Das Marketingkonzept im St. Galler Management-Modell

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Das Marketingkonzept im St. Galler Management-Modell
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wbv Publikation · Bielefeld [1]

Thomas Bieger

Das Marketingkonzept im St. Galler Management-Modell

3., überarbeitete Auflage

Haupt Verlag [3]

Thomas Bieger, Prof. Dr., Ordentlicher Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Tourismus, Direktor des Instituts für Systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen. Co-Leiter des Bereichs Marketing, Dienstleistungs- und Kommunikationsmanagement der HSG (2001– 2010), Dekan der betriebswirtschaftlichen Abteilung der Universität St. Gallen (2003 –2005). Rektor der Universität St. Gallen seit 2011.[4]

3. Auflage: 2019

2. Auflage: 2015

1. Auflage: 2013

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Copyright © 2013 Haupt

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Satz: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

E-Book Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.haupt.ch

UTB-Band-Nr.: 3995

ISBN 978-3-8252-5091-1 (Buch); 978-3-8463-5091-1 (EPUB)

Vorwort zur 1. Auflage

Mit dem St. Galler Management-Modell wurde ein umfassender Orientierungsrahmen für das Management von Unternehmen und Organisationen aller Art geschaffen. Innerhalb des St. Galler Management-Modells nehmen die Geschäftsprozesse eine besondere Funktion ein. Sie ermöglichen die eigentliche Kernfunktion, die erst die Existenz eines Unternehmens oder einer Organisation legitimiert. Diese besteht darin, für Dritte, meist gegen Entgelt, Leistungen zu erbringen.

Dieses Buch orientiert sich am St. Galler Management-Modell und fokussiert dabei auf die Geschäftsprozesse. Dabei wird dem Ansatz des Marketingkonzepts als übergreifender Planungs- und Gestaltungsansatz, nicht nur für das Marketing, sondern für die gesamte Geschäftstätigkeit, gefolgt. Der Inhalt dieses Buches bietet damit eine Einführung in das Marketing, aber auch in die Gestaltung von Geschäftsprozessen insgesamt.

Zwei Ziele und damit zwei Zielgruppen werden mit dem vorliegenden Buch angesprochen. Zum einen dient es als Grundlage für die Einführung in die BWL, Teil Marktorientierte Führung an der Universität St. Gallen im ersten Studienjahr. Es deckt die Themengebiete Marketing, Leistungserstellung und Innovation ab.

Gleichzeitig soll es als Grundlagentext für Studium oder Praxis eine breite Öffentlichkeit ansprechen. Es soll als Einführung oder als Aktualisierung von Kenntnissen in den Bereichen Marketing und Leistungserstellung/Leistungsprozess dienen, aber auch das Marketingkonzept als einen seit Generationen von (Marketing) Managern genutzten, pragmatischen Denk- und Handlungsansatz präsentieren.

Die Gliederung des Buches richtet sich nach der gängigen Struktur eines Marketingkonzepts, welche auch die Grundlage für die Gliederung in sechs Vorlesungsblöcke an der Universität St. Gallen bildet:

1.Geschäftsprozesse und Marketingkonzept im St. Galler Management-Modell – eine Einführung

2.Marktanalyse – von einer statischen zu einer dynamischen Sicht [5]

3.Marketingstrategie – von der Marktsegmentierung zur Positionierungsstrategie

4.Marketing Instrumenteneinsatz 1: Produktgestaltung und Leistungserstellung

5.Marketing Instrumenteneinsatz 2: Pricing, Promotion und Distribution

6.Innovation und Controlling – Metaprozesse der Geschäftstätigkeit

Als aktuelles Handbuch für Entscheidungsträger und als Lehrmittel auf Universitätsstufe ist das Ziel des Buches nicht eine maximale Tiefe und die Vermittlung von Detailwissen. Viel mehr stehen Orientierungswissen und die Öffnung von Perspektiven im Denken im Vordergrund. Als Lehrbuch weist es primär auf die wesentlichsten Quellen hin.

Dabei soll auch dem integrativen Ansatz, der an der Universität St. Gallen gepflegt wird, Rechnung getragen werden. Dies erfolgt einerseits durch die Orientierung am St. Galler Management-Modell, aber auch methodisch durch den Einbezug des Ansatzes des vernetzten Denkens im Teil Marktanalyse sowie durch Querbezüge zu anderen disziplinären Fachgebieten, insbesondere zu Ökonomie und Recht.

In Teilen basiert das Buch auf Grundlagen, Konzepten und Textbausteinen des Buches «Einführung in die Managementlehre» von Dubs, Euler, Rüegg-Stürm und Wyss (2009), das als Vorgängerlehrbuch an der Universität St. Gallen eingesetzt wurde und an dem der Autor ebenfalls mitarbeitete. Auch folgende Autoren haben beim Vorgängerbuch im Bereich Geschäftsprozesse mitgearbeitet: Günther Schuh, Thomas Friedli, Torsten Tomczak, Fritz Fahrni und Sven Reinecke.

Für die Abschrift des Manuskriptes danke ich Frau Margareta Brugger, für die Bereinigung und redaktionelle Aufbereitung des Textes sowie der Grafiken meinem Assistenten Samuel Heer und der studentischen Mitarbeiterin Jessica Schulten-Baumer, für die kritische Lektüre meiner Frau Barbara.


Im Mai 2013 [6] Thomas Bieger

Vorwort zur 2. Auflage

Für die bereits nach zwei Jahren erforderliche zweite Auflage wurde die Chance genutzt, an den aktuellen Stand der Entwicklung des St. Galler Management-Modells anzuknüpfen. Bei der vierten Generation dieses Modells sind der Fokus des Managements, verstanden als reflektive Gestaltungspraxis, die Wertschöpfungssysteme. Entsprechend wurde vor allem das erste Kapitel weitgehend überarbeitet.

Ich danke Samuel Heer für die wertvolle Unterstützung nicht nur bei der Überarbeitung dieses Buches, sondern auch bei unseren Bestrebungen, in der Assessmentstufe der Universität St. Gallen einen an aktuellen Methoden orientierten Unterricht bieten zu können. Ebenfalls danke ich meinen Kollegen o. Univ. Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm und Assistenzprofessor Dr. Simon Grand für die anregenden Gespräche, die gute Zusammenarbeit und die vielen wertvollen Inputs.


Juni 2015 [7] Thomas Bieger

Vorwort zur 3. Auflage

Die dritte Auflage berücksichtigt neue Entwicklungen des St. Galler Management-Modells und der durch die Informationstechnologie getriebenen Weiterentwicklung der Geschäftsprozesse. Die Geschäftsprozesse werden eingeordnet in eine Weiterentwicklung der dritten Generation des St. Galler Management-Modells und bauen nicht mehr auf der vierten Generation auf. Neue Themen wie Plattformen, Geschäftsmodelle oder Herausforderungen für das Management wie Ambidexterity werden erwähnt. Es soll damit Studierenden eine leicht verständliche, aktuelle Einführung in wesentliche Teile der BWL bieten.

Ich danke Simon Kuster, M.A. HSG, Dipl. Wirtschaftspädagoge für die sorgfältige Aufbereitung der Grundlagen und die Bearbeitung des Manuskriptes.


Januar 2019 [8] Thomas Bieger

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:Beispiel einer Wertschöpfungskette

Abb. 2:Unternehmungssysteme, Wertschöpfungsnetzwerke, Wertschöpfungsketten

Abb. 3:Wertschöpfungskette, Transaktionsschnittstellen und Unternehmen

Abb. 4:Managementkreislauf nach Fayol

Abb. 5:St.Galler Management-Modell der ersten Generation

Abb. 6:Anspruchsgruppen einer Unternehmung

Abb. 7:St. Galler Management-Modell, Weiterentwicklung der 3. Generation, Aufgabenperspektive auf organisationale Wertschöpfung

 

Abb. 8:Triple-Bottom-Line

Abb. 9:Inhalte der drei Sinnhorizonte

Abb. 10:Die primären Prozesse bzw. Geschäftsprozesse nach Porter

Abb. 11:Geschäftsprozess und Märkte

Abb. 12:Wahrgenommener Kundenwert

Abb. 13:Konzeptioneller Zusammenhang zwischen Kundenwert, Wertschöpfung und Unternehmenswert; als Beispiel eines Profitability Links nach Larivière, 2008

Abb. 14:Berechnung der Wertschöpfung

Abb. 15:Struktur der Geschäftsprozesse

Abb. 16:Leistungsprozess als Wertschöpfungskette

Abb. 17:Geschäftsprozess: Physische Güter und Dienstleistungen

Abb. 18:Dienstleistungskette im Incoming-Tourismus

Abb. 19:Der Buying Cycle des Kunden

Abb. 20:Struktur einer Marke nach Aaker (1992) am Beispiel der HSG

Abb. 21:Fünfphasiges Produktlebenszyklus-Modell

Abb. 22:Die Entwicklung des Marketings

Abb. 23:Marketingkonzept

Abb. 24:Kundensystem

Abb. 25:Nutzen von langfristigen Kundenbindungen [13]

Abb. 26:Transaktionsbeziehungen im E-Commerce

Abb. 27:Zusammensetzung der Nachfrage

Abb. 28:Kaufentscheidung bei Urlaubsreisen

Abb. 29:SOR-Verhaltensmodell

Abb. 30:Theory of planed behaviour

Abb. 31:Marktgrößen

Abb. 32:Bedeutung einzelner Informationsquellen im Tourismus

Abb. 33:Travel Motivation (1+ overnights)

Abb. 34:Trendarten

Abb. 35:Trendentwicklung

Abb. 36:Systematische Analyse neuer Trends am Beispiel «Roller»

Abb. 37:Beispiel eines vereinfachten Tourismussystems in seiner Dynamik

Abb. 38:Marktanalyse im Marketingkonzept

Abb. 39:Raster einer SWOT-Analyse

Abb. 40:Angebotsanalyse einer typischen Schweizer Destination

Abb. 41:Nachfragetrends und daraus abgeleitete Chancen und Gefahren für eine Schweizer Destination

Abb. 42:Marketingstrategie im Marketingkonzept

Abb. 43:Zielhierarchie im Marketing (beispielhaft)

Abb. 44:Von der Marktsegmentierung zur Differenzierung

Abb. 45:Optimale Segmentierung

Abb. 46:Mehrstufige Marktsegmentierung für den Skimarkt

Abb. 47:Statistische Marktsegmentierung nach Motiven mit Hilfe von Cluster Analysen

Abb. 48:Darstellungsarten von Positionierungen

Abb. 49:Branchenumfeldbedingungen und Grundstrategien der Kundenakquisition

Abb. 50:Warum Kundenbindung rentiert

Abb. 51:Hauptaufgaben der Kundenbindung

Abb. 52:Überblick über das Marketinginstrumentarium

Abb. 53:Detailplanung Marketing-Mix – Marketing-Plan

Abb. 54:Vom Kundenwert zum Wert des Kunden

Abb. 55:Konzeptionsebenen für das Produkt

Abb. 56:Leistungstypologie

Abb. 57:Programmpolitische Entscheidungsalternativen

Abb. 58:Grundstruktur des physischen Leistungserstellungsprozesses

Abb. 59:Grundstruktur des Leistungserstellungsprozesses

Abb. 60:Mögliche Rollen eines Unternehmens in einer Wertschöpfungskette

Abb. 61:Betriebstypen [14]

Abb. 62:Besonderheiten von Dienstleistungen

Abb. 63:Abgrenzung zwischen Dienstleistung und Sachleistung

Abb. 64:Dienstleistungskette im Incoming-Tourismus – Sicht Destination

Abb. 65:Individuelle Dienstleistungskette

Abb. 66:Dienstleistungskette im Outgoing-Tourismus – Sicht Gesamtreise und Reisebüro

Abb. 67:Konzeption einer Dienstleistungskette aus Kundensicht

Abb. 68:Nachfragekurve als Aggregation individueller Präferenzen

Abb. 69:Preiswirkung-Elastizitäten

Abb. 70:Assimilations-Kontrast-Theorie

Abb. 71:Preisfestlegung

Abb. 72:Yield Management-Systeme

Abb. 73:Yield Management bei Buchungssystemen

Abb. 74:Strategische Distribution

Abb. 75:Beispiel: Absatzkanal im Tourismus

Abb. 76:Distributionssystem

Abb. 77:Perspektiven der Entwicklung der Distribution

Abb. 78:Allgemeiner Kommunikationsprozess und Prozess der Marketingkommunikation

Abb. 79:Gestaltung der Kommunikation

Abb. 80:Instrumente der Kommunikation

Abb. 81:Beispiele für Instrumentenziele im Marketing

Abb. 82:Detailplanung Marketing-Mix – Marketing-Plan

Abb. 83:Marketing-Mix im Buying Cycle

Abb. 84:Dimensionen von Geschäftsmodellen

Abb. 85:Interaktion der Geschäftsmodellkomponenten bei Fluggesellschaften

Abb. 86:Funktionen des Managements nach Fayol

Abb. 87:Mögliche Kennzahlen zur Erfolgsmessung des Marketings bei einem Relaunch

Abb. 88:Zielhierarchie und Controlling

Abb. 89:Produktspezifische mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung

Abb. 90:Controllingschema der Swiss International Air Lines

Abb. 91:Innovationsrendite im Spannungsfeld zwischen Innovationspush und -pull

Abb. 92:Der Innovationsprozess

Abb. 93:Innovationsbedarf nach Branche und Güter

Abb. 94:Der Innovationswürfel zur Einordnung strategischer Stoßrichtungen

Abb. 95:Marketingkonzept [15]

1Geschäftsprozesse und Marketingkonzept im St. Galler Management-Modell – eine Einführung
1.1Fallstudie LÄDERACH

LÄDERACH – Chocolatier Suisse

Vom Spezialisten für den Fachhandel und die gehobene Gastronomie zur Konsumentenmarke

Die Firma LÄDERACH geht zurück auf eine von Rudolph Läderach Senior 1926 in Netstal GL gegründete Bäckerei. 1962 gründete Rudolf Läderach Junior als Chocolatier einen Betrieb in Glarus. Den Durchbruch schaffte das junge Unternehmen mit einer patentierten Erfindung zur Herstellung dünnwandiger Truffes (Hohlkugeln). Diese Erfindung vereinfachte die professionelle Herstellung von Truffes als Halbfabrikate für Gastronomie und Fachgeschäfte wesentlich bei einer gleichzeitigen qualitativen Verbesserung. Zehn Jahre später erfolgte als erster Schritt ins Ausland die Gründung von Confiseur LÄDERACH GmbH & Co KG in Deutschland. Auch das Exportgeschäft wird aufgenommen.

Im Jahre 2004 hat sich das Unternehmen nach einem Generationenwechsel unter Jürg Läderach zu einer starken Marke im B2B-Bereich, d. h. im Geschäft mit dem Fachhandel und der gehobenen Gastronomie entwickelt. Es stand die Frage an, wie weit das Unternehmen sich ein zweites Standbein als Konsumentenmarke aufbauen soll und kann und ob es sich damit auch im B2C-Geschäft langfristig etablieren soll. Im nachfolgenden fiktiven Geschäftsleitungsdialog, der aus dem Jahre 2003 stammen könnte, werden wesentliche Aspekte dieser Entscheidung sichtbar:

 

Geschäftsführer:

«Mit unserer heutigen Marktstellung im B2B-Geschäft haben wir eine weitgehende Sättigungsgrenze erreicht. Im Wettbewerb mit anderen Anbietern von Halbfabrikaten im Schokoladebereich stehen wir teilweise in einem Verdrängungswettbewerb. Wir liefern hochwertige Halbfabrikate, insbesondere unsere weltweit beliebten, qualitativ hochstehenden dünnwandigen Truffes-Schalen, an Fachhändler wie Konditoreien oder an die spezialisierte Gastronomie. Diese veredelt dann unsere Produkte zu ‹eigenen› Truffes und [17] Desserts. Dabei konsolidiert sich der Abnehmer-Markt sukzessive. Immer mehr Konditoreien schließen sich zu größeren Unternehmen zusammen oder werden aufgekauft. Einzelne Hotels integrieren sich immer mehr in Hotelketten, die zentrale Einkaufsabteilungen betreiben. Auf der anderen Seite unserer Wertschöpfungskette sind die auch immer größeren Anbieter von Kakaorohprodukten wie Barry Callebaut, die sich auch zunehmend konsolidieren und eine größere Marktmacht haben. Die Kakaoernten werden zunehmend von internationalen Handelshäusern aufgekauft und sind immer mehr zum Spielball von Rohstoff-Spekulation geworden. Zwischen Kakaoanbietern und Fachhandel eingeklemmt, sind wir mit schrumpfenden Margen konfrontiert. Ein stagnierender Absatzmarkt und schrumpfende Margen sind längerfristig eine Bedrohung für die Entwicklung unseres Unternehmens. Wir müssen uns deshalb ein zweites Standbein schaffen.»

Marketingleiterin:

«Genau vor dieser Entwicklung habe ich seit Jahren gewarnt. Wer heute den direkten Zugang zum Endkunden, d. h. zu den Konsumentinnen und Konsumenten, hat, ist in einer stärkeren Position. Der Endkunde bestimmt schlussendlich, was er kauft und nur wenn wir bei den Konsumentinnen und Konsumenten eine stark verankerte Marke sind, sind wir nicht auswechselbar und können für unsere Qualität auch den angemessenen Preis einfordern. Gebundene, zufriedene, loyale Kundinnen und Kunden, denen wir einen relevanten Kundenwert schaffen, sind denn auch unser wichtigster Vermögensteil, gewissermaßen unser Kundenkapital oder Customer Equity.»

Produktionschef:

«Der Aufbau eines zweiten Standbeins mit einer Produktelinie, die sich direkt an Endkunden richtet, bedeutet auch eine Verlängerung der Wertschöpfungskette. Wir müssten die Produktion umstellen, um konfektionierte Endprodukte wie Pralinen vermehrt selbst produzieren zu können. Dies bedeutet einen massiven Investitionsschub. Außerdem möchte ich die Kollegin Marketingleiterin etwas in ihrer Euphorie bremsen. Auch der Endkundenmarkt ist gesättigt. Im sich immer mehr konsolidierenden Fachhandel stehen wir im Wettbewerb mit etablierten Schokoladenmarken. Im traditionellen Lebensmittelhandel wie Coop und Migros in die Verkaufsregale zu kommen, ist eine große Herausforderung für Marketing und Verkauf.»

Finanzchefin:

«Natürlich sehe ich als Finanzchefin auch die Notwendigkeit, einen Geschäftsbereich aufzubauen, bei dem wir wieder größere Margenspielräume haben. Umgekehrt hat ja bereits schon Kollege Produktionschef auf die Notwendigkeit von großen Investitionen einerseits in den Ausbau von Produktionsanlagen, [18] andererseits in den Aufbau der notwendigen Reputation für eine starke Marke und in den Aufbau der notwendigen Distributionskanäle hingewiesen. Ich möchte aber noch einen anderen Aspekt erwähnen: Wenn wir die Wertschöpfungskette verlängern und quasi an unseren heutigen Abnehmern vorbei an den Endkundenmarkt gelangen, konkurrieren wir unsere heutigen Kunden. Dies könnte der Loyalität unserer heutigen Geschäftskunden abträglich sein und unser bewährtes Standbein zusätzlich unter Druck setzen.»

Geschäftsführer:

«Meine Damen und Herren, ich sehe Ihre Bedenken aus übergeordneter Sicht. Im Interesse, unsere Unternehmung auch erfolgreich in eine nächste Generation führen zu können, möchte ich aber doch den Schritt zum Aufbau eines zweiten Standbeins wagen. Ich sehe dies als notwendigen Schritt, um sich in einem sich immer stärker konsolidierenden, d. h. von größeren Unternehmen geprägten, Markt zu behaupten, die notwendigen Margen zu sichern und unsere traditionellen Kernkompetenzen in der Bearbeitung von Schokolade auszunutzen. Ich möchte deshalb die Marketingleiterin beauftragen, für den Eintritt in den Endkundenmarkt ein Marketingkonzept zu erarbeiten und möchte den Produktionsleiter bitten, uns die notwendigen Konsequenzen in Bezug auf unser Leistungserstellungskonzept und die notwendigen Leistungsinnovationen darzustellen.»

Tatsächlich hat die Firma LÄDERACH im Jahre 2004 den Schritt in den Endkundenmarkt mit dem Kauf der Merkur Confiserie AG vollzogen. Merkur Confiserie AG betrieb damals ein Netz von 41 Spezialgeschäften in der ganzen Schweiz. Damit hatte Läderach die Möglichkeit, über einen starken und gut etablierten Detaillisten direkt an die Endkunden zu gelangen und somit ein effektives Distributionskonzept umzusetzen. Sukzessive wurden die Merkur-Geschäfte als Läderach-Schokoladen-Boutiquen neu positioniert, womit im Sinne von Brand-Stores auch die Marke Läderach beim Endkunden wirksam positioniert werden konnte. Parallel wurden auch die Leistungserstellungsprozesse angepasst, beispielsweise durch die Inbetriebnahme eines neuen Vertriebs- und Dienstleistungszentrums in Bilten GL im Jahre 2006 oder 2012 durch die Eröffnung der Schokoladenfabrik in Bilten. Im Jahre 2012 präsentiert sich die Unternehmung mit einer integrierten Wertschöpfungskette von der Fabrikation von Halbfabrikaten über Konsumentenprodukte bis hin zur Distribution zum Endkonsumenten mit einer starken Marke sowie klar definierten Geschäfts- und Kompetenzfeldern. Das Unternehmen geht bereits in die nächste Generation, in dem Elias Läderach als Konditor-Confiseur in die Produktentwicklung des Familienunternehmens eingestiegen ist und Johannes Läderach nach seinem Master-Abschluss an der HSG im Jahre 2011 ebenfalls in das Unternehmen eintrat. [19]

Reflektionsfragen:

1.Wie bettet sich Läderach in den Wertschöpfungsprozess «Schokolade» ein?

2.Wie erklärt sich die «Grenze» des Unternehmens in der Wertschöpfungskette?

3.Welches sind die wichtigsten Unternehmensziele aus der Sicht des Eigentümers?

4.Welches sind die wichtigsten Voraussetzungen, dass das Unternehmen überlebt und die Ziele des Eigentümers erreicht werden können?

5.Welches sind die Merkmale der bestehenden B2B-Unternehmensstrategie, insbesondere die wichtigsten Eckpunkte bezüglich Zielmarkt, strategischen Ressourcen und Kooperationen?

6.Welches sind die wichtigsten Chancen und Gefahren des Wechsels der Strategie mit dem Aufbau eines zweiten Standbeins?

7.Wie stellt sich die Wertschöpfungskette der Unternehmung bei der alten und bei der neuen Strategie dar?

8.Welches sind die wichtigsten Themen, die beim Wechsel der Strategie bearbeitet werden müssen?