Erzählungen aus 1001 Nacht - 4. Band

Text
Autor:
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundelfte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als die Herrin Budur Hajat al-Nufus mit ihrer Geschichte bekannt machte und sie bat, ihr Geheimnis zu bewahren, da habe diese ihr in höchstem Staunen zugehört, und zum Mitleid gerührt habe sie zu Allah gebetet, sie mit ihrem Geliebten zu vereinigen, indem sie sprach: ›Fürchte nichts, o meine Schwester, sondern habe Geduld, bis Allah herbeiführt, was geschehen muß‹; und sie sprach die Verse:

Nur der Treue bewahrt ein Geheimnis – Der Treue bewahrt es unentsiegelt:

Mir ist es wie ein verschlossenes Haus – Ohne Schlüssel die Schlösser, die Türen verriegelt.

Und als Hajat al-Nufus geendet hatte, da sprach sie: ›O meine Schwester, wahrlich, wer sein Geheimnis Edlen und Helden gab, der senkte es in ein verschwiegenes Grab, und nie will ich deines verraten.‹ Dann spielten sie miteinander und umarmten und küßten sich und schliefen bis fast zum Ruf des Mu'ezzins zum Morgengebet; und als Hajat al-Nufus aufstand, da nahm sie eine junge Taube, schnitt ihr über ihrem Hemde den Hals ab und besudelte sich mit dem Blute. Dann zog sie ihre Hose aus und rief laut, so daß ihre Dienerinnen herbeieilten und den üblichen Jubel anstimmten und das Geschrei der Freude und des Frohlockens. Bald darauf trat ihre Mutter ein, fragte sie, wie es ihr ginge, machte sich bei ihr zu schaffen und blieb bis zum Abend; die Herrin Budur aber stand derweilen auf, begab sich mit Tagesanbruch ins Bad, wusch und reinigte sich und ging in die Staatshalle, wo sie sich auf ihren Thron setzte und Recht sprach unter dem Volk. Als nun König Armanùs die lauten Freudenschreie hörte, da fragte er, was es gäbe, und man sagte ihm, die Hochzeit seiner Tochter sei vollzogen; des freute er sich, und seine Brust schwoll vor Jubel, und er hielt ein großes Fest ab, dessen Lustbarkeiten lange dauerten. Also erging es mit ihnen.

König Schahriman aber hatte derweilen, als sein Sohn, wie zuvor berichtet, mit Marzawan auf die Jagd gezogen war, geduldig auf ihre Rückkehr zur Nachtzeit gewartet; als aber sein Sohn nicht erschien, da verbrachte er die Nacht ohne Schlaf, und die dunklen Stunden lasteten lang auf ihm; seine Rastlosigkeit war groß, seine Erregung bedrängte ihn, und er glaubte, nimmer werde der Morgen tagen. Und als der Tag anbrach, da saß er da und wartete seines Sohnes, und er harrte bis Mittag, er aber kam nicht; nun ahnte sein Herz die Trennung, und es brannte vor Furcht für Kamar al-Zaman; und er rief: ›Wehe! Mein Sohn!‹ und weinte, bis seine Kleider naß waren von Tränen, und sprach mit pochendem Herzen:

Der Liebe Jünger hab ich stets verfolgt – Bis selbst ich koste Liebesbitternis und Süße:

Ich trank das Glas der Strenge bis zur Hefe – Demütig warf ich mich vor ihrer Sklaven Füße:

Das Schicksal schwor, uns Liebende zu trennen – Es hielt sein Wort: ich weiß es, weil ich büße!

Und als er seine Verse geendet hatte, wischte er sich die Tränen ab und befahl seinen Truppen, sich zum Marsche bereit zu machen und zu einem langen Zuge zu rüsten. So saßen sie alle auf und zogen aus, geführt von dem Sultan, dem das Herz brannte vor Gram und in Flammen stand vor Sorge um seinen Sohn Kamar al-Zaman; und sie rückten in Eilmärschen vor. Nun teilte der König sein Heer in sechs Teile, einen rechten Flügel und einen linken Flügel, einen Vortrab und eine Nachhut; und er gab Befehl, daß man sich am Tage darauf an der Wegesgabelung treffen sollte. Da trennten sie sich und streiften den ganzen Rest des Tages durchs Land, bis zur Nacht, und sie marschierten die Nacht durch, und um den Mittag des folgenden Tages stießen sie wieder zusammen, wo sich die vier Straßen begegneten. Aber sie wußten nicht, welcher der Prinz gefolgt war, bis sie das Zeichen der zerrissenen Kleider sahen und die Fleischfetzen erblickten und das Blut, das neben dem Wege verspritzt war; und sie achteten auf jedes Stück der Kleider und jeden Fetzen zerrissenen Fleisches auf allen Seiten. Als nun König Schahriman das sah, da stieß er aus seines Herzens Kern einen lauten Schrei aus und rief: ›Wehe! Mein Sohn!‹ Und er schlug sich das Gesicht und raufte sich den Bart und zerriß sich das Kleid, denn er zweifelte nicht, daß sein Sohn tot wäre. Und er überließ sich ganz dem Übermaß des Weinens und Klagens, und auch die Truppen weinten, dieweil er weinte, denn alle waren überzeugt, daß Prinz Kamar al-Zaman umgekommen wäre. Sie streuten sich Staub auf das Haupt, und als die Nacht hereinbrach, da vergossen sie Tränen und klagten, bis es war, als sollten sie sterben. Der König aber sprach mit flammendem Herzen und brennenden Seufzern diese Verse:

Schilt nicht den Trauernden, der Schmerz betrauert – Die Seufzerklage zeigt dir jedes Leid:

Er weint im Drang der Trauer und der Pein – Sie zeigen seine Glut am besten weit:

Glücklich! Wem Liebeskrankheit schwor, es sollte – Sein Auge tränen alle Ewigkeit:

Er klagt, weil er den schönsten Mond verlor – Der alle übertraf im hellsten Kleid:

Doch gab der Tod den Becher, voll zum Rand – Als ihn zur Ferne trieb der Wanderneid:

Er ließ sein Haus und ging von uns zum Leide – Und keinem Bruder sagte er Bescheid:

Und sein Verlust stach mich mit Trennungsschmerzen – Nun steht die Trauer tausendfach bereit:

Er ging, verwaist er unsre Augen ließ – Ihm aber gab der Herr das Paradies.

Und als König Schahriman seine Verse geendet hatte, da kehrte er mit seinen Truppen in seine Hauptstadt zurück. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundzwölfte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß König Schahriman, als er seine Verse beendet hatte, mit seinen Truppen in die Hauptstadt zurückkehrte; denn er gab seinen Sohn verloren und glaubte, wilde Tiere oder Banditen hätten ihm aufgelauert und ihn in Stücke gerissen; und er ließ ausrufen, daß alle Bewohner der Khalidaninseln aus Trauer um ihn schwarze Kleider anlegen sollten. Und ferner baute er zu seinem Gedächtnis eine Halle, die er das Haus der Klagen nannte; und Montags und Donnerstags widmete er sich den Staatsgeschäften und der Regelung aller Angelegenheiten seiner Untertanen und Krieger; den Rest der Woche aber verbrachte er im Hause der Klagen, wo er seinen Sohn betrauerte und ihn in elegischen Versen beklagte, von denen einige also lauteten:

Mein Tag des Glücks ist der, da du erscheinest – Mein Tag der Qual ist der, an dem du gehst:

Beb ich die Nacht durch auch in Todesbangen – Das höchste Glück kommt, wenn du bei mir stehst.

Und wiederum sprach er:

Mein Herz sei Opferpfand für den, des Gehen – Die Herzen hat in argem Schmerz gebrochen:

Die Freude mag die Witwenfrist erfüllen – Hab ich ihr dreifach doch die Scheidung ausgesprochen.

Inzwischen nun blieb die Königin Budur, die Tochter des Königs Ghajur, als Herrscherin auf den Ebenholzinseln, wo das Volk mit den Fingern auf sie zu zeigen pflegte, indem es sprach: ›Das ist der Eidam des Königs Armanùs.‹ Und jede Nacht lag sie bei Hajat al-Nufus, der sie ihre Verlassenheit klagte und ihre Sehnsucht nach ihrem Gatten Kamar al-Zaman, und sie weinte und schilderte ihr seine Schönheit und Lieblichkeit, und sie lechzte danach, ihn zu genießen, wäre es auch nur im Traum. Zuweilen auch sprach sie:

Zu Wucherzinsen muß, Gott weiß es, ich – Mir Tränen borgen seit dem Trennungstage:

›Geduld!‹ der Tadler ruft: ›Bald kommt die Lust!‹ – Wo wohnt Geduld? Hör, Tadler meine Frage!

Kamar al-Zaman aber blieb derweilen bei dem Gärtner im Garten, und er weinte Tag und Nacht und sprach Verse, in denen er die vergangene Zeit des Genusses und der Lust beklagte; und immer tröstete ihn der Gärtner und versicherte ihm, zu Ende des Jahres werde das Schiff nach dem Lande der Moslems segeln. So blieb es lange, bis er eines Tages sah, wie sich das Volk zusammenscharte, und darob erstaunte; der Gärtner aber trat zu ihm ein und sprach: ›O mein Sohn, laß heute die Arbeit und leite kein Wasser zu den Bäumen; denn es ist ein Festtag, an dem die Leute einander besuchen. Also ruhe dich aus und behalte nur den Garten im Auge, derweilen ich fortgehe und nach dem Schiff ausschaue: nur noch eine kurze Weile, und dann sende ich dich in das Land der Moslems.‹ Mit diesen Worten ging er zur Pforte des Gartens hinaus, in dem er Kamar al-Zaman sich selber überließ. Der nun begann über seine Not zu sinnen, bis es war, als müsse ihm das Herz brechen, und bis ihm die Tränen aus den Augen strömten. Und er weinte in übermäßigem Weinen, bis er in Ohnmacht sank, und als er wieder zu sich kam, da stand er auf und ging im Garten umher und erwog, was alles die Zeit ihm angetan hatte; und er klagte ob der langen Dauer seiner Wanderschaft in der Fremde und ob der Trennung von allen, die er liebte. Und als er so versunken war in traurige Gedanken, da stolperte sein Fuß, und er fiel auf das Gesicht, und seine Stirn traf auf den vorragenden Wurzelast eines Baumes, so daß er sie aufschlug und ihm das Blut herabrann und sich mit seinen Tränen mischte. Er stand wieder auf, wischte sich das Blut ab, trocknete seine Tränen und verband sich die Stirn mit einem Tuch; dann setzte er seine Wanderung durch den Garten fort, erfüllt von traurigen Träumen. Plötzlich aber warf er einen Blick hinauf in einen Baum, wo sich zwei Vögel zankten, und er sah, wie der eine sich erhob und den anderen mit dem Schnabel im Nacken traf, so daß er den Kopf vom Rumpfe trennte; dann flog er davon, während der erschlagene Vogel vor Kamar al-Zaman zu Boden fiel. Und als er so dalag, siehe, da stießen zwei große Vögel herab, und der eine setzte sich ihm zu Häupten, der andere zu Füßen; und beide ließen die Flügel hängen und senkten die Schnäbel über ihn und reckten die Hälse und weinten. Und auch Kamar al-Zaman mußte weinen, als er sah, wie die Vögel ihren Genossen beweinten, und er dachte seines Weibes und seines Vaters. – –«

 

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertunddreizehnte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman weinte und klagte ob seiner Trennung von Weib und Vater, als er die beiden Vögel um ihren Genossen weinen sah. Dann schaute er ihnen zu, und er sah, wie sie ein Grab gruben und den Erschlagenen darein versenkten; dann flogen sie weit in den Himmel hinauf und verschwanden eine Weile; aber schließlich kehrten sie mit dem Mörder zurück, landeten auf dem Grabe des Ermordeten und traten auf den Mörder ein, bis sie ihn getötet hatten. Dann rissen sie ihm den Leib auf, zerrten die Eingeweide heraus und gossen das Blut auf das Grab des Erschlagenen; und ferner zogen sie ihm die Haut ab und pickten sein Fleisch in Stücke, zupften den Rest des Gedärms heraus und verstreuten das alles hierhin und dorthin. Derweilen aber sah Kamar al-Zaman ihnen staunend zu; und plötzlich, als er die Stelle betrachtete, auf der die beiden den dritten erschlagen hatten, sah er dort etwas glitzern. Da trat er herzu und fand den Kropf des toten Vogels. Er nahm ihn auf, öffnete ihn und fand darin den Talisman, der ihn von seinem Weibe getrennt hatte. Doch als er ihn sah und erkannte, da fiel er zu Boden, ohnmächtig vor Freuden; und als er wieder zu sich kam, da sprach er: ›Preis sei Allah! Dies ist ein Vorgeschmack des Guten und eine Weissagung der Wiedervereinigung mit meiner Geliebten.‹ Er prüfte den Stein, strich sich damit über die Augen, band ihn, voll Freude über kommendes Wohl, an seinem Unterarm fest und ging bis zum Einbruch der Nacht umher, indem er des Gärtners harrte; und als er nicht kam, da legte er sich nieder und schlief an der gewohnten Stelle ein. Mit Tagesanbruch ging er an seine Arbeit, und indem er sich mit einem Strick aus Palmenfaser gürtete, nahm er Beil und Korb und ging durch den ganzen Garten hinab, bis er zu einem Johannisbrotbaum kam, an dessen Wurzeln er die Axt anlegte. Der Schlag aber klang hohl und hallte wider; und er räumte das Erdreich fort, fand eine Falltür und hob sie auf. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundvierzehnte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman, als er die Falltür aufhob, darunter eine Wendeltreppe fand, die er hinabstieg, bis er in ein altes Gewölbe kam, aus der Zeit der Ad und Thamud, das aus dem Felsen gehauen war. Rings um dies Gewölbe standen viele bronzene Gefäße, jedes so groß wie ein großer Ölkrug, und alle gefüllt mit gleißendem, rotem Golde. Sprach er bei sich selber: ›Wahrlich, die Sorge schwand, und der Trost ist gekommen!‹ Dann stieg er wieder hinauf aus dem Gewölbe in den Garten, deckte die Tür wie zuvor wieder zu und begann bis zur Neige des Tages Wasser an die Bäume zu leiten; und abends kehrte der Gärtner nach Hause und sprach zu ihm: ›O mein Sohn, freue dich der frohen Botschaft schneller Heimkehr in deine Heimat: die Kaufleute sind zur Reise gerüstet, und in drei Tagen wird das Schiff nach der Ebenholzstadt unter Segel gehen, die da die erste ist unter den Städten der Moslems; wenn du dort bist, so mußt du noch sechs Monate lang zu Lande reisen, um nach den Khalidaninseln zu kommen, dem Reiche des Königs Schahriman.‹ Des freute Kamar al-Zaman sich und sprach:

Nicht höhne grausam den, den Unschuld schützt – Und weiche nicht von dem, der auch von dir nicht wich:

Ein andrer hätte wohl sein Herz zurückgenommen – Und wäre anders jetzt: ein andrer, doch nicht ich!

Dann küßte er dem Gärtner die Hand und sprach: ›O mein Vater, genau wie du mir eine frohe Botschaft gebracht hast, so habe auch ich eine große, gute Nachricht für dich‹; und er erzählte ihm von seiner Entdeckung des Gewölbes. Da freute der Gärtner sich und sprach: ›O mein Sohn, achtzig Jahre lebe ich nun in diesem Garten, und niemals habe ich etwas gefunden; du aber bist nur ein Jahr bei mir gewesen und hast diesen Schatz entdeckt; also ist er eine Gabe des Himmels für dich, und er wird dein Ungemach beenden und dir helfen, zu den Deinen zurückzukehren und die aufzusuchen, die du liebst.‹ Sprach Kamar al-Zaman: ›Es hilft nicht, wir müssen ihn teilen zwischen dir und mir.‹ Dann führte er ihn hinab in das Verlies und zeigte ihm das Gold, das in zwanzig Krügen lag; zehn nahm er für sich, und zehn nahm der Gärtner, und der Alte sprach zu ihm: ›O mein Sohn, fülle dir Lederschläuche mit den Sperlingsoliven, die in diesem Garten wachsen, denn man findet sie nur in unserem Lande, und die Kaufleute nehmen sie mit in alle Gegenden. Lege das Gold in die Schläuche und bedecke es mit den Oliven, und so nimm sie mit auf das Schiff.‹ Da stand Kamar al-Zaman unverzüglich und unverweilt auf, nahm fünfzig Lederschläuche, tat in einen jeden ein wenig von dem Golde und schloß ihn, nachdem er eine Schicht Oliven darüber gebreitet hatte; und auf den Boden eines der Schläuche legte er den Talisman. Dann setzte er sich, um mit dem Gärtner zu plaudern, denn er war schneller Vereinigung mit den Seinen gewiß, und sprach bei sich selber: ›Wenn ich zu den Ebenholzinseln komme, so will ich von dort in das Land meines Vaters reisen und fragen nach meiner geliebten Budur. Wollte der Himmel, ich wüßte, ob sie in ihre Heimat zurückgekehrt ist oder weiter zog zum Lande meines Vaters, oder ob ihr auf dem Wege etwas widerfuhr!‹ Und er sprach die Verse:

Sie entflammten die Liebe mir in der Brust und gingen – Und fern ist, darin der Geliebte weilt, das Land:

Fern ist das Lager und die, die darinnen lagern – Fern steht ihr Zelt, zu dem nimmer den Weg ich fand.

Mich floh die Geduld auch, da sie vor mir flohen – Der Schlaf verließ mich, die Ausdauer schwand:

Sie gingen, und mit ihnen ging meiner Freuden jede – Und auch der Friede bietet mir nicht mehr die Hand:

Sie machten, daß flutend die Liebestränen rollen – Und seit sie fort sind, füllt Wasser die Augen zum Rand.

Wenn trauernd mein Geist sie wieder erblicken möchte – Und wenn die Erwartung sich mit den Schmerzen verband,

So muß ich im Herzen mir ihre Bilder bauen – In Liebe und Sehnsucht ihre Anmut zu schauen.

Und während er das Ende der Tagesfrist erwartete, erzählte er dem Gärtner die Geschichte von den Vögeln und alles, was zwischen ihnen vorgefallen war; und der Hörer staunte darob; dann legten sie beide sich nieder und schliefen bis zum Morgen. Krank erwachte der Gärtner, und er blieb es zwei Tage lang; am dritten Tage aber übermannte ihn die Krankheit so, daß sie an seinem Leben verzweifelten und Kamar al-Zaman sich schwer um ihn grämte. Inzwischen nun, siehe, kam der Schiffsführer mit seiner Mannschaft und erkundigte sich nach dem Gärtner; und als Kamar al-Zaman ihnen sagte, daß er krank wäre, fragten sie: ›Wo ist der Jüngling, der mit uns zu den Ebenholzinseln reisen will?‹ ›Er ist euer Diener, und er steht vor euch!‹ versetzte der Prinz, der ihnen befahl, die Olivenschläuche an Bord zu tragen; sie aber nahmen sie auf und sagten: ›Eile dich, denn der Wind ist günstig.‹ Versetzte er: ›Ich höre und gehorche.‹ Dann trug er seinen Proviant aufs Schiff, und als er zurückkehrte, um dem Gärtner Lebewohl zu sagen, fand er ihn schon im Todeskrampf; da setzte er sich ihm zu Häupten, und als seine Seele aus dem Leibe entfloh, drückte er ihm die Augen zu; er bahrte ihn auf, empfahl ihn der Gnade des allmächtigen Allah und senkte ihn in die Erde. Dann eilte er hinunter zum Schiff, doch er sah, daß es schon die Anker gelichtet hatte und unter Segel gegangen war; und es ließ nicht ab, durch die See dahinzuschneiden, bis es seinen Blicken entschwand. So kehrte er schweren Herzens und wirbelnden Kopfes dorthin zurück, woher er gekommen war; niemanden sprach er an, und keinem gab er eine Antwort. Als er den Garten erreichte, da setzte er sich nieder in Sorge und Kummer, streute sich Staub aufs Haupt und schlug sich die Wangen. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundfünfzehnte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als das Schiff seinem Laufe folgte, da sei Kamar al-Zaman in Sorge und Kummer in den Garten zurückgekehrt; bald darauf aber pachtete er das Gelände von seinem Besitzer und mietete sich einen Mann, der ihm bei der Bewässerung der Bäume half. Ferner begab er sich zu der Falltür, stieg in das Gewölbe hinab, holte den Rest des Goldes herauf und verstaute ihn in weiteren fünfzig Schläuchen, die er mit einer Schicht Oliven bedeckte. Dann erkundigte er sich nach dem Schiff, und man sagte ihm, es segle nur einmal des Jahres; da wuchs seine Ratlosigkeit noch, und er weinte bitterlich um alles, was ihm widerfahren war, am meisten jedoch um den Verlust des Talismans der Prinzessin Budur, so daß er die Nächte und Tage weinend verbrachte, indem er Verse sprach.

Das Schiff aber segelte mit günstigem Winde dahin, bis es die Ebenholzinseln erreichte. Nun saß nach dem Spruche des Schicksals die Königin Budur an einem Gitterfenster, das das Meer überschaute, und sie sah, wie die Galeere am Strande Anker warf. Bei diesem Anblick pochte ihr das Herz, und sie saß auf mit den Kämmerlingen und Nabobs, ritt zur Küste hinab und machte neben dem Schiffe Halt, als eben die Seefahrer zu löschen begannen und die Ballen in die Warenschuppen trugen; da rief sie den Schiffsführer vor sich und fragte ihn, was er bringe. Versetzte er: ›O König, ich habe bei mir in diesem Schiff aromatische Säfte, Schönheitsmittel, Heilpulver, Salben, Pflaster, Edelmetalle, reiche Stoffe und Tücher aus Yamanileder, in solchen Mengen, daß kein Maultier und kein Kamel sie zu tragen vermag, und allerlei Essenzen, Gewürze und Wohlgerüche, Zibet und Amber und Kampfer, Aloenholz aus Sumatra, Tamarinden und Sperlingsoliven, wie man sie selten findet in diesen Landen.‹ Als sie von Sperlingsoliven hörte, da sehnte ihr Herz sich nach ihnen, und sie sagte zu dem Führer des Schiffes: ›Wieviel Oliven hast du?‹ Versetzte er: ›Fünfzig Schläuche; doch ihr Besitzer ist nicht bei uns; also soll der König von ihnen nehmen, so viel er will.‹ Sprach sie: ›Bringt sie ans Land, damit ich sie sehe.‹ Und er rief die Matrosen an, die ihr die fünfzig Schläuche brachten. Einen öffnete sie, und als sie die Oliven sah, da sagte sie zu dem Schiffsführer: ›Ich will alle fünfzig nehmen und euch ihren Wert bezahlen, welches ihr Wert auch sei.‹ Versetzte er: ›Bei Allah, o mein Herr, in unserem Lande haben sie keinen Wert; obendrein blieb ihr Eigentümer hinter uns zurück, und er ist ein armer Mensch.‹ Fragte sie: ›Und was gelten sie hier?‹ Und er erwiderte: ›Tausend Dirhems.‹ ›Ich will sie um tausend Dirhems nehmen,‹ sagte sie und befahl, die fünfzig Schläuche in den Palast zu tragen. Als dann die Nacht kam, rief sie nach einem Sehlauch Oliven, und sie öffnete ihn, als niemand zugegen war, außer ihr und der Prinzessin Hajat al-Nufus. Und sie stellte eine Schüssel vor sie hin und schüttete den Inhalt des Krugs hinein; da aber fiel mit den Oliven ein Haufe roten Goldes in die Schüssel, und sie sagte zu der Herrin Hajat al-Nufus: ›Dies ist nichts anderes als Gold!‹ So rief sie denn auch nach den anderen Schläuchen, und alle fand sie voll edlen Metalles, der Oliven aber kaum genug, um einen einzigen Krug zu füllen. Und ferner suchte sie in dem Golde und fand den Talisman, den sie in die Hand nahm und prüfend ansah, und siehe, es war der, den Kamar al-Zaman ihr von der Schnur ihrer Hose genommen hatte. Da stieß sie einen lauten Freudenschrei aus und glitt ohnmächtig zu Boden. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundsechzehnte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als die Königin Budur den Talisman sah, da habe sie einen Freudenschrei ausgestoßen und sei ohnmächtig zu Boden gesunken. Und als sie wieder zu sich kam, da sprach sie in ihrer Seele: ›Wahrlich, dieser Talisman war der Anlaß meiner Trennung von meinem geliebten Kamar al-Zaman; aber jetzt ist er ein Vorzeichen des Glücks.‹ Dann zeigte sie ihn Hajat al-Nufus und sprach: ›Dies war der Anlaß der Trennung, und jetzt soll es, so Allah will, der Anlaß der Vereinigung werden.‹ Und sowie der Tag dämmerte, setzte sie sich auf den Königsthron und schickte nach dem Schiffsherrn, der vor sie hintrat und vor ihr den Boden küßte. Sprach sie: ›Wo ließest du den Besitzer dieser Oliven?‹ Und er: ›O König der Zeit, wir ließen ihn im Lande der Magier, und er ist Gärtner dort.‹ Versetzte sie: ›Wenn du ihn mir nicht bringst, so ahnst du nicht, welches Unheil deiner und deines Schiffes harrt.‹ Und sie befahl, die Vorratshäuser der Kaufleute zu versiegeln, und sprach zu ihnen: ›Wahrlich, der Besitzer dieser Oliven hat von mir geborgt, ich habe einen Schuldanspruch an ihn, und wenn ihr ihn mir nicht bringt, so will ich euch alle unfehlbar töten lassen, und eure Habe ziehe ich ein.‹ Da gingen sie alle zu dem Führer des Schiffes und versprachen ihm Miete für das Schiff, wenn er hinziehen wollte und nochmals fahren, und sprachen zu ihm: ›Befreie uns von diesem herrischen Tyrannen.‹ So schiffte er sich denn ein, ging unter Segel, und Allah verlieh ihm eine günstige Reise, bis er zu den Inseln der Magier kam, wo er zur Nachtzeit landete und in den Garten ging. Nun war Kamar al-Zaman diese Nacht lang geworden, und er saß da, in Gedanken an seine Geliebte, und beklagte, was ihm widerfahren war, indem er die Verse sprach:

 

Die Nacht, da jeder Stern den Lauf verweigert – Die Nacht, die endlos schien in bangen Sorgen:

Langwierig wie der Auferstehungstag – Für den, der wacht und wartet auf den Morgen.

In eben diesem Augenblick nun klopfte der Schiffsführer an das Gartentor, und Kamar al-Zaman tat ihm auf und ging mit ihm hinab an Bord des Schiffes und sogleich unter Segel; und sie ließen tage- und nächtelang nicht ab von ihrem Lauf, und immer noch wußte Kamar al-Zaman nicht, weshalb man also an ihm handelte; doch als er sie fragte, da erwiderten sie: ›Du hast dich vergangen an dem Herrn der Ebenholzinseln, dem Eidam des Königs Armanùs, und du hast ihm sein Geld gestohlen, Elender, der du bist!‹ Sprach er: ›Bei Allah, nie noch war ich in jenem Lande, noch auch weiß ich, wo es liegt!‹ Sie aber zogen mit ihm weiter, bis sie die Ebenholzinseln erreichten; und als sie landeten, führten sie ihn zu der Herrin Budur, die ihn auf den ersten Blick erkannte und sprach: ›Laßt ihn bei den Eunuchen, damit sie ihn zum Bade führen.‹ Dann entließ sie die Kaufleute aus der Haft und gab dem Schiffsführer ein Ehrengewand, das zehntausend Goldstücke wert war; und als sie in den Palast zurückkehrte, ging sie nachts zur Herrin Hajat al-Nufus und erzählte ihr, was geschehen war, und sprach: ›Bewahre du mein Geheimnis, bis ich mein Ziel erreiche und eine Tat tue, die man berichten wird, und die Könige und Untertanen lesen sollen, wenn wir tot und vergangen sind.‹ Und als sie Befehl gegeben hatte, Kamar al-Zaman ins Bad zu führen, da taten die Diener es, und kleideten ihn in ein königliches Gewand, so daß er, als er heraustrat, einem Weidenzweige glich oder einem Stern, der das größere und das geringere Licht beschämte, und Leben und Seele kehrten wieder ein in seinen Leib. Dann begab er sich in den Palast und trat ein zu der Prinzessin Budur; und als sie ihn sah, da lehrte sie ihr Herz Geduld, bis sie ihr Ziel erreicht haben würde; und sie gab ihm Mamelucken und Eunuchen, Maultiere und Kamele. Und ferner schenkte sie ihm einen Schatz Geldes, und sie ließ nicht ab, ihn von Würde zu Würde zu befördern, bis sie ihn zum Großschatzmeister machte und seiner Obhut alle Schätze des Staats übergab; und sie erhob ihn zu vertrauter Gunst und machte die Emire bekannt mit seinem Rang und seiner Würde. Und alle liebten ihn, denn die Königin Budur ließ nicht ab, Tag für Tag seinen Reichtum zu mehren. Kamar al-Zaman aber fand keinen Grund, weshalb sie ihn so ehrte; und aus der Fülle des Reichtums gab er Gaben und Geschenke; und er widmete sich dem Dienste des Königs Armanùs, so daß ihn der König und alle Emire und das Volk, so Große wie Kleine, anbeteten und bei seinem Leben schworen. Trotzdem aber staunte er immer über die Ehre und Gunst, die ihm die Königin Budur erwies, und er sprach bei sich selber: ›Bei Allah, es muß einen Grund geben für soviel Neigung! Vielleicht erweist mir dieser König so unmäßige Gnade nur zu einem argen Zwecke, und also hilft es nicht, ich muß ihn um Urlaub bitten, dies Reich zu verlassen.‹ Also trat er ein bei der Königin Budur und sprach zu ihr: ,O König, du hast mich mit Gunstbezeugungen überschüttet, aber du wirst das Maß deiner Güte voll machen, wenn du mir alles nimmst, was dir beliebte mir zu verleihen, und wenn du mir die Erlaubnis gibst, davonzuziehen.‹ Sie lächelte und fragte: ›Was treibt dich hinweg und in neue Gefahren, da du doch die höchste Gunst genießest und das glücklichste Gedeihen?‹ Versetzte Kamar al-Zaman: ›O König, wahrlich, diese Gunst ist, wenn sie nicht ihre Gründe hat, ein Wunder der Wunder, zumal du mich zu Würden erhoben hast, wie sie bejahrten und erfahrenen Männern gebühren, obgleich ich fast noch ein junges Kind bin.‹ Und die Königin Budur erwiderte: Der Grund ist der, daß ich dich liebe, um deiner großen, Lieblichkeit und deiner unvergleichlichen Schönheit willen; und wenn du mir gewähren willst, wonach mich verlangt, deinen Leib, so will ich dich noch höher heben in Ehre und Gunst und Reichtum; und ich will dich trotz deiner zarten Jahre zum Vezier befördern, sowie das Volk mich zum Sultan machte, da ich nicht älter war als du; so ist es denn heute nicht mehr wunderbar, wenn Kinder führen, und bei Allah, der war ein begabter Mann, der da sprach:

Es scheint, vom Stamme Lots sein unsre Tage – Sie wollen liebend Jugendliche fördern.

Als aber Kamar al-Zaman diese Worte vernahm, da stand er beschämt, und seine Wangen erröteten, bis es war, als flammten sie; und er sprach: ›Ich brauche diese Gunst nicht, die zur Sünde führt; ich will arm leben an Reichtum, doch reich an Tugend und Ehre.‹ Sprach sie: ›Ich lasse mich nicht täuschen durch deine Bedenken, die du nur spielst, weil du spröde bist und kokett; und Allah segne den, der da sprach:

Ich sprach von Paarung ihm, doch er versetzte: – Wie lange willst du so beharrlich flehn?

Doch als ich Gold ihm zeigte, rief er aus: – Wer kann des Geldes Allmacht je entgehn?‹

Als nun Kamar al-Zaman gar diese Verse vernahm und sie und ihren Inhalt begriff, da sprach er: ›O König, ich bin solche Dinge nicht gewöhnt, noch auch habe ich die Kraft, so schwere Bürden zu tragen, zu denen sich Ältere denn ich als ungeeignet erwiesen; wie also sollte es gehen bei meinen zarten Jahren?‹ Sie aber lächelte seiner Rede und sprach: ›Wahrlich, es ist doch wunderbar, wie der Irrtum aus dem Mangel an Verständnis entspringt! Da du doch ein Knabe bist, wie kannst du dich vor der Sünde fürchten und vor dem Tun verbotener Dinge, dieweil du doch noch nicht das Alter der gesetzlichen Verantwortlichkeit erreicht hast und die Vergehen eines Kindes weder Strafe noch Vorwurf finden? Wahrlich, du hast dich um des Streites willen in Wortspiele eingelassen, und es ist deine Pflicht, dich dem Vorschlag des Genusses zu beugen; also laß hinfort deine Weigerung und Scheu, denn Allahs Befehl ist vorbestimmter Beschluß. Wahrlich, ich habe mehr Grund als du, mich vor dem Fall zu fürchten und davor, daß mich die Sünde irreführt; und schön begeistert war der, der da sprach:

Mein Stachel ist groß, und der Kleine sprach: – Stoß kühn hinein mit Löwenstich!

Ich sprach: Das ist Sünde; doch er: Nicht für mich – Da stieß ich ihn gleich mit falschem Stich.‹

Als Kamar al-Zaman das hörte, da wurde das Licht vor seinen Augen zunicht, und er sprach: ›O König, du hast schöne Frauen und Sklavinnen in deinem Hause, die ihresgleichen in unserer Zeit nicht finden: genügen nicht sie dir ohne mich? Tu deinen Willen an ihnen und laß mich gehn!‹ Versetzte sie: ›Du sprichst die Wahrheit, aber nicht bei einer von ihnen kann der, der dich liebt, seine Qualen heilen und sein Fieber kühlen; denn wenn Geschmack und Neigung vom Laster verderbt sind, so lauschen und gehorchen sie anderem als gutem Rat. Also laß das Streiten und höre auf die Worte des Dichters: