Kurt Tucholsky – Gesammelte Werke – Prosa, Reportagen, Gedichte

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Kurt Tucholsky – Gesammelte Werke – Prosa, Reportagen, Gedichte
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Kurt Tucholsky
Gesammelte Werke
Kurt Tucholsky
Gesammelte Werke
Überarbeitung, Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag
2. Auflage, ISBN 978-3-95418-521-4
Umfang: 1056 Normseiten bzw. 1260 Buchseiten
www.null-papier.de/tucholsky

Das Buch

Kurt Tucholsky zählte in der Zeit zwischen den Weltkriegen zu den wichtigsten und hellsichtigsten deutschen Publizisten. Er verfasste nicht nur politische Artikel, Reportagen, Rezensionen, Satiren und Glossen, sondern auch Gedichte sowie Erzählungen und sogar Texte für Lieder und das Kabarett.

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Kurt Tucholsky – Leben und Werk

LEBEN

Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 in Berlin-Moabit geboren. Sein Vater war ein jüdischer Bankkaufmann und so erfolgreich, dass er 1905 nach seinem Tod der Familie, die aus Kurt, seinen beiden jüngeren Geschwister Fritz und Ellen sowie seiner Mutter Doris bestand, ein beträchtliches Vermögen hinterließ. Beflügelt von der finanziellen Sicherheit begann Kurt Tucholsky 1909 nach dem Abitur ein Studium der Rechtswissenschaft in Berlin. Während des Studiums verfasste Tucholsky journalistische Artikel – unter anderem für die SPD-Zeitung »Vorwärts« – und war damit so erfolgreich, dass er auf die erste juristische Staatsprüfung – und damit auf eine Tätigkeit als Anwalt – verzichtet. Dennoch promovierte Tucholsky und errang 1915 den juristischen Doktortitel.

Wenig später musste Tucholsky sich im Ersten Weltkrieg als Soldat an der Ostfront verdingen. Um dem Dienst in den Schützengräben zu entgehen, arbeitete er an den Festungsanlagen, fungierte als Schreiber und gab eine Feldzeitung heraus. 1918 wurde er durch die Initiative eines Freundes nach Rumänien versetzt, wo er sich protestantisch taufen ließ. Nach Kriegsende schrieb Tucholsