten Lebenssituationen, aber vor allem in der Ausübung eines Berufes zu handeln und sich mit seinem Verhalten im Lebensumfeld zurechtzufinden, also ein Höchstmaß an Fähigkeiten zur Lebensbewältigung zu erwerben.

Menschliches Leben erfordert Handeln in vielfältiger Art und Weise, insbesondere in Ausübung beruflicher Tätigkeiten. Zu jeder Handlung braucht der Mensch Kompetenz, die aus Fähigkeiten, Kenntnissen, Fertigkeiten, Erfahrungen und Einstellungen besteht.

Der rasche und umfangreiche technische und wirtschaftliche Wandel wird das Arbeitsleben zukünftig noch stärker beeinflussen und ständig verändern. Technisches Wissen und einmal erworbene berufliche Kenntnisse veralten heute rascher als jemals zuvor. Die Arbeitsteilung wird national und international weiter zunehmen. Damit sind zugleich erhebliche Veränderungen bezüglich der beruflichen Qualifikation während eines Arbeitslebens verbunden.

Daher soll Berufsausbildung die Auszubildenden auch befähigen, sich mit Veränderungen auseinanderzusetzen und zukünftige Anforderungen besser bewältigen zu können. Berufsausbildung schafft damit auch die Grundlage, ein Leben lang zu lernen.

Ein modernes Ausbildungssystem muss also im Ergebnis des Qualifizierungsprozesses auf berufliche Handlungsfähigkeit ausgerichtet sein. Deshalb ist nach dem Berufsbildungsgesetz (§ 1) im Rahmen der Berufsausbildung berufliche Handlungsfähigkeit in einem Ausbildungsberuf zu vermitteln. Der Gesetzgeber stellt hierbei den Anspruch, dass nach erfolgreich bestandener Gesellen- oder Abschlussprüfung die volle berufliche Handlungsfähigkeit für den jeweiligen Ausbildungsberuf vorhanden ist.

Handlungskompetenz

In diesem Zusammenhang spricht die Berufs- und Arbeitspädagogik von der beruflichen Handlungskompetenz. Diese berufliche Handlungskompetenz bezieht sich nicht nur auf die rein fachliche Kompetenz (einschließlich Methodenkompetenz), sondern auch auf persönliche Eigenschaften und den Umgang mit Kollegen, Kunden sowie Vorgesetzten.

Kompetenzbereiche

Die berufliche Handlungskompetenz umfasst also mehrere unterschiedliche Einzelkompetenzen. Die drei wichtigsten Teilbereiche sind

>fachliche Kompetenz (einschließlich Methodenkompetenz),

>persönliche Kompetenz und

>soziale Kompetenz.

Die einzelnen Kompetenzbereiche können wiederum mit vielfältigen Eigenschaften charakterisiert werden. Man nennt sie auch Schlüsselqualifikationen.

1.1.1.2 Schlüsselqualifikationen

Schlüsselqualifikationen sind Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die nicht nur mit dem eigentlichen Beruf, sondern auch mit anderen Berufsfeldern, Tätigkeiten und Funktionen zusammenhängen, also berufsübergreifend sind. Sie beziehen sich auch auf Fähigkeiten, die nicht nur zur Bewältigung gegenwärtiger, sondern vor allem zukünftiger Anforderungen des Berufslebens geeignet sind.

 

Fachkompetenz mit Methodenkompetenz

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Fachkompetenz sind:

>fachliche Fertigkeiten

>fachliche Kenntnisse

>Lern- und Arbeitstechniken

>Problemlösungsstrategien

>Methodenkompetenz.

Methodenkompetenz bedeutet dabei die Fähigkeit zur Anwendung bestimmter Lern- und Arbeitsmethoden, die für die Ausprägung der Fachkompetenz erforderlich sind.

Persönlichkeitskompetenz

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Persönlichkeitskompetenz sind:

>Leistungsbereitschaft

>Zuverlässigkeit

>Sorgfalt

>Lernfähigkeit und -bereitschaft

>Urteilsvermögen, Entscheidungsfähigkeit

>abstraktes, analytisches und logisches Denken

>Kreativität, Flexibilität

>Gesprächsbereitschaft

>Eigeninitiative.

Sozialkompetenz

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Sozialkompetenz sind:

>Kollegialität

>Kontakt-, Kommunikationsfähigkeit

>Kooperationsbereitschaft, Teamfähigkeit

>Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen

>Toleranz

>Hilfsbereitschaft

>Kompromiss-, Durchsetzungsfähigkeit

>Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Handlungskompetenz ist nicht bereits dann gegeben, wenn ein Bereich möglichst gut ausgeprägt ist, sondern sie erfordert sowohl fachliche wie auch persönliche und soziale Schlüsselqualifikationen.

1.1.1.3 Befähigung zum selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren, prozessorientierte Ausbildung

Handlungskompetenz Handlungsorientierte Ausbildung

Handlungskompetenz besitzt, wer selbstständig planen, durchführen und kontrollieren kann. Dies soll erreicht werden, indem der Auszubildende im Lernvorgang selbst bereits diese Schritte der vollständigen Handlung, also planen, durchführen und kontrollieren, umsetzt. In diesem Fall spricht man auch von einer handlungsorientierten Ausbildung.

Die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten sollen so vermittelt werden, dass der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird, die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren an seinem Arbeitsplatz einschließt.

In der konkreten betrieblichen Praxis bedeutet dies:

>Selbstständiges Planen: Der Lehrling soll in der Lage sein, den Arbeitsvorgang bzw. Arbeitsprozess selbst zu planen.

>Selbstständiges Durchführen: Der Lehrling kann den von ihm geplanten Arbeitsablauf auch ohne fremde Hilfe ausführen.

>Selbstständiges Kontrollieren: Der Lehrling lernt, seine eigenen Leistungen selbstkritisch zu prüfen sowie Fehler und deren Ursachen und Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung zu erkennen.

Prozessorientierte Ausbildung

Im Zuge der praktischen Umsetzung der „Prozessorientierung“ als neues didaktisches Konzept in der Ausbildung sehen Ausbildungsordnungen zusätzlich vermehrt vor, dass die notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Qualifikationen auch auf Geschäfts- und Arbeitsprozesse (Abläufe) bezogen zu vermitteln sind. Die Vermittlung soll die Fähigkeit zum Handeln im betrieblichen Gesamtzusammenhang einschließen. Die Ausbildung ist somit prozessorientiert und geschäftsprozessbasiert zu planen und durchzuführen.

Prozesskompetenz

Diese „prozessbezogene“ Vermittlung von Qualifikationen bedeutet eine veränderte Ausbildungsgestaltung und zusätzliche, neue Anforderungen an das Ausbildungspersonal. Die vorgegebenen Inhalte der Ausbildungsordnungen sind dabei auf betriebliche Geschäfts- und Arbeitsprozesse zu beziehen. In der Ausbildung soll „Prozesskompetenz“, also die Fähigkeit zum sachverständigen Handeln im betrieblichen Gesamtzusammenhang und somit die Fähigkeit zur Prozessgestaltung und Prozessveränderung, vermittelt werden. Dabei kommt den Gesichtspunkten Qualitäts- und Effizienzoptimierung eine große Bedeutung zu. Prozesskompetenz bezieht, so gesehen, auch die Fähigkeit, an dieser Optimierung (bestmöglichen Gestaltung) mitzuwirken, ein.

1.1.2 Bedeutung der Ausbildung für Jugendliche, Wirtschaft und Gesellschaft
1.1.2.1 Bedeutung der Berufsbildung für den Jugendlichen

Die Bedeutung der Berufsausbildung für den Einzelnen liegt in folgenden Bereichen:

>wichtiger Einstieg ins Berufsleben

>Sicherung eines Arbeitsplatzes

>Sicherung des Lebensunterhalts und der finanziellen Existenzgrundlage

>stufenweise Einführung in die Berufs- und Arbeitswelt

>Erwerb von Verhaltensformen im Betrieb

>Schaffung einer Grundlage für berufliche Mobilität (örtliche und fachliche Beweglichkeit)

>Lernen von selbstständigem Arbeiten und Handeln

>Persönlichkeitsbildung

>Aneignung von Pflichtbewusstsein, Verantwortung und Zuverlässigkeit

>Voraussetzung für den Einstieg in Weiterbildungsmöglichkeiten.

1.1.2.2 Bedeutung der Berufsbildung für Wirtschaft und Gesellschaft

Berufliche Leistungsfähigkeit

Jede Gesellschaft muss alle denkbar geeigneten Maßnahmen durchführen, um die berufliche Leistungsfähigkeit zu schaffen und zu erhalten. Die Leistungsfähigkeit des Einzelnen ist auch für eine Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen wichtig, weil Menschen, die ihre berufliche Leistungsfähigkeit vorzeitig verlieren, letztlich auf Kosten der übrigen arbeitenden Mitglieder der Gesellschaft mitgetragen werden müssen. Die Erhaltung der beruflichen Leistungsfähigkeit ist ferner ein wichtiges Element für die Stabilität einer Gesellschaftsordnung, weil Arbeitslosigkeit, die auf mangelnde berufliche Leistungsfähigkeit zurückzuführen ist, auf Dauer gesehen eine Gesellschaftsordnung gefährdet.

Zweckmäßige Maßnahmen

Die berufliche Leistungsfähigkeit und somit die Stabilität einer Gesellschaftsordnung wird insbesondere erreicht und erhalten durch

> eine solide Berufsausbildung,

> eine laufende berufliche Fortbildung und

> durch geeignete berufliche Umschulungsmaßnahmen im Bedarfsfall.

