Erzählungen aus 1001 Nacht - 4. Band

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Erzählungen aus 1001 Nacht - 4. Band
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Anonym

Erzählungen aus 1001 Nacht

4. Band

Impressum

Texte: © Copyright by Anonym

Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

gunter.50@gmx.net

Inhalt

Impressum

Einhundertfünfundneunzigste bis zweihundertneunundsechzigste Nacht

Geschichte von Niamah bin al-Rabia und Naomi, seiner Sklavin

Die Geschichte Ala al-Din Abu al-Schamats

Die Geschichte von Ala al-Din oder der Wunderlampe

Die Geschichte von Ali Baba und den vierzig Räubern

Einhundertfünfundneunzigste bis zweihundertneunundsechzigste Nacht

Als nun die Hundertundfünfundneunzigste Nacht da war, fuhr Schahrazad also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als das Schiff mit allen, die an Bord waren, kenterte, da habe ein jeder sich selber zu retten gesucht; Marzawan aber warf die Strömung des Meeres unter den Palast des Königs, darinnen Kamar al-Zaman war. Und nach der Bestimmung des Schicksals geschah es, daß eben dies der Tag war, an dem König Schahriman seine Großen und Würdenträger empfing, und er saß da, seines Sohnes Haupt auf dem Schoße, während ein Eunuch die Fliegen verscheuchte; der Prinz aber hatte zwei Tage lang nicht mehr gesprochen noch gegessen noch getrunken, und er war dünner geworden als eine Spindel. Nun stand der Vezier ehrfurchtsvoll an dem vergitterten Fenster, das die See überblickte, und da er die Augen hob, sah er Marzawan, von den Wogen gepeitscht und am Ende seines Atems; das weckte Mitleid in seinem Herzen, so daß er zum König trat, das Haupt vor ihm neigte und sprach: ›Ich bitte dich um Erlaubnis, o König, hinabzugehn in den Hof des Pavillons und die Meerespforte zu öffnen, damit ich einen Menschen retten kann, der im Begriff steht zu ertrinken, und den ich der Gefahr entreißen und in Sicherheit bringen möchte; vielleicht wird Allah dafür deinen Sohn von seinem Leiden befreien.‹ Versetzte der König: ›O Vezier, es ist genug an dem, was meinem Sohn durch dich und um deinetwillen schon widerfuhr. Vielleicht wird dieser Ertrinkende, wenn du ihn rettest, von unserer Not erfahren und meinen Sohn in diesem Zustand sehen und über mich frohlocken; aber ich schwöre bei Allah, wenn dieser halbertrunkene Elende hierherkommt und von unserer Not erfährt und meinen Sohn ansieht und dann dahinzieht und jedem unser Geheimnis verrät, so lasse ich vor ihm dir den Kopf abschlagen; denn du, o mein Minister, bist die Wurzel all dessen, was uns widerfuhr, von Anfang bis zu Ende. Jetzt tu, was du willst.‹ Da sprang der Vezier auf, öffnete die geheime Pforte und stieg zum Uferdamm hinab; zwanzig Schritte hatte er noch zu gehn, da war er am Wasser, wo Marzawan mit dem Tode rang. Und er streckte die Hand nach ihm aus, ergriff ihn beim Haar und zog ihn bewußtlos, den Bauch voll Wasser und die Augen weit aus dem Kopfe, ans Land. Der Vezier wartete, bis er zu sich kam, zog ihm die nassen Kleider aus und legte ihm ein frisches Gewand an, indem er ihm den Kopf mit dem Turban eines seiner Diener bedeckte; dann sprach er zu ihm: ›Wisse, ich war das Werkzeug deiner Rettung vor dem Ertrinken: lohne mir nicht, indem du meinen Tod herbeiführst und deinen eigenen.‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundsechsundneunzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Vezier Marzawan, nachdem er an ihm getan hatte, was er tat, also ansprach: ›Wisse, ich war das Werkzeug deiner Rettung vor dem Ertrinken: lohne mir nicht, indem du meinen Tod herbeiführst und deinen eigenen.‹ Fragte Marzawan: ›Und wieso?‹ Versetzte der Vezier: ›Du wirst noch in dieser Stunde hinaufgehn und unter Emire und Veziere treten, die alle schweigen und deren keiner spricht um Kamar al-Zamans willen, des Sohnes des Sultans.‹ Als nun Marzawan den Namen Kamar al-Zaman vernahm, da wußte er, daß es dieser war, von dem er in mancherlei Städten hatte reden hören und den er suchte; doch er stellte sich unwissend und fragte den Vezier: ›Und wer ist Kamar al-Zaman?‹ Versetzte der Minister: ›Er ist der Sohn des Sultans Schahriman, und er liegt schwerkrank dahingestreckt auf seinem Lager, ewig rastlos, und er ißt und trinkt nicht, noch schläft er bei Tag oder Nacht; ja, er ist dem Tode nahe, und wir haben die Hoffnung aufgegeben, daß er am Leben bleibe, und sind seines Todes gewiß. Nimm dich in acht, daß du ihn nicht zu lange ansiehst, und blicke überhaupt auf keinen andern Ort als den, darauf du die Füße setzest: sonst bist du verloren, und ich dazu.‹ Entgegnete er: ›Allah sei mit dir, o Vezier, ich erflehe von deiner Gunst: mache mich bekannt mit dem Grunde, aus dem dieser Jüngling, den du mir schilderst, in solcher Lage ist?‹ Versetzte der Vezier: ›Ich weiß keinen Grund, außer daß vor drei Jahren sein Vater von ihm verlangte, er sollte sich vermählen. Er aber weigerte sich; darob ergrimmte sein Vater und setzte ihn gefangen. Und als er am Morgen erwachte, da glaubte er, in der Nacht sei er aus dem Schlafe geweckt worden, und da habe er zu seiner Seite eine junge Herrin gesehen von unvergleichlicher Lieblichkeit, deren Reize keine Zunge auszudrücken vermag; und er versicherte uns, er habe ihr den Siegelring vom Finger gezogen und ihn auf den seinen gesteckt, und sie habe ebenso getan; aber wir kennen das Geheimnis dieser ganzen Sache nicht. Also bei Allah, o mein Sohn, wenn du mit mir hinaufgehst in den Palast, so blicke nicht auf den Prinzen, sondern geh deiner Wege; denn des Sultans Herz ist erfüllt von Grimm wider mich.‹ Da sprach Marzawan bei sich selber: ›Bei Allah, dieser ist der, den ich suche!‹ Dann folgte er dem Vezier in den Palast hinauf, wo der Minister sich dem Prinzen zu Füßen setzte; aber Marzawan fand dort nichts Eiligeres zu tun, als zu Kamar al-Zaman zu treten und ihn anzustarren. Der Vezier erstarb vor Schrecken in seiner Haut und blickte fortwährend auf Marzawan, indem er ihm winkte, seiner Wege zu gehen; er jedoch tat, als sähe er es nicht, und ließ nicht ab, Kamar al-Zaman anzustarren, bis er ganz sicher war, daß er den vor sich hatte, den er suchte. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundsiebenundneunzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Marzawan, als er Kamar al-Zaman ansah und erkannte, daß er der war, den er suchte, ausrief: ›Erhoben sei Allah, der seine Gestalt geformt hat wie ihre Gestalt, und die Farbe seiner Haut wie die Farbe ihrer Haut, und seine Wange wie ihre Wange!‹ Da schlug Kamar al-Zaman die Augen auf und lieh seiner Rede ein ernstes Ohr; und als Marzawan sah, daß er sich neigte, um zu lauschen, da sprach er diese Verse:

Ich sah dich voller Sang, Verzückung, Liebesklagen,

Und einzig freut es dich, der Schönheit Reiz zu schildern:

Traf dich ein Pfeil? Hat dich der Liebe Schwert geschlagen?

Nur wer verwundet ist, gleicht so den Schmerzensbildern!

Den Becher fülle du, und sing mir, mein Genoß,

Für Tanum, Al-Rabab, Sulaima Preiseslieder:

Kreis um den Sonnenwein: ein Steinkrug ist ihr Schloß:

Im Osten steht der Schenk: im Westmund steigt sie nieder.

Auf ihre Kleider selbst erfüllt mich blasser Neid,

In denen zierlich sie den zarten Leib versteckt;

Neid auf den Becher selbst: tut sie ihm doch Bescheid,

Wenn mit dem Kussesrand den Kussesort sie deckt.

Glaubt nicht, daß mich ein Schwert mit scharfem Schnitt kann ritzen:

Mir schlug die Wunde nur der Pfeil des Augs, das lacht.

Als ich sie einstmals traf, sah ihre Fingerspitzen

Ich rotgefärbt vom Holz, des Saft so dunkel macht,

Und rief: Du färbtest dir, war ich gleich fern, die Hand,

Und also lohnst du dem, den seine Pein verzehrt!

Sprach sie (entflammend mir im Herzen heißen Brand)

Und sprach wie einer, der der Liebe nicht mehr wehrt:

Bei deinem Leben, dies ist Farbe nicht zum Färben,

Und schilt mich länger nicht, als lög ich Liebe dir:

An unserm Trennungstag, da krank ich war zum Sterben,

Da waren nackt der Arm und nackt die Hände mir,

Und ich vergoß den Strom der blutigroten Tränen,

Und wischte sie mir ab: da ward die Hand blutrot.

Hätt ich vor ihr geweint in meinem Liebessehnen,

Eh mir die Reue kam, mein Herz war frei der Not;

Doch vor mir weinte sie und ich nur, weil sie weinte,

Und sprach: Willst du den Preis, als erster niemals fehle!

Nicht schilt mich, bei dem Geist der Liebe, die uns einte:

Um sie, und nur um sie quält so sich meine Seele.

Die Weisheit hat Lukmans, die Schönheit Jusufs sie;

Davids, des Sängers Sang, und Marjams keuschen Sinn:

Doch mich läßt Jakobs Schmerz, mich Jonas' Seufzer nie,

Mich plagt des Hiob Qual, jagt Adams Fluch dahin:

Und doch erschlagt sie nicht, muß ich im Tod auch wallen:

Doch fragt sie, wie mein Blut, fragt sie, ihr ist verfallen!

Als Marzawan diese Ode sprach, fielen die Worte auf Kamar al-Zamans Herz wie eine Erfrischung nach dem Fieber, und wie die Wiederkehr der Gesundheit; er seufzte und wandte die Zunge im Munde und sprach zu seinem Vater: ›O mein Vater, lasse diesen Jüngling kommen und sich mir zur Seite setzen.‹ – –«

 

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundachtundneunzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman zu seinem Vater sprach: ›O mein Vater, erlaube diesem Jüngling, daß er komme und sich mir zur Seite setze.‹ Als nun der König diese Worte seines Sohnes hörte, da freute er sich in höchster Freude, obgleich zuerst sein Herz wider Marzawan eingenommen gewesen war und er beschlossen hatte, dem Fremdling das Haupt abschlagen zu lassen; doch als er Kamar al-Zaman reden hörte, da verließ ihn sein Zorn, und er stand auf, zog Marzawan an sich, setzte ihn zu seinem Sohne, wandte sich zu ihm und sprach: ›Preis sei Allah für deine Rettung!‹ Versetzte er: ›Allah behüte dich und erhalte dir deinen Sohn!‹ Und er rief Segen herab auf den König. Da fragte der König: ›Aus welchem Lande kommst du?‹ Versetzte er: ›Von den Inseln des Binnenmeeres, dem Königreich des Königs Ghajur, des Herrn der Inseln und der Meere und der sieben Schlösser.‹ Sprach König Schahriman: ›Vielleicht wird deine Ankunft meinem Sohne ein Segen, und Allah verleiht die Heilung seiner Krankheit.‹ Sprach Marzawan: ›Nichts soll geschehen, als was gut ist!‹ Und er wandte sich zu Kamar al-Zaman und sprach ihm ins Ohr, ohne daß der König und sein Hof ihn hörten: ›O mein Herr, sei frohen Mutes und mache dein Herz der Sorge bar und halte dein Auge kühl und klar! Was aber die angeht, um deretwillen du also bist, so frage nicht nach ihrer Not um deinetwillen. Du aber bewahrtest dein Geheimnis, während sie ihr Geheimnis verriet; und da man meinte, sie sei irre geworden, so ist sie jetzt im Kerker und in erbärmlicher Not, und sie trägt um den Hals eine eherne Kette; doch so Allah will, sollt ihr beide durch meine Hand errettet werden.‹ Als nun Kamar al-Zaman diese Worte vernahm, da kehrte ihm das Leben zurück, und er faßte sich ein Herz, und ein Freudenschauer durchlief ihn, so daß er seinem Vater winkte, er möge ihm helfen, sich aufzusetzen; und dem König war, als müsse er fliegen vor Freuden, und eilig stand er auf, um ihn emporzurichten. In seiner Sorge aber um seinen Sohn schwenkte er alsbald das Tuch der Entlassung, und alle Emire und Veziere zogen sich zurück; dann schob er seinem Sohn zwei Kissen hin, auf die er sich lehnen sollte, und befahl, den Palast mit Safran zu parfümieren und die Stadt zu schmücken, indem er zu Marzawan sprach: ›Bei Allah, o mein Sohn, dein Anblick ist ein Glück und ein Segen!‹ Und er bemühte sich um ihn, so sehr er konnte, und rief nach Speise, und als man sie brachte, trat Marzawan zu dem Prinzen und sprach: ›Steh auf und iß mit mir.‹ Und er gehorchte und aß mit ihm, und derweilen rief der König Segen auf Marzawan herab und sprach: ›Wie glückbringend war dein Eingang, o mein Sohn!‹ Und als der Vater seinen Knaben essen sah, da verdoppelte sich seine Freude, und er ging hinaus und erzählte es der Mutter des Prinzen und dem ganzen Hause. Dann verbreitete er die frohe Botschaft von der Genesung des Prinzen durch den ganzen Palast, und der König befahl, die Stadt zu schmücken, und es war ein Tag der hohen Feier. Marzawan verbrachte die Nacht bei Kamar al-Zaman, und auch der König schlief bei ihnen in Freude und Frohlocken ob der Genesung seines Sohnes. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundneunundneunzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß auch König Schahriman jene Nacht bei ihnen verbrachte, im Übermaß der Freude über seines Sohnes Genesung. Und als der nächste Morgen dämmerte und der König gegangen war und die beiden Jünglinge allein blieben, da erzählte Kamar al-Zaman Marzawan von Anfang bis zu Ende seine Geschichte, und der sprach: ›Wahrlich, ich kenne sie, mit der du zusammentrafest; sie heißt die Prinzessin Budur und ist die Tochter des Königs Ghajur.‹ Und er berichtete ihm von Anfang bis zu Ende alles, was mit der Prinzessin vorgefallen war, und machte ihn bekannt mit dem Übermaß der Liebe, die sie ihm entgegenbrachte, indem er sprach: ›Alles, was dir mit deinem Vater widerfuhr, widerfuhr ihr mit ihrem, und ohne Zweifel bist du ihr Verlobter, wie sie die deine ist; also raffe dich auf und fasse dir ein Herz, denn ich will dich zu ihr bringen und euch beide vereinen und an euch handeln, wie es der Dichter sagt:

Wenn dem Geliebten auch grollt die Geliebte – Und ihm den Groll zeigt, wie sehr er auch weint;

Doch will ich wieder zusammen sie bringen – Wie die Schneiden der Scheere der Zapfen eint.

Und er ließ nicht ab, Kamar al-Zaman zuzureden und ihn zu trösten und zu ermuntern und zu ermahnen, daß er esse und trinke, bis er Speise aß und Wein trank; und so kehrte das Leben in ihn zurück, und er ward errettet aus seiner Not; und Marzawan heiterte ihn auf und unterhielt ihn mit Plaudern und Singen und mit Geschichten, und schließlich war er der Krankheit ledig, stand auf und wollte ins Hammam gehen. Da faßte Marzawan ihn bei der Hand, und beide gingen ins Bad, wo sie sich die Leiber wuschen und sauber machten. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als Kamar al-Zaman, der Sohn des Königs Schahriman, ins Bad ging, da habe sein Vater in der Freude über dieses Ereignis die Gefangenen freigelassen und seinen Großen prachtvolle Kleider verliehen, den Armen reiche Gaben gespendet und die Stadt sieben Tage lang zu schmücken befohlen. Dann aber sprach Marzawan zu Kamar al-Zaman: ›Wisse, o mein Herr, ich kam einzig zu diesem Zwecke von der Herrin Budur, und das Ziel meiner Reise war, sie aus ihrer gegenwärtigen Not zu erretten; jetzt bleibt uns nur noch übrig, auszusinnen, wie wir zu ihr kommen können, da dein Vater den Gedanken einer Trennung von dir nicht zu ertragen vermag. Also rate ich dir, daß du ihn morgen um die Erlaubnis bittest, auszuziehen auf die Jagd. Dann nimm mit dir ein paar Satteltaschen voll Geld, steig auf ein rasches Roß und führe ein zweites am Zügel; ich will desgleichen tun, und du sprich zu deinem Vater: Ich möchte mich unterhalten, indem ich die Wüste durchjage und das offene Land betrachte, und will dort eine Nacht verbringen. Laß uns keinen Diener folgen, denn sobald wir das offene Land erreichen, wollen wir unserer Wege ziehen.‹ Dieses Planes freute Kamar al-Zaman sich in großer Freude und rief: ›Es ist gut.‹ Und er machte den Rücken steif, trat ein zu seinem Vater und sprach, wie man ihm geheißen hatte; und der König willigte ein, daß er auf die Jagd zöge, und sprach: ›O mein Sohn, gesegnet sei der Tag, der dich der Gesundheit zurückgibt! Ich will dir hierin nicht widersprechen; doch verbringe nicht mehr als eine Nacht in der Wüste und kehre am Tage darauf zu mir zurück; denn du weißt, das Leben taugt mir nicht ohne dich, und wahrlich, ich kann es kaum glauben, daß du ganz genesen bist von dem, was du hattest, denn du bist mir wie der, von dem der Dichter spricht:

Hätt ich auch bei mir Tag und Nacht – Sulaimans Teppich und der Chosroes Macht,

Mir wär es weniger als ein Mückenflügel – Wär dieses Aug um deinen Blick gebracht.

Dann rüstete der König seinen Sohn Kamar al-Zaman und Marzawan für den Ausflug aus, indem er vier Rosse für sie schirren ließ, und ein Dromedar für das Geld, und ein Kamel für das Wasser und die Zehrung. Kamar al-Zaman aber verbot all seinen Dienern, ihm zu folgen. Sein Vater nahm Abschied von ihm, drückte ihn an die Brust und sprach: ›Ich bitte dich im Namen Allahs, bleibe nicht länger fern von mir als eine Nacht, in der mir der Schlaf verwehrt sein wird; denn ich bin, wie der Dichter sagt:

Bist du da, bin ich in der Himmel Himmel – Und bist du fern, im schlimmsten Höllenfeuer:

Ich sei dein Pfand! Ist Lieben ein Verbrechen – Ja, dann ist mein Verbrechen ungeheuer.

Brennt Liebeslohe dich, wie mich sie brennt – Verdammt, zu riechen Tag und Nacht Dschehenna- Feuer?

Versetzte Kamar al-Zaman: ›O mein Vater, Inschallah, ich will nur eine Nacht im Freien schlafen!‹ Dann nahm er Abschied von ihm, und er und Marzawan saßen auf, und indem sie die übrigen Rosse und das Dromedar mit dem Gelde und das Kamel mit dem Wasser und der Zehrung führten, wandten sie die Gesichter zum offenen Lande. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertunderste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman und Marzawan aufbrachen und die Gesichter zum offenen Lande wandten; und sie ritten vom Grauen des Tages bis zum Einbruch der Nacht; dann machten sie Halt und aßen und tranken und fütterten ihre Tiere und ruhten eine Weile; schließlich aber saßen sie wieder auf und ließen drei Tage lang nicht ab, dahinzureiten, und am vierten kamen sie zu einem geräumigen Strich, darin sie ein Dickicht fanden. Dort machten sie Halt, und Marzawan nahm das Kamel und eines der Pferde, schlachtete sie und schnitt ihnen das Fleisch nackt von den Knochen. Dann zog er Kamar al-Zaman das Hemd und die Hose aus, die er mit dem Blut des Pferdes tränkte; und er nahm den Mantel des Prinzen, zerriß ihn in Fetzen und besudelte sie mit Blut; all das warf er auf die Gabelung des Weges. Dann aßen sie und tranken, saßen wieder auf und ritten weiter; und als Kamar al-Zaman fragte, weshalb dies geschähe, und sprach: ›Was bedeutet dies, o mein Bruder, und was soll es uns nützen?‹ da erwiderte Marzawan: ›Wisse, wenn wir die zweite Nacht ferngeblieben sind, nach der, für die wir die Erlaubnis hatten, und noch immer nicht zurückkehren, so wird dein Vater aufsitzen und uns folgen auf unserer Spur, bis er hierher kommt; und wenn er dies Blut sieht, das ich vergossen habe, und wenn er dein Hemd und deine Hose findet, zerrissen, und besudelt mit Blut, so wird er glauben, dich habe ein Unheil getroffen durch wilde Tiere oder Banditen; und er wird die Hoffnung aufgeben und in seine Stadt heimkehren, und durch diese List kommen wir zum Ziel unserer Wünsche.‹ Sprach Kamar al-Zaman: ›Bei Allah, dies ist wirklich eine seltene List! Du hast recht daran getan!‹ Dann ritten die beiden tage- und nächtelang dahin, und während der ganzen Zeit tat Kamar al-Zaman nichts, als daß er sich beklagte, wenn er sich allein sah, und er ließ nicht ab zu weinen, bis sie sich dem Ziel ihrer Reise näherten; da aber freute er sich und sprach diese Verse:

Spielst den Tyrannen du mit dem, der deiner stündlich denkt – Willst nach der Liebessehnsucht du Gleichgültigkeit verraten?

Mög ich verwirken jede Huld, wenn ich dich je betrog – Verließ ich dich, verlasse mich als Ernte schlimmer Saaten:

Doch ich war schuldig keiner Schuld, die solchen Lohn verdient – Und fehlt ich je, so sühne jetzt die Reue meine Taten;

Der Wunder eins des Schicksals ist's, daß du vor mir entfliehst – Doch zeigt das Schicksal Wunder uns, mehr als wir je erbaten.

Als er seine Verse beendet hatte, sagte Marzawan zu ihm: ›Sieh! Das sind die Inseln des Königs Ghajur.‹ Da freute Kamar al-Zaman sich in höchster Freude, dankte ihm für alles, was er getan hatte, küßte ihn zwischen den Augen und zog ihn – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundzweite Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman sich in höchster Freude freute, als Marzawan zu ihm sprach: ›Sieh! Das sind die Inseln des Königs Ghajur.‹ Er dankte ihm für alles, was er getan hatte, küßte ihn zwischen beiden Augen und zog ihn an seine Brust. Und als sie die Inseln erreicht hatten und in die Stadt einzogen, da nahmen sie Wohnung in einem Chan, wo sie sich drei Tage ausruhten von der Mühsal ihrer Reise; dann führte Marzawan Kamar al-Zaman in ein Bad, zog ihm Kaufmannskleider an und versah ihn mit einer goldenen geomantischen Tafel, mit allem astrologischen Gerät und einem vergoldeten Astrolabium aus Silber. Dann sagte er zu ihm: ›Steh auf, o mein Herr, nimm deinen Stand unter den Mauern des Königspalastes und rufe laut: Ich bin der gewandte Rechner, der Schreiber; ich bin der, der das Gesuchte weiß und den Suchenden; ich bin der abgründige Mann der Wissenschaft; ich bin der Astrolog mit der unbegrenzten Erfahrung! Wo also ist der, der da sucht? Sowie der König das hört, wird er nach dir schicken und dich zu seiner Tochter führen, der Prinzessin Budur, deiner Geliebten. Doch ehe du zu ihr eintrittst, sprich zu ihm: Gib mir drei Tage Frist, und wenn sie genest, so gib sie mir zum Weibe; und wenn nicht, so verfahre mit mir, wie du mit allen verfahren bist, die mir vorangegangen sind. Das wird er dir sicher bewilligen; und sowie du allein mit ihr bist, entdecke dich ihr; wenn aber sie dich sieht, so wird ihr die Kraft zurückkehren, und der Wahnsinn wird von ihr weichen, und in einer einzigen Nacht wird sie gesunden. Dann gib ihr zu essen und zu trinken, und ihr Vater wird dich ihr in seiner Freude über ihre Genesung vermählen und sein Königreich mit dir teilen, denn er hat sich selber diese Bedingung auferlegt, und also sei Friede mit dir.‹ Als nun Kamar al-Zaman seine Worte hörte, da rief er aus: ›Möge ich nie deiner Wohltat entbehren!‹ Und er nahm die vorbenannten Instrumente und verließ den Chan im Gewand seines Standes. Er schritt dahin, bis er unter den Mauern des Palastes König Ghajurs stand, und dort begann er zu rufen und sprach: ›Ich bin der Schreiber, ich bin der gewandte Rechner, ich bin der, der da kennt das Gesuchte und den Sucher; ich bin der, der das Buch aufschlägt und die Summen summiert; der die Träume entwindet, durch die das Gesuchte sich findet! Wo also ist der Suchende?‹ Als nun das Volk der Stadt das hörte, da strömte es zu ihm herbei, denn es war lange her, seit sie einen Schreiber oder Astrologen gesehen hatten; und sie umstanden ihn, und da sie ihn anstarrten, sahen sie ihn in der Blüte der Jugend, der Anmut und der vollendeten Zierlichkeit, und sie staunten ob seiner Lieblichkeit, seiner schönen Gestalt und seines Ebenmaßes. Und schließlich sprach einer ihn an und sagte: ›Allah sei mit dir, o du schöner Jüngling mit der beredten Zunge! Lade nicht dieses Grauen auf dich, und wirf nicht dein Leben fort in deinem Ehrgeiz, die Prinzessin Budur zum Weibe zu erhalten. Hebe die Augen auf jene hängenden Köpfe; all die, denen sie gehörten, haben in eben diesem Unternehmen das Leben eingebüßt.‹ Aber Kamar al- achtete ihrer nicht, sondern rief mit lauter Stimme und sprach: ›Ich bin der Gelehrte, der Schreiber! Ich bin der Astrolog, der Berechner!‹ Und alles Volk aus der Stadt warnte ihn, er jedoch sah sie nicht an und sprach in seiner Seele: ›Niemand kennt das Verlangen, außer dem, der es erduldet.‹ Und von neuem begann er zu rufen, so laut er konnte, und schrie: ›Ich bin der Schreiber, ich bin der Astrolog!‹ – –«

 

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertunddritte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman in keiner Weise auf die Worte der Bürger achtete, sondern weiter laut ausrief: ›Ich bin der Berechner! Ich bin der Astrolog!‹ Da zürnten ihm all die Städter und sprachen: ›Du bist nur ein Dummkopf, ein alberner, eigenwilliger Bursche! Habe Mitleid mit deiner eigenen Jugend, deinen zarten Jahren, deiner Schönheit und Lieblichkeit.‹ Er aber rief nur um so lauter: ›Ich bin der Astrolog, ich bin der Berechner! Ist einer da, der sucht?‹ Und als er so schrie und das Volk ihn warnte, siehe, da hörte König Ghajur seine Stimme und den Lärm seiner Untertanen und sprach zu seinem Vezier: ›Geh hinunter und bringe mir den Astrologen da.‹ Und der Vezier stieg hinab und brachte Kamar al-Zaman eiligst mitten aus der Menge zum König hinauf; und als er vor ihn trat, da küßte er den Boden und sprach die Verse:

Acht Glorien treffen sich in dir vereint – So daß das Schicksal dienend ewig dich bewehre:

Dein Wissen, Herrlichkeit, Huld, Edelmut – Ein klares Wort, ein tiefer Sinn, der Sieg, die Ehre!

Und als der König ihn erblickte, da hieß er ihn sich neben ihm setzen und sprach zu ihm: ›Bei Allah, o mein Sohn, wenn du kein Astrolog bist, so wage nicht dein Leben noch füge dich meiner Bedingung; denn mich bindet ein Eid, daß wer immer eintrete zu meiner Tochter und sie nicht heilet, dem muß ich den Kopf abschlagen; doch wer sie heilet, den werde ich ihr vermählen. Also laß dich nicht irreführen durch deine Schönheit und Lieblichkeit; denn bei Allah, und abermals bei Allah, wenn du sie nicht heilest, so werde ich dir sicherlich den Kopf abschlagen.‹ Und Kamar al-Zaman versetzte: ›Dies ist dein Recht; und ich willige ein, denn ich wußte das, bevor ich kam.‹ Da rief König Ghajur die Kasis als Zeugen wider ihn auf, gab ihn dem Eunuchen und sprach: ›Führe diesen zur Herrin Budur.‹ Der Eunuch nahm ihn bei der Hand und führte ihn den Gang entlang; Kamar al-Zaman aber ging an ihm vorbei und drängte vorwärts, während der Eunuch ihm nachlief und sprach: ›Weh dir! Beeile nicht dein eigenes Verderben; nie noch sah ich einen Astrologen, der so begierig war auf den eigenen Tod; aber du weißt nicht, welche Nöte dir bevorstehen.‹ Da wandte Kamar al-Zaman das Gesicht von dem Eunuchen ab – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundvierte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als der Eunuch zu Kamar al-Zaman sprach: ›Geduld und nicht so ungebührliche Eile!‹ da habe der Prinz das Gesicht gewandt und diese Verse gesprochen:

Ein Weiser bin ich, doch vor dir ein Narr – Ich weiß, verstört, nicht, was die Worte sagen:

Nenn ich dich Sonne, schwindest doch den Augen – Du nicht wie sie, die sinkt mit allen Tagen,

Und deine Schönheit ist so wunderbar – Daß Redner irre gehn und Schwätzer ganz versagen.

Dann stellte der Eunuch Kamar al-Zaman hinter den Vorhang an der Tür der Prinzessin, und der Prinz sprach zu ihm: ›Welche Art wird dir mehr gefallen; wenn ich deine Herrin von hier aus behandle und heile, oder wenn ich eintrete und sie innerhalb des Vorhangs heile?‹ Der Eunuch staunte ob seiner Worte und entgegnete: ›Wenn du sie von hier aus heiltest, so wäre es ein größerer Beweis deiner Kunst.‹ Da setzte Kamar al-Zaman sich hinter dem Vorhang nieder, nahm Tintenkapsel und Papier und schrieb, was folgt: ›Dies ist das Schreiben dessen, den die Leidenschaft durchschauert – und dem die Sehnsucht auflauert – und der im wachen Elend dem Tode entgegentrauert – dessen, der da verzweifelt am Leben – dem nur der Tod noch kann etwas geben – des Herz so in Trauer schwimmt – daß kein Tröster noch Helfer mehr Anteil nimmt – dessen, des schlaflosen Augen – keine Hilfe wider die Angst mag taugen – des Tage dahingehn durch Flammen – und den seine Nächte zur Folter der Sehnsucht verdammen – ausgemergelt vor Hagerkeit ist ihm der Leib – und keinen Trost bringt ihm Botschaft von der Geliebten Verbleib.‹ Und dann schrieb er die folgenden Verse:

Ich schreibe mit einem Herzen, gewidmet einzig dem Denken an dich – Und mit Augen, gerötet von Tränen des Bluts, das sie bluten;

Einem Leib, gekleidet durch Liebessehnsucht und Pein – In das Hemd der Hagerkeit, das ungehemmt Wind und Licht durchfluten;

Ich beklage bei dir mich über die Folter der Liebe – Aus ihrer Stätte vertrieb die Geduld sie mit ihren Ruten:

O du! Sei huldvoll, zeige ein wenig Erbarmen – Der Leidenschaft grausame Hände wühlen im Leib mir, daß mir die Eingeweide bluten.

Und unter seine Verse schrieb er diese rhythmischen Sätze: ›Vom Herzen der Schmerz nur dem abzieht, der endlich die Geliebte wiedersieht – Und wen die Geliebte peinigt, den nur Allah von seinen Leiden reinigt! – Haben wir oder ihr Betrug geübt, so sei des Betrügers Lust getrübt! – Es gibt nichts Schöneres als einen Liebenden, der Treue bewahrt, wenn auch die Geliebte ihn mit dem Leiden paart.‹ Und als Unterschrift schrieb er: ›Von dem Verstörten, der ganz in Verzweiflung verloren – und den Liebe und Sehnsucht durchbohren – von dem Liebenden unter der Leidenschaft Bann – dem Gefangenen, der da nicht vermag, dem Wahnsinn zu entweichen – von Kamar al-Zaman – dem Sohn des Schahriman – an die Eine ohnegleichen – an die Perle unter den Himmelshuris – an die Herrin Budur – die Tochter des Königs Ghajur – Wisse, daß mich des Nachts Schlaflosigkeit peinigt – und daß bei Tage die Not mich steinigt – daß mich der Schwund und der Schmerz verzehren – während sich Liebe und Sehnsucht nur mehren – Meiner Seufzer sind viel – und der Tränen kein Ziel – Ich bin von der Liebe gefangen – und bin erschlagen vom Verlangen – und mein Herz erstickt vor der Trennung Bangen – Schuldner bin ich der Sehnsucht und ihrem Schmerzenstroß – und der Krankheit bin ich ein Zechgenoß – Ich bin der Schlaflose, der nimmer sein Auge schließt – der Sklave der Liebe, des Träne sich immer ergießt – denn das Feuer meines Herzens brennt noch immer – und die Flamme meiner Sehnsucht verbirgt sich nimmer.‹ Und schließlich schrieb Kamar al-Zaman diesen vielbewunderten Vers an den Rand: