Mein Leben, meine Lungentransplantationen und ich

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Mein Leben, meine Lungentransplantationen und ich
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2021 Vindobona Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-949263-02-6

ISBN e-book: 978-3-949263-03-3

Lektorat: Mag. Angelika Mählich

Umschlagfotos: Rani Gindl, Chuotnhatdesigner,

Artjafara | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: Vindobona Verlag

Innenabbildungen: Rani Gindl

www.vindobonaverlag.com

Vorwort
Danke, Du Körper, Du – ein Gedicht
Warum dieses Buch

Organspende und Transplantation
In den nächsten Kapiteln dieses Buches geht es um das Thema Transplantation (in Österreich). Ich gebe Antworten auf Fragen zur Transplantation und auf Fragen dazu, wie man denn mit frisch transplantierten PatientInnen umgehen soll. Manche Kleinigkeiten sind für gesunde Menschen einfach sehr ungewohnt und ich habe eine kleine Liste gemacht mit Dingen, die man beachten sollte. Nach der Transplantation war mir wichtig zu zeigen, wie denn das Leben in den ersten Monaten so läuft und auch der Umgang mit Krankheit wird zum Thema. Im ersten Jahr haben mich besonders Dinge beschäftigt, die ich wieder konnte und ich trotz aller Kraft noch nicht schaffte und auch nicht schaffen konnte. Es geht darum, wie ich meine Balance langsam wiedergefunden habe. Wie das Leben auf einmal weitergeht. Ich schreibe aber auch darüber, wie der Tod mir zum Freund geworden ist und dass der Weg „zurück“ nicht immer einfach ist. Veränderungen brauchen Zeit. Auch wenn es auf einmal wieder gut ist. Wir erholen uns nicht nur von einer Operation und von langjähriger Krankheit. Wir erholen uns von dem Schock, den die Lebenskraft in uns auslöst. Es ist wie ein Gewinn im Lotto. Man muss erst einmal damit zurechtkommen. Ich spreche über Narben und darüber, wie wichtig es ist, auf seine Gedanken zu achten, wenn man wieder heil werden möchte, von der Unsterblichkeit und anderen Illusionen.
Antworten auf vier (mir gerade) häufig gestellte Fragen zur Organspende
Diesen Artikel habe ich am 4. Juli 2018 verfasst.
Ich bin jetzt ein bisschen über 180 Tage auf der Warteliste für eine Organspende, genauer gesagt, für eine Spenderlunge. Das ist, würde ich sagen, normal für eine Wartezeit. Wobei, so genau lässt sich das nicht sagen. Die mittlere Wartezeit von ca. 3,7 Monaten (aktuelle Zahlen) ist jedenfalls überschritten. Vor acht Wochen kam der erste Anruf, das Organ wurde geprüft, war aber für eine Transplantation nicht geeignet.
In meinem Bekanntenkreis bin ich nicht die Einzige, die transplantiert ist. Natürlich lernt man auf Reha, im Krankenhaus und über Facebookgruppen Menschen kennen, die eine ähnliche Geschichte haben. Da ist das normal, dass man viele transplantierte PatientInnen kennt, aber für meine gesunden Freunde und Bekannte ist es eher so, dass ich die Einzige bin, die sie kennen, die mit diesem Thema zu tun hat, also transplantiert ist. Aus diesem Grund bekomme ich auch immer wieder dieselben Fragen gestellt. Ist auch klar: Wenn man damit nicht konfrontiert ist, dann informiert man sich auch nicht.
Für mich war das Thema Organspende gänzlich unbekannt, bevor ich ca. 2008, damals Lungenhochdruck-Patientin, das erste Mal davon hörte. Trotzdem war das Thema für mich weit weg. Ich habe mich überhaupt nicht damit beschäftigt. Nicht einmal, als ich transplantiert und „gesund“ war, habe ich mich richtig informiert. Erst jetzt, wo ich eine chronische Abstoßung habe, beschäftige ich mich so richtig mit dem Thema Organspende. Hier habe ich die Antworten auf die vier häufigsten Fragen zusammengestellt. Ich beantworte sie, so gut ich kann. Auf meinem Youtube-Kanal habe ich bereits vor einiger Zeit ein Video über Organspende in Österreich veröffentlicht. Du findest dort einige Videos zum Thema.
#1: Hast du schon einen Termin?
Die Antwort ist nein. Für Organspenden gibt es keinen Termin. Es gibt eine Warteliste, auf der man je nach benötigtem Organ gelistet ist, wenn man der oder die „Nächste“ ist, braucht es noch ein passendes Organ, das man dann über das Transplantationszentrum (Transplantation ab hier TX) angeboten bekommt.
Organspende: Infos und ein paar eigene Erfahrungen:
Ich wurde angerufen. Bei diesem Anruf wird man von einem Koordinator darüber informiert, dass es ein mögliches passendes Organ gibt. Am nächsten Tag wurde ich mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht. Nachdem ich angekommen war, fuhr das Chirurgen-Team zum Spender, um die Lunge zu explantieren. Erst dann kann man sagen, ob das Organ wirklich passt (Größe), und ob es für eine Transplantation infrage kommt, also ob es gesund ist. Das ist nicht immer so. Ist das Organ explantiert, muss es schnell gehen. Es geht um (drei bis zwölf!) Stunden.
Beim englischen Verein „SLDO“ (Save Live Donate Organs) habe ich die Information gefunden, die besagt, dass die Wahrscheinlichkeit, selbst ein Organ zu benötigen, sechsmal höher ist, als selbst zum Spender zu werden! (In Österreich: 89,6 Operationen pro Million!! Einwohner)1 In Österreich ist die Sterblichkeitsrate auf den Wartelisten relativ gering. Das liegt auch darin begründet, dass in Österreich die Widerspruchsregelung gilt. Das bedeutet, dass jeder potenzieller Spender ist, wenn er dagegen nicht widerspricht.2
1 https://www.derstandard.at/story/2000082639445/oesterreich-fuehrend-bei-organtransplantionen
2 Widerspruchsregister: https://transplant.goeg.at/widerspruchsregister
Nicht jeder Mensch, der stirbt, ist automatisch ein Organspender. Es gibt in Österreich ein eigenes Gesetz3, das die Organspende regelt. Ja, es gibt und gab Missbrauchsfälle, doch in den acht Ländern der Eurotransplant4 ist dies nicht notwendig. Ich finde den Film der Eurotransplant5 dazu sehr gut, um zu sehen, wie Organspende in den Ländern, die bei Eurotransplant mitmachen, funktioniert.
3 https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20008119
4 https://www.eurotransplant.org/cms/index.php?page=pat_austria
5 https://vimeo.com/127909696
In Deutschland gibt es diese (Widerspruchs-)Regelung nicht. Dort gilt, nur wer sich in das Organspende-Register einträgt, ist auch Spender. Der Film von Planet Wissen6 zeigt einen Fall, der diskutiert wird, und spricht auch die Schwierigkeiten diesbezüglich an. Fakt ist: Organspende rettet Leben. Wie hoch die Sterblichkeitsrate in Deutschland ist, kann ich nicht sagen. (Information Organspende D7)
6 https://www.planet-wissen.de/video-organspende-eine-neue-lunge-fuer-josef-moosmann-100.html
7 https://www.organspende-info.de/
#2: Das Organ wird auch nach so langer Zeit noch abgestoßen?
Ja, es gibt chronische Abstoßungen, von denen man nicht weiß, warum sie auftauchen. Manche kann man mit einer Behandlung (Photopherese8) stoppen. Manche nicht. Fakt ist, dass eine Transplantation „nur“ eine lebensverlängernde Maßnahme ist. Wann so eine Abstoßung kommt, kann man auch nicht sagen.
8 https://www.youtube.com/watch?v=aU3Rqe2MXJg
Es gibt mehrere Arten der chronischen Abstoßung. Was bei mir passiert ist, dass das Organ langsam kaputtgeht. Zelle für Zelle. Im Moment entzünden sich meine kleinen Atemwege, dann sterben sie ab. Vermutlich, bis es keine mehr gibt. So genau will ich es gar nicht wissen. Ich hoffe, dass die Spenderlunge da ist, bevor ich das herausfinde.
#3: Bist du danach wieder ganz gesund?
Jein. Nach einer Transplantation (TX) nimmt man ein Leben lang Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken. Natürlich nicht vollständig, denn sonst wäre ein Leben nicht möglich, aber so weit, dass eine akute Abstoßung ausgeschlossen werden kann. Medikamente wirken im Körper aber leider nicht immer nur so, wie sie sollen, und ab drei Medikamenten kann man die Wechselwirkungen nicht mehr bestimmen. Trotzdem ist die Einnahme von verschiedenen Medikamenten notwendig. Wie viele und welche, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Zu meinen wesentlichen Medikamenten nach der TX zählen: Immunsuppressiva (oft zwei verschiedene), Kortison, Antibiotika, ein Magenschutz, Kalzium und Magnesium (damit aufgrund des Kortisons die Knochen nicht schwinden), manchmal auch Blutdruckmedikamente. Je nach PatientInnen und Organ ist das auch unterschiedlich. Manchmal scherze ich im Sommer, dass mich keine Gelsen stechen, weil die den Cocktail riechen und das „giftige Zeug“ nicht trinken wollen. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
TX-PatientInnen müssen sich regelmäßigen Kontrollen unterziehen. Zuerst wöchentlich, dann werden die Abstände angepasst. Aktuell sind es ungefähr alle drei Monate. Für LuTX bedeutet das: Blutabnahme (Werte und „Spiegel“ für die Immunsuppression), Lungenröntgen, Lungenfunktion.
Kranke Menschen zu treffen oder zu sehen ist untersagt. Vor allem im ersten Jahr, aber eigentlich auch sonst, denn wir haben durch die Medikamente immer „Open House“ für alle Bakterien und Viren. Eine Grippe kann dich ins Krankenhaus bringen, eine Lungenentzündung kann tödlich sein. Wirklich gute Freunde geben dann eben kein Küsschen.
Manche Speisen und Getränke (sehr unterschiedlich in D/A) sind tabu. Dazu zählen Grapefruits, deren Enzyme eine Abstoßung auslösen können, Schimmelkäse, roher Fisch und Fleisch sind zu meiden (oder wenn überhaupt, mit viel Hausverstand zu beurteilen) Auch die Aloe Vera ist tabu – sie stärkt nachweislich das Immunsystem.
Reisen in manche Länder ist nicht mehr gestattet. Fremde Krankheitserreger, die das Immunsystem nicht kennt, unterschiedliche Hygienestandards, ungewohnte Wettersituationen (tropisches Wetter ist z. B. sehr anstrengend). Also Abenteuerurlaub lieber in den heimischen Alpen oder dort, wo sich der Organismus wohler fühlt und nicht allzu sehr herausgefordert wird.
Man fühlt sich irgendwann gesund, man wirkt auch oft so, aber wirklich ganz gesund ist man nie. Ich betone gerne, dass jeder die Verantwortung für seinen Körper hat. Um gesund zu bleiben, mache ich regelmäßig Sport und Bewegung, ernähre mich gesund und versuche mich nicht zu überfordern, Stress zu meiden und vor allem glücklich zu leben. Sport ist deshalb so wichtig, weil regelmäßige Bewegung hilft, die kleinen Atemwege offen zu halten und deshalb die Lungen kräftigt.
#4: Kannst du noch hinausgehen?
Vor meiner (Re-)Transplantation habe ich ungefähr Ende November 2017 meine Ausflüge stark reduziert. Es ging einfach nicht mehr. Schon kurze Strecken haben mich total ermüdet. Und wenn ich kurz sage, meine ich zirka 150 Meter. Ein Ausflug auf eine Einkaufsstraße in den Weihnachtsferien war für mich deshalb unglaublich anstrengend. Ich war mit Sauerstoff unterwegs und total gestresst, weil ich versucht habe, jedem auszuweichen, der mich in meiner Langsamkeit übersehen hat. Ins Krankenhaus wurde ich mit einem Fahrtendienst gebracht. Und ganz ehrlich, sonst hatte ich ohnehin keine Wunsch-Ausflugsziele. Ich wollte mir auch nicht (wieder) überlegen müssen, ob die Toilette im Lokal im Keller oder Obergeschoss ist und wie ich dann wieder auf meinen Platz komme. Ich hatte zwar ein tragbares Sauerstoffgerät (Sauerstoff seit Dezember), aber das ist bei dem aktuellen Verbrauch in zwei bis drei Stunden leer. Ich wollte auch in keinem kleinen Hotelzimmer sitzen, wenn ich es zu Hause auch gemütlich habe. In unserer Wohnung haben wir einen wunderbaren Balkon, um den sich mein Mann sehr liebevoll kümmert. Diese kleine Oase hat mir wirklich das Leben versüßt, sodass mir nichts abging. Es ist nicht schön, aber es war OK weil ich wusste, dass es ein Ablaufdatum hat. Ich dachte mir „Wenn meine neue Lunge für mich atmet, werde ich wieder hinausgehen, werde spazieren, atmen, lachen, alles gleichzeitig!“ Das war ein herrlicher Gedanke, denn in dieser Zeit brachte mich Sprechen und Stehen schon außer Atem.
Aktuell vom Standard publiziert: Österreich führend bei Organtransplantationen9
9 https://mobil.derstandard.at/2000082639445/Oesterreich-fuehrend-bei-Organtransplantionen
Weiterführende Links:

  http://www.hlutx.at/

 

  http://argeniere.at/

  https://www.meduniwien.ac.at/hp/chirurgie/abteilungen/transplantation/

  https://transplant.goeg.at/

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?