Wirtschaftspolitische Bedeutung der Berufsbildung

Produktionsfaktor Arbeit

Der wichtigste Produktionsfaktor „Arbeit“ hängt in einer Volkswirtschaft vom Niveau der Ausbildung aller arbeitenden Menschen ab.

In einem rohstoffarmen Land wie der Bundesrepublik nimmt somit die berufliche Bildung wirtschaftspolitisch die absolute Schlüsselrolle ein.

Sie ist die wichtigste Investition in „Humankapital“, die genauso bedeutsam ist wie die Investition in Sachkapital (Maschinen, Werkzeuge usw.).


Gegenseitige Verflechtung

Die enge Verflechtung von Problemen der Bildungs-, Gesellschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik hat dazu geführt, dass Berufsbildungsfragen auch unter dem Gesichtspunkt sozial- und arbeitsmarktpolitischer Entscheidungen gesehen werden müssen.

Arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Berufsbildung

Am Arbeitsmarkt treffen Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften zusammen. Das oberste Ziel der Arbeitsmarktpolitik muss der Ausgleich von Angebot und Nachfrage sein. Der Arbeitsmarkt wird von folgenden Faktoren beeinflusst:

>technische Entwicklungen

>konjunkturelle und strukturelle Entwicklungen

>lohnpolitische Entscheidungen

>sozialpolitische Entscheidungen

>bildungspolitische Entscheidungen

>Qualität der Berufsbildung.

Bildungspolitik

Einer der stärksten Einflussfaktoren ist die Bildungspolitik und die qualitative und quantitative Situation in der beruflichen Bildung.

Qualitativ gesehen muss das berufliche Bildungssystem dafür sorgen, dass deren Absolventen den technischen und ökonomischen Anforderungsprofilen der beruflichen Arbeit (Fertigkeiten, Kenntnisse, Verhaltensformen, Problemlösungskompetenz) in den Betrieben und somit am Arbeitsmarkt entsprechen. Dabei ist die Ausbildung auf größtmögliche Beweglichkeit (Mobilität) zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen, Branchen und Regionen auszurichten. Quantitativ betrachtet muss in erster Linie die Bildungspolitik (zum Beispiel durch Aufwertung der beruflichen Bildung), aber auch der Bürger in seinem Berufswahlverhalten dafür sorgen, dass genügend fachlich vorgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und der Arbeitsmarkt so ausgeglichen wie möglich ist.

Leider ist dieser Ausgleich in der Bundesrepublik nicht gegeben. Trotz bestehender Arbeitslosigkeit gibt es unbesetzte Stellen in beachtlicher Zahl, weil die Qualifikationen in Angebot und Nachfrage nicht zur Deckung gebracht werden können. Es ist daher mehr als zuvor notwendig, über eine gezielte Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik die qualitativen und quantitativen Ungleichgewichte zu reduzieren.

Sozialpolitische Bedeutung der Berufsbildung

Auch für die Sozialpolitik hat die berufliche Bildung eine wichtige Bedeutung: Ein solides Berufsbildungssystem schafft die wirtschaftlichen Grundlagen für die Sozialpolitik eines Staates, weil nach sozialen Gesichtspunkten gesehen nur das verteilt werden kann, was vorher durch gut ausgebildete Arbeitskräfte erarbeitet wurde. Eine gute Berufsbildungspolitik ist somit auch der Schlüssel für die soziale Sicherung und die soziale Stellung, insbesondere auch sozial schwacher Schichten unserer Gesellschaft.

Einkommen

Wer eine qualifizierte Ausbildung und Weiterbildung durchläuft, kann in der Regel ein höheres persönliches Einkommen erreichen (zum Beispiel im Vergleich zum Ungelernten oder Angelernten). Darüber hinaus erschließt sie auch eine höhere soziale Stellung (zum Beispiel als selbstständiger Handwerksmeister).

Hoher Beschäftigungsgrad

Gesamtwirtschaftlich betrachtet führt eine qualifizierte berufliche Bildung zu hoher Wirtschaftsleistung sowie einem hohen Beschäftigungsgrad und somit zur Einsparung von sozialen Leistungen an sozial Schwache oder Arbeitslose. Berufliche Bildung entlastet die Sozialpolitik auch durch berufliche Wiedereingliederung und Ausbildung von Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung.

Handwerkspolitische und einzelbetriebliche Bedeutung der Berufsbildung

Gerade im Handwerk spielt das Niveau der Berufsausbildung eine entscheidende Rolle. Zwar ist auch im Handwerk der Maschinen- und Geräteeinsatz in den letzten Jahren ständig angestiegen, und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Trotzdem bestimmt aber die menschliche Arbeitskraft im Handwerk maßgeblich das Ergebnis der betrieblichen Leistung. Daher hat das Handwerk noch mehr als andere Wirtschaftszweige dafür zu sorgen, dass auch in der Zukunft eine ausreichende Zahl von Nachwuchsarbeitskräften vorhanden ist und das qualifizierte Niveau der Arbeitskräfte eine ausreichende Leistungsgarantie bietet.