Kleine Igel – große Probleme

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Kleine Igel – große Probleme
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Manuel Enders

Kleine Igel – große Probleme Tyran und Timmy

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2021

Impressum

Dramaturgische Beratung: Nicole Mosleh,

www.nicolemosleh.de, info@nicolemosleh.de

Lektorat: Hartmut Pospiech, www.hartmutpospiech.de

Korrektorat: Birgit Rentz, www.fehlerjaegerin.de

Coverdesign und Illustrationen: Robert Rittermann,

www.robertrittermann.com

Porträtfotografie: Malte Reiter Fotografie,

www.malte-reiter.de

E-Mail: autormanuelenders@gmx.de

www.instagram.com/autormanuelenders/

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Copyright (2021) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Für Jennifer,

Liebe meines Lebens.

Wir müssen lernen,

entweder als Brüder miteinander zu leben

oder als Narren unterzugehen.

Martin Luther King

Vorwort

Hallo, liebe Leserin, lieber Leser!

Ich verrate dir ein Geheimnis:

Ich bin viel zu alt, um ein Vorwort für ein Kinderbuch zu schreiben. Als ich im richtigen Alter war, gab es noch gelbe Telefonzellen. Es gab drei Fernsehprogramme. Noch kein Internet. Von Smartphones mal ganz zu schweigen.

Aber es gab Bücher. Ich habe jede Sekunde genutzt, um sie zu lesen. Denn ich liebe Geschichten. Spannende Geschichten. Fröhliche Geschichten. Überraschende Geschichten. Auch traurige Geschichten. Aber nur, wenn sie am Ende gut ausgehen.

Deshalb bin ich Lektor geworden. Ein Lektor ist einer, der Geschichten liest, bevor sie in einem Buch erscheinen. Und gemeinsam mit den Autoren versucht, ihre Geschichten noch besser zu machen.

So habe ich Tyran und Timmy kennengelernt, und die anderen Figuren: den Affen Smokey zum Beispiel, die strenge Señora und den gutmütigen Pablo.

Jennifer und Manuel habe ich auch kennengelernt, die sich die Geschichte mit den beiden Igeln ausgedacht haben. Wir diskutierten, bis unsere Köpfe rauchten. Und dann haben Jennifer und Manuel weiter an dem Buch gearbeitet, bis es fertig war.

Wenn dir die Geschichte auch gefällt, verrate ich dir noch ein Geheimnis: Jennifer und Manuel haben sich bereits weitere Abenteuer von Tyran und Timmy ausgedacht.

Ich bin darauf schon sehr gespannt.

Hartmut Pospiech

(August 2020)

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Prolog

Das Spiel

Zirkus Dark

Das Kinderzimmer

Die zündende Idee

Der Flyer

Smokeys Auftrag

Tyrans Hartnäckigkeit

Aufbruch

Das Casting

Der Aufenthaltsraum

Suche nach Timmy

In der Stadt

Timmys Ankunft

Bei den Andersons

Ich bin keine Ratte!

Böser Zirkus

Erste Nacht

Der Morgen danach

Was habt ihr vor?

Eine erste Spur

Chaos im Einkaufszentrum

Die Feier

Flucht

Der Vorhang fällt

Abschied

Tag der Vorstellung

Versöhnung

Die Hauptattraktion

Verfolgungsjagd

Ende gut, alles gut?

Daheim

Danksagung

Über den Autor

Prolog

Vor langer, langer Zeit beherrschten die Tiere die Sprache der Menschen und lebten friedlich mit ihnen zusammen. Sie bauten gemeinsam Hütten, halfen einander bei der Ernte, bereiteten die Nahrung zu und führten anregende Gespräche über die alltäglichsten Dinge.

Einem jungen Mann jedoch gefiel diese Gemeinschaft nicht. Er hieß Gideon. Seiner Meinung nach waren Tiere dem Menschen nicht gleichgestellt. Er wollte sie für immer aus den Dörfern vertreiben. Für dieses Vorhaben brauchte er Verbündete. Er verbreitete unter den Menschen das Gerücht, dass Tiere planten, sie zu überfallen und sie dann in Knechtschaft zu halten. In geheimen Versammlungen überzeugte er immer mehr Menschen von der Gefährlichkeit der Tiere.

In einer Nacht wurde sein Vorhaben in die Tat umgesetzt. Seine Anhänger zündeten die Hütten der Tiere an und vertrieben sie mit Heugabeln aus den Dörfern. Dennoch gab es Menschen, die sich schützend vor die Tiere stellten. Gideon befahl, dass diese Verräter für ihr Verhalten schlimm bestraft werden sollten. Innerhalb weniger Stunden waren alle Tiere in den Wäldern verschwunden. Dort errichteten sie Verstecke, damit die Menschen sie niemals finden würden. Die Tiere, die ihre Babys wegen Gideons Hinterhalt zurücklassen mussten, gingen kurze Zeit später in die Dörfer zurück, um sie zu holen, kamen aber niemals wieder.

Gideon hatte mit seinem Vorhaben gesiegt. Ihm kam aber noch eine weitere Idee in den Sinn, die die Geschichte zwischen Menschen und Tieren für immer verändern sollte. Er befahl seinen Anhängern, Tieren auf keinen Fall das Sprechen beizubringen und sie als Nutztiere zu halten. Die Zeit der Noblas begann.

Zukünftig lebten Generationen von sprechenden Tieren in den Wäldern versteckt. Sie bezeichneten sich selbst als Tellys und hielten sich an den Ehrenkodex ihrer Vorfahren:

Sprecht niemals mit einem Menschen!

Das Spiel

An diesem lauen Sommerabend hallte der Ruf einer Eule durch den Wald. Hinter einem unauffälligen Gebüsch befand sich ein leichtes, schlammiges Gefälle, das zu einem massiven Baum führte. In den Baum war ein geräumiges Häuschen eingearbeitet. Darin lebte die Igeldame Señora Solamente mit ihrem zotteligen Briard Pablo. Die Señora war ein sanftmütiger Telly. Weil sie des Öfteren nötige Reparaturarbeiten im und am Haus selber bewerkstelligen musste, trug sie die meiste Zeit eine bequeme Stofflatzhose.

Gemeinsam mit Pablo, einem Nobla, ging sie täglich auf Nahrungssuche. Ansonsten führten die beiden ein eher beschauliches Leben, weit entfernt von den Menschen.

Dieses Leben änderte sich in einer verschneiten Nacht schlagartig, als ein lautes Rumsen die beiden weckte.

Vor dem Haus fand die Señora ein Weidenkörbchen. Vorsichtig zog Pablo mit seinen Zähnen eine samtweiche Decke vom Korb. Darin lagen zwei Igelbabys, die tief und fest schliefen. Die Señora bemerkte die Wärme, die von den Babys ausging, und schloss sie direkt ins Herz. Zu ihrer Verwunderung hatte jemand den Babys Namensschilder um ihr Handgelenk gebunden, auf denen »Tyran« und »Timmy« standen.

 

Tyran hatte Pausbacken, tief liegende Augen und kleine, spitze Ohren. Timmys Ohren waren auch spitz, jedoch war sein Gesicht schmal und er hatte Knopfaugen. Generell wirkte Timmy sehr zerbrechlich.

In dem Korb fand die Señora noch ein weiteres Schildchen mit dem Namen »Bonita«. Traurig darüber, dass ein Baby fehlte, machte sie sich noch in der Nacht mit Pablo auf die Suche, das Mädchen zu finden, jedoch ohne Erfolg. Die Señora hatte keine Ahnung, wer ihr die Igeljungs gebracht hatte, und so beschloss sie, die beiden liebevoll aufzuziehen.

Zehn Jahre später schaute die Señora ungeduldig aus dem kleinen Küchenfenster. Sie hatte Abendessen zubereitet und ihre Sprösslinge waren immer noch nicht vom Spielen nach Hause gekommen. Es wurde bereits dunkel.

Tyran spürte Timmy dicht hinter sich.

»Gleich h-habe ich dich!«, keuchte Timmy und drückte seine Brille fest auf die Nase.

»Vergiss es!«, erwiderte Tyran und rannte noch schneller.

Plötzlich sah Tyran den schönsten rot glänzenden Apfel, den er je gesehen hatte, an einem Ast hängen und blieb abrupt stehen.

Da rannte sein Bruder schon in ihn hinein und fiel nach hinten um.

»Boah, Timmy, guck mal!«, sagte Tyran und half ihm auf.

Timmy blickte besorgt.

»Was hast du?«, wollte Tyran wissen.

»La-Lass uns l-lieber n-nach Hause ge-gehen! I-Ist schon sp-spät.«

Tyran wusste nicht, warum Timmy dieses Mal heftiger als sonst stotterte. Dann aber sah er, warum. Hinter dem Apfelbaum tat sich ein grasbewucherter Abgrund auf. »Mach dir nicht ins Hemd. Wir teilen den Apfel auch brüderlich.«

»N-Nein, d-das ist z-zu g-gefährlich!«

»Mama muss doch nichts davon erfahren!«

»I-Ich weiß n-nicht.«

»Sei kein Feigling. Ich habe auch schon eine Idee, wie wir an den Apfel kommen.«


Wenige Minuten später stand Tyran ein paar Meter von Timmy entfernt, der vor dem Apfelbaum hockte. »Nicht vergessen, Stacheln anlegen!«, rief er.

