Auf allen Pfaden Neuland

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Auf allen Pfaden Neuland
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Thorvald Svensson

AUF ALLEN PFADEN NEULAND

Meine Wander- und Urlaubserlebnisse

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die

Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

ISBN 9783957446701

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Einleitung

Frühe Wanderungen durch das Vogtland, Erzgebirge, der sächsischen Schweiz und den Harz

Erste Mehrtagestour über den Erzgebirgskamm

Wanderung durch den Thüringer Wald

Isergebirge, Riesengebirge und Bäderdreieck

Die Mauer ist weg – Zeit für Urlaub im Westen

Hohe Tatra 2010

Hohe Tatra

Trentino/Italia 2011

Urlaub in Kressbronn am Bodensee im Mai 2012

Reise nach Südengland, September 2012

Irlandrundreise September 2013

Paris

Eifelurlaub 2014

Einleitung

Gewandert bin ich schon, so lange ich denken kann. Mein Vater brachte uns Jungs durch seinen Forstberuf die Liebe zum Wald näher und nahm uns an den Wochenenden mit auf Tour. Auch wenn die damals sehr kurzen Beine schmerzten, so langsam gewöhnten wir uns ans Laufen. Schon das Tal der Freiberger Mulde, in dem unser Forsthaus stand, bot Wald in Hülle und Fülle und allmählich ließen sich größere Kreise ziehen. Auch der Kindergarten plante Waldexkursionen, zunächst zur »Mailust«, einem Aussichtsfelsen direkt über dem Fluss. Der Besitz eines Autos, lang ersehnt, 1968 endlich mit der Marke Trabant 601 Kombi Realität, erweiterte den Horizont, auch über den ehemaligen Kreis Döbeln hinaus.

Ziel waren ausgedehnte Waldgebiete in der Nähe von Colditz, der Kriebsteintalsperre, die Gegend um Wermsdorf mit dem Horstsee (berühmt für ein Jagdschloss) und dem Striegistal bei Rosswein. Im Herbst wurden dabei Pilze gesucht, zu anderen Zeiten Beeren gesammelt, wobei mein Vater als Forstexperte der perfekte Berater war. Früh lernten wir dadurch auch, mit den farbigen Wegmarkierungen umzugehen und anhand des Grünbewuchses am Stamm der Bäume die westliche Himmelsrichtung festzustellen. 1976 zogen wir um nach Reichenbach/Vogtland, nun gab es neue Gegenden zu entdecken, zum Beispiel das Trieb- und Elstertal in der Nähe der Talsperre Pöhl, der Kuhberg bei Netschkau/Vogtland, Beerheide in der Nähe von Auerbach/Vogtland, sowie das ausgedehnte Gebiet des Werdauer Waldes, welches von Greiz bis Fraureuth bei Werdau (dem Namensgeber) reicht.

Die Beine waren gewachsen, die Wanderstrecken wurden nun größer. Außer den kindgerechten Badeurlauben an der Ostsee konnten nun auch reine Wanderurlaube im Thüringer Wald, dem Harz, im Erzgebirge und der Sächsischen Schweiz gebucht werden. Wenn unsere Eltern mal Ruhe vor uns haben wollten, meldeten sie uns für das Ferienlager an. Somit lernten wir von Walthersdorf aus die Lausitz und das Zittauer Gebirge kennen, Blicke über den Tellerrand nach Polen und Tschechien eingeschlossen. Von Nassau und Rechenberg-Bienenmühle erhaschte man einen Blick auf das Osterzgebirge, Gebiete, die ich später noch zusammenhängend durchstreifen sollte. So langsam entwuchs ich aber den Kinderschuhen und es kamen Touren auf eigene Faust hinzu.

Frühe Wanderungen durch das Vogtland, Erzgebirge, der sächsischen Schweiz und den Harz

Im Teeniealter gingen wir auch gern tanzen, mit Vorliebe in das Umland auf die Dörfer, da es dort seltener zu Schlägereien kam. Beliebt waren Waldkirchen und Irfersgrün, beide Orte schwer mit dem Bus zu erreichen. Da die Veranstaltungen bereits 18.00 Uhr begannen und spätestens Mittenacht endeten, kam es zu stolzen Fußmärschen nicht unter 10 Kilometern. Meine reinen Wandertouren begannen ähnlich, wie die Anmärsche zur Disco.

Zwischen Reichenbach und Neumark liegt ein Stadtwald, genannt »Schwarze Katz.« Von Oberreichenbach über dieses Waldgebiet erreicht man den Heinsdorfer Grund. Je nach Bedarf teilt sich nun die Route, entweder man geht über Unterheinsdorf und gelangt nach Waldkirchen oder erreicht über Oberheinsdorf und Hauptmannsgrün später Irfersgrün. Von Irfersgrün über Stangengrün oder von Waldkirchen direkt erreicht man Pechtelsgrün. Während bisher viel auf Straßen gelaufen werden musste, begannen nun Waldwege. Früher versperrte noch nicht der Freizeitpark Plohn den Weg, man konnte an den Forellenteichen vorbei über Abhorn Rodewisch erreichen. Je nach Lust, Laune und körperlicher Verfassung bestand aber auch die Möglichkeit über den Steinberg und den Kuhberg bei Schönheide zu wandern und später in Rodewisch den Bus zurück nach Reichenbach zu besteigen. Eine Hin- und Rückfahrt mit dem Bus verbesserte die Ausgangslage, oft fuhr ich auch bis Beerheide und ging nach Morgenröthe-Rautenkranz, wo unserem ersten Deutschen im All ein Raumfahrtmuseum gewidmet ist. Hier führen mehrere Fernwanderwege durch, z.B. der Europäische Bergwanderweg Eisenach-Budapest und der Weg Wernigerode-Zittau, roter Strich oder blauer Strich auf weißem Grund. Ich folgte dem Weg meist bis Mühlleithen, wenn ich gut in Form war, bis Klingenthal. Dort bestieg ich zumeist den Bus.

Eine andere Variante ist der Weg von Beerheide über die Talsperre Muldenberg nach Schöneck, zurück mit der Bahn, von Beerheide zur Talsperre Falkenstein und in Falkenstein den Bus besteigen.

Eine völlig andere Richtung bietet das Göltzschtal, zunächst benutzt man die Straße von Reichenbach nach Obermylau und erreicht in Friesen einen Wanderweg ins Göltzschtal mit der größten Ziegelbrücke Europas, die den Flussnamen trägt. Malerisch über Felsen hoch über dem Fluss erreicht man Greiz. Im Greizer Park findet im Schlosspalais alljährlich eine Karikaturen-Ausstellung statt, die mich, besonders zur Wendezeit, schon immer begeistert hat. In den letzten Jahren jedoch hat das Hochwasser mehrmals zugeschlagen und das Palais schwer beschädigt, sodass die Ausstellung im kleineren Rahmen in der 1. Etage stattfindet. Am Park befindet sich der westliche Teil des bereits oben beschriebenen Werdauer Waldes, hier könnte der interessierte Wandersmann mindestens eine Woche laufen.

Von Greiz aus lässt sich aber auch das Elstertal flussaufwärts erkunden, welches, wie das Göltzschtal, ebenfalls mit einer Ziegelbrücke gekrönt wird. Ein reizvolles Seitental des Elstertales schuf das Flüsschen Trieb, dessen Oberlauf angestaut wird und die Pöhler Talsperre bildet, ein im Vogtland bekanntes Naherholungsgebiet. In späteren Unternehmungen erkundete ich noch das Quellgebiet der Trieb, einst gab es in Bergen/Vogtland eine Jugendherberge, die ich mehrmals für Übernachtungen nutzte und Touren über Werda zur Talsperre Muldenberg, nach Falkenstein, Schöneck und Klingenthal wanderte. Fuhr man beide Strecken mit dem öffentlichen Nahverkehr, boten sich Orte, wie Adorf, der Kurort Bad Elster, Erlbach und Markneukirchen an. Es ist ein Musikwinkel, ein Museum in Markneukirchen zeigt die Tradition der Musikinstrumentenfertigung, Bandonions werden bis nach Argentinien geliefert und das Akkordeon-»Weltmeister« ist jedem ein Begriff.

Die bäuerliche Lebensweise des oberen Vogtlandes wird im Museum Landwüst näher gebracht. Eine Übernachtung in einer Jugendherberge zu buchen, wäre mir um ein Haar zum Verhängnis geworden. Ich fuhr mit der Bahn nach Bad Brambach, bemerkte jedoch zu spät, dass ich meinen Personalausweis vergessen hatte. Eine Kontrolle der Polizei auf dem dortigen Bahnhof ließ es mir, wie Schuppen, von den Augen fallen. Man nahm mich mit auf das Präsidium, ich musste mich, bis auf die Unterwäsche, ausziehen und konnte gerade noch erklären, dass ich für meinen Kollegenkreis im Hotel »Goldener Anker« in Reichenbach unterwegs war. Ein Telefonat klärte die Angelegenheit, somit war ich kein DDR-Flüchtling, mir fiel ein Stein vom Herzen, denn nach einem langen Verhör war ich mir selbst nicht mehr sicher. Die Beamten fuhren mich dann noch in die besagte Herberge.

 

Ein weiteres Missgeschick widerfuhr mir auf einer Tour zwischen Klingenthal und Erlbach. Es begann mit einem schönen, breiten und markierten Weg, wobei wahrscheinlich die Markierung an einem unscheinbaren Pfad abbog. Plötzlich stand ich vor Häusern mit markanten roten Metalldächern, ein untrügliches Zeichen, dass ich mich auf böhmischem Gebiet befand. Damals war es noch strafbar, ohne Visumvermerk im Ausweis die Grenze zu überschreiten, eine Haftstrafe und 500 Mark der DDR wären die Folge gewesen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich durch das Gebüsch zurück auf DDR-Staatsgebiet zu schlagen. Erst als die Grenzsteine sichtbar wurden, war ich beruhigt.

In den meisten Fällen jedoch stellte nur die körperliche Fitness die Grenzen und genau diese lotete ich aus. Wasser konnte man meist aus klaren Bächen trinken, mitunter mussten diese auch barfuss durchwatet werden, wenn ein Weg mal wieder endete. Viele Museen besuchten wir bereits auf Klassenfahrten, häufig die Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz mit seinem MIR-Trainingsmodul, den Raketenmodellen, Raumanzügen und Filmvorführungen. Einmal startete ich bei warmem Frühlingswetter im Mai eine Wanderung und stellte fest, dass in geschützten Tallagen noch Schnee lag, nachdem ich bis zu den Knien drin versunken war.

Ferienplätze waren in der DDR-Zeit heiß umkämpft, aber für eine kinderreiche Familie, fünfköpfig, wie wir waren, kein großes Problem.

Das erste Ferienheim besuchten wir in Schnett im Thüringer Wald. Unweit verläuft der Rennsteig und mit Heubach, Masserberg, Katzhütte und der Glasbläserstadt Lauscha lassen sich viele interessante Ziele für einen ganzen Urlaub erreichen. Für Regentage bieten sich Suhl, die Feengrotten in Saalfeld und Ilmenau an. Die Massenverpflegung war etwas gewöhnungsbedürftig, wir wurden in mehreren Durchgängen abgefüttert und es bedurfte der Ellenbogen, um noch etwas Vielfalt auf dem Teller zu haben. Was gut gelöst war, sagte man seine Wanderroute, bekam man Marken und konnte in einem anderen Heim essen.

Unterbrochen von ein paar Badeurlauben hatten meine Eltern das große Los gezogen, ein Ferienheim in Oberwiesenthal, neu und mit gutem Service. Als Start musste natürlich der Fichtelberg besichtigt werden, mittlerweile hat man die 3. Turmvariante gebaut, nachdem das erste Fichtelberghaus abgebrannt war und das 2. Objekt sanierungsbedürftig wurde. Der Ausblick von hier oben ist gigantisch. Das Erzgebirge ist eine Pultscholle, so haben wir es in der Schule gelernt. Schaut man nach Norden, so kann ein Blick durch das Fernglas weit entfernte Städte näher bringen. Chemnitz ist in jedem Falle sichtbar, von anderen Zielen wird nur gemunkelt. Südwärts sieht man den Zwillingsbruder des Fichtelberges, den Klinovec oder Keilberg. West und Ost prägen weitere Gipfel des Erzgebirges, damals nicht der beste Anblick, denn der saure Regen einer amateurmäßig geführten Umweltpolitik der DDR hatten dem Wald geschadet. Ein großflächiger Holzeinschlag zeigte kahle Berge.

In den nächsten Tagen erkundeten wir alle Seiten des Gipfels bis nach Neudorf, durchstreiften den Zechengrund, bestaunten die Skisprungschanze und konnten sogar ein Mattenspringen besuchen. Mit offiziellen Visa durften wir über die böhmische Grenze nach Bozi Dar und fuhren mit dem Bus bis Karlovy Vary/Karlsbad. Ziel unserer Begierden stellten Saft in Dosen, Ölsardinen und Karsbader Obladen dar, alles bei uns Mangelware. Karlovy Vary ist aber auch optisch eine reizvolle Stadt, die sich immer mehr verschönert. Die Stadt ist Teil vom Bäderdreieck, wozu noch Frantyskovy Lazne/Franzensbad und Marianske Lazne/Marienbad gehören. Da es Bäderstädte sind, die schon damals Besucher aus dem Westen Europas verzeichneten, kümmerte man sich durchgängig um die Erhaltung der Bausubstanz, die noch aus den Zeiten der K. und K.-Monarchie stammt. Heutigen Tags hört man verstärkt russisch, eine Sprache, die durch die gewaltsame Niederschlagung der Aufstände 1953 bei uns, 1956 in Ungarn und 1968 in Prag nur in Schulen gesprochen wurde und im Volk verpönt war. Eine durch Korruption reich gewordene Oberschicht aus Russland überschwemmt nun alle Urlaubs- und Kurregionen Europas, wirft mit Geld um sich und schockiert mit pietätlosen Auftritten in Restaurants, Theatern und Kureinrichtungen alle übrigen Besucher, so, wie man es sonst den Briten außerhalb der Insel nachsagte. Alkohol spielt dabei eine entscheidende Rolle und es wird immer mehr bestellt, als man je konsumieren kann. Reinigungspersonal ist beim Halten von Ordnung und Sauberkeit daher hoffnungslos überfordert. Wer jedoch ein wenig Ortskenntnis besitzt, kann dem geballten Auftreten ostslawischer Kannibalenhorden entgehen, nicht jedes imposante Gebäude wird missbraucht. Weitläufige Parks verwöhnen das Auge, zum Teil mit Skulpturen, wobei es mit dem heiligen und namensgebende Frantisek in Frantyskovy Lazne eine besondere Bewandtnis hat. Frauen mit Kinderwunsch bringen nach dessen Berührung gesunde Kinder zur Welt. Unweit der Stadt erstreckt sich der Geysir-Park in Soos, wo kleine Schlammgeysire die Erdaktivität anzeigen.

Das sächsisch-böhmisch-bayrische Gebiet ist eine geologische Bruchzone, in der häufig Schwarmbeben auftreten, Soos wird durch Aktivitäten im Erdinneren gespeist. Auch die Heilwässer, deren Vorhandensein die Bäder begünstigten, haben ihre Ursache in der Erdaktivität. Auf sächsischer Seite wird an den Bädern Bad Brambach und Bad Elster gerade intensiv gebaut, nach Fertigstellung gibt es auch hier reizvolle Kurbäder. Das Projekt Egronet fördert den Nahverkehr, man kann auf sächsischem, bayrischem und böhmischem Gebiet mit einem Fahrschein Bahn fahren und erreicht jeden touristisch interessanten Ort. Porzellanfreunde werden sich hier vor Allem Selb, Arzberg und Hohenberg/Eger anschauen, wo man die Produktion verfolgen oder sich die Entstehungsgeschichte im Museum anschauen kann. Bis 1989 war jedoch ein Grenzübertritt unmöglich, somit muss ich mich in diesem Kapitel den damals erreichbaren Regionen zuwenden.

Jenseits von Oberwiesenthal verläuft der Kamm des Erzgebirges weiter in Richtung Osten. Kurz nach Gründung des Deutschen Kaiserreiches wurde hier Silber gefunden, davon profitierten die sächsischen Kurfürsten, die sich zunächst Meißen und später Dresden als ihre Residenzstädte prachtvoll ausbauen konnten. Das bekannteste Zeugnis davon ist der Dresdner Zwinger, im Barockstil errichtet und mit einigen bedeutsamen Museen (Mathematisch-Physikalischer Salon, Galerie Alte Meister) ausgestattet. Im Spätmittelalter jedoch versiegte der Silberschatz, verglichen damit gelangten andere Metalle nie wieder zu größerer Bedeutung. Viele ehemalige Bergleute wandten sich nun anderen Beschäftigungen zu und fanden im zahlreich vorhandenen Holz der Wälder ihre Bestimmung. Sie begannen zu schnitzen, zunächst Figuren aus der Bergbautradition, später weihnachtliche und christliche Figuren und Schwibbögen. Hierbei hat Seiffen einige Berühmtheit erlangt. Die Frauen wandten sich dem Klöppeln zu und stellten wertvolle Textilien her. Die Besonderheit in der Textil- und Holzhandwerkskunst ist, dass der Mund frei ist, was bedeutet, dass man bei der gemeinsamen Tätigkeit beginnt, zu dichten und zu singen. Da die ehemaligen Bergleute aus allen Gebieten des Deutschen Reiches stammten, hat sich ein ganz eigenwilliger Dialekt entwickelt.

»De Schwammebrie stätt uffn Uofn un dampft,

dor Schwiechersohn sein Dellor nei mampft,

Drin is so schie un gemiedlich

un draußn falln Flucken, ganz friedlich.

Dor Erwin hackt Hulz un feifft e Liedchn,

seine Kinnor im Schnee lachn un quietschn.

Dor Raach steicht aus dor Essn

un iech hätt fast de Feierdoch vorgessn.....«

Wenn auch jetzt die Handarbeit nicht mehr in jedem Haushalt durchgeführt wird, Zusammenkünfte gibt es noch heute und heißen Hutzenohmd, man spricht, musiziert, trinkt und isst miteinander. Viele Männer tragen auch heute noch gern die Uniform der Bergleute und in vielen Städten des Erzgebirges hält man einmal im Jahr, zumeist in der Vorweihnachtszeit, Bergparaden ab, unter den festlich gekleideten Bergleuten gibt es dann Spielmannszüge. Passend zu den Holzfiguren, oftmals Raachermannln, werden hier die passenden Räucherkerzen hergestellt. Somit riecht es auf den Weihnachtsmärkten nicht nur nach Glühwein, sondern nach Weihrauch mit allen nur denkbaren Nuancen. Auch im Erzgebirge sind die Wege gut ausgebaut und markiert, man findet die überregionalen Wege aus dem Vogtland wieder (Andreaskreuz, roter und blauer Strich auf weißem Grund). Den Waldbestand haben zunächst die Rauchgase zu Schaffen gemacht, in neuerer Zeit aber auch Orkane, wie Kyrill 2007 oder Schädlinge (Borkenkäfer und Fichtenblattwespe). In der Forsthochschule Tharandt experimentiert man mit Bäumen, die den Herausforderungen der Neuzeit standhalten, vor Allem möchte man von den Monokulturen wegkommen. Bisher waren die Schäden immer verheerend, weil die Bäume ein Alter aufwiesen. Auch lässt man zunehmend Holz im Wald liegen und fördert das Wachstum des Unterholzes. Wald ist nicht mehr allein Wirtschaftsstandort, sondern auch Forschungsfeld und Erholungsgut. Es kommt durchaus vor, dass man hier Forstfachleute aus Kanada, den USA oder Brasilien antrifft, die ihre Erfahrungen vermitteln, aber auch von deutschen Methoden lernen, ist doch Wald ein internationaler Klimaschutzfaktor.

Wer sich für Wintersport interessiert, die meisten Wege, besonders in den Kammlagen des Erzgebirges, eignen sich für Skilanglauf und sind schneesicher. In Oberwiesenthal befindet sich eine Skisprungschanze und in Altenberg/Osterzgebirge eine Bob- und Rodelbahn, wo der deutsche Wintersport-Kader ausgebildet wird. Auch entlang der grünen Grenze kann man perfekt Ski laufen, z. B. lassen sich Fichtelberg und Klinovec/Keilberg perfekt mit einer Tour verbinden, Gaststätten auf beiden Seiten der Grenze laden zum Verweilen ein. Auch der ehemalige Skispringer Jens Weißflog besitzt in Oberwiesenthal ein Hotel. Die Küche der Region wird geprägt von typischen Spezialitäten, z. B. Buttermilchgetzen, ein aus rohem Kartoffelteig gebackenen Fladen oder den böhmischen Knödeln jenseits der Grenze.

Des Weiteren haben Hobby-Archäologen hier ein reiches Betätigungsfeld, im Erzgebirge wird intensiv nach dem Bernsteinzimmer gesucht. Einst verschenkte das Preussische Königshaus das Zimmer an den russischen Zaren, doch die Nazis raubten im 2. Weltkrieg dieses Kulturgut, seither ist es verschollen. Eine Schatzsuche anderer Art ist die Goldwäsche, die an einigen Bächen wieder betrieben wird. Industriell gefördert wird ein neuer Rohstoffboom, hier gibt es die seltenen Erden, die für die Handy- und Computerherstellung benötigt werden. Oftmals werden dabei alte Uranschächte genutzt, eine Hinterlassenschaft der sowjetischen Besatzungszeit, Uran war ein wichtiger Rohstoff für Atomwaffen und Kernkraftwerke.

Östlich geht das Erzgebirge in die Sächsische Schweiz über, eine Sandsteinformation mit Gipfeln von bis zu 500 Meter Höhe. Einst Grund eines seichten Meeres, wurde durch Kräfte aus dem Erdinneren die Region gehoben und die Witterung nagte an den weichen Felsmaterial, die Elbe tat ein Übriges und schnitt ein Tal in dieses Gebirge, geblieben ist ein reizvoller Naturpark mit einzelnen, leicht erreichbaren Gipfeln, für Wanderer mit Leitern und Treppen versehen, für Bergsteiger mit bereits eingeschlagenen Eisen für die Karabinerhaken und Seile. Bekannteste touristische Ziele sind die Bastei, die Schrammsteine und die Felsenbühne Rathen, wo viele bekannte Theaterstücke aufgeführt werden. Dampfer der Weißen Flotte stellen die Verbindung zur oben beschriebenen Elbmetropole Dresden her und fahren bis ins böhmische Decin, auch hier flankiert von Sandsteinformationen. Bekannteste Ausflugsziele hier sind das Prebischtor, die Wilde und die Edmundsklamm, letztere sind mit Kahn befahrbar. Auf der Elbe flussabwärts liegt das Schloss Pillnitz, berühmt für die Kamelie und jenseits von Dresden die Stadt Meißen mit seinem Weinanbaugebiet. Wer nicht unbedingt die Dampfer nutzen möchte, Radwege folgen der Elbe bis Hamburg, viele Städte am Flusslauf laden zur Besichtigung ein, man sollte jedoch viel Zeit mitbringen, denn die Elbe ist lang.

Die nördlichste größere Erhebung ist der Harz, vor 1989 durch die innerdeutsche Grenze in zwei Hälften gespalten, der Brocken, die höchste Erhebung, war militärisches Sperrgebiet. 1981 machten wir Urlaub im Ort Breitenstein in der Nähe von Stolberg/Harz. Schöne, breite Wege durchziehen das Gebiet, die mit Dampf betriebenen Züge der Harzquerbahn fahren ab Wernigerode in Richtung Norden und seit der Wende befährt von Schierke auch wieder eine Bahn auf den Brocken. Bekannt ist die Region für den Kyffhäuser, einer Legende nach soll Friedrich Barbarossa hier begraben sein und wiederkehren, um Deutschland zu neuem Ruhm führen, daher bekam er in wilhelminischer Zeit ein Denkmal. Weitere Zeugnisse des Mittelalters sind die Burgruine Regenstein, die Burg Stolberg und das Rathaus in Wernigerode, wo viele Paare in historischer Kulisse sich das Ja-Wort geben. Wenn man die nun unsichtbare Grenze überwindet, gelangt man in das reizvolle Städtchen Braunlage, hier dominieren Fachwerkhäuser.

 

Aber auch die alte Kaiserstadt Goslar ist eine Reise wert. Zu Halloween und in den letzten Apriltagen sollte man die Stadt Thale aufsuchen, denn hier hat der Hexentanzplatz Berühmtheit erlangt. Außerdem soll einst ein Prinz mit seinem Pferd seinen Häschern entflohen sein, Zeugnis dieses Geschehens ist die Rosstrappe an einem Felsen hoch über der Bode. Etwas südlicher gelegen, befindet sich die Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg, die in den letzten Jahren aufwändig restauriert wurde.

Zoologische Gärten und Tierparks gibt es in vielen Städten, der Zoo, der die bedeutsamste Entwicklung in meiner Region genommen hat, ist der Zoo Leipzig. Schon als kleinstes Kind durchstreifte ich ihn mit meinen kurzen Beinen, viele Tiere bewohnten damals noch viel zu kleine Käfige, nunmehr gibt es weitläufige Anlagen, wie das Gondwana-Land und das Elefanten-Areal Ganeshda Mandhi. Nachteil heute ist, dass es durchaus passieren kann, dass man gewünschte Tiere nicht sieht, z.B. weil sie sich zum Mittagsschlaf zurückgezogen haben, nicht so die Erdmännchen, die immer auf Wachposten sind, so mein Erdmännchen im ersten Sonnenschein:

Die Kalahari ist kalt, der Tag ist schon alt,

da zeigt sich’ne Hand, fast wie der Sand

So braun, mit schwarzen Linien durchhaun.

Scheu noch, doch keck die Nase vor, reck,

Zwei Äuglein schaun raus:

»draußen läuft nicht mal ‘ne Maus,

hab Futter gewollt,

Doch jeder Wurm sich hier trollt.

Dabei knurrt schon seit Tagen

mein unruhiger Magen.

Was soll ich nur tun?

Ich kann nicht mehr ruhn.

Mama kann mir nichts raten,

Es fehlen die Maden.

Denen ist es zu kalt,

wenn der Wind weht im Spalt.

Doch, was ist denn dass?

Die Sonne wird blass,

verhüllt sich mit Wolken,

Die der Wind hat gemolken.

Es fallen viele Tropfen,

muss den Eingang verstopfen.

Ich kann nichts weiter tun,

als lange zu ruhn,

muss den Gang runter ruscheln

Und mit Schwesterlein kuscheln.

Doch find ich dass doof,

ich mach ihr nicht den Hof.

Mit ihrem doofen Gezicke,

nur weil ich sie mal zwicke.

Dabei bin ich fast ein Mann,

Der die Familie beschützen kann,

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