Game Over

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Game Over
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Thomas GAST



Game Over



Ein Einsatzbericht von Thomas Gast





Dieses ebook wurde erstellt bei






Inhaltsverzeichnis





Titel







IMPRESSUM







WIE BEINHARTER LACK







MEIN TRAUM - ELITESOLDAT







GAME OVER







PÉLICAN 1. EINE EVAKIERUNG, DIE NIE STATTFAND







DIE OPERATION







KRIEGSTROMMELN AM KONGOFLUSS







DIE VORGESCHICHTE







ORSTOM







ES STEHT EINE MÜHLE IM SCHWARZWÄLDER TAL







DAS AFRIKANISCHE HERZ







ZULUS, NINJAS, COBRAS?







PÉLICAN 2. IM KREUZFEUER







KONGOFIEBER - 07. JUNI 1997.







VERSTÄRKUNG







IM HEXENKESSEL VON BRAZZAVILLE







PÉLICAN 3. DER RÜCKZUG







Impressum neobooks







IMPRESSUM








1. Auflage 2019.



©Thomas Gast (Autor).



95445 Bayreuth - https://thomasgast.com/



Mail – thomaslegion@rocketmail.com



Tel – 01520 – 640 – 5602





WIE BEINHARTER LACK



 In den 20er Jahren besuchte eine Delegation Ledernacken (Soldaten des United States Marine Corps) das Hauptquartier der Fremdenlegion in Sidi bel Abbès. Bei dem Großteil der Besucher handelte es sich um kriegserfahrene und sehr kritische Stabsoffiziere, alles Haudegen, vorausgegangener Konflikte. Sie blieben ein paar Wochen, kehrten in die Staaten zurück und verfassten dort einen Artikel im USMC Magazin

The Daily Gazette

der mit folgenden Worten begann:

Die Fremdenlegion (Légion étrangère) ist mit Sicherheit – und mit Abstand – die effizienteste Kampftruppe die die Welt je hervorgebracht hat.

Kurz bevor ich im Jahr 2002, nach 17jähriger Zugehörigkeit, die Fremdenlegion verließ und damals zum ersten Mal diesen Artikel las, konnte ich guten Gewissens nur nicken. Effizient! Das war die Legion damals und das ist sie heute mehr denn je, sagte ich mir. Einen Schritt weitergehend, möchte ich behaupten, dass es in diesem

effizientesten Armeekorps


der Erde

 ein Regiment gibt, das ganz besonders hervorsticht. Es handelt sich um das 2. Régiment étranger de parachutistes, um die Fallschirmjäger der Fremdenlegion. Um zu verstehen, mit welcher Wirkkraft die Männer des 2. REP im Einsatz einen Feind suchen, auf Kontakt mit ihm gehen, ihn binden, angreifen und schließlich ´neutralisieren`, muss man dabei gewesen sein. Man muss es gesehen haben! In der Aktion gehen die Legionäre vor, wie ein

rouleau compresseur – wie eine Dampfwalze

, wie es Colonel (Oberst) Desmeulles nach einem Gefechtssprung des 2. REP in Mali im Jahr 2013 passend erwähnte. Damals sprangen zwei seiner Kompanien über Timbuktu ab, stellten und ´neutralisierten` hunderte von islamistischen Terroristen im Adrar Gebirge an der Grenze zum benachbarten Niger. Kurz vor der Operation, bei einem Meeting mit all seinen Legionären, sagte der Oberst: „Wenn ihr einen Feind tötet, dann auf seiner Höhe ankommt, um weiterzukämpfen, verpasst ihm noch eine Kugel in den Kopf, damit sichergestellt ist, dass er nicht doch noch lebt und euch oder euren Kameraden in den Rücken schießen kann.“ Auch das gehört zu der Effizienz, von der die Rede ist. Man kann sich vorstellen, dass ich selbst in den Jahren zwischen 1985 und 2002 an nicht wenigen Einsätzen mit dieser Einheit teilgenommen habe. Dabei identifizierte ich mich stets als REP-Mann, als Fallschirmjäger des 2. REP. Und ich war stolz darauf. Der Stolz haftete wie beinharter Lack an meinem Körper, wie eine zweite Haut, die nichts und niemand beschädigen oder durchdringen konnte, doch ich möchte mit meinen Erzählungen ganz von vorne beginnen …





MEIN TRAUM - ELITESOLDAT





Du fällst hin, um wieder aufzustehen. Du stehst wieder auf, um weiter zu machen. Du machst weiter, um zu kämpfen. Du kämpfst, um zu siegen! (Gavrilei, Relu Julian).





Interesse an ein herkömmliches Leben hatte ich nie. Auch in jungen Jahren nicht. Achtjährig durchstreifte ich mit Pfeil und Bogen in der Hand die heimatlichen Wälder. Mit elf träumte ich davon, Elitesoldat zu werden, ersetzte konsequenterweise den Bogen durch eine hölzerne Winchester. Einige Jahre später, ich war plötzlich achtzehn, ging ich zur Bundeswehr. Meinem Traum war ich damit so nahe, wie nie zuvor. Ich hatte ein deutliches Ziel vor Augen, richtete meine gesamte Energie darauf, bettelte förmlich nach Aktion. Die ersten Monate beim Bund waren geprägt vom strikt militärischen Alltag: aufstehen, essen, joggen, Ausbildung an Waffen und Gerät! Letzteres Tag und Nacht. Für mich war das genau das Richtige. Nach Abschluss der Vollausbildung in Nagold nahm ich an zahlreichen Lehrgängen teil, darunter waren: Springerlehrgang; Einzelkämpferlehrgang; Lade- und Verlastelehrgang; Freifallerlehrgang; Lehrgang als Schießlehrer für Handfeuerwaffen; Kommandolehrgang in Breisach, etc. Damit wollte ich meine Fähigkeiten in den Bereichen Einzelkampf, Jagdkampf, Überleben, sowie mein Wissen über Waffen (allgemein) verbessern. Du willst Elitesoldat werden, fragte ich mich immer? Dann nimm mit, was du kriegen kannst. Besonders das Fallschirmspringen gefiel mir, nein: ich liebte es! Ich drängte mich dazu auf, wann immer sich die Gelegenheit bot. Doch irgendwann kam ich zu der bitteren Erkenntnis, dass diese Bundeswehr keine Elite war. Irgendwas fehlte. Elite ist ein großes Wort, dazu gehört auch der absolute Zusammenhalt, der Esprit, die Verbundenheit unter Waffenbrüdern, Dinge also, die sich nicht unter der Hand verhandeln. Obwohl beim Bund die Kameradschaft, intern wie auch nach außen, großgeschrieben wurde, war ich mir da nicht ganz sicher. Sie war teilweise zu ostentativ, fand oft nur im Dienst statt. Oder abends, im Suff und in der Langweile. Hauptsächlich aber immer dann, wenn kein eigenes Risiko für Leib und Seele dagegensprach. Kameradschaft, so sagte ich mir, konnte nur in Extremsituationen entstehen. In solchen Situationen geboren, konnte sie wachsen und ewig fortbestehen. Solche Situationen erfuhr ich beim Bund aber nie. Es gab keine. Oder nur selten. Alles war immer und jederzeit überschaubar, ungefährlich und für meine Begriffe völlig harmlos. Wie auf einem blitzsauberen Kinderspielplatz für große Jungs. Außerdem wurde nirgends gekämpft, wir dienten nur der Abschreckung. Obwohl ich nicht bloß Bürger in Uniform sein wollte, nahm ich die Sache ernst. In vielen tausend Trainings- und Ausbildungseinheiten perfektionierte ich den Jägerinstinkt in mir. Mein Ehrgeiz blieb nicht unerkannt und schon bald fand sich ein Mitstreiter: Jürgen! Wir wurden Freunde, ein unzertrennliches Paar. Unsere wichtigste Frage lautete: wo zum Teufel wird gerade gekämpft? Noch aktiv in den Reihen der ´Fallis` der Schwarzwaldbrigade (Fallschirmjäger der Luftlandebrigade 25 „Schwarzwald“) gingen wir systematisch alle Möglichkeiten durch. Südafrika kam uns zuerst in den Sinn. Dort kämpfte die südafrikanische Armee in Angola und Sambia gegen die SWAPO und gegen die MPLA. Wir bewarben uns, erhielten aber eine harsche Absage. Der erste Elan meines Kameraden war damit gebrochen. Ich brachte die Fremdenlegion ins Spiel, doch das kam für Jürgen nicht in Frage. Für ihn war das Thema kämpfen erst Mal erledigt, bei mir aber sah das ganz anders aus. An einem regnerischen Tag im Februar 1985 klopfte ich an die Tür des einzigen Rekrutierungsbüros der Fremdenlegion in Strasbourg in der Rue d'Ostende. Als sich die Türe wieder hinter mir schloss, war ich ein Gefangener meiner eigenen Leidenschaft. Die Legion wurde meine Heimat. Nicht nur wegen den Kämpfen, die nicht lange auf sich warten ließen, nein, sondern wegen dem Gesamtpaket namens Légion étrangère. Das, was ich bei der Bundeswehr so sehr vermisst, es jedoch nie klar definieren konnte, fand ich hier. Das Gefühl, angekommen zu sein. Das Gefühl, akzeptiert und Teil einer großen Familie zu sein. Bedingungslos, absolut, in guten wie in schlechten Zeiten. Fremdenlegion, das war mehr als nur dreizehn Buchstaben. Da roch es jeden einzelnen Tag nach Abenteuer, nach interessanten zwischenmenschlichen Beziehungen (Kameradschaft in Extremsituationen geschmiedet) nach Korpsgeist und langer Tradition; einer Tradition, die über hundertfünfundfünfzig Jahre aufrechterhalten und stetig weitergeführt wurde, keine Epoche (mochte sie noch so unrühmlich gewesen sein) auslassend. Die Männer, und das fand ich schnell heraus, wollten hart geführt werden. So dumpfbackig es klingen mochte, aber uns allen dürstete es insgeheim nach Hunger, nach Blasen an den Füßen, nach Durst, nach Kälte, nach Gefahr, nach Schweiß und nach Blut. Um zu vergessen, für die einen. Um die Entscheidung zu rechtfertigen, der Legion beigetreten zu sein, für die anderen. Um das eigene Limit auszuloten und es – wie auf einer Gratwanderung – je nach Belieben zu überschreiten! Freizeit war zunächst ein Fremdwort, jede Minute war verplant. Bei Vergehen oder Verstößen gegen die Regeln gab es eins auf die Zwölf, und half das nichts, ging es in den Legionsknast. Etwas Unerbittlichkeit gefällig? Na dann! Knast in der Legion, das hinterließ einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Und am Körper. Nie aber in der Seele. Im Gegenteil. So ein Knastaufenthalt war irgendwie Teil der Selbstfindung. Bist du Knastbruder, wirst du gezwungen, hart zu arbeiten. Während du mit Pickel, Hammer und Schaufel zu Werke gehst, denkst du unentwegt. Ans Leben. An deine Ziele. An den ganzen Rest. Kommst du dann wieder raus, bist du aber kein Außenseiter. Niemand sieht dich schief an. Keiner zeigt mit dem Finger auf dich, tuschelt hinter deinem Rücken oder schiebt dich an einen asozialen Rand (den es in der Legion nicht gibt). Dein Vergehen, was immer es auch war, ist getilgt. Es wird nie wieder darüber gesprochen. Alles ist gut und es geht weiter, als ob nichts passiert wäre. Die meisten Jungs, meine Freunde, hatten drei Dinge gemeinsam. Sie hatten bereits in einer anderen Armee gedient (einige waren schon im Einsatz, wie zum Beispiel der von Kopf bis Fuß tätowierte Brite Thompson, der den Falklandkrieg mitgemacht hatte); sie lehnten die Lebensweise des Otto Normalverbraucher ab; sie hatten etwas auf dem Kerbholz. Hart geführt werden war ihr Anspruch, geben bis zum Kotzen (und wenn es das eigene Leben war) eine Selbstverständlichkeit. Die Grundausbildung in der Legion war rustikal und entbehrungsreich. Zumindest empfand ich es so. So richtig hart wurde es aber erst mit meiner Versetzung nach Französisch-Guayana. Tage- ja monatelang marschierten wir mit schwerem Gepäck durch undurchdringliche Urwaldregionen, überquerten dabei mit Tauen aus Hanf reißende Flüsse, machten Bekanntschaften mit Giftschlangen, mit Malaria und mit Garimpeiros (illegale Goldsucher), die, wenn sie uns sahen, zuerst schossen und dann Reißaus nahmen. Obwohl das alles real war – die Gefahr, die Schlangen und Kaimane, die Härte und der Urwald um uns herum – so kam ich mir doch vor, wie ein Player. Wie ein Spieler, der jederzeit die Karten auf den Tisch werfen und aussteigen konnte. Damit hatte ich mich wohl verschätzt. 1987 wurde ich zu den Fallschirmjägern versetzt. Hier blühte ich förmlich auf. Meine Kompanie hatte sich dem Nachtkampf und dem Orts- und Häuserkampf verschrieben. Die Legions- Lehrgänge waren knüppelhart. Nach der Sprungausbildung fuhren wir zur Winterzeit zum

Centre national d'entraînement commando (CNEC)

, meinen ersten Kommandolehrgang. Der fand in Mont-Louis, einem Ort in den französischen Pyrenäen auf fast 2000 Metern Höhe statt. Einen Einzelkämpferlehrgang (hauptsächlich im Freien) bei nächtlichen minus 20 Grad, und das nach 2 Jahren Urwald: das schlug ein, wie eine Granate! Alle Ausbildungseinheiten dieses Lehrgangs hatten nur ein Ziel: Das Überleben im realen Kampf! Vieles blieb mir gut im Gedächtnis. So zum Beispiel gruben wir eines Nachts, auf Befehl, mit Spaten und bloßen Händen solange in der gefrorenen Erde, bis wir einen Kampfstand hatten, der so hoch war, dass wir gerade noch darin liegen konnten. Gesicht nach oben. Gegen Mitternacht kam dann eine Panzerkolonne auf uns zu. Es waren zwei ausgediente AMX-13. Sie fuhren mit Blackout Beleuchtung, so dass wir nur die Umrisse erkennen konnten. Wir ließen uns überrollen, sprangen mit zwei Handgranaten bewaffnet von hinten auf den uns zugeteilten Panzer, platzierten sie an den richtigen Stellen, sprangen ab und rollten wieder zu Boden. Boum-boum! Tags darauf gab es dieselbe Übung, nur dass wir mit selbstgebastelten Molotowcocktails zu Werke gingen. Beim Nahkampf wollten die Ausbilder Blut sehen. Wessen Hände nach der täglichen Einheit corps à corps nicht rot vom Blut des anderen waren, der durfte nachts eine Stunde länger Wache schieben. Da Schlaf Mangelware war, schlug man eben härter zu, als man es ursprünglich vorhatte. Ein anderes Mal, es war während einer Durchschlageübung - wir hatten seit zwei Tagen nichts gegessen - stellte man uns. Wir, das waren zwei Engländer meiner Gruppe und ich. Wir wurden gefangen genommen. Zunächst bekamen wir einen Sack über den Kopf gestülpt, dann wurden uns die Hände auf den Rücken gebunden. „Hinlegen!“ Drei Stunden lang lagen wir auf vereisten Boden in der Nähe eines zugefrorenen Flusses. Unweit von uns brannte ein Feuer. Die Ausbilder! Sie aßen sich geräuschvoll die Bäuche satt. Irgendwann kamen sie rüber zu uns. Es hagelte Fußtritte und Beleidigungen. Obwohl gespielt (es war eine Übung), tat das verdammt weh. Die Ausbilder verschwanden wieder. Nach gefühlten drei weiteren Stunden hörte ich urplötzlich eine Stimme nahe an meinem Ohr. Sie kam aus dem Nichts. „Sag mir den Namen deines Kompaniechefs.“ Ich erschrak, schwieg aber. Jemand ohrfeigte mich und rammte mir gleichzeitig das Knie in den Bauch. Es herrschte wieder eine Stunde Stille, danach ging alles von vorne los. In diesen Extremsituationen stellten meine Ausbilder schnell fest, dass ich das Potenzial zum Unteroffizier hatte. So geschah es, dass ich 1989 und nach einem elfmonatigen Unteroffizierslehrgang zum Sergent avancierte. Es folgte meine Bekanntschaft mit dem afrikanischen Kontinent. Auch die ersten Einsätze ließen nicht lange auf sich warten: Zentralafrikanische Republik; Gabun; Dschibuti; Tschad. Jahr für Jahr kehrten wir nach Afrika zurück. Afrika war wie ein Magnet, wie eine Wiege, wie eine Droge für uns Legionäre. Hier fühlten wir uns wohl. Und so verging die Zeit. Hinzu kamen einige Friedensmissionen und ehe ich mich versah, war ich plötzlich Adjudant (Hauptfeldwebel) und somit Zugführer. 1997 kam es zu einem Einsatz im Kongo. Und der sollte mich gewaltig durchschütteln.

 





GAME OVER



 In den Monaten Mai und Juni 1997, war ich als Zugführer mit meiner Einheit – der 1. Kompanie des 2. Fallschirmjäger Fremden Regimentes – kurz 2. REP – im Einsatz in diesem gottverdammten Hexenkessel Brazzaville (Kongo). Am 07. Juni gerieten meine Männer und ich in einen Hinterhalt, angelegt von den Soldaten einer der kriegsführenden Parteien. Als die Nacht rum war, beklagten wir einen Toten und zahlreiche Verwundete. Es war knapp in dieser Nacht, so knapp wie noch nie. Wie es zum Ersten Kongokrieg kam, wie der Einsatz verlief und wie ich persönlich die ´Operation Pelikan` auf meinem Niveau vorbereitete, durchführte und nachbereitete, davon erzähle ich in diesem Bericht. Vorab aber einige persönliche Reflexionen. Unmittelbar nach der Operation Pelikan war ich orientierungslos. Ich stellte mich in Frage, begriff jedoch, dass dieses Zweifeln an mir selbst nur ein kleines Glied in einer langen Kette meiner vor längerer Zeit schon begonnenen Unzufriedenheit war. Es braucht immer den Anlass, das Ereignis oder den Aufschrei, um schlussendlich mal den Kopf zu heben und zu erkennen: hoppla, da war doch was! Die Ereignisse dieses 07. Juni waren so ein Wachrüttler. Dieser Player, das war ich nicht mehr. Der Soldier of Fortune, der nachts, die durchgeladene Waffe in der Hand durch Pulverrauch hindurch seinen, vom Kampf gezeichneten Männern, entgegenlief, das war jemand anders. Ich hatte siebzehn Jahre lang gepokert und dabei immer gewonnen, doch nun war Schluss. Game Over.





PÉLICAN 1. EINE EVAKIERUNG, DIE NIE STATTFAND



Ich lese viel. Erst in dem Moment jedoch, in dem ich den weiter unten erwähnten Artikel eingesehen hatte, wurde mir in vollem Maße bewusst, was meine Einheit im Juni 1997 vollbracht hatte. Unser Einsatz war business as usual, wie immer. In meinem Fall aber verhielt es sich anders. Dieser normale Dienst im Kongo hatte das von mir selbst gewählte Ende meiner Karriere eingeleitet. Zu Ende aber ist alles erst am Schluss. In diesem Sinne verweise ich auf die Septemberausgabe des Magazins Képi Blanc aus dem Jahr 1997. In dieser 72-Seiten-Revue konnte der scharfsichtige Abonnent Folgendes lesen.

A vous tous, hommes de guerre, d’honneur, de qualité et de cœur, un grand merci.

Vous nous avez prouvé combien votre efficacité professionnelle n’avait d’égal que votre gentillesse, humanité et grandeur d’âme -

An euch alle, Männer des Krieges, der Ehre, der Güte und des Herzens, habt Dank. Ihr habt uns bewiesen, dass nur eure Freundlichkeit, eure Menschlichkeit und die Größe eurer Seele, der euch eigenen professionellen Effizienz gleichkommen. Brief von Frau V. C. (Name durch die Redaktion des Magazind Képi Blanc abgekürzt).

Nous, les ressortissants de la Russie, remercions du fond de nos cœurs la Légion étrangère qui nous a sauvés à Brazzaville en risquant leurs vies -

Wir, die russischen Einwohner, danken der Fremdenlegion aus vollem Herzen. Unter Einsatz ihres Lebens haben sie uns in Brazzaville gerettet. Russische Bürger von Brazzaville. Quelle: Magazin Képi Blanc. Als das Képi Blanc druckfrisch und pünktlich wie ein Uhrwerk erschien, war meine Einheit bereits wieder zurück vom Einsatz. Bei dem Einsatz handelte es sich um eine französische Militäroperation, die im Wesentlichen von den Paras Legion getragen wurde. Es fand eine Evakuierung „in extremis“ einiger Tausend im Lande lebender Ausländer statt. Unter ihnen befanden sich viele Europäer, hauptsächlich Belgier, Franzosen und Deutsche. Aber auch Russen, Amerikaner und Afrikaner. Die Bedrohungslage war real, der Einsatz in der zweiten Phase beinhart. Die Operation gliederte sich in drei Teile.



Pélican-1

 war die Vorbereitung eines Einsatzes in Kinshasa, Zaire. Die Phase begann für uns am 15. Mai und endete zwei Tage später, am Abend des 17. Mai.

Pélican-2

 begann theoretisch mit dem Überfall der Regierung Pascal Lissoubas auf die Villa des Ex-Präsidenten Denis Sassou-Nguesso am 5. Juni. Im Gelände und in der knallharten Realität aber begann Pélican-2 für uns erst am 7. Juni. Dann aber gleich mit einem Paukenschlag. Diese heikle Phase dauerte bis zum Abend des 15. Juni.



Pélican-3

 war der Rückzug aller französischen Truppen aus dem Hexenkessel Brazzaville. Die Operation begann am Morgen des 16. Juni und galt am 20. Juni als beendet.





DIE OPERATION



CODENAME: Pelikan.



EINSATZORT: Kongo.



LAGE: Unübersichtlich. Es herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. In der Stadt Brazzaville wird Tag und Nacht gekämpft, Zivilisten als Geiseln genommen, Frauen bedroht und vergewaltigt, Männer willkürlich erschossen.



AUFTRAG: Wenn möglich alle Geiseln befreien.



ROEs: 1 - Erweiterte Selbstverteidigung. 2 - Wer sich der Auftragsausführung entgegenstellt, ist als Feind zu behandeln.



EIGENE KRÄFTE: 1250 Elitesoldaten der französischen Fremdenlegion, zusammengestellt aus den Regimentern: 2. REP / 2. REI / 1. REC, plus das Commando de Montfort.



FEINDKRÄFTE: 30.000 afrikanische Soldaten der drei kriegsführenden Parteien: Zulus, Ninjas und Cobra- Milizen.



OBERBEFEHLSHABER: General Landrin, (Kommandant der Opération Pélican).





KRIEGSTROMMELN AM KONGOFLUSS



Die Republik Zaire war nahe dran, ein Wunder zu erleben. Ein menschliches ökonomisches und wirtschaftliches Wunder. Die Männer und Frauen der Republik verfügten über eine positive Energie, über ein kreatives Genie, das Land unter ihren Füßen war gesät mit unermesslichen Bodenschätzen. Das war immer so. Ein Mann hat das alles erkannt, doch man ließ ihm nicht die Zeit, aus dieser Erkenntnis

– und für sein Volk –

 Kapital zu schlagen. Er war der Mann, in dem die westliche Welt einen Wall gegen die Ausbreitung des Kommunismus in Afrika sah. Deshalb unterstützen sie ihn. Er zahlte es dem Westen zurück indem er sich gebärdete wie ein verrückter Despot. Er raubte sein Volk aus, machte das Krebsübel Korruption zu einem Kavaliersdelikt, eliminierte systematisch alle Gegner und wadete dann in ihrem Blut. Die Rede ist von Maréchal Mobutu. Der Mobutu, der sich mit Blick auf seine prachtvolle Residenz im Osten Kinshasas

l’aigle de Kawele

 (Adler von Kawele) nannte. Oder war es gar eine neidische Szenerie Mobutus auf Adolf Hitlers Adlernest in Berchtesgaden? Der Mobutu, der den Mythos des Leoparden bei seiner Selbstdarstellung nutzte, damit ohne Zweifel den Geheimbund der Leopardenmenschen (Anioto) im Sinn hatte: Ein Leopard, der, wenn man den Afrikanern glaubt, verräterische, hinterhältige Züge besitzt; ein Leopard, der funktioniert und denkt wie ein Mensch, der aber keiner ist. Der Leopardenmensch Mobutu ist tot. Was der Erste Kongokrieg begonnen hatte, führte ein Krebsleiden zu Ende. Der Erste Kongokrieg war ein vom Herbst 1996 bis Mai 1997 auf dem Territorium der Demokratischen Republik Kongo ausgetragener Bürgerkrieg. Dabei wurde Langzeitdiktator Mobutu von der von mehreren Ländern unterstützten Rebellenkoalition der Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung Kongos (AFDL) gestürzt. Mobutu war ein Produkt belgischer Kolonisation. Nach seinem Großonkel nannte man ihn Sese Seko Kuku Ngbendu wa za Banga, den

Krieger, der von einem Triumph zum Nächsten eilte

. Und genau das tat er auch. Der vom Geltungsbedürfnis und später ohne jeden Zweifel vom Größenwahn motivierte Leopardenmann war nicht etwa zu vergleichen mit einem Idi Amin Dada, dem man nachsagte, dass er seine Feinde gerne mal verspeiste, nein! Mobutu war schlimmer. Unteroffizier, Journalist und schließlich Generalstabschef der Force Publique Zaires, das alles waren nur Zwischenstationen des vom Ehrgeiz zerfressenen Ngbandi. 1965 putschte er sich selbst an die Macht. Seit diesem Zeitpunkt führte er als Diktator ein dreißigjähriges, irrsinniges Regime, das von Korruption und von Ausbeutung geprägt war. Dieses Regime war 1997 wie eine überreife Frucht; es fehlte nur jemand, der dem Baum, der sie trug, einen kräftigen Tritt verpasste, damit sie zu Boden fiel und zerbarst. Ging es beim Völkermord in Ruanda in erster Linie um Hass und um Macht, so kamen in den Kongokriegen zwei Komponenten hinzu: Rohstoffe und deren potenzielle Abnehmer! Abnehmer, die nicht in Afrika, sondern mitten unter uns und in unserer „zivilisierten“ Welt zu finden waren. Das einfache Volk, welcher Ethnie auch immer es angehörte, wurde dabei in eine Statistenrolle verdammt. Für Kriege und üble Machenschaften wie den Raubbau an der Erde und für den „Run“ auf Afrikas Bodenschätze brauchte man Gewinner, vor allem aber benötigte man Statisten und Verlierer. Nach dem Völkermord in Ruanda flohen die mörderischen Hutu über die Grenze nach Zaire, wo sie in immensen Flüchtlingscamps Unterschlupf fanden. Dort, in der Kivuregion, hauptsächlich in Goma und Bukavu, organisierten sie sich erneut. Sie bauten die Flüchtlingscamps zu Basen für eine baldige Wiedereroberung Ruandas aus. Während die UN erhaben wegsahen, entstanden dort richtige Armee-Trainingslager und Ausbildungszentren: Brutstätten der Wut und des Hasses! Die „Tutsi von Zaire“, die Banyamulenges, mit den Tutsi von Ruanda eng verwandt, hatten sich seit langer Zeit schon in der Region niedergelassen. Doch nun wurden sie von den Hutus verfolgt und vertrieben, und die Machthaber in Kinshasa halfen ihnen dabei. Während Mobutu bei den USA immer mehr in Ungnade fiel, zeichnete sich aus der oben genannten Rebellion heraus ein neuer Mann am Kongo-Horizont ab: Laurent-Désiré Kabila. Mobutu besaß Macht, und der von den USA in allen Belangen unterstützte Gold- und Elfenbeinhändler von Hewa Bora, der so nebenbei noch dem Waffen-, Diamanten-, dem Drogenschmuggel und der Prostitution frönte, wollte sich diese Macht aneignen. Kabila hatte bei weitem nicht das Format eines Spitzenpolitikers. Das wussten die Amerikaner. Was also erwarteten sie sich von diesem Mann, der eher aussah wie ein grausamer, blauschwarzhäutiger Blutsäufer als ein feiner Diplomat? Die Frage war einfach zu beantworten. Im Kongo lagen unermessliche Bodenschätze. Gold, Diamanten, Kupfer und vor allem Coltan. Coltan oder Tantal war ein wichtiger Bestandteil für die Handyproduktion. Bereits damals war abzusehen, dass sich auch die Computerindustrie auf dieses Erz stürzen würde. Kabila vergab Lizenzen von Diamant-, Gold- und sonstigen Erz Minen, und er erhielt dafür Cash, Waffen und Carte Blanche (grünes Licht) für sein weiteres Vorgehen. Was die Amerikaner nicht wissen konnten, war, dass Kabila, was Kongos immense Bodenschätze anbelangte, damals schon mit China und Nord-Korea liebäugelte. Außerdem bot er 1998 einem Geschäftsmann aus Zimbabwe, einem gewissen Billy Rautenbach, die Obhut über GECAMINES in der Katanga-Provinz an, die dieser natürlich nicht verschmähte. Möglicherweise, ich möchte sagen höchstwahrscheinlich, waren es all diese „Liebschaften“, die Kabila später ins Fadenkreuz der USA und letztendlich ins kühle Grab brachten. Auf der Gegenseite unterstützten die Franzosen Mobutu (Françafrique, dem nachkolonialen französisch-afrikanischen Netzwerk, verpflichtet) nach wie vor mit aller Macht. Schließlich ging es um nichts weniger als um Vorherrschaft und um Einfluss in der Region. Der Ausspruch „Afrika ohne Frankreich ist wie ein Auto ohne Fahrer. Frankreich ohne Afrika ist wie ein Auto ohne Benzin“ traf genau ins Schwarze.

 



More than 40 years of African Independence have offered to the world a sad spectacle of a continent looted and humiliated with the complicity of its own sons and daughters-

Mehr als 40 Jahre Unabhängigkeit in Afrika bot der Welt ein trauriges Schauspiel eines geplünderten Kontinents, gedemütigt durch die Komplizenschaft seiner eigenen Söhne und Töchter. Laurent-Désiré Kabila. In einer Art Blitzkrieg führte Kabila den ersten Kongo-Krieg. Mit der Ansage, „Mobutu in den Mülleimer der Geschichte zu werfen“, fegte seine Armee wie ein Orkan in Richtung Kinshasa. Tutsi-Soldaten der Ruandisch Patriotischen Front und tausende von Tutsi-Flüchtlingen füllten seine Reihen. Sein Heer bestand aber auch aus Kindersoldaten. Unter Aufsicht und angestachelt von erwachsenen Kämpfern rückten die „Kids“ auf roten Lehmpisten, durch dichten Dschungel, durch Regen und durch Sümpfe und über die mit Elefantengras bewachsene Savanne vor. Hutus wurden massakriert, wo man sie antraf. Nacheinander fielen Bukavu am 30. Oktober 1996 und Goma vier Tage später. Bereits Ende Dezember 1996 hatte die AFDL das gesamte Grenzgebiet nach Uganda, Ruanda und Burundi unter ihrer Kontrolle. In Windeseile marschierten sie unbeirrbar weiter nach Westen. Mobutu derweil tobte. Erbost über das Unvermögen seiner eigenen Truppe ernannte er General Mahele zum Stabschef der Armee von Zaire. Mahele hatte nur einen einzigen Auftrag: Kabila aufzuhalten! Doch auch er konnte nicht verhindern, dass die bedeutendste Bastion auf dem Weg in die Hauptstadt in die Hände der Rebellen fiel: Kisangani! Wie ein Schwarm ausgehungerter Heuschrecken fielen Kabilas Männer über die Stadt her. Sie zerstörten den dortigen Flughafen und die wenigen Hubschrauber in den Hangars, und sie töteten jeden, der sich ihnen in den Weg stellte. Die Einnahme Kisanganis war ein schrecklicher Schlag für Mobutu. Kisangani war immerhin das solideste Bollwerk gegen Kabila gewesen. Niemand hatte ernsthaft daran geglaubt, dass es fallen könnte. Niemand jedenfalls außer Mahele selbst. Der drahtige General war sich des Ernstes der Lage nur allzu sehr bewusst, aber er konnte nichts tun. Seine Einheiten suchten ihr Heil in der Flucht. Die meisten Berichte, die mit ihnen von der Front kamen, waren falsch. Sie erzählten von einem heroischen Widerstand, der nie stattgefunden hat. Mahele war somit Herr über eine Gespensterarmee! Die Regierung vertraute ihren eigenen Generälen nicht mehr und forderte die Unterstützung diverser Söldnerfirmen an. In Belgrad wurde in aller Eile eine serbische Söldnereinheit von 180 Mann aufgestellt. Serben, teilweise brutale Kriegsverbrecher des Bosnienkrieges aus den Jahren 1992 bis 1995, zu denen auch Kroaten, Russen und Polen stießen, erhielten vermutlich via Botschaft Zaires in Paris ihre Visa und flogen dann direkt nach Kinshasa. Das geschah um die Jahreswende 1996/1997. Ein anderes Söldnerkontingent, hauptsächlich waren es Franzosen, stand unter dem Befehl eines Belgiers. Die beiden Söldnerfraktionen, Serben und Franzosen, verschmolzen, bildeten bald schon eine einzige Légion blanche. Als solche tauchten sie am 03. Januar 1997 in Kisangani auf. Wenn man den Erzählungen der Einwohner Kisanganis Glauben schenken darf, dann haben sie sich sehr disziplinlos verhalten. Naiverweise erwarteten die Söldner der Légion blanche, dass Kabilas Männer den klassischen Buschkrieg von anno 1961 (Zeit der Kongo-Wirren) führten. Damit begingen sie einen unverzeihlichen Fehler. Keine einzige Minute gelang es diesen schwerbewaffneten War-Dogs, Laurent-Désiré Kabila und den AFDL-Rebellen den Schneid abzukaufen, im Gegenteil: Meist waren sie auf der Flucht! Stellten sie sich doch mal zum Kampf, dann bekamen sie anständig den Hintern versohlt. Die einzige Befürchtung die Kabila in jenen Tagen haben musste, war diese, dass Frankreich sich auch politisch und offi

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?