Die Charismatische Bewegung 1

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Die Charismatische Bewegung 1
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Michael Kotsch


Die Charismatische
Bewegung 1
Geschichte - Personen - Organisationen


Reihe AUFKLÄRUNG

Band 64


Michael Kotsch

Die Charismatische Bewegung 1 Geschichte - Personen - Organisationen

1. Auflage 2008

2. Auflage 2009

© 2013 Lichtzeichen Verlag, Lage

Umschlag: Manuela Bähr-Janzen

Satz: Gerhard Friesen

ISBN: 9783869549583

Bestell Nr.: 548958

E-Book Erstellung: LICHTZEICHEN Medien

www.lichtzeichen-medien.com


Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Erlaubnis des Verlegers in irgendeiner Form reproduziert werden.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Charismata in der Bibel

2. Das Ende biblischer Gnadengaben?

3. Die Geschichte charismatischer Frömmigkeit

3.1. Charismatische Vorläufer am Rande der Erweckungs- und Heiligungsbewegung

3.2. Die Pfingstgemeinden - „Die erste Welle des Heiligen Geistes”

3.3. Die Charismatische Bewegung - „Die zweite Welle des Heiligen Geistes”

3.4. Die Charismatische Bewegung - „Die dritte Welle des Heiligen Geistes”

3.5. Geschichte der Pfingstbewegung in Deutschland

3.6. Entstehung der Charismatischen Bewegung in Deutschland

4. Gesellschaftlicher Zeitgeist und Charismatische Bewegung

5. Charismatische und pfingstlerische Gemeinden in Deutschland

5.1. Charismatisch- pfingstlerische Gemeindeverbünde

5.2. Charismatisch- pfingstlerische Einzelgemeinden

6. Charismatisch- pfingstlerische Werke

6.1. Charismatisch- pfingstlerische Ausbildungsstätten

6.2. Charismatisch- pfingstlerische Verlage

7. Wichtige charismatische Persönlichkeiten von A-W

Personenregister

Sachregister

Vorwort

Die Charismatische Bewegung ist seit Jahrzehnten die am stärksten wachsende christliche Gruppierung. Weltweit gehören rund 600 Millionen Menschen zur Charismatischen Bewegung, 36 % der Amerikaner, 49 % der Evangelikalen und 36 % der Katholiken bezeichnen sich als Charismatiker. Besonders verbreitet ist die Charismatische Bewegung in Afrika, Lateinamerika und Südostasien. Neben den klassischen Pfingstverbänden zählen Einzelgemeinden der evangelischen, katholischen, methodistischen und baptistischen Kirchen sowie eine größere Zahl unabhängiger Gemeinden zur Charismatischen Bewegung in Deutschland.

Ihre Merkmale sind eine starke Emotionalität, die Betonung des Heiligen Geistes und eine deutliche Innovationsfreudigkeit. Das Wirken des Heiligen Geistes soll sich vor allem in den spektakulär wirkenden Geistesgaben des Neuen Testaments (Zungenrede, Prophetie, Heilung) und in ekstatischen Manifestationen (Lachen, Ruhen, Schreien im Geist) zeigen. Es gibt keine einheitliche charismatische Kirche oder einen allgemein anerkannten Sprecher. Die Charismatische Bewegung arbeitet vor allem in den bestehenden Kirchen und organisiert sich als konfessionsübergreifendes Netzwerk, in dem verschiedene Personen und Organisationen die Knotenpunkte bilden. Zwischenzeitlich entstand so eine Art charismatischer Ökumene in der keine feststehenden Dogmen sondern vielmehr verbindende Geisteserfahrungen als das dominierende Element vorherrschen. Allerdings wirft die Charismatische Bewegung auch verschiedene Streitfragen auf: Gibt es heute noch Apostel und Propheten? In welcher Beziehung stehen Prophetie und Bibel zueinander? Heilt Gott alle Kranken? Ist glaubenden Christen materieller Wohlstand verheißen? Gibt es territoriale Mächte, gegen die geistlich vorgegangen werden muss? Können wiedergebore Christen von Dämonen besessen sein? Welche Bedeutung haben emotionale Erlebnisse im Glauben? Usw.

Im Folgenden soll aufgezeigt werden, was im Neuen Testament unter Charismata / Geistesgaben verstanden wird. Darauf folgt ein kurzer Abriss der charismatischen Geschichte und eine Vorstellung der wichtigsten charismatischen Gemeinden und Werke in Deutschland. Abgeschlossen wird der erste Band über die Charismatische Bewegung mit der Darstellung der einflussreichsten charismatischen Persönlichkeiten. Der zweite Band beschäftigt sich dann mit typischen Lehren und verbreiteter Glaubenspraxis der Charismatischen Bewegung.

1. Charismata in der Bibel

Der Begriff Charisma findet sich im Neuen Testament 17 mal (Röm 1,11; 5,15f; 6,23; 11,29; 12,6; 1Kor 1,7; 7,7; 12,4.9.28.30.31; 2Kor 1,11; 1Tim 4,14; 2Tim 1,6; 1Petr 4,10).1 Im Allgemeinen wird Charisma als „Geschenk” oder „Gnadengabe” übersetzt. Charisma ist abgeleitet von dem Verb charizomai (= Angenehmes / Erfreuliches erweisen, schenken, überlassen, erlassen, vergeben; 23 mal im NT). Gott schenkt dem Gläubigen seinen Namen (Phil 2,9), die himmlische Herrlichkeit (1Kor 2,7.9.12), die neue Schöpfung (1Kor 1,21ff; 2Kor 5,17f), die Sündenvergebung (Kol 3,13; Eph 4,32), das ewige Leben und den Glauben an Christus (Apg 5,41; Phil 1,29), der auch das Leiden für ihn beinhaltet.2 Die Welt und alles in ihr ist Gottes Geschenk, Wohltat und unverdiente Gabe.

Das Substantiv „Charis” wird mit „Gnade”, „Dank” oder „Ansehen” übersetzt (156 mal im NT). Unter anderem bezeichnet es das von Gott geschenkte Heil und den Dank des Menschen zugleich. Die unverdiente Erwählung des Gläubigen durch Gott ist Charis (Röm 11,5f; Eph 1,6; 2Tim 1,9). Auch die Erlösung und Vergebung der Sünde ist Charis (Eph 2,5.8; 2Tim 1,9). In allen diesen Texten geht es um die Überwindung der Gottesferne durch Gottes eigenes Handeln. Gelegentlich wird der Gegensatz zwischen Gottes Gnade und menschlichen Werken hervorgehoben (Röm 4,4; 11,6; 2Tim 1,9; Tit 3,5-7). In menschlicher Niedrigkeit, Demut, Leidensbereitschaft und Racheverzicht liegen Voraussetzungen für den Erhalt der Gnade Gottes (Lk 6,32-34; 1Petr 2,19; 5,5; Jak 4,6). Das zukünftige Heil des Christen im Reich Gottes wird ebenfalls mit Charis umschrieben (2Thess 2,16; 1Petr 1,10.13; 3,7).

Für die Berufung des Paulus und den Empfang seiner Botschaft für alle Menschen wird ebenfalls der Begriff Charis verwendet (1Kor 3,10; 15,10; Gal 1,15; 2.9). Die Gemeinde hat an dieser Berufung teil (Phil 1,7) und erfährt die Gnade Gottes (Charis) durch den Besuch des Paulus (2Kor 1,15). In zahlreichen seiner Reden und Briefe wünscht Paulus seinen Zuhörern Gottes Gnade (Apg 14,26; 15,40; 20,32). Die verschiedenen Charismen werden als konkrete Ausprägungen der einen Gnade Gottes verstanden, die allen Gläubigen gegeben ist (Röm 12,6; 1Kor 1,4-7; Eph 4,7; 1Petr 4,10).3

Im Römerbrief werden mit Charisma vor allem die allgemeinen Heilsgeschenke Gottes für alle Christen bezeichnet (Vergebung der Schuld, Ewiges Leben usw.). An anderen Textstellen werden damit Einzelbegabungen bezeichnet, die zum Wohl anderer Christen eingesetzt werden sollen. Zumeist werden dann ganze Listen verschiedener Charismata angeführt, die auf einzelne Personen der Gemeinde verteilt sind. Vereinzelt nennt Paulus die Charismata auch Pneumatika (= Geistesgaben, 1Kor 12,1; 14,1). Gewöhnlich wird aber zwischen dem einen Heiligen Geist, der die unterschiedlichen Gaben vermittelt und den Gaben selbst unterschieden. Der Geist ist derselbe in allen Christen, nicht so jede der Begabungen. Charisma kann auch ein von Gott verliehenes Amt bezeichnen (1Tim 1,18; 4,14; 2Tim 1,6).4

Im Folgenden sollen alle Stellen des Neuen Testaments besprochen werden, an denen der Begriff Charisma benutzt wurde, um die Bandbreite biblischer Gnadengabe vor Augen zu führen.5

1. Röm 1,11: „Denn mich verlangt sehr, euch zu sehen, damit ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile, um euch zu stärken.” Der Kontext lässt vor allem zwei Interpretationen zu. Zum einen könnte Paulus mit Charisma seine Berufung als Verkündiger des Evangeliums meinen (vgl. Röm 1,1-7; 1,16-f). Dann würde er hier sagen: „Ich will euch das Evangelium erklären, damit ihr Gott besser kennenlernt und einige von euch zum Glauben finden.” Noch wahrscheinlicher aber ist, dass Paulus hier einen geistlichen Austausch mit den Christen von Rom vor Augen hat. Sie berichteten sich gegenseitig, was sie mit Gott erlebt haben, wie sie von ihm geschützt und gerettet wurden (vgl. Röm 1,8.12).

 

2./3. Röm 5,15f: „Mit der Übertretung ist es aber nicht so wie mit der Gnadengabe. Denn wenn durch des einen Übertretung die vielen gestorben sind, so ist viel mehr die Gnade Gottes und die Gabe in der Gnade des einen Menschen Jesus Christus gegen die vielen überreich geworden. Und mit der Gabe ist es nicht so, wie es durch den einen kam, der sündigte. Denn das Urteil führte von einem zur Verdammnis, die Gnadengabe aber von vielen Übertretungen zur Gerechtigkeit.” In diesem Abschnitt (Röm 5,12-21) stellt Paulus die Sünde der ersten Menschen im Paradies und der daraus resultierenden Gottesferne aller Geschöpfe dem Tod des sündlosen Gottessohnes gegenüber, durch den alle Sünder gerecht gemacht werden können. Charisma ist an dieser Stelle der Tod Jesu als Opfer für die Sünden der Menschen und die Sündenvergebung an sich.

4. Röm 6,23: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.” Gnadengabe (Charisma) Gottes ist für Paulus hier das dem Glaubenden verheißene ewige Leben in der himmlischen Herrlichkeit.

5. Röm 11,29: „Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar.” Zuerst erinnert Paulus seine Leser an die göttliche Erwählung Israels als sein Volk (Röm 9,1-18). Obwohl Gott seinem Bundesvolk das Gesetz offenbarte und Propheten sandte, wandten sie sich immer wieder von Gott ab (Röm 10, 14-21). Daraufhin wurden die Heiden von Gott erwählt (Röm 11, 11-16). Sie sollen Israel an seine eigene Berufung erinnern, an die Gott schlussendlich anknüpfen will (Röm 10,25-32). Charisma steht hier für die erwählende und rettende Zuwendung Gottes.

6. Röm 12,6-9: „Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben nach der uns gegebenen Gnade, so lasst sie uns gebrauchen: es sei Weissagung, in der Entsprechung zum Glauben; es sei ein Amt, im Dienen; es sei, der lehrt, in der Lehre; es sei, der ermahnt, in der Ermahnung; der mitteilt, in Einfalt; der vorsteht, mit Fleiß; der Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit. Die Liebe sei ungeheuchelt! …” Paulus stellt fest, dass nicht alle Christen dasselbe Charisma haben. Dann zählt er einige Gnadengaben Gottes auf: Prophetie, Gemeindeämter, Lehre, Ermahnung, Leitung, Diakonie und Liebe.

7. 1Kor 1,7: „Daher habt ihr an keiner Gnadengabe Mangel, während ihr das Offenbarwerden unseres Herrn Jesus Christus erwartet, …” Wenige Verse vorher zählt Paulus die Lehre und die Erkenntnis, die den Korinthern vermittelt wurde, zu den Gnadengaben Gottes (1Kor 1,4f). Dann wird zum Ausdruck gebracht, dass die angesprochenen Gnadengaben durch die Predigt von Christus gefördert wurden und dass sie dazu dienen, trotz aller Schwierigkeiten treu am Glauben festzuhalten (1Kor 1,6.8). Wenig später wird die Weisheit von Gott gegenüber rein irdischer Scheinweisheit hervorgehoben (1Kor 1,18-31). Charismata könnten hier als wahre Lehre, die Erkenntnis Gottes, die gläubige Geduld, die Kraft zum Ertragen von Leiden und die göttliche Weisheit sein.

8. 1Kor 7,7: „Ich wünsche aber, alle Menschen wären wie ich; doch jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so.” Im unmittelbaren Kontext bezeichnet Paulus die Ehe und die Ehelosigkeit als Charismata Gottes, sofern sie im Einklang mit dem Willen Gottes gelebt werden.

9. 1Kor 12,4: „Es gibt aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber es ist derselbe Geist; …” In den folgenden Versen zählt Paulus einige Gnadengaben (Charismata) auf: Gemeindeämter, Worte der Weisheit, Worte der Erkenntnis, Glaube, Heilung, Wundertaten, Prophetie, Geisterunterscheidung, Zungenrede, Auslegung der Glossolalie (1Kor 12,5-10). Wichtig erscheint Paulus, dass alle diese Gaben von Gott kommen, keine einer anderen vorgezogen werden darf und alle zum Wohl der Gemeinde eingesetzt werden sollen.

10. 1Kor 12,9: „… einem anderen aber Glauben in demselben Geist, einem anderen aber Gnadengaben der Heilungen in dem einen Geist, …” Unter anderem sind auch der Glaube und die Fähigkeit Menschen zu heilen Gnadengaben (Charismata) Gottes.

11. 1Kor 12,28: „Und die einen hat Gott in der Gemeinde eingesetzt erstens als Apostel, zweitens andere als Propheten, drittens als Lehrer, sodann Wunder-Kräfte, sodann Gnadengaben der Heilungen, Hilfeleistungen, Leitungen, Arten von Sprachen.” Insbesondere werden hier Heilungen, Hilfeleistungen, Leitung und Zungenrede als Charismata bezeichnet. Aus dem Kontext wird deutlich, dass Paulus auch die Gemeindeämter, die Fähigkeiten Wunder zu vollbringen und die Auslegung der Zungenrede als Geistesgabe betrachtet (1Kor 12, 28-30). Noch einmal wird hervorgehoben, dass kein Christ alle Charismata hat, sondern dass sich die Gabenträger zur Erbauung der Gemeinde ergänzen sollen.

12.: 1Kor 12,30: „Haben alle Gnadengaben der Heilungen? Reden alle in Sprachen? Legen alle aus?”

13. 1Kor 12,31: „Eifert aber um die größeren Gnadengaben! Und einen Weg noch weit darüber hinaus zeige ich euch: …” Im folgenden Abschnitt (1Kor 13) macht Paulus deutlich, dass alle bisher aufgezählten Charismata (Zungengede, Prophetie, Erkenntnis, Glaube, Diakonie usw.) in ihrer Bedeutung weit hinter der Liebe zurückbleiben. Er fordert die Gläubigen auf, vor allem nach den Charismata des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu streben. Alle anderen Gnadengaben sind diesen untergeordnet und sind zeitlich befristet, bis zu dem Zeitpunkt, wenn das „Vollkommene” kommen wird.

14. 2Kor 1,11: „… wobei auch ihr durch das Gebet für uns mitwirkt, damit von vielen Personen für das uns verliehene Gnadengeschenk gedankt werde, durch viele für uns.” Paulus hebt das Engagement der Korinther hervor, die durch ihre Fürbitte dazu beitragen, dass noch viele Menschen in den Genuss der Gnadengabe kommen, die der Apostel von Gott erhalten hat. Der Text macht deutlich, dass es sich hier um ein Charisma handelt, das dem Paulus zum Wohl anderer Menschen anvertraut wurde. Dabei könnte es sich um sein Leitungsamt als Apostel handeln, auch aber um seine Gabe als Evangelist, Lehrer und Seelsorger. Außerdem könnte es sich um den Inhalt des Evangeliums handeln, das Paulus anvertraut wurde, um es den Heiden nahe zubringen (vgl. 2Kor 1,8-11).

15. 1Tim 4,14: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, die dir gegeben worden ist durch Weissagung mit Handauflegung der Ältestenschaft!” Hier bezieht sich Paulus auf eine individuelle Gnadengabe, die Timotheus unter Handauflegung erhalten hatte. Schon vorher erinnert Paulus seinen Mitarbeiter daran, dass er dazu berufen ist, das Evangelium von der Vergebung der Sünden zu predigen. Diese Berufung beruht unter anderem auf göttlicher Prophetie. Dann ermutigt ihn Paulus, Älteste einzusetzen (1Tim 3,1-7), andere Christen zu lehren (1Tim 4, 6.13.16) und sich nicht aufgrund seines geringen Alters einschüchtern zu lassen (1Tim 4,11). Demnach ist das Charisma des Timotheus höchstwahrscheinlich seine Lehr- und Leitungsfunktion in der Gemeinde.

16. 2Tim 1,6: „Um dieser Ursache willen erinnere ich dich, die Gnadengabe Gottes anzufachen, die in dir durch das Auflegen meiner Hände ist.” Aufgrund äußerer Angriffe und persönlichem Leid (2Tim 1,4; 15; 2,1-3) scheint Timotheus erneut an seiner Berufung als Lehrer und Leiter der Gemeinden zu zweifeln. Paulus erinnert ihn wiederum daran, dass diese Aufgabe nicht nur auf seine Berufswahl, sondern auf das Charisma Gottes zurückgeht (2Tim 1,6f; 9, 13f; 2,8f).

17. 1Petr 4,10: „Wie jeder eine Gnadengabe empfangen hat, so dient damit einander als gute Verwalter der verschiedenartigen Gnade Gottes!” Im folgenden Vers (1Petr 4,11) zählt Petrus einige Charismata auf, mit denen die Christen sich gegenseitig helfen sollen: Predigt, Dienst, Diakonie. Auch in den Versen 7-9 beschreibt er das korrekte Verhalten gemäß der Gnadengaben Gottes: Gebet, Liebe, Gastfreundschaft.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, Charismata (Geistesgaben) im neutestamentlichen Sinn sind: Der Name Gottes, die himmlische Herrlichkeit, die Vergebung der Sünden, das ewige Leben, Geistlicher Austausch, die Erwählung, die Berufung, Prophetie/Weissagung, Dienst, Lehre, Ermahnung, Geben, Leitung, Barmherzigkeit üben, Liebe, Geduld, Treue, Reden der Weisheit, Reden der Erkenntnis, geistliches Reden, Seelsorge, Glauben, Heilen, Geister unterscheiden, Zungenrede/Sprachenrede, Auslegung der Sprachenrede, Wunder, verschiedene Ämter: Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer.

Einige der hier aufgezählten Charismata werden andernorts auch als „Früchte des Geistes” bezeichnet (Gal 5,22f; Eph 5,9; Kol 3,12): Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Demut und Milde. Auch diese Eigenschaften gehen auf ein Wirken des heiligen Geistes und ein Geschenk Gottes zurück, sind in diesem Sinne also ebenfalls Charismata.

Natürlich ist mit diesen Stellen nicht alles genannt, was Gott dem Menschen schenkt, denn letztlich kann in der Bibel fast alles als Gabe Gottes angesehen werden. Charismata werden im Neuen Testament auch „Gaben / Geschenke” (doma, Lk 11,13; Eph 4,8.11f / dosis, Jak 1,17f / dorea = unverdientes Geschenk, Apg 11,17; Röm 5,15.17)6, „geistliche Dinge” (pneumatica = vom Geist bewirktes Handeln im Gegensatz zu seelischen oder fleischlichen Verhaltensweisen, 1Kor 2,13ff; 3,1; 12,1; 14,1)7, „Zeichen / Manifestationen” (phaneroseis = Offenbarung bzw. Bekanntmachung des Heiligen Geistes, 1Kor 12,7; 2Kor 4,2)8, Wirkungen/Eingreifen (energemata = wirksame Kraft, Auswirkung des Heiligen Geistes, 1Kor 12,6.10)9 und Dienste (diakoniai = karitative Aufgabe oder Leitungsaufgabe in der Gemeinde, 1Kor 12,5; Kol 4,17; 1Tim 1,12; 1Petr 4,10)10 genannt. Selbst der Heilige Geist ist ein Geschenk Gottes für die Gläubigen (Apg 2,38; 10,45; 11,17). Gaben Gottes können auch materielle Segnungen oder ein langes Leben sein (Pred 2,24; 3,13; 5,18).

Außerdem werden die einzelnen oben genannten Begabungen in anderen Bibeltexten noch näher erläutert. Trotz dieser Einschränkungen kann festgehalten werden, dass Charisma im Neuen Testament einerseits Gottes Geschenk der Sündenvergebung und Rettung bezeichnet, das jedem Christen gilt. Andererseits werden auch geistliche Einzelbegabungen und göttliche Berufungen in Gemeindeämter Charismata genannt. Keinesfalls jedoch kann Charismata auf einige wenige, als spektakulär empfundene Wundergaben beschränkt werden (Zungenrede, Prophetie, Heilung), zumal diese sowohl in Bezug auf Häufigkeit als auch in Bezug auf Bedeutung eher an zweiter Stelle zu stehen scheinen (1Kor 13).

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1 Vgl. Konkordanz zum Novum Testamentum Graece, hrsg. vom Institut für neutestamentliche Textforschung Münster, de Gruyter, Berlin 1987, Sp. 1902

2 Vgl. K.Berger, Art. charizomai, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, H. Balz / G. Schneider Hrsg., Bd.3, 2.Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1992, Sp. 1093-1095

3 Vgl. K.Berger, Art. charis, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, H. Balz / G. Schneider Hrsg., Bd.3, 2.Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1992, Sp. 1095-1102

4 Vgl. K.Berger, Art. charisma, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, H. Balz / G. Schneider Hrsg., Bd.3, 2.Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1992, Sp. 1102-1105

5 Bibelstellen nach der revidierten Elberfelder Übersetzung

6 Vgl. Art.: doma / dosis / dorea, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, H. Balz / G. Schneider Hrsg., Bd.1, 2.Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1992, Sp. 832, 843f, 880ff

7 Vgl. J.Kremer, Art.: pneumatikos, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, H. Balz / G. Schneider Hrsg., Bd.3, 2.Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1992, Sp. 291ff

8 Vgl. Art.: phanerosis, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, H. Balz / G. Schneider Hrsg., Bd.3, 2.Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1992, Sp. 991

9 Vgl. Art.: energema, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, H. Balz / G. Schneider Hrsg., Bd.1, 2.Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1992, Sp. 1108

10 Vgl. A.Weiser, Art.: diaoneo / diakonia, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, H. Balz / G. Schneider Hrsg., Bd.3, 2.Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1992, Sp. 726-732