Kommen Haustiere in den Himmel?

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Kommen Haustiere in den Himmel?
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ADRIAN PLASS

JEFF LUCAS

»Kommen Haustiere in den Himmel?«

… und andere Fragen

an die „Frommen Chaoten“

Aus dem Englischen

von Christian Rendel


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-96140-012-6

© 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

Originaltitel: All Questions Great and Small

Copyright © Adrian Plass and Jeff Lucas, 2015

The right of Adrian Plass and Jeff Lucas to be identified as the Authors of the Work has been asserted by them in accordance with the Copyright, Designs and Patents Act 1988.

First published in Great Britain in 2015 by Hodder & Stoughton. An Hachette UK company

Carmelite House, 50 Victoria Embankment

London EC4Y 0DZ

Aus dem Englischen übersetzt von Christian Rendel

Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers

Satz: Brendow Web & Print, Moers

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

www.brendow-verlag.de

Für Nicki Rogers und Philippa Hanna, die unsere Touren mit Musik, Lachen und bester Gesellschaft bereichert haben.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Vorwort

Einleitung

Das erinnert mich daran, wie …

Wo ist meine Orangenkiste?!

Sagen, wie es wirklich ist …

Knifflige Frage!

Ich kann mir denken, warum du danach fragst …

Willst du die „offizielle Antwort“ oder die Wahrheit?

Was ist das denn für eine Frage?!

Daran kann man sich die Zähne ausbeißen!

Weitere Bücher

Anmerkung

Vorwort

Nicki

In den letzten fünfzehn Jahren hatte ich die Gelegenheit, viele großartige Schriftsteller und Redner bei verschiedenen Veranstaltungsformaten musikalisch zu begleiten. Ich finde meinen Job herrlich und weiß, was für ein Glückspilz ich bin. Aber ich muss zugeben, dass nicht jede Veranstaltung das reinste Vergnügen ist. Es gab auch schon Gelegenheiten, bei denen ich mich, sobald ich mit dem Singen fertig war, irgendwohin verdrückt habe, um ein Buch zu lesen oder E-Mails zu verschicken, bis ich wieder an der Reihe war. Entsetzlich, ich weiß. Schande über mich.

Vor vier Jahren aber bekam ich die Einladung, gemeinsam mit zwei Leuten eine Tour unter dem Titel „Seriously Funny“ zu gestalten. Beide hatten eine tiefe Wirkung bei mir hinterlassen, als ich ihnen unabhängig voneinander begegnet war. Das gab mir sofort Hoffnung, mir während der ein oder zwei Wochen, die ich mit ihnen unterwegs sein würde, nicht dauernd ein Versteck suchen zu müssen.

Jeff Lucas und Adrian Plass zusammen haben genug Heiterkeit in sich, um auch dem größten Griesgram ein Lächeln abzuringen, genug lebensechte Bodenständigkeit, um ehrlich zu sein, ohne sich an schwierigen und unangenehmen Themen elegant vorbeizudrücken, und vor allem genug Liebe, um selbst den hartherzigsten Menschen dazu zu bringen, sich innerlich ein wenig erwärmt zu fühlen.

Die „Seriously-Funny“-Tour löste genau das ein, was auf dem Etikett stand: Sie verband Ernstes und Witziges in einem Gespräch unter Freunden über die Hürden und Realitäten im alltäglichen Leben als Christ. Und das Beste war, dass das Publikum sich an diesem Dialog beteiligen konnte.

Die erste Hälfte jedes Abends fing so an wie eine Plauderei unter Freunden am Kamin. Wir hörten zu, wie Jeff und Adrian sich ohne Skript über so vielfältige Themen unterhielten wie Verlust, Zweifel, Glaube, Depression, tote Hamster, Inkontinenz und alles andere, was ihnen am jeweiligen Abend zufällig in den Sinn und somit auf der Bühne zur Sprache kam.

Während der zweiten Hälfte verließ ich meinen Klavierhocker und las laut die anonymen Fragen aus dem Publikum vor, damit Jeff und Adrian sie beantworten – oder zumindest etwas dazu sagen konnten.

Die Leute schütteten auf den Zetteln mit herzzerreißender Ehrlichkeit ihre Herzen aus, und man kann mit Fug und Recht sagen, dass es uns manchmal so vorkam, als tue sich vor uns der Blick auf ein Schlachtfeld voller geschundener, geschlagener und bisweilen wirklich ernsthaft verletzter Mitglieder der wunderbaren, chaotischen Familie Gottes auf.

Jeff und Adrian antworteten ehrlich und einfühlsam aus ihrer eigenen Erfahrung, und manchmal gaben sie auch offen zu, dass sie gar keine Antworten hatten. Es durfte alles gefragt werden, und ich gab mir alle Mühe, ihnen so viele knifflige Fragen wie möglich zuzuschustern!

Natürlich wurde es auch sehr lustig. Immer wieder sah ich Leute unter Tränen lachen und den Beweis antreten, dass Lachen tatsächlich die beste Medizin ist. Überall im Saal lockerten sich angespannte Schultern, als die Leute merkten, dass es ihnen genauso ging wie den Sitznachbarn und dass die Leute auf der Bühne auch nur Menschen waren. Am Ende jedes Abends hatte man den Eindruck, dass ein Saal voller Leute, die sich überhaupt nicht kannten, mit dem Gefühl nach Hause gingen, sie könnten vielleicht doch irgendwo hingehören. Vielleicht waren sie doch gar nicht so allein.

Dieses Buch ist eine Sammlung dieser Fragen und eine Gelegenheit, die Atmosphäre jener ernsthaften und doch witzigen Abende noch einmal einzufangen.

Für mich war es ein herrliches Erlebnis, mit zwei Leuten auf der Bühne stehen zu dürfen, die zu meinen Lieblingsmenschen gehören. Bei ihnen stimmen Verpackung und Inhalt absolut überein, und der Inhalt ist Gold wert. Dass während meiner Abende mit Jeff und Adrian keine E-Mails verschickt wurden und ich mich während der Touren nicht ein einziges Mal verstecken musste, versteht sich von selbst.

Ich schlage vor, du schaltest dein Telefon aus, machst es dir in irgendeiner Ecke gemütlich und spürst, wie sich deine Schultern lockern, während du uns auf dieser nächsten Etappe der Seriously-Funny-Reise begleitest.

Nicki Rogers

Einleitung

Adrian

Ist euch aufgefallen, dass es in christlichen Kreisen zurzeit in Mode ist, negativen Aussagen nachdrücklich, ja geradezu begeistert zuzustimmen? Ein paar Beispiele gefällig? Okay.

„Wie denkst du über Zweifel? Ist es erlaubt, wenn Christen Zweifel haben?“

„Na klar! Ja! Absolut! Meine Güte, natürlich! Zweifel sind unverzichtbar. Wenn du nicht zweifelst, ist der Glaube bedeutungslos! Gib deine Zweifel niemals auf. Gerade wenn wir zweifeln, zeigt sich der wahre Glaube am stärksten.“

„Warum scheint Gott meine Gebete zu ignorieren?“

„Weil du ihm wichtig bist natürlich. Wie willst du denn sonst lernen, ihm zu vertrauen? Das sind von Gott geschenkte Gelegenheiten, daran zu glauben, dass du geliebt bist, auch wenn du nicht bekommst, was du dir wünschst. Ergreife diese Gelegenheiten und sei dankbar dafür.“

„Ich finde Gottesdienste ein bisschen langweilig.“

„Ein bisschen langweilig? Gottesdienste sind die ödeste, unsäglich schrecklichste Art, seine Zeit zu verbringen, die sich ein einigermaßen vernünftiger Mensch nur vorstellen kann. Die Räume, die Musik, die Predigten, die Leute, die Pastoren, das Gebet, der Lobpreis, der Kaffee, die Kekse, das alles interessiert doch keine Sau! Zum Gähnen! Lass dich bestrahlen vom Sonnenlicht deiner göttlich inspirierten Einsicht. Jetzt kannst du anfangen, vorwärtszugehen! Herzlichen Glückwunsch!“

„Gott hasst die Sünde, nicht wahr?“

„Ob er die Sünde hasst? Lieber Himmel, du fällst mir doch jetzt nicht auf diesen Blödsinn herein, oder? Sünde ist der Schatten, der vom Licht der Reinheit Gottes geworfen wird. Sie ist etwas Wertvolles, woraus wir lernen können. Mal ganz ehrlich: Gott gebraucht die Sünde.“

 

Klar, ein bisschen übertrieben, aber diese Mode oder Phase gibt es wirklich. Warum? Was ist da los? Mein Gedanke ist, dass immer mehr Leuten die begriffliche und kreative Seichtigkeit bewusst wird, von der vieles, was wir über das Leben als Christ sagen und schreiben, gekennzeichnet ist. Indem wir hinabtauchen in die düsteren Tiefen der Verneinung, versuchen wir vielleicht, den Schlamm aufzurühren, in der Hoffnung, dass dann vielleicht etwas Neues, etwas mit eigener, handfester Substanz, an die Oberfläche treibt.

Vielleicht waren wir bisher ein bisschen zu nachlässig dabei, richtig auf die Fragen einzugehen, die so oft von Leuten gestellt werden, die nach einer Wahrheit suchen, die tatsächlich etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat. Diese Ansicht haben Jeff und ich schon öfter geäußert. In den letzten Jahren waren wir einige Male zusammen auf Tour, um neue Bücher bekannt zu machen und während der ersten Hälfte der Abende einen ungeplanten Dialog zu führen. In der zweiten Hälfte hatte das Publikum die Möglichkeit, uns jede beliebige Frage zu stellen, und die Leute forderten uns wirklich heraus, nicht nur große Sprüche zu machen, sondern Tacheles zu reden. Schüchtern waren sie jedenfalls nicht. Unsere Aufgabe war es, auf diese witzigen, tief empfundenen, neugierigen, verzweifelten Anfragen so ehrlich und so hilfreich wie möglich zu antworten. Dieses Buch beruht zum größten Teil auf diesen Fragen und unseren wackeren Bemühungen, bei unseren Antworten authentisch und einigermaßen unterhaltsam zu bleiben.

Negativ? Positiv? Schwer verdaulich, aber letzten Endes wertvoll? Hilfreich? Vermutlich all das in unterschiedlichem Maße, aber das müsst ihr selbst beurteilen. Das Christsein war noch nie eine exakte Wissenschaft, aber wir hoffen, ihr seid offen für unsere ganz persönlichen Ergüsse.

Das erinnert mich daran, wie …

Adrian

Kommen Haustiere in den Himmel?

Bevor wir darauf eingehen, lasst mich sagen, dass mir das Hamsterproblem sehr wohl bewusst ist. Wie meine Frau völlig zu Recht betont, haben Hamster so etwas wie einen Konstruktionsfehler (sorry, Gott, ist aber so). Sie sterben. Sie verschwinden. Sie unternehmen Ausflüge unter und hinter und in alle möglichen Dinge, die gefährlich für sie sind. Schlimme Dinge passieren mit diesen flauschigen kleinen Viechern. Eine Freundin erzählte mir, ihre kleine Enkelin habe ihr eines Tages per SMS mitgeteilt, sie habe zwei neue Hamster, die sie „Faith“ und „Hope“ getauft habe. Süß und natürlich auch biblisch, aber vielleicht hätten sie noch eine „Charity“ gebraucht, um das Trio komplett zu machen. Eine weitere SMS überbrachte wenig später die unerwartete und ziemlich groteske Nachricht, dass Faith Hope gefressen hatte.

„Die Hoffnung stirbt, aber der Glaube bleibt“ – das mag in anderen Situationen eine ermutigende Botschaft sein, aber nicht in dieser tarantinomäßigen Episode im Leben eines kleinen Kindes.

Worauf ich hinauswill: Wenn Haustiere gerettet werden sollen, müsste der Himmel von menschlicher Warte aus einen regelrechten Ozean, ein endloses Panorama, eine Ewigkeit aus lauter kleinen, braunen, fiependen Viechern bieten, die darauf warten, von ihren auferstandenen Besitzern wieder in Empfang genommen zu werden. Dabei sind natürlich die Legionen von Kaninchen, Hunden, Katzen, Pferden, Eseln, Elefanten, Kamelen und anderen Geschöpfen, die irgendwann in ihrem Leben von Menschen ins Herz geschlossen wurden, noch gar nicht eingerechnet. Irgendwo macht sich bei dieser Vorstellung eine ermüdende Absurdität breit, oder?

Wenn wir allerdings bereit sind und uns dazu entschließen können, die öden Grenzen menschlichen Verstehens mal vorübergehend außer Acht zu lassen, finden wir vielleicht noch eine andere Spur, der wir folgen könnten. Auf diese Spur bin ich erst gekommen, seit ich einen Blick dafür bekommen habe, wie Liebe, Laune und Einfallsreichtum im Wesen Gottes gemeinsam wirken. Ich verstehe das selbst kaum, geschweige denn, dass ich es anderen erklären könnte, aber ich will es mal versuchen.

Hilfreich dabei ist ein Blick auf das Wirken des Paulus. Offenbar hatte der große Apostel keinerlei Scheu, Form und Methode seiner Verkündigung zu verändern, wann immer er sich davon für die vor ihm liegende Aufgabe einen Vorteil versprach. Ein gutes Beispiel dafür ist der Altar in Athen, der DEM UNBEKANNTEN GOTT geweiht war. Zum Glück gab es dort kein Komitee gewissenhafter Evangelikaler, die ihr Veto dagegen einlegten, als Paulus beschloss, diese Gottheit ohne Namen mit dem einen wahren Gott und Vater des auferstandenen Jesus gleichzusetzen. War das nicht eine tolle Idee? Genau die Sorte maßgeschneiderter toller Ideen, von denen Gott sich, glaube ich, auch heute noch wünscht, dass wir sie im Umgang mit den Männern und Frauen unserer Zeit anwenden. Unerwartet, ein bisschen ruppig, leicht irritierend, nichtreligiös, individuell, wertschätzend, bezaubernd humorig und einfallsreich, passen solche Ideen nicht unbedingt in unsere selbst gemachten Schablonen, die in unserer verarmten Verkündigung so verbreitet sind. Ich kenne einen Mann, der nie gerne in seine Werkstatt ging, weil er immer total neurotisch wurde, wenn auf einem der sorgfältig gezeichneten Umrisse an seiner Wand der dazugehörige Hammer oder Meißel oder Schraubendreher fehlte. Ich glaube, ihm wäre es vielleicht lieber gewesen, einfach nur glücklich mitten in seiner perfekt aufgeräumten Werkstatt zu sitzen und keines der Werkzeuge jemals zu benutzen. Ist doch viel sicherer so. Erinnert euch das an etwas? Ja? Dachte ich mir.

Und was hat das alles jetzt mit Haustieren zu tun? Nun, meine Erinnerung an das Jahr 2012 ist von einem ganz besonders epochalen Ereignis geprägt. Einem Todesfall nämlich: dem Tod eines Hundes, der Freunden von uns gehörte. Buddy war eine riesige, samtig-graue Dänische Dogge mit einer umwerfenden Persönlichkeit, einem unfassbaren Appetit und einem unauslöschlichen Drang, zu lieben und geliebt zu werden.

Dave, Faith, Ruth und Jonny waren tief betrübt über ihren Verlust, und wir alle konnten es kaum fassen, dass eine so eindrucksvolle Präsenz einfach aufhören konnte zu existieren.

Nach Buddys Tod fragte mich jemand, ob ich glaube, dass es im Himmel Hunde geben wird. Was hättest du darauf gesagt? In unserer postmodernen Zeit scheinen wir ja alle irgendwelche Überzeugungen aus der Luft zu greifen und daran zu glauben, einfach weil sie sich bei uns einnisten. Ich habe keine Ahnung, ob es im Himmel Tiere geben wird, aber zwei Dinge weiß ich genau. Liebe ist nicht zerstörbar. Das ist das eine. Das andere ist, dass Gott, wie gesagt, voller weiser, schrulliger Ideen ist und genau das tun wird, was er will. Eingedenk dieser beiden Dinge beschloss ich, ein Gedicht zu schreiben, nämlich das folgende:

Buddy

Ein Kopf, so groß wie ein Schuhkarton,

Der staunende Blick eines Kindes,

Ein Fuß wie ein Gaul, ein sabberndes Maul

Taub für den Ruf der Wildnis.

Im Himmel fand gerade ein Treffen statt

An dem Tag, als Buddy schlief ein.

Bis spät in die Nacht wurde nachgedacht:

Dürfen auch Tiere herein?

„Undenkbar“, sagten die Engel zumeist,

„Seelenlos sind sie und dumm.“

Einer Handvoll war das nicht ganz so klar,

Doch Gott saß nur da und blieb stumm.

Dann erhob er sich endlich und sagte:

„Bald ist’s dunkel, es lockt mich hinaus.

Wir klären die Frage demnächst dieser Tage,

Denn Buddy muss dringend mal raus.“

Jeff

Jeff, du lebst in den USA, wo es jede Menge Waffen gibt. Hast du schon jemals so einer Kanone in den Lauf geschaut?

Ja. Zwei Mal.

Das erste Mal schloss ich in Reno, Nevada, Bekanntschaft mit dem gefährlichen Ende einer Schusswaffe. Ich fuhr mit dem Auto, so glaubte ich, auf der Innenspur einer Schnellstraße, aber das stimmte nicht. Offenbar war ich tatsächlich auf dem Seitenstreifen unterwegs, und so nahm sich ein Polizist aus der Gegend vor, sich mal mit mir zu unterhalten. Er fuhr von hinten mit blau und rot blinkenden Lichtern an mich heran. In England war es zumindest damals noch üblich, dass ein Angehöriger der Ordnungskräfte, wenn er einen anhalten wollte, überholte und dann ein beleuchtetes Stoppzeichen einschaltete. In Amerika wird so ein Zeichen nicht benutzt, sondern sie blinken einen einfach nur von hinten an. Damals gab es noch nicht so viele US-Polizeiserien im Fernsehen, sodass ich nicht gleich kapierte, dass dieser Gesetzeshüter mit mir reden wollte. Ich dachte, er wollte einfach nur an mir vorbei. Also fuhr ich weiter, wenn auch langsamer.

Dann schaltete er seine Sirene ein. Ich kapierte es immer noch nicht und fuhr weiter.

Als Nächstes strahlte er mir mit dem auf dem Dach montierten Suchscheinwerfer in den Rückspiegel. Ich fuhr trotzdem weiter.

Nun endlich verschaffte sich der Polizist, inzwischen stinksauer, meine Aufmerksamkeit, indem er mir über die Lautsprecheranlage seines Streifenwagens zubrüllte: „Halten Sie an, und zwar sofort!“ An diesem Punkt fühlte ich mich geführt, anzuhalten, und zwar sofort. Aber damit fingen meine Probleme erst an.

In England ist es üblich, aus dem Wagen auszusteigen, um mit dem Beamten zu sprechen – zumindest war das früher so. Zum Glück hatte ich in letzter Zeit nicht allzu viele derartige Unterhaltungen mit den vorzüglichen Männern und Frauen, die bei unseren Polizeikräften dienen, sodass ich nicht genau weiß, ob das immer noch der Fall ist. In Amerika hingegen steigt man auf keinen Fall aus, denn das wird als Bedrohung wahrgenommen. Falls dir so etwas in den USA jemals passiert, rate ich dir: Kurbele deine Seitenscheibe herunter. Warte geduldig auf den Polizisten. Leg deine Hände aufs Lenkrad, wo er sie sehen kann. Und wenn du nach deinem Führerschein gefragt wirst, beug dich nicht zu hastig zum Handschuhfach hinüber, damit es nicht so aussieht, als ob du nach einer Waffe greifen wolltest, was unerfreuliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Da ich von all dieser Straßenrandetikette nichts ahnte, sprang ich aus dem Wagen.

Im selben Moment hörte ich den Polizisten brüllen: „Keine Bewegung! Bleiben Sie stehen!“ Er hielt den Scheinwerfer auf mich gerichtet, und ich sah seine Umrisse in dem blendenden Licht. Er stand mit nach vorn ausgestreckten Armen breitbeinig da, die Waffe in der Hand auf meinen Kopf gerichtet. Nicht schön.

Ich beschloss, einen auf empörten Engländer zu machen, und führte meine beste Prinz-Charles-Imitation auf. Funktionierte prima.

Das andere Mal war noch beängstigender. Auf unsere Familie wurde geschossen. Der Täter war ein Freund von uns, und zwar ausgerechnet ein Pastor. Sehr unhöflich.

John, ebenfalls ein in Amerika lebender Brite, hatte sich ein Gewehr mit Kaliber .308 gekauft, schon eine ziemlich ernst zu nehmende Waffe. Kay und ich waren mit unseren damals noch kleinen Kindern bei John zum Frühstück eingeladen. Plötzlich sprang er vom Tisch auf und verkündete begeistert, er müsse uns unbedingt etwas zeigen.

Gleich darauf kam er wieder aus seinem Zimmer zurück und präsentierte uns stolz sein neu erworbenes Gewehr. Er wollte uns unbedingt zeigen, wie es funktionierte, und überhaupt, sagte er, sei es natürlich nicht geladen.

Aber da irrte er sich. Ich weiß nicht, wieso, aber aus irgendeinem Grund hatte er ein paar Patronen in das Magazin geladen und sie dann vergessen. Er spannte den Hahn und drückte ab. Das Geräusch des Schusses, der sich in der Enge der Küche löste, war ohrenbetäubend. Die Kugel traf den Holzofen am anderen Ende des Esstisches, prallte ab, fuhr dann quer über den Tisch, um schließlich in der Decke einzuschlagen. Sie verfehlte uns um höchstens einen Meter.

Mit Tränen in den Augen schauten wir uns panisch am Tisch um, ob unsere Kinder noch lebten.

Sie waren traumatisiert, aber unverletzt.

John, selbst völlig unter Schock, eilte zurück in sein Zimmer und lud in dem fieberhaften Bestreben, das Gewehr unschädlich zu machen, noch eine Patrone in die Kammer und schoss ein Loch in den Teppichboden. An diesem Punkt rannte seine Frau zu ihm ins Zimmer und schrie ihn an, er solle aus dem Haus verschwinden und erst wiederkommen, wenn keine Patronen mehr in dem Gewehr seien.

Wenn ein Polizist dich auffordert, anzuhalten, dann fahr rechts ran.

 

Und wenn ein Brite mit einem Gewehr dich zum Frühstück einlädt, tu alles, aber geh nicht hin.

Jeff

Was war das schlechteste Essen,

bei dem du je so tun musstest,

als würde es dir schmecken?

Das war ein äthiopisches Essen in Äthiopien (wo es vermutlich einfach nur Essen genannt wird). Ich will nicht schlecht über die äthiopische Küche reden; wahrscheinlich lag es nur an diesem Restaurant, in dem wir aßen, aber aus drei Gründen würde ich sagen, dass dies für mich die schlechteste Mahlzeit meines Lebens war.

Die äthiopische Kultur verlangt, dass Ehrengäste von ihrem Gastgeber gefüttert werden. Also fing der Mann neben mir an, das Essen von meinem Teller zu nehmen (mit den Fingern, Besteck war nirgends zu sehen) und es mir in den Mund zu stopfen. Ich war zu höflich, um das abzulehnen, obwohl die Versuchung, ihm in die Finger zu beißen, äußerst stark war (aber das wäre wohl ein bisschen zu Hannibal-Lecter-mäßig gewesen). Außerdem war ich ein bisschen in Panik, denn in dieser Kultur wird die eine Hand dazu benutzt, nach dem Essen zu greifen, während die andere zum Abwischen des … nein, ich habe mir geschworen, dieses Thema nie wieder zu erwähnen. Sagen wir einfach, ich hatte schreckliche Angst, er könnte die falsche Hand benutzen.

Und dann wurde einem aus unserer Gruppe furchtbar schlecht, nachdem er eine ordentliche Portion von diesem Essen hinuntergeschlungen hatte. Schön war das nicht.

Und schließlich bekamen wir etwas zu essen, was injera genannt wird und aussieht wie menschliche Haut. Es könnte sogar wie menschliche Haut schmecken, soviel ich weiß. Muss mal Hannibal Lecter fragen.

Pfui.

Adrian

Hast du eine lustige Geschichte

über Gesundheit und Sicherheit?

Ja, ich habe eine unfassbar lustige Geschichte über Gesundheit und Sicherheit. Leider ist diese großartige Anekdote so Seitenstechen auslösend, schenkelklopfend komisch, dass mir die Europäische Leitstelle für Ernst, Niedergeschlagenheit und Depression (ELEND) strikt verboten hat, sie schriftlich, mündlich oder in irgendeiner anderen Form weiterzugeben. Die Strafe für Zuwiderhandlung ist der Tod, und das Risiko gehe ich nicht noch einmal ein. Ich hatte 1997 ein niederschmetterndes Erlebnis mit dieser Behörde, als es mir nicht gelang, einen Saal voller Leute bei einem Round-Table-Treffen in Ashby-de-la-Zouch zu unterhalten. Nie wieder.

Vielleicht hat Jeff eine weniger lustige Geschichte, die er euch erzählen darf. Ich glaube, die ELEND hat ihm eine Saisonlizenz ausgestellt.

Jeff

Jeff, hast du als erfahrener Vielreisender einen Ratschlag für Langstreckenflüge?

Zuerst einmal sei dankbar, dass du die Möglichkeit hast, Reisen zu erleben. Im Ernst. In Indien gibt es einen Flugzeugingenieur im Ruhestand, der hinten in seinem Garten ein ausrangiertes Flugzeug stehen hat. Jeden Tag dürfen die Leute aus dem Dorf zu ihm kommen und einen virtuellen Flug genießen. Sie steigen ein, schnallen sich an, bekommen eine Sicherheitsunterweisung und gehen schließlich, nachdem ihnen ein Snack serviert wurde, wieder von Bord – ohne überhaupt geflogen zu sein. Aufgrund ihrer Armut wird vermutlich keiner dieser Leute jemals irgendwo hinfliegen. Wenn ich in Versuchung bin, mich aufzuregen über Verspätungen, Pannen, schlecht gelaunte Flugbegleiterinnen, die scheinbar nur darauf warten, ihre Passagiere mit einem elektrischen Viehstock zu zappen, oder über die nicht identifizierbare und nur halbwegs essbare Bordverpflegung oder darüber, dass der Kerl vor mir mir die Blutzirkulation abschnürt, indem er seinen Sitz nach hinten schiebt, dann rufe ich mir dieses Dorf in Indien in Erinnerung.

Zweitens: Wenn etwas schiefgeht, sei nett. Das ist nicht nur ein von Grund auf christlicher Gedanke, sondern es ist auch aus altruistischem Blickwinkel ratsam. Ich habe schon erlebt, wie Leute fluchend und brüllend am Check-in andere Sitzplätze verlangt, sich über Verspätungen oder Flugausfälle echauffierten und dann auch noch von den armen Leuten, die sie so traktierten, erwarteten, dass sie sich Mühe gaben, ihnen zu helfen, was sie jedoch nicht taten.

Einmal hatte ich auf einem Flug mit British Airways ein erstaunliches Erlebnis. Ich hatte ein ganz billiges Economy-Class-Ticket von Denver nach London, und beim Check-in wurde mir eröffnet, dass ich ein Upgrade für die Business Class bekäme und deshalb in der VIP-Lounge auf den Aufruf des Fluges warten dürfe. Ich war total begeistert und hüpfte regelrecht in die Lounge. Die Empfangsdame bemerkte meine ausgelassene Stimmung und fragte mich, warum ich so fröhlich sei.

„Ich freue mich, weil ich heute ein Upgrade bekommen habe. Das ist großartig!“

„Wie schön“, lächelte sie und sagte dann etwas, das mich überraschte. „Oft benehmen sich Leute, die ein Upgrade bekommen haben, plötzlich aggressiv und fordernd, sobald sie in die Lounge kommen. Obwohl sie für ihr Upgrade nichts bezahlt haben, stellen sie Ansprüche und kommen sich ungeheuer wichtig und bedeutend vor. Es ist schön zu sehen, wenn mal jemand dankbar ist.“

Ich holte mir einen Kaffee und setzte mich. Zwanzig Minuten später kam die Empfangsdame auf mich zu. „Geben Sie mir bitte Ihre Bordkarte, Mr. Lucas. Ich muss Ihnen einen anderen Platz geben.“

Meine Gesichtszüge entgleisten, und mir sank das Herz. „Och nö! Werde ich jetzt wieder heruntergestuft?“, erkundigte ich mich.

„Nein. Sie bekommen noch ein Upgrade. Erste Klasse. Ich habe gerade einen Anruf aus der Maschine erhalten, dass sie jemanden weiter nach vorne setzen müssen. Da Sie so dankbar waren und so nett zu mir, dachte ich an Sie. Viel Spaß!“

Den hatte ich. Das Erlebnis war so toll, dass ich fast Tränen in den Augen hatte, als die Maschine landete.

Jeff

Jeff, hast du eine peinliche Beerdigungsanekdote?

Eigentlich nicht. Allerdings kenne ich jemanden, dem eine Beerdigung, die ich gehalten habe, furchtbar peinlich gewesen sein muss. Und zwar deswegen, weil er sie eigentlich selbst hätte halten sollen, das aber total vergessen hatte. Ich sage jetzt nicht, von welcher Denomination er kam (das wäre unfair gegenüber all den Heilsarmee-Offizieren in aller Welt). Sagen wir einfach, dass ich einen Anruf vom örtlichen Krematorium bekam und der Direktor am anderen Ende der Leitung hörbar in Panik war.

„Was machen Sie gerade, Jeff?“

Just in diesem Moment hatte ich im Garten gearbeitet, was schon komisch ist, weil das vermutlich die einzige Stunde in meinem Leben war, die ich je mit Gartenarbeit verbracht habe. (Rasenmähen ausgenommen. Das zählt nicht.) Wenn ich irgendwelche lebendigen Dinge anfasse, verwelken sie und gehen ein.

„Können Sie sich wohl schnell Ihren Anzug überziehen und herkommen? Ich habe hier eine Trauergemeinde, einen ungeduldigen Bestattungsunternehmer und einen Sarg mit einem Leichnam, aber keinen, der die Trauerfeier hält. Der eigentlich gebuchte Pastor hat es wohl vergessen, und ich kriege ihn nicht zu fassen. Sie müssen schnell kommen.“

Das tat ich dann auch. Es war schon unangenehm, gelinde gesagt, denn ich musste leise an die nächsten Angehörigen in der ersten Reihe der dicht besetzten Kapelle herantreten und sie nach dem Namen des Verstorbenen und ein paar Details zu seinem Leben fragen, bevor ich die obligatorische Trauerrede hielt. Sie waren sichtlich außer sich und wütend, aber dankbar für meine Hilfe.

Ich war froh, das für sie tun zu können.

Und mindestens ebenso froh war ich, dass ich nicht der Bursche war, der diesen überaus wichtigen Termin verschwitzt hatte. Ich kann nur hoffen, dass er am nächsten Tag noch die Sonne aufgehen sah.

Adrian

Adrian, würdest du für siebzig Pfund einen Abend in unserer Gemeinde veranstalten?

Möglich. Vielleicht sogar für umsonst. Könnte aber auch sein, dass ich mir wesentlich mehr erbitte. In den dreißig Jahren, seit ich (zu meiner Verblüffung) zum ersten Mal echtes Geld dafür bezahlt bekam, mich hinzustellen und den Leuten etwas zu erzählen, ist es mir noch nie leichtgefallen, über Honorare und dergleichen zu reden. Ich vermute, dass ich in der ersten Zeit das eine oder andere Mal übers Ohr gehauen wurde, vor allem, weil ich selbst kaum glauben konnte, dass ich den Leuten tatsächlich etwas zu bieten hätte.

Allerdings erinnere ich mich auch, dass ich mir selbst ein paar Mal ins Knie geschossen habe.

Anfang der 1990er Jahre zum Beispiel bekam ich eines Morgens einen Anruf und wurde gefragt, ob ich bereit wäre und Zeit hätte, bei einer Veranstaltung zur Feier der Einweihung eines neuen Kirchenanbaus zu sprechen. Ein rascher Blick auf unseren Wandkalender zeigte mir, dass das Datum gut passte. Nur noch eine Frage war zu klären. Der Dialog entspann sich etwa folgendermaßen:

ER: Nur noch eine Frage, Adrian. Können Sie uns ungefähr sagen, wie viel Sie uns für die Veranstaltung berechnen werden?

ICH: (mich windend vor Verlegenheit und überlegend, ob ich nicht eher denen etwas dafür bezahlen sollte, dass sie so freundlich waren, mich einzuladen) Äh, schauen wir mal – fünfundsiebzig Pfund wären mir recht, danke.

ER: (offensichtlich sehr überrascht) Fünfundsiebzig Pfund! ICH: (unglücklich, weil ich offensichtlich viel zu viel verlangte) Ach, wissen Sie, eigentlich sind fünfzig Pfund auch schon mehr als genug …