Plan X

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Inhaltsverzeichnis





Plan X - Kurzes Vorwort







1 – Elly blonde Bürste







2 – Tut mir leid, wir haben es eilig!







3 – Leon wird Pirat! Und Elly?







4 – Ein Hund und ein Floh







5 – Geheimcode: Plan X







6 – Die Sache mit dem Träumen und Verlieben







7 – Ellys geheimster Platz







8 – Nochmal Plan X







9 – Ein bisschen Flohzirkus







10 – Ab in den Urlaub







11 – Leons Papa







12 – Wo ist Ellys Mama?







13 – Das Schlimmste, was einem passieren kann







14 – Steckt da doch Elly dahinter?







15 – Regine und Paul







16 – Plötzlich schlafen alle







17 – Was Kinder besser nicht sehen sollen







18 – Wo ist der silberne Corsa?







19 – Leon hat wieder laut gedacht







20 – Eine Überraschung







21 – Leon ist schlecht







Plan X



Reinhold Ziegler



Roman für Kinder ab 10 Jahre









Habt ihr schon von Ellys verrücktem Plan X gehört? Sowas kann auch nur von Elly kommen! Ich meine: Was denkt sie sich dabei? Die hat den armen Leon ganz schön durcheinander gebracht, mit ihrem durchgeknallten Gerede.







Aber halt: Ihr wisst ja gar nicht wer Leon ist. Oder genau genommen, wisst ihr auch gar nicht wer Elly ist. Ich muss also mal von Anfang an erzählen.







1 – Elly blonde Bürste



Leon ist zwölf, aber er findet sich ein paar Jahre zu jung. Da versuchen die Eltern ihre Kinder nämlich noch zu erziehen. Das merkt er in diesem Augenblick ziemlich deutlich. Sonst würde er nämlich gar nicht hier sitzen, unter all diesen fremden Kindern. Aber die Eltern glauben, sie wüssten noch ganz genau, was gut für ihre Zwölfjährigen ist.



Glauben sie.



„Weil sie sowieso glauben, dass sie alles wissen!“



Leon dreht den Kopf und kriegt erst jetzt richtig mit, dass sich ein fremdes Mädchen mit ganz kurzen blonden Haaren neben ihn gesetzt hat. Und diesen Satz zu ihm gesagt hat. Kann die Gedanken lesen? Oder hat er schon wieder laut vor sich hingedacht?



Er sieht sich noch einmal um. Er sitzt in einem großen Raum, zusammen mit einem Haufen anderer Kinder. Die meisten kennt er nicht. Kein Wunder, er ist ja auch das erste Mal hier. Deswegen fühlt er sich nicht sehr wohl und hat ein bisschen Bauchweh. In dem Raum steht in der Mitte ein großer Konzertflügel und daran lehnt ein Mann. Der versucht gerade ihnen etwas zu erklären.



Natürlich weiß Leon, wo er ist, er ist ja nicht bescheuert. Nur manchmal ein bisschen verträumt und abwesend – verpeilt, sagen manche.



Also denkt er, ich kenn echt Leute die echt verpeilt sind, und so bin ich echt nicht!



Er ist, also das weiß er genau, das erste Mal in der Städtischen Musikschule – ein Musical-Kurs. Er soll hier in einem Musical mitspielen und singen, seine Eltern wollen das so.



Weil sie eben immer glauben, dass sie wissen, was für ihn gut ist. Weil er eben erst zwölf ist. Wäre ich fünfzehn, denkt er sich, würde ich einfach sagen: „Nee, keinen Bock auf Musical!“, und da könnten sie wissen oder glauben was sie wollen, er ginge da einfach nicht hin.



„Dabei wissen sie nichts! Weil sie echt alt sind! Viel zu alt für unsere Welt. Aber nicht mal das wissen sie!“



Sagt das blonde Mädchen neben ihm. Kaut noch zwei, drei Mal hektisch auf ihren Kaugummi und macht dann eine große Blase. Die knallt. Und hängt dann an ihrer Stupsnase. Das hat sie anscheinend nicht gewollt, denn sie pult sich den Kaugummi von der Nase und schaut sich erschrocken um, ob es jemand gehört hat.



Natürlich hat es jemand gehört! War ja ganz schön laut.



„He du da!“, sagt der Spielleiter, wie hieß er noch? Richtig Brot, einfach Herr Brot.



„Du mit der blonden Bürste!“ Ein paar andere kichern.



„Tut mir leid, ich kenne eure Namen noch nicht!“



Das Mädchen wird ein wenig rot, aber dann sagt sie frech:



„Ich blonde Bürste heiße Elly!“



„Also, Elly. Tust du bitte deinen Kaugummi raus, das wollen wir hier nicht! Und Handyklingeln übrigens auch nicht, wenn wir schon mal dabei sind – also Handys bitte aus!“



Elly nimmt den Kaugummi aus dem Mund, überlegt, ob sie ihn einfach unter den Stuhl kleben soll, aber der Herr Brot hat sie im Blick. Aber sie äfft ihn noch nach und flüstert zu Leon: „ …das wollen wir hier nicht! Ich will das aber schon!“, dann steht sie auf und sucht sich einen Abfalleimer.



Als sie zurück kommt, flüstert sie schon wieder: „Außerdem heißt es ‚das‘ Kaugummi, ich find das ätzend, wenn einer ‚der’ Kaugummi sagt!“



„Hast du’s jetzt bald?“, fragt Herr Brot. Leon ist froh, dass er nichts zurück geflüstert hat.





Sie hat wirklich eine blonde Bürste. Ganz kurze Haare – so etwas hat Leon noch nicht gesehen. Aber es gefällt ihm. Als sie endlich wieder sitzt, sagt sie leise zu ihm:



„Ich will die Hauptrolle! Und du?“



Er zuckt mit den Schultern.



„Irgendwas halt“, murmelt er. „Meine Eltern finden Theater toll und Musical noch viel toller. Also soll ich mitmachen.“



„Damit du nicht immer vor dem Computer sitzt, stimmt’s?“



Er nickt. Woher weiß sie das? Er hat sie doch noch nie gesehen.



Herr Brot greift jetzt in die Tasten des Konzertflügels und spielt so was wie einen Tusch: Bong – Bang – Bing – Bong



„Immer, wenn ihr das hört“, sagt er, „ist’s mir ein bisschen zu laut und ich bitte um Aufmerksamkeit. Wir haben nur ein gutes halbes Jahr zum Üben und wollen danach unser Musical vier Mal aufführen. Das ist keine sehr lange Zeit, deswegen wollen wir uns hier nicht verquatschen, okay?“



„Wie Schule!“, denkt Leon.



„Genau!“, flüstert Elly.



Dabei hatte er es doch eigentlich nur so vor sich hin gedacht.



Mist, ich muss aufhören, laut zu denken, denkt er. Aber diesmal gibt er acht und presst die Lippen aufeinander, damit er es nicht wieder laut denkt.



Dann erklärt Herr Brot, dass sie hier in der Musikschule seien und das sei etwas anderes als Schule. Aber eben doch ein bisschen ähnlich. Die Braven nicken. Aber Elly verzieht das Gesicht. Leon nickt ein bisschen, aber er verzieht auch das Gesicht – beides zugleich.



Es sind fast zwanzig Kinder, die hier im Halbkreis um den Konzertflügel sitzen. Nur zwei oder drei kennt Leon vom Sehen aus seiner Schule, die anderen gar nicht. Das Musical handelt von einer Reise, erzählt jetzt Herr Brot. Lauter Kindern segeln auf einem verzauberten Schiff in ein verzaubertes Land.



Und Zaubersegel heißt das Musical auch.



Er erklärt kurz die Geschichte: Eine Gruppe Kinder macht Ferien auf diesem verzauberten Segelschiff. Und alles, was sie sich wünschen und vorstellen, wird zur Wirklichkeit. Das Gute und das Schlechte!



„Weil ich hier viele Mädchen, aber nur vier Jungen sehe, werden wir, denke ich, aus manchen Jungenrollen einfach Mädchenrollen machen. Zum Beispiel aus dem Kapitän eine Kapitöse oder vielleicht besser Kapitänin.“



Elly ruft dazwischen:



„Ist das die Hauptrolle?“



„Naja, schon irgendwie. Zumindest eine wichtige Rolle mit viel Sologesang. Aber über die Verteilung der Rollen reden wir erst in ein paar Wochen, wenn ich euch besser kenne. Heute wollen wir mal als Chor gemeinsam ein erstes Lied aus dem Stück probieren.“



Er verteilt Blätter mit dem Text. Elly schnappt sich zwei und gibt eins an Leon weiter.



„Ich werd‘ die Kapitöse“, flüstert sie. „Kannst du drauf wetten!“





Eine Stunde später stehen sie alle draußen auf der Straße und warten auf ihre Abholer.



Das erste Lied aus dem Stück, das sie gelernt haben, hieß:





Wohin wir fahren!





Ein lustiger Text. Der Refrain geht:





Wohin der Wind das Schiff auch bläst,







wir freuen uns darauf







Und bläst er mal von unten,







dann fahren wir bergauf,







dann fahren wir bergauf!



 



Die Melodie ist so eingängig, dass manche Kinder sie noch summen, als sie schon draußen vor der Tür stehen, ein echter Ohrwurm.





„Du hast ‘ne schöne Stimme, find ich“, sagt Leon jetzt hier draußen zu Elly, weil er meint, er müsste ihr unbedingt noch was Nettes sagen, bevor sie weg ist. Aber sie hört gar nicht zu und gibt ihm keine Antwort. Sie hätte ja auch sagen können, ‚du hast aber auch ‘ne schöne Stimme!‘, oder so was. Tut sie aber nicht.



Dann klingelt ihr Handy. Sie telefoniert nur ein paar Sekunden, steckt dann ihr Handy wieder weg.



„Meine Mutter ist eine dumme Kuh!“, sagt sie und nimmt ihren kleinen Rucksack hoch. „Jetzt soll ich vor bis zur nächsten Straße, weil sie dort besser halten kann!“



„Also dann Tschüss!“, sagt Leon. „Bis nächste Woche!“



„Tschü Leon! – so heißt du doch, oder?“



Und dann ist sie schon weg.



Leon heißt Leon Rastmann, und deswegen nennen ihn alle in der Schule Rastaman, obwohl er gar keine Rastalocken hat. Ist ihm egal. Er findet Rastaman nicht schlecht. Elly kann ihn aber ruhig weiter Leon nennen, das ist auch in Ordnung.



„Na, wie war’s das erste Mal?“, fragt seine Mutter, als er schließlich bei ihr ins Auto gestiegen ist. Sie hat auch noch Zeit, ihm einen Kuss auf die Backe zu geben und das Auto auszuparken, alles zugleich.



„Ganz okay!“, sagt er.



„Kanntest du jemanden aus deiner Schule?“



„Ein paar.“



„Und? Jemand Neues kennengelernt?“



„Einer heißt Jo und einer Micha! Und ein David!“, sagt er. Und dann leise: „Und eine heißt Elly.“



„Elly! Aha! Elly wer?“



„Keine Ahnung. Elly eben. Elly blonde Bürste!“



Seine Mama schaut kurz zu ihm rüber und sieht, dass er grinst. Deswegen grinst sie auch.



„Elly blonde Bürste“, lacht sie. „Da hat sich’s doch schon gelohnt, oder?“





Auch Elly sitzt im Auto bei ihrer Mutter. Sie denkt an Leon. Vielleicht hat ja die Kapitöse auch einen Mann. Dann könnte Leon das machen. Der wäre ihr jedenfalls lieber als der eine komische Typ mit dem ekligen Seitenscheitel, der sie dauert fies angestarrt hat.



Ihre Mutter fährt ängstlich durch die Februardunkelheit. Dabei sind die Straßen frei, der Winterschnee ist schon fast geschmolzen.



„Willst du gar nicht wissen, wie’s war?“, fragt Elly.



Erst schweigt die Mutter weiter, dann fragt sie endlich: „Also, wie war’s denn dann?“



„Cool!“ sagt Elly.



Mehr kriegt die heute nicht aus mir raus, denkt sie.





2 – Tut mir leid, wir haben es eilig!



Zwei Tage später passiert eine komische Geschichte. Es ist Samstag Vormittag und Leons Mutter hat ihn ins Schuhgeschäft geschleppt.



„Du kannst nicht den ganzen Sommer mit Winterstiefeln rumlaufen! Und die Schuhe vom letzten Jahr passen nicht mehr. Du bist gewachsen wie ein Bambus!“ Dabei ist es noch Februar, von Sommer noch weit und breit keine Spur. Aber natürlich muss er trotzdem mit. Und dass er gewachsen ist, stimmt auch. Auch wenn er nicht weiß, wie Bambus wächst, und warum seine Mutter das immer sagt. Im Geschäft findet er ein Paar, zieht es an – passt, findet er.



Aber seine Mutter stellt ihm noch drei andere Paar hin. Und während er sich in die hinein quält, obwohl er die richtigen doch längst gefunden hat, sucht sie ihm noch zwei andere.



Da sieht er Elly. Sie steht mit einer Frau an der Kasse an.



Leon winkt, und Elly winkt zurück. Und lacht.



„Schau Mama, das ist Elly – die blonde Bürste aus dem Musical!“



„Ach!“, ruft seine Mutter, „die kenn ich doch – also die Mutter von ihr.“



Sie springt auf und macht ein paar schnelle Schritte hinüber zur Kasse. „Sie sind also die Mutter von Elly! Leon hat von ihr erzählt. Wir kennen uns doch aus dem Su …“



Aber noch bevor sie zu Ende geredet hat, zieht die Frau Elly mit sich zur Tür.



„Tut mir leid, wir haben es eilig!“, sagt sie kurz und weg sind sie.



Leons Mama kommt zurück und lässt sich neben ihm auf einen Stuhl fallen. Sie ist ein wenig dicker, als sie eigentlich sein will, deswegen braucht sie ein bisschen, bis sie ausgeschnauft hat.



„Die ist ja komisch drauf. So eilig kann man‘s doch gar nicht haben!“





Ein paar Tage später: Wenn Leon ehrlich ist, geht er beim zweiten Mal schon viel lieber zu der Musicalstunde, als beim ersten Mal. Das fühlt sich jetzt nicht mehr so komisch an und das Drücken im Bauch ist auch verschwunden. Denn nun kennt er schon den Herrn Brot und ein paar von den anderen und natürlich Elly. Er freut sich schon die ganze Woche darauf, Elly wieder zu sehen. Aber als die Stunde beginnt, ist sie noch nicht da. Dann, fünf Minuten später, hastet sie herein. „‘tschuldigung!“, ruft sie, und setzt sich, als wäre es das Normalste von der Welt, wieder neben ihn.



„Deine Mutter sieht echt nett aus!“, flüstert sie nach einer Weile.



„Die ist auch nett!“, flüstert Leon zurück. „Nur beim Schuhkaufen finde ich sie nervig!“



Er schaut Elly an und wartet, ob sie noch was sagt wegen Samstag. Aber sie tut so, als hätte dieser Vorfall nie stadtgefunden.



Nach der Musicalstunde läuft Elly ein Stück weit mit Leon. Es ist jetzt abends um sechs schon nicht mehr dunkel, und sie laufen vor bis zur großen Straße, wo jeder dann mit dem Bus in eine andere Richtung fahren muss.



„Mein Papa ist ein Supertyp“, fängt Elly an. „Mit dem kann man alles machen. Aber meine Mutter ist echt nervig! Immer im Stress, immer schlecht drauf! Und du weißt nie warum.“



„Genau wie mein Papa“, sagt Leon. „Den kenne ich nur mit Aktentasche und Stress. Der geht früh und kommt spät, oft bin ich schon im Bett. Und meistens hat er sich in seiner Firma über irgendetwas aufgeregt und ist dann auch total schlecht drauf. Dann knetet meine Mutter ihm vor dem Fernseher den Nacken, damit er sich ein bisschen entspannt. Meine Mama ist nämlich eigentlich Krankengymnastin, die kann das.“



„Vielleicht sollte die meine Mutter auch mal kneten. Aber so fest, dass es weh tut!“



„Du bist ja fies!“, findet Leon, aber Elly zuckt nur mit den Schultern.





3 – Leon wird Pirat! Und Elly?



Zwei Wochen später trifft sich die Musicalgruppe der Musikschule schon zum vierten Mal. Inzwischen ist es weit im März, der Schnee ist längst Vergangenheit, es ist die Zeit der gelben und lila Krokusse auf den Rasenflächen vor den Doppelhäusern.







Ich muss euch mal was fragen: Glaubt ihr, dass ist alles wirklich so passiert? Da muss ich euch enttäuschen - natürlich nicht. Oder eigentlich schon, aber nicht genau so. Die beiden hießen natürlich anders, und manches erfinde ich dazu oder lasse es weg. Unser Leon und unsere Elly, wie sie jetzt in dem Buch hier stehen, die gibt es nur in meinem Kopf. Bücher werden von Schriftstellern geschrieben und für die sind wahre Geschichten und Geschichten in ihrem Kopf so ziemlich das gleiche. Bisher lief ja alles ganz gut, ich hatte mir das alles schön ausgedacht. Aber wenn ich die ersten Seiten lese, weiß ich nun gar nicht, wie das weitergehen soll. Eine Liebesgeschichte? Noch eine? Es gibt schon so viele Liebesgeschichten. Und alle gehen immer gut aus. Außer im wirklichen Leben. Da hat man manchmal den Eindruck, gehen die meisten schlecht aus. Also keine Liebesgeschichte. Aber was dann? Ich würde was drum geben, ich könnte mich mit euch allen jetzt hinsetzen und euch einfach fragen: Wie soll denn das weitergehen, mit Elly und Leon? Kriegt Elly die Hauptrolle, ist sie dafür gut genug? Oder ist das vielleicht überhaupt nicht wichtig?







Und wie sollen wir die Geschichte überhaupt nennen? Sie muss doch einen Namen haben! Noch vor dem ersten Buchstaben habe ich mir viele Stunden darüber den Kopf zerbrochen, wie mein Buch heißen soll. Und habe mich dann für „Plan X“ entschieden. Ich will euch auch sagen warum: Erstens steht „X“ für etwas Unbekanntes. Und da ich nicht weiß, was nachher in dem Buch drin steht, war es ja auch für mich unbekannt – für euch sowieso. Zweitens steht „X“ für Gefahr. Also kann ich etwas Gefährliches passieren lassen und der Titel der Geschichte passt auch. Und dann steht „X“ auch noch für Vertauschen – und das war eigentlich meine Idee. Dass in dem Buch etwas vertauscht wird. Und jetzt fällt mir auch ein, wie es weitergehen soll – zum Glück. Also bis später!







Inzwischen ist für Leon der große Raum der Städtischen Musikschule mit dem Flügel in der Mitte und auch die Gesichter der anderen Kinder und alles andere dort schon ganz normal. Auch Herr Brot heißt inzwischen Markus und sie sagen ‚Du‘ zu ihm und die meisten haben auch verstanden, dass Kaugummis und Handys beim Singen nur stören. Zwei der Mädchen sind nach den ersten Proben nicht mehr gekommen, aber Elly ist noch dabei und immer sitzen sie und Leon nebeneinander. Heute sind alle Kinder etwas hibbelig. Heute sollen nämlich endlich die Rollen verteilt werden. Die meisten Personen des Stückes kennen sie inzwischen. Da ist der Kapitän, der bei ihnen eine Kapitöse sein wird, ein kleiner Schiffsjunge, den sie auch zum Schiffsmädchen machen wollen, drei Piraten, ein lustiger Zauberer, dem immer fast alles schief geht, vier Matrosen, ein Koch, eine ganze Menge verzauberter Passagiere und ein paar Inselbewohner.



