Sprachwitze

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Sprachwitze
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Robert Sedlaczek

Sprachwitze

Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln

Mit mehr alsv 500 Beispielen

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Der Kalauer ist tot, es lebe der Flachwitz! – Sprachwitze sind in Mode

„Nein, der Witz geht ganz anders!“ – Ein Witz und viele Versionen

Sprachwitze in den verschiedenen Witzetypen

Rückständig, dumm oder hinterhältig – Witze über Burgenländer, Polen, Türken und andere

Kampf der Geschlechter – Blondinenwitze und die „Rache der Blondinen“

Der soziale Abstieg des niederen Adels – Graf-Bobby-Witze

Eine Neureiche blamiert sich – Frau-Pollak-von-Parnegg-Witze

Von Mittler über Herz-Kestranek zu Slupetzky – Schüttelreime

Dumme Feststellungen werden gespiegelt – No-na-Witze

Die Mutter aller Sprachwitze – Die Klabriaspartie

Die jüdischen Wurzeln der Sprachwitze

Eine Typologie der Sprachwitze

„Einer ist der Gscheite, der andere ist der Blöde“ – Dialoge mit Missverständnissen

„Wo sich die Katze einen Muskelkater holt“ – Unabsichtlich missverstanden

„Two to Tolouse!“ – Absichtlich missverstanden

„Bring die Veranda einfach mit!“ – Unverstandene Lehnwörter

„Passts auf, es kumman no’ drei Bsoffene!“ – Die Faszination der Dreizahlwitze

„Ich hätte gern einen Verlängerten!“ – Ein Wort, zwei Bedeutungen

„Gott ist kein Löffel!“ – Kinder nehmen alles wörtlich

„Der Rehbock rennt schon zum Notar!“ – Die Sprachspiele der Erwachsenen

„Was sind Levkojen?“ – Auffrischung einer verblassten Bedeutung

„Leere Flaschen und Flaschen, die Lehrer sind!“ – Verschiedene Wörter, gleicher Klang

„Mit Fair Trade hat sie mir den Kopf verdreht!“ – Verschiedene Wörter mit Klangähnlichkeit

„Kkkommt gggleich!“ – Stottererwitze

„Hätte ich Strawinski sagen sollen?“ – Tierwitze

„Darf ich Ihnen mein Liebstöckel zeigen?“ – Assoziationswitze

„Ein Nickerchen bei offenem Nenster!“ – Buchstabenspiele

„Trauring, aber wahr!“ – Wortmischung

„O na, nie!“ – Zerlegungswitz

„Im Hundekuchen ist kein Hund!“ – Falsche Wortbildung

„Heute so, morgen so!“ – Betonungswechsel

„Blumento-Pferde“ und „Alpeno-Strand“ – Falsche Abtrennung

„Seeschlacht. Ich seeschlacht! Du seestschlacht! Er seetschlacht!“ – Auch Substantive werden konjugiert

„Eine Leidenschaft, die Leiden schafft“ – Mehrfachverwendung desselben Materials

„Sankt Eiermark“ – Ortsnamenwitze

„Was hat das ‚w‘ gekostet?“ – Personennamenwitze

„O Greta, nun a tergo!“ – Palindrome

„Kein Problem, Alan!“ – Anagramme

„Güllehülle“, „Langfingfang“ und „Mahatmakindigt!“ – Sprachparodiewitze

„Gut, dass du das einmal ansprichst!“ – Verschiedene Sprachregister

„Für meine Gesundheit ist mir nichts zu teuer!“ – Verschiebungswitze

„Redscht oanfoch so wia r i!“ – Dialektwitze

„Bayerischer Mistwagen“ und „Fehler in allen Teilen“ – Abkürzungswitze

„Und die Lappen? Gscherte im Pelz!“ – Vergleiche und Gleichnisse

„Der Pathologe weiß alles, aber zu spät“ – Unterschiedswitze

„Was, es gibt keine Kontos mehr?“ – Witzige Regelverstöße

„Der ist von der Griminal-Bolizei!“ – Knackpunkt Aussprache

„Tagsüber heißt es ‚der Weizen‘, abends ‚das Weizen‘!“ – Die Artikelfalle und andere Tücken der deutschen Sprache

„Bitte eine Salzstreuerin!“ – Witze über den Sprachwandel

„Das Passwort Penis ist zu kurz!“ – Aus der schönen neuen Computerwelt

Nachwort und Zusammenfassung

Quellen und Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Dank

Robert Sedlaczek

Zum Autor

Impressum

Der Kalauer ist tot, es lebe der Flachwitz! – Sprachwitze sind in Mode

Der Zeit ihre Witze! Kurze Witze mit einem Doppelklang als Pointe entsprechen unserer schnelllebigen Zeit. Sie werden nicht nur erzählt, sondern auch getextet, gemailt und gepostet. Nicht jeder kann über sie lachen, aber offensichtlich haben sie eine große Anhängerschaft.

Egal wie viel Curry du isst – Freddy ist Mercury.

Wie nennt man einen Arbeiter, der morgen frei hat? – Morgan Freeman.

Was passiert, wenn man Cola und Bier mischt? – Es kollabiert.

Es könnte sein, dass Sie jetzt „Auweh!“ schreien. Vielleicht fragen Sie sich auch: „Wo ist denn da der Witz?“

Ein Wesenselement aller Witze ist der Überraschungseffekt. Wenn die Pointe kommt, sind wir zunächst verblüfft. Dann entlädt sich die Verblüffung in einem Lachen, Lächeln oder Schmunzeln. Und dass diese Witze mit ihrer Pointe Verblüffung auslösen, wird niemand bestreiten.

Wir haben es hier mit einer neuen Art von Sprachwitzen zu tun. „Mehr Curry“ klingt genauso wie der Name des Sängers der Popgruppe Queen. Und der Name des Schauspielers Morgan Freeman wird wörtlich genommen und ins Deutsche übertragen. Das dritte Beispiel funktioniert ein wenig anders: Die Wörter Cola und Bier werden zusammengehängt, aus der Wortmischung entsteht ein Verb: kollabieren. Wer hätte gedacht, dass darin zwei Getränke stecken?

Inzwischen gibt es zahllose Witze dieser Art. Auf den Witzeseiten im Internet werden sie als Flachwitze kategorisiert, und die entsprechenden Sites werden häufiger besucht als so manche Seite mit alten, herkömmlichen Witzen.

Viele Flachwitze sind Scherzfragen. Dabei handelt es sich um ein unerratbares Rätsel, das auf Witzigkeit angelegt ist. Der Witzeerzähler stellt eine Frage, der Witzezuhörer sagt: „Weiß ich nicht.“ Dann folgt die Pointe.

 

Wie heißt das Reh mit dem Vornamen? – Erdäpfelpü!

Was ergibt drei mal sieben? – Feinen Sand.

Warum werden Eskimos so alt? – Weil sie nicht ins Gras beißen können.

Manchmal werden ganze Ketten von Flachwitzen gebildet. In diesem Fall sollte der letzte dieser Einzeiler besonders schräg sein.

Wie heißt ein brauner Bär? – Braunbär.

Wie heißt ein Bär mit einem Becher Eis in der Hand? – Eisbär.

Wie heißt ein roter Bär? – Himbär.

Und wie heißt ein Bär, der fliegen kann? – Hubschraubär.

Vermutlich werden Sie jetzt einwenden: Sind das nicht Kalauer? Die wissenschaftliche Witzeforschung ist sich darüber nicht einig. Ist Flachwitz ein anderes Wort für Kalauer oder der Ausdruck für etwas Neues? Die Kalauer-Experten in Kalau (= alte Bezeichnung für Calau), einem Ort in Brandenburg, wo diese Witze entstanden sein sollen, sind der Meinung, dass es seit Jahrzehnten keine neuen, echten Kalauer mehr gibt. Wenn man in Kalau den Kalauer für tot erklärt, dann muss schon etwas Wahres dran sein.

Außerdem ist Kalauer in Wirklichkeit eine Verballhornung des französischen Begriffs calembour(g) (= Wortspiel). Ein Zusammenhang zwischen dem Kalauer und dem Ort Kalau wurde erst in den 1860er Jahren hergestellt. Die Zeitschrift Kladderadatsch hat dabei kräftig mitgeholfen. Sie druckte Kalauer unter dem Titel Aus Kalau wird berichtet ab.

Unter calembour(g) versteht man in Frankreich ein Wortspiel, das sich auf die unterschiedliche Bedeutung zweier Wörter gründet, die gleich ausgesprochen werden – so definiert es beispielsweise das Wörterbuch Petite Larousse. Ein Beispiel sind die Ausdrücke „Veilchen“ und „Feilchen“ (= kleine Feile).

Der Häftling öffnet das Päckchen, das ihm seine Frau geschickt hat. „Ach, wie schön“, sagt er, „die ersten Feilchen!“

Nach dieser Definition wären alle anderen Witze keine klassischen Kalauer.

Viele Flachwitze leben einzig und allein vom Wortspiel. Ein zusätzlicher Sinn, eine Tendenz (siehe S. 24), lässt sich nur in ganz seltenen Fällen erkennen. Der Text dient lediglich dazu, mit der Sprache zu spielen.

Ich bin der Auffassung, dass die Flachwitze in die Fußstapfen der Kalauer getreten sind, und kann das auch belegen. Seit es das Internet gibt, wird die Häufigkeit von Wörtern im Rahmen des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) erhoben. Das Projekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stützt sich auf gigantische Textkorpora und ist beispielhaft. Ein paar Klicks – und auf der DWDS-Website sieht man, wann der Terminus Flachwitz entstanden ist: Ende der 1990er Jahre. Zwei Jahrzehnte später sind die Belege in die Höhe geschnellt. Gleichzeitig ist der Kalauer in der Statistik abgestürzt.

Für mich ist der Flachwitz eine neue Kategorie, und in diese fallen nicht nur die klassischen Kalauer. Viele Flachwitze haben einen anderen Bauplan, sie bedienen sich einer komplizierteren Technik.

Wie heißt der Bruder von Elvis? – Zwölvis.

Warum wurde der Dimmer festgenommen? – Es bestand Verdunkelungsgefahr.

Was ist die Lieblingsspeise von Piraten? – Kapern.

Wie nennt man eine Demonstration von Veganern? – Gemüseauflauf!

Was trinken Firmenchefs? – Leitungswasser.

Daneben gibt es auch noch die Methode, Wörter zu zerlegen und neu zusammenzusetzen:

Was ist das Gegenteil von Reformhaus? – Reh hinterm Haus.

Kommt ein Pferd in das Blumengeschäft und fragt: „Ham-Sie-Ma-geritten?“

Was sagt ein Gen, wenn es ein anderes trifft? – Halogen.

Manche Witze sind surrealistisch, es werden Geschichten erzählt, die zur Realität in krassem Widerspruch stehen.

Gehen zwei Penisse ins Kino. Sagt der eine zum anderen: „Hoffentlich ist es kein Porno, sonst müssen wir wieder stehen.“

Kommt ein Neutron zur Disco. Sagt der Türsteher: „Tut mir leid, nur für geladene Gäste!“

Vielleicht schmunzeln wir in diesem Fall deshalb, weil Penisse und Neutronen eben nicht sprechen können und im Witz so reagieren, wie wenn sie Menschen wären.

Ein Vampir auf dem Fahrrad kommt in eine Polizeikontrolle. Polizist: „Haben Sie etwas getrunken?“ Vampir: „Nur zwei Radler.“

Flachwitze können die Wirklichkeit auch völlig auf den Kopf stellen.

Treffen sich zwei Bakterien. Fragt die eine: „Ich habe dich seit Wochen nicht gesehen, warst du krank?“ – „Ja“, antwortet die andere, „ich hatte Penizillin.“

Früher wurden Witze in Printmedien veröffentlicht und mündlich verbreitet. Heute werden Witze auch ins Netz gestellt und verlinkt. Einige funktionieren nur schriftlich, man kann sie ohne anschließende Erklärung nicht erzählen.

Wie heißt eine Schlange, die genau 3,14 Meter lang ist? – πton.

Was macht ein Mathematiker auf dem Pissoir? – ππ.

Welches Tier schreibt man mit nur einem Buchstaben? – Die Q.

Achtung vor Twitter! – Warum? – Bei Gwitter darf man sich nicht unter Bäume stellen.

Hier geht es nicht nur darum, dass das englische Wort twitter – deutsch übrigens „Gezwitscher“ – und das deutsche Wort „G(e)witter“ ähnlich klingen – oder anders betrachtet, dass bei twitter eine verkürzte Form der Vorsilbe Ge- vorangestellt wird. Der Witz schöpft seine Kraft auch aus dem Umstand, dass wir mit der Pointe zu den datenschutzrechtlichen und gesellschaftspolitischen Problemen der sozialen Medien geleitet werden. Twitter wird mit einem Unwetter verglichen, vor dem man sich adäquat schützen sollte. Es hilft nicht, sich schnell unter einen Baum zu stellen.

Kalauer haben den Ruf, „wenig geistreiche“ Witze zu sein. Das sagt man auch den Flachwitzen nach. Eigentlich haben wir es mit „Aphorismen ohne Sinn“ zu tun. Wer Aphorismen liebt und in Flachwitzen einen Sinn sucht, muss zwangsläufig enttäuscht sein. Und manche Flachwitze sind wirklich schlecht.

Was ist braun und fährt die Piste herunter? – Ein Snowbrot.

Die Wörter „Brot“ und „Board“ sind klanglich weit voneinander entfernt, sodass eine gedankliche Verbindung schwer herzustellen ist. Aber vielleicht ist es ein Unsinnswitz, und es könnte sein, dass Sie gerade deshalb über diesen Einzeiler lachen.

Sigmund Freud bezeichnet in seinem Buch Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten die Kalauer als die „billigsten“ Witze, weil sie mit leichtester Mühe gemacht werden können (Freud, S. 60). Dies gilt auch für die Flachwitze. Sie haben einen Mitmacheffekt. Man fühlt sich animiert, neue Flachwitze zu erfinden und zu verbreiten.

Aber etwas anderes faszinierte Sigmund Freud ganz besonders: Der Erzähler eines Flachwitzes – und in gewisser Weise auch der Zuhörer – fühlt sich durch Regression in seine Kindheit zurückversetzt, in eine Zeit, in der noch keine Denk- und Realitätszwänge herrschten (Freud, S. 139–140). Es gebe eine „Lust am befreiten Unsinn“. Freud sah in diesen Witzen „eine große Erleichterung der psychischen Arbeit“, weil es ursprünglich jedem Menschen näherliegt, „sich an den Klang, statt an den Sinn zu halten“.

Interessant ist, dass Freud in großer Zahl Aphorismen analysiert und daneben nur einige Sprachwitze in Dialogform. Dies hängt damit zusammen, dass Anfang des 20. Jahrhunderts Witze mit prononcierten Pointen, wie wir sie heute kennen, erst im Entstehen waren. Auch Situationswitze gab es damals noch nicht. Das sind Witze mit einem Handlungsablauf, aus dem heraus sich die Pointe entwickelt. Aus diesen Witzen könnte man ein Video machen und auf YouTube publizieren.

Ein Radfahrer fährt Schlangenlinien genau vor der Straßenbahn. Der Straßenbahnfahrer flucht in sich hinein, schließlich lehnt er sich aus dem Seitenfenster und brüllt: „Du hirnloser Depp! Kannst du nicht woanders fahren?“ Darauf der Radfahrer grinsend: „Ich schon!“

Wortspiele und Sprachwitze auseinanderzuhalten, ist schwierig. Das von Freud zitierte Kunstwort famillionär – eine Wortmischung aus „familiär“ und „Millionär“ – ist auf sich allein gestellt ein schwer verständliches Wortspiel. Taucht famillionär aber in einem Kontext auf – in diesem Fall in einem Text Heinrich Heines, der den Besuch bei einem Rothschild darstellt – wird es zu einem Sprachwitz. Wir werden uns später damit ausführlich befassen (siehe S. 209).

Einfacher ist die Unterscheidung zwischen Witz und Humor. Witze sind Dialoge oder kurze Erzählungen, die den Zuhörer oder Leser mit einem überraschenden Ausgang zum Lachen bringen sollen – in einer abschließenden Pointe. Manche Witze haben überdies eine Zwischenpointe, bei der die Geschichte schon zu Ende sein könnte. Humor ist die Begabung eines Menschen, den Unzulänglichkeiten der Welt zu begegnen, die alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicke mit heiterer Gelassenheit zu ertragen: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Josef Joffe, Herausgeber der Wochenzeitung Die Zeit und Autor des Buches Mach dich nicht so klein, du bist nicht so groß, meinte einmal: „Der jüdische Witz ist gekennzeichnet durch Selbstironie, durch die Fähigkeit, über sich selber zu lachen, aber auch durch Galgenhumor.“ In diesen seltenen Fällen treten also Witz und Humor gepaart in Erscheinung. Im Verlauf des Buches werden Sie auf einige Beispiele stoßen (siehe S. 79 ff., 117 ff., 167 ff.).

Zurück zu den Flachwitzen, die heute omnipräsent sind. Einzeiler, bestehend aus Frage und Antwort oder aus einer Feststellung, werden oft auch in ein dazu passendes Foto oder Video gestellt und dann im Internet verbreitet. Diese Form von Flachwitz wird Meme genannt. Die originellsten von ihnen werden unzählige Male geteilt. Sie haben oftmals einen Bezug zu einem aktuellen Ereignis oder zu einem Film beziehungsweise einer TV-Serie.

Im Internet habe ich ein Porträt von Eddard „Ned“ Stark gefunden, dem Lord von Winterfell aus der TV-Serie Game of Thrones. In das Foto wurde ein mundartlicher Text montiert.

Ma foahrt neid oafoch ohne Keittn aufn Pötschn.

Das klingt wie die Warnung eines Steirers, den Pötschenpass an der oberösterreichisch-steirischen Grenze nicht ohne Ketten in Angriff zu nehmen, und ist zweifellos witzig – wenn es aus dem Mund des Lords von Winterfell kommt und gleichzeitig sein Bild zu sehen ist. Aufgrund des beschränkten Platzangebots sind die Texte immer Einzeiler – sie bestehen oft nur aus ein paar Wörtern.

Die Herkunft des Begriffs Meme (das Meme, Mehrzahl: die Memes) oder Mem (das Mem, Mehrzahl: die Meme) ist strittig. Oft wird der britische Evolutionsbiologe Clinton Richard Dawkins als Erfinder des Ausdrucks genannt. Zwar hat er 1976 analog zum englischen gene den Begriff meme verwendet, aber er war nicht der erste. Der Ausdruck Mem findet sich bereits in einem 1948 erschienenen Buch des österreichischen Physikers und Kybernetikers Heinz von Foerster. Jedenfalls wurde das Wort von der Online-Community aufgegriffen und dazu verwendet, eine neue Art von Bild-Text-Botschaft zu benennen.

Früher hat ein Mensch anderen Menschen einen Witz erzählt. Heute kann diese Form der Kommunikation auch im Dialog mit einer Maschine stattfinden. Der digitale Assistent von Amazon, genannt Alexa, ist zuhause ein Helferlein von frühmorgens bis spätabends. Gleiches leistet der Google Assistant, wenn man unterwegs ist. Mit beiden kann man Wetterberichte abhören, Abfahrts- und Ankunftszeiten von Zügen erfahren, sich mit jeder Art von Musik unterhalten lassen und vieles mehr. Das Gleiche leistet das Apple-Programm Siri. Man könnte diese Angebote mit dem Slogan „Sie suchen, wir finden!“ umschreiben.

Alexa, Google und Siri reagieren auch auf die Aufforderung: „Erzähle mir einen Witz!“ Nicht überraschend sind es kurze Witze, und viele davon weisen eine sprachliche Komponente auf.

Fragt die Lehrerin: „Franzi, warum heißt unsere Sprache auch Muttersprache?“ – „Weil Vati in ihr nicht zu Wort kommt.“

Einmal wollte ich den Assistenten von Google aufs Glatteis führen. Ich fragte ihn: „Bist du verliebt?“ Die Antwort war ein Sprachwitz mit Doppelsinn.

Ich glaube, ich werde für immer suchen. Das ist wahrscheinlich vorprogrammiert.

Ruud Klein, der Illustrator des wöchentlichen Leitartikels im Profil, verwendet Sprachwitze in seinen Zeichnungen. Einmal legte er einem Koch, der einen riesigen dampfenden Topf in seinen schon glühenden Händen hielt, folgenden Satz in den Mund:

Seit dem blöden Topftuchverbot verbrenn ich mir dauernd die Pfoten.

 

Ein andermal kommentiert er die Diskussion über die Zukunft der EU. Wir sehen einen alten Mann mit Bart, der in einem Fauteuil sitzt und sagt:

Europa? Ach so. Ich dachte die ganze Zeit, ihr wollt alle zu Opa …

Auch auf Hitradio Ö3 wird immer wieder sprachspielerisch gewitzelt. Im Sommer 2019 lief auf diesem Sender die Comedyserie Casa Chaos mit witzigen Dialogen aus einer Wohngemeinschaft. Einige Male wurde in Casa Chaos auch auf tagesaktuelle Ereignisse Bezug genommen, so auf den Dopingskandal unter Skilangläufern im Februar 2019.

Reini: Also diese Langlauf-Dopingskandale im ÖSV sind eh dauernd. Da kriegt der Name Schröcksnadel eine völlig neue Bedeutung.

Sarah: Geh Reini, der Skisport ist für Österreich ungemein wichtig. So was kannst echt ned sagen. Des is Spitzensport.

Reini: Ja, Spritzensport.

Auch manche Dialoge des Ö3-Callboys sind Sprachwitze. Als Beispiel möchte ich zwei Anrufe von Gernot Kulis verkürzt wiedergeben, einen bei der Wiener Städtischen Versicherung, einen bei einer Trafikantin.

Ö3-Callboy: Do is’ Mirko, Grieß Gott. Ich hobe Party. Wos kostet fier a Wochenende dreißig Stuck Stehtische.

Wiener Städtische: Ich weiß nicht, was Sie wollen.

Ö3-Callboy: Dreißig Stuck Stehtische. Ich habe schon alles eingekauft, Getränke, alles. Barhocker habe ich. Jetzt braucht er Stehtische.

Wiener Städtische: Stehtische?

Ö3-Callboy: Ich habe angerufen in Linz. Aber jetzt braucht er Wiener Stehtische.

Wiener Städtische: Ich kann Ihnen eine Versicherung anbieten für eine Veranstaltung.

Ö3-Callboy: Versicherung? Bitte ned! I’ pass auf … Auf Stehtische. Verspricht er.

Wiener Städtische: Wir haben aber keine Stehtische. Wo soi ma die hernehma?

Ö3-Callboy: Wieso? Ist dort nicht die „Wiener Stehtische“?

Wiener Städtische: Der Name: „Wiener Städtische Versicherung“! Aber Stehtische bekommen Sie bei uns keine!

(Kulis, Wiener Stehtische, CD, Track 10)

Ö3-Callboy: Könnts ös ma zwanzig Rubbellose auf die Seit’n leg’n? Und zwoa ganz bestimmte. Mei’ Bua hat gsagt, es gibt’s neue Lose da im Herbst. Was habts da?

Trafikantin: Hennen-Rennen, Double Win, Fünfundzwanzig fette Jahre.

Ö3-Callboy: Herbstzeit-Lose hat ihm die Lehrerin gsagt.

Trafikantin: Herbstzeit-Lose? Des sagt ma goa nix.

Ö3-Callboy: Die soll’s jetzt geben – mit der Jahreszeit.

Trafikantin: Ich stehe grad vor die Lose …

Ö3-Callboy: Habts ös Brieflose?

Trafikantin: Ja, die hamma scho’.

Ö3-Callboy: Vielleicht liegen daneben die Herbstzeit-Lose …

Trafikantin: Na.

Ö3-Callboy: Habts ös Arbeits-Lose?

Trafikantin: Na, hamma aa ned … Wollen S’ mich jetzt verarschen?

Ö3-Callboy: Habts ös Tuberku?

Trafikantin: Was is’ das?

Ö3-Callboy: Tuberku-Lose. Aber mei’ Bua hat gsagt, er möcht’ unbedingt Herbstzeit-Lose.

Trafikantin: Was is’ mit Ihna? Wissen Sie was? Sie und Ihna Bua san Ahnungs-Lose!

(Kulis, Herbstzeit-Lose, gesendet auf Hitradio Ö3 am 19. 9. 2019)

Es ist erstaunlich, dass es Gernot Kulis immer wieder gelingt, bei anonymen Anrufen Dialoge zu produzieren, die reif fürs Kabarett wären. Dass er auf Verwechslungen wie „Stehtische“ und „Städtische“ baut oder zusammengesetzte Wörter wie „Herbstzeitlose“ falsch zerlegt, erweist ihn als Kenner der Witzetechniken.

Vielleicht wird es Ihnen beim Lesen dieses Buches so wie mir ergehen. Anfänglich konnte ich mit Flachwitzen nicht viel anfangen. Aber je länger ich mich damit beschäftigte, desto mehr faszinierten sie mich.

Daneben gibt es auch noch längere Sprachwitze, die ein Wortspiel enthalten oder durch Verwendung sprachlicher Mittel zustande kommen. Das halte ich übrigens für eine recht brauchbare Definition für den Terminus „Sprachwitz“.

Geht eine Katze ins Fitnessstudio. Fragt die Trainerin: „Was machst du denn hier?“ Darauf die Katze: „Mein Frauerl hat mir erzählt, dass man sich hier einen prima Muskelkater holen kann.“

Auf diesen intelligent konstruierten Dialog werde ich später zurückkommen (siehe S. 116), genauso auf den folgenden Witz, der von einem regionalen Sprachunterschied handelt (siehe S. 283 f.).

In Tirol. Ein Förster führt Urlauber aus dem hohen Norden durch den Wald. „Sagen Sie mal, Herr Förster, wie nennen Sie denn die Blaubeeren da?“ – „Schwarzbeeren.“ – „Die sind aber doch rot!“ – „Ja, weil s’ noch grün san.“

Sprachwitze und Wortspiele existieren in so gut wie allen Kulturen. Den Begriff calembour(g) im Französischen habe ich bereits erwähnt, im Englischen wird ein Wortspiel pun genannt. In den Theaterstücken und Sonetten von William Shakespeare finden sich viele puns, es sollen mehr als dreitausend sein. Hier ein oft zitiertes Beispiel aus Richard III.:

Now is the winter of our discontent made glorious summer by this son/sun of York.

Richard, der hier von sich spricht, ist ein Sohn des Hauses York. Shakespeare verwendet das Wortspiel zwischen den gleichklingenden Wörtern son (= Sohn) und sun (= Sonne), um einen Gegensatz zwischen Winter und Sommer herzustellen.

Vor allem die intelligenten Figuren in den Shakespeare’schen Stücken sind regelrechte punster:

Auf einem Friedhof fragt Hamlet einen Arbeiter, für wen er gerade ein Grab gräbt. Der Arbeiter, der in dem Grab steht, sagt: „Mine, Sir.“ Darauf Hamlet: „I think it be thine indeed, for thou liest in it.“

Hamlet nimmt die Neckerei des Friedhofsarbeiters auf und beschuldigt ihn, dass er lüge – wobei „liegen“ und „lügen“ im Englischen gleich klingen.

Von Shakespeare stammt auch ein Satz, der gerne fälschlich als Hinweis verstanden wird, dass unsere heutigen Witze kurz sein müssen. Es sagt nämlich der Schwätzer Polonius in Shakespeares Hamlet (II. Akt, 2. Szene):

Weil Kürze dann des Witzes Seele ist, / Weitschweifigkeit der Leib und äußre Zierat, / Fass’ ich mich kurz.

Puns waren nicht immer und nicht bei allen so beliebt. Für den Schriftsteller Samuel Johnson, Herausgeber einer epochalen Shakespeare-Ausgabe, stellten sie „the lowest form of humor“ dar. Die gegensätzlichen Beurteilungen reichen bis in die Gegenwart. So war beispielsweise Alfred Hitchcock ein begeisterter Anhänger von Wortspielen: „Puns are the highest form of literature.“ Andere haben ihm heftig widersprochen.

Friedrich Schiller lässt in Wallensteins Lager (8. Auftritt) den Kapuziner, der Abraham a Sancta Clara nachgebildet ist, in Klangwitzen und Wortspielen schwelgen.

Lässt sich nennen den Wallenstein, / Ja freilich ist er uns allen ein Stein / Des Anstoßes und Ärgernisses. / Kümmert sich mehr um den Krug als den Krieg, / Wetzt lieber den Schnabel als den Sabel, / Frisst den Ochsen lieber als den Oxenstirn’ / Der Rheinstrom ist geworden zu einem Peinstrom / Die Klöster sind ausgenommene Nester / Die Bistümer sind verwandelt in Wüsttümer, / Die Abteien und die Stifter / Sind nun Raubteien und Diebesklüfter / Und all die gesegneten deutschen Länder / Sind verkehrt worden in Elender.

Heinrich Böll legt in Die verlorene Ehre der Katharina Blum seiner Hauptfigur am Ende der Erzählung folgenden Satz in den Mund:

Dieser Kerl wollte bumsen – und ich dachte: Gut, jetzt bumst’s.

Dann fällt der sexuell aufdringliche Zeitungsschreiberling tödlich getroffen zu Boden. Böll hat also in die Schlüsselszene seiner Erzählung einen Sprachwitz eingebaut. Einige Kritiker meinten, ein derartiges Wortspiel wäre eines angesehenen Schriftstellers nicht würdig gewesen.

Wortspiele polarisieren, und sie sind so alt wie die Sprache selbst. Belege aus der Antike stammen aus Mesopotamien, aus Ägypten und aus China. Auch in den Hieroglyphen der Mayas sind Wortspiele zu finden.

Den ältesten belegten Witz verdanken wir der sumerischen Kultur Mesopotamiens. Er datiert aus der Zeit von etwa 1900 bis 1600 v. Chr., könnte aber bereits 2300 v. Chr. erzählt worden sein.

Was ist seit Urzeiten noch nie geschehen? – Eine junge Frau, die auf dem Schoß ihres Mannes nicht furzt.

Der zweitälteste Witz ist auf einer ägyptischen Papyrusrolle verzeichnet, diese wird mit 1600 v. Chr. datiert.

Wie kannst du einen gelangweilten Pharao aufheitern? – Du schickst ein Boot mit jungen Frauen, die nichts weiter als Fischernetze am Leib tragen, den Nil stromabwärts und drängst den Pharao, fischen zu gehen.

Der drittälteste Witz stammt aus der Zeit 1200 v. Chr., er wurde in Adab, Mesopotamien, aufgezeichnet. Der Ort liegt heute im Irak.

Drei Ochsentreiber streiten darüber, wem ein neugeborenes Kalb gehört. Der König soll schlichten, er bittet eine Priesterin um Hilfe. Diese will auch die Ehefrauen der drei Männer in die Entscheidung einbeziehen …

Der Text ist leider nicht vollständig lesbar, die Pointe kann nur erraten werden, sie dürfte obszön gewesen sein. Paul McDonald, Professsor für kreatives Schreiben an der Universität Wolverhampton, der 2008 die zehn ältesten Witze für einen TV-Sender eruiert hat, konstatiert: „Allen gemeinsam ist ihr Bruch mit Tabus und eine gewisse Rebellion.“

Die älteste erhaltene Witzesammlung ist der Philogelos (Lachfreund), die darin enthaltenen Witze, 265 an der Zahl, sind in griechischer Sprache verfasst. Als Autoren werden zwei ansonst unbekannte Griechen namens Hierokles und Philagrios genannt. Die Zusammenstellung wird wohl erst nach der römischen Kaiserzeit abgeschlossen worden sein, weil die Tausendjahrfeier Roms im Jahr 248 n. Chr. erwähnt wird. Andere Witzsammlungen aus der Antike werden in diversen Quellen erwähnt, sind aber nicht erhalten.

Der Philogelos ist thematisch gegliedert. Es gibt Witze über unfähige Wahrsager und dümmliche Gelehrte, über Säufer, Witzbolde, Frauenhasser und Menschen mit starkem Mundgeruch. Einige Witze sind obszön, andere frauenfeindlich. Witze über Homosexualität sind in der Sammlung nicht enthalten, obwohl Geschlechtsverkehr unter Männern üblich war.

In zahlreichen Witzen ist die Hauptfigur eine dumme Person: ein Abderit, Kymenier oder Sidonier. Die Einwohner der griechischen Städte Abdera und Kymene sowie der hellenisierten ehemaligen Phönizierstadt Sidon waren die Ostfriesen der Antike. Oft wird der Dumme auch als Scholastikos bezeichnet, das entspricht nach dem heutigen Verständnis am ehesten einem zerstreuten Professor. Aber einen Scholastikos hat es in so gut wie jedem Beruf gegeben, und er konnte jung oder alt sein. „Er ist der Typ des Erz-Dummkopfs, des pedantischen, gar nicht unsympathischen ‚Denkers‘, der mit messerscharfer Logik schlussfolgert – nur eben völlig falsch, weil er in seiner Zerstreutheit, Beflissenheit oder vermeintlichen Geistesschärfe von allem Gebrauch macht, nur nicht vom gesunden Menschenverstand.“ (Weeber, S. 46)

Die dümmlichen Hauptfiguren im Philogelos sind austauschbar. Ein Witz, der als Abderiten-Witz gebracht wird, kommt später als Scholastikos-Witz noch einmal daher oder umgekehrt.

Kommt ein Mann zu einem Scholastikos und sagt: „Der Sklave, den du mir verkauft hast, ist gestorben.“ – „Bei den Göttern“, antwortet der, „solange er bei mir war, hat er nichts dergleichen getan.“ (Nr. 18)

Ein Mann hänselt einen Witzbold: „Ich habe deine Frau umsonst gehabt.“ Darauf der Witzbold: „Es ist meine eheliche Pflicht, dieses Übel zu ertragen. Aber du? Wer zwingt dich?“ (Nr. 263)

Ein junger Mann sagt zu seiner Frau: „Herrin, was tun wir? Wollen wir essen oder haben wir Sex?“. Darauf die Frau: „Wie du willst. Brot ist keins da.“ (Nr. 244)

Ein Scholastikos will seinem Esel lehren, nicht zu fressen, und wirft ihm kein Futter vor. Als der Esel des Hungers stirbt, sagt der Scholastikos: „Wie schade! Als er gelernt hatte, nicht zu fressen, da ist er gestorben.“ (Nr. 9)