»J-Ja!«

Tyran blickte ein letztes Mal zu dem Apfel. »Bereit?«

»B-Bereit!«

Er rannte, so schnell er konnte, auf Timmy zu und sprang auf seinen Rücken. »Jetzt!«, rief Tyran.

Timmy drückte seine Knie durch und Tyran stieß sich von ihm ab. Dadurch wurde Tyrans Schwung verstärkt. Er machte eine Bauchlandung am Baumstamm und kletterte leichtfüßig bis zum Ast hoch. Auf diesem angekommen, winkte er Timmy zu. Sein Bruder stellte sich unter den Ast, um den Apfel aufzufangen.

»Schau mal, bin ich nicht ein super Akrobat?« Tyran schlug mehrere Räder über den Ast und blieb plötzlich mit seiner linken Hinterpfote in einer Furche hängen. »Aaah!«, schrie er und klammerte sich mit seinen vier Pfoten am Ast fest.

»A-Alles in O-Ordnung?«

»Nichts passiert!«

»Puh«, sagte Timmy erleichtert.

Dann knickte der Ast an der Rinde ein.

»Oh-oh.«

Tyran stürzte mit dem Ast und dem Apfel in Richtung seines Bruders, der seine Arme ausgebreitet hatte. Timmy fing Tyran auf und beide fielen zu Boden. Der Apfel rollte zu ihrem Pech in den Abgrund.

»Na klasse!«, rief Tyran beleidigt.

»Wo ist m-meine Brille?«, fragte Timmy panisch und sprang wie von einer Tarantel gestochen auf.

Knack!

Versehentlich war er auf die Brille getreten. Unsicher wankte er umher. Dabei steuerte er auf den Abgrund zu.

Oh nein, dachte Tyran, da rutschte Timmy schon ab und krallte sich gerade noch rechtzeitig am Abhang fest.

»H-Hilfeee, T-Tyraaan!«, schrie er verzweifelt.

»Halte durch, Timmy!«

Tyran sprang zu seinem Bruder und griff nach seiner Pfote. »Hab dich!« Er versuchte Timmy hochzuziehen, fand aber nicht den nötigen Halt und rutschte zusammen mit ihm langsam ab.

Wie aus dem Nichts spürte Tyran im letzten Augenblick einen kräftigen Druck um sein Fußgelenk. Es war eine Pfote, die ihn gepackt hatte.

»¡Dios mío! Pablooo!«, rief die Señora.

Überrascht erkannte Tyran, dass es seine Mutter war. Er und sein Bruder wurden mit einem Ruck nach oben gezogen. Pablo löste seine Zähne aus der eingerissenen Latzhose der Señora und wedelte freudig mit dem Schwanz. Er schleckte die Igeljungs von oben bis unten ab.

»Pablissimo, du hast Mundgeruch!«, schimpfte Tyran und rümpfte die Nase.

»Dankt ihm lieber. Seinem Instinkt ist es geschuldet, dass ich euch gefunden habe!«

Tyran wollte gerade ansetzen, um sich zu verteidigen, da fuhr ihn seine Mutter besorgt an. »Außerdem wisst ihr doch, dass ihr hier nicht spielen dürft. Und wie dreckig eure Latzhosen schon wieder sind!«

»Wir wollten doch nur –«

»Keine Diskussion, Tyran! Ab nach Hause!«

»Oh Mann!«, stöhnte Tyran, während Timmy seine kaputte Brille aufhob.

Tyran ahnte, dass später noch eine ordentliche Standpauke folgen würde.

Zirkus Dark

»Smoookey!«, donnerte es über ein großes Zirkusgelände am Rande der Stadt.

Was will Dark denn schon wieder?, fragte sich der leicht ergraute Telly-Schimpanse Smokey genervt, während er ein weißes Nobla-Show-Pferd an den Mast band.

Smokey trug eine Augenklappe über seinem rechten Auge, von dem eine Narbe bis zur Wange herunterreichte. In seinem Mundwinkel klebte ein Zigarrenstummel. Seine Kleidung bestand aus einer abgewetzten Lederjacke, löchrigen Jeans und Stiefeln. Er machte sich auf den Weg zum Wohnwagen des Zirkusdirektors Mister Dark.

»Boss, was hast du getan?«, fragte ihn ein deutlich jüngerer Schimpanse namens Gordo. Er war einer von Smokeys Gehilfen und trug einen Irokesen-Haarschnitt. Auf der Brusttasche seiner übergroßen Jeansjacke, die über den Schotter schleifte, prangte der Buchstabe »G«.

»Schnauze!«, antwortete Smokey schroff und schubste Gordo auf den Boden.

Gordos Zwillingsbruder Elroy, der ebenfalls ein Gehilfe Smokeys war, stand schon an der Treppe von Mister Darks Wohnwagen. Er glich Gordo jedoch in keiner Weise. Seine Haare waren zu einem Seitenscheitel gegelt und er trug eine unauffällige knielange Stoffweste.

»Viel Glück«, sagte Elroy.

Smokey würdigte ihn keines Blickes, während er die vier Stufen zur Tür hochging. An der abblätternden Wandfarbe des Wohnwagens drückte er den Zigarrenstummel aus und schnipste diesen zu Elroy, der noch rechtzeitig ausweichen konnte.

Smokey richtete seine Lederjacke, dann drehte er an dem vergoldeten Türknauf und ging hinein.

In den prunkvoll eingerichteten Wohnwagen verirrten sich durch die halb offene Jalousie nur wenige Lichtstrahlen. Der Schimpanse blieb vor einem großen, bunten und gepflegten orientalischen Teppich stehen. Darauf stand ein massiver, glänzender Mahagoni-Schreibtisch. Hinter dem Schreibtisch befand sich ein edler Ledersessel, von dem Smokey nur die Rückenlehne und darüber die obere Hälfte eines Zylinders sah. In dem Sessel saß Mister Dark. Smokey fiel die neue vergoldete Ansitzstange am Fenster auf.

Echt jetzt? Für so einen Mist soll ich hier schuften? Dabei hat er nicht mal einen Vogel! Nur einen in seiner Birne!

»Wie lange willst du mich noch warten lassen?«, fragte Mister Dark provokant.

Smokey schwieg, denn es interessierte ihn nicht die Bohne. Ungeduldig drehte sich Mister Dark um. Sein Name passte zu seiner Erscheinung. Er trug einen dunklen Frack. Sein Zylinder reichte bis kurz über die nicht richtig auf dem Kopf sitzende Maske. Diese sah wie ein Menschengesicht aus. Seine orange leuchtenden Augen stachen deutlich darunter hervor.

Smokey beobachtete Mister Dark, wie er mit seiner behandschuhten, knochigen Hand mehrere Bündel Geldscheine aus der Schublade holte und zählte.

»Also, wie sieht dein Plan für die neue Attraktion aus?«, fragte Mister Dark ihn in eindringlichem Ton.

Der Schimpanse zuckte gleichgültig mit den Achseln, worauf Mister Dark das Geld auf den Schreibtisch pfefferte, sich erhob und wenig später in voller Größe vor ihm stand. Smokey blickte hinauf in das Gesicht des etwa zwei Meter großen Zirkusdirektors. Dann sah er aus dem Augenwinkel, wie Mister Dark mit Daumen und Zeigefinger einen Fussel von seiner Schulter entfernte und sich zu seinem Ohr vorbeugte.

»Aber wie soll ich mir das alles hier weiterhin leisten können, wenn nicht noch mehr Zuschauer die Vorstellungen besuchen?«, fragte Mister Dark und ließ den Blick über sein Hab und Gut schweifen.

Smokey war von all dem wenig beeindruckt und schwieg weiterhin.

»Vielleicht verkaufe ich als Allererstes deinen Wohnwagen«, fuhr der Zirkusdirektor fort.


Innerlich begann der Schimpanse vor Wut zu kochen. Er ballte die Fäuste so stark, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

»Ich sehe so viel Energie, aber du verschwendest sie. Wenn du nicht spurst, dann kannst du gerne wieder durch die Straßen ziehen und schauen, wo du schläfst und dein Essen herbekommst.«

Smokey blickte auf seinen rechten Stiefel. Darin befand sich ein Gegenstand, den er, ohne mit der Wimper zu zucken, gegen Mister Dark einsetzen würde, wenn dieser zu weit ging. Was dann geschehen würde, konnte der Schimpanse jedoch nicht einschätzen. Er heftete seinen Blick auf die missbilligenden Augen des Zirkusdirektors und sagte zähneknirschend: »Ich kümmere mich darum.«

»Und zwar sofort!«, brüllte Mister Dark.

Wutschnaubend verließ Smokey den Wohnwagen und knallte die Tür gegen Gordo und Elroy, die offenbar gelauscht hatten. Rücklings purzelten sie die Stufen hinunter und blieben auf dem Schotter liegen.

»Ey Boss, was wirst du tun?« Benommen rieb sich Gordo die schmerzenden Glieder.

Ohne auf seine Worte einzugehen, schaute Smokey auf sein Crossmotorrad, das vor dem rot-gelb gestreiften Zirkuszelt inmitten des Geländes parkte. Er grinste.

Ich werde es Dark ein für alle Mal zeigen und mein eigenes Ding machen. Dann könnt ihr mich alle mal!

»Will unser Zirkusdirektor wieder unnötigen Schnickschnack kaufen?«, fragte Elroy.

Ungeachtet seiner Anmerkung stieg Smokey über die am Boden liegenden Brüder.

»Aua!«, quiekte Gordo.

»Uff!«, stöhnte Elroy.

Umständlich rafften sich die beiden Affen auf.

»Ich hatte gerade einen Geistesblitz«, sagte Smokey und entnahm der Innentasche seiner Lederjacke ein Feuerzeug und eine neue Zigarre.

»Ein Geist, wo?«, fragte Gordo und versteckte sich hinter Elroy.

»Schnauze!«, entgegnete Smokey, während er seine Zigarre anzündete und von dannen zog.

Schon lange hatte er sich nicht mehr so lebendig gefühlt wie in diesem Moment. Womöglich konnte er aus seiner Idee einen größeren Nutzen ziehen, als Mister Dark auch nur ahnen würde. Der Schimpanse war bereit, diesen Gedanken, der ihn nicht mehr losließ, mit allen Mitteln in die Tat umzusetzen.

Das Kinderzimmer

Beim Abendessen schwiegen alle, nur Pablo schmatzte laut. Tyran stocherte in seinem Haferschleim herum, denn darauf hatte er keinen Appetit. In Gedanken war er bei dem Apfel und wie gerne er diesen verputzt hätte.

Eigentlich erzählte ihnen die Señora nach dem Essen immer noch eine Geschichte oder sie sangen gemeinsam, aber als Tyran heute danach fragte, schickte sie ihn und Timmy auf ihr Zimmer.

Das kleine, einfach eingerichtete Kinderzimmer bestand aus zwei Holzbetten und einem Holztisch mit Stuhl vor dem Fenster. Wobei das Fenster nur aus einem Loch bestand, das durch ein von außen befestigtes Brett wie ein Bullauge geschlossen werden konnte. Vom Kinderzimmer hatte man einen guten Blick auf den prächtig blühenden Kräutergarten der Señora.

Timmy saß auf dem wackeligen Stuhl, der nur noch drei Beine hatte. Das vierte war vor einer Weile abgebrochen, als er und Tyran beim Raufen dagegengekommen waren. Vor Timmy auf dem Tisch lag seine beschädigte Brille. Er überlegte, wie er sie reparieren konnte.

 

»Boah, war das heute spannend!«, sagte Tyran, während er sich rücklings auf sein Bett fallen ließ. Er fand es aufregend, was sie an diesem Tag gemeinsam erlebt hatten. »Wir wären beinahe draufgegangen. Dabei haben wir der Angst mitten ins Auge geblickt!«

»Wir h-hatten noch mal G-Glück, dass Mama und Pablo rechtzeitig d-da waren«, sagte Timmy.

»Das hätten wir auch ohne die geschafft!«

Tyrans gute Laune änderte sich, als ihre Mutter das Kinderzimmer betrat.

»Ich hoffe, das war euch heute eine Lehre!«, sagte sie.

»Ja, M-Mama«, erwiderte Timmy.

Für die Worte seines Bruders hatte Tyran nur ein unmissverständliches Augenverdrehen übrig.

Die Miene ihrer Mutter war besorgt. »Ich möchte euch niemals verlieren, denn die Welt kann sehr gefährlich sein.«

»Mama, wir können gut auf uns aufpassen!«, sagte Tyran brummig.

»Tyran, jetzt ist Schluss damit! Die Idee war doch bestimmt wieder auf deinem Mist gewachsen, oder?«

»Mag sein«, antwortete er und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Du hast dich und deinen Bruder in Gefahr gebracht. Entschuldige dich bei ihm!«

Widerwillig drehte sich Tyran zu Timmy um. »’tschuldigung«, sagte er schmollend.

»N-Nicht schlimm«, erwiderte Timmy zögernd.

»Das kommt nicht noch mal vor, okay!?«

»Ja, Mama«, kam es leise, aber einstimmig von beiden Igeln.

»So ist gut. Und jetzt Zähne putzen, umziehen und ab ins Bett!«

Tyran erhob seine Stimme. »Müssen wir immer so früh schlafen gehen?«

»¡Sí!«