„So, dann fangen wir mal an!“, sagt Kursleiter Markus. „Ich hab mir natürlich auch schon Gedanken gemacht. Trotzdem wüsste ich zuerst gerne mal, wer sich denn überhaupt eine Rolle zutraut, bei der er dann ganz alleine auf der Bühne singen muss?“



Er hat die Frage noch nicht ganz zu Ende gestellt, da fliegt schon die Hand von Elly nach oben. Aber ihre Hand ist nicht die einzige. Leon sieht noch vier andere Hände. Seine eigene sieht er nicht. Ganz allein singen? Nein, das ist nichts für ihn. Er wäre ganz gerne einer der drei Piraten. Da kann man andere Schiffe entern und so was und wenn man singen muss, sind immer noch zwei da, die mit einem singen.



Markus ruft Micha auf.



„Ich wäre gern der Koch!“, sagt der. Alle lachen, denn Micha ist ziemlich dick, und schon in der letzten Sunde haben viele gesagt, dass Micha der Koch sein soll.



Deswegen lacht Markus nur und sagt: „Geht klar, Micha!“



Auch Manuela hat sich gemeldet.



„Ich möchte die Kapitöse sein!“, sagt sie.



Leon sieht, wie Elly die Luft anhält und mit den Fingern an ihrer hoch gereckten Hand schnippt.



Aber Markus nimmt Elly nicht dran sondern ruft erst Edith auf, die auch den Finger oben hat.



„Geht auch Piratin?“, fragt sie.



„Klar,“ antwortet Markus, „aber Piraten oder Piratinnen müssen nie alleine singen. Wir suchen ja jetzt erst mal die Solostimmen – Blonde Bürste, was ist mit dir?“



Markus sagt immer noch manchmal aus Spaß ‚Blonde Bürste’ zu ihr, obwohl er natürlich längst weiß, dass sie Elly heißt. Viele hier sagen inzwischen Blonde Bürste und Elly findet es okay. Aber Leon sagt ‚Elly‘.



„Ich will die Kapitöse sein!“, sagt sie und schaut dabei Manu, die das gleiche will, richtig böse an.



„Hmm…“, macht Markus. „Und du David, was ist mit dir?“



„Zauberer!“, sagt David leise. Er redet nicht viel, obwohl er eine schöne Stimme hat.



„Prima! Dann haben wir jetzt unseren Koch und unseren Zauberer. Und was machen wir mit unserer Kapitöse?“



„Abstimmen!“, ruft eine.



„Gute Idee!“, meint Markus. „Also, wer ist für Manu?“



Drei, vier Hände gehen hoch.



„Okay – und wer will Elly als Kapitän?“



Alle anderen strecken die Hände für Elly. Die grinst von einem Ohr bis zum anderen. Sie hat es also wirklich geschafft. Sie darf den Kapitän spielen.



Leon hat natürlich auch für Elly gestimmt, ist doch klar, schließlich sind sie Freunde, aber er beobachtet Manuela, weil er sich denkt, dass es ihr ziemlich viel ausmacht. Die sitzt ganz starr da, dann fängt sie an zu weinen. Plötzlich redet keiner mehr und da hört man sie leise schluchzen. Elly sieht Leon an, sie bemerkt, wo er hinschaut. Entschlossen steht sie auf. „Wie fändet ihr das denn“, fragt sie in die Runde, „wenn in zwei Vorstellungen ich und in den andern beiden Manu die Kapitöse spielt?“



Alle reden jetzt durcheinander, manche finden es gut, manche nicht. Leon denkt, dass es ihm eigentlich egal ist, er findet es nur wahnsinnig toll, dass Elly das vorgeschlagen hat. Das hätte er ihr nie zugetraut. Er ist richtig stolz auf sie. Er lacht sie an und sie lacht zurück. Leon hat das Gefühl, sie hat das nur für ihn gemacht. Aber vielleicht bildet er sich das auch nur ein.

 



„Da muss ich mal drüber nachdenken!“, sagt Markus Brot, „Aber vielleicht wäre es gar nicht so schlecht. Wenn dann nämlich eine von euch krank ist, hätten wir eine Alternative. Und sonst könnte die, die gerade frei hat, als Souffleuse arbeiten.“



„Als was?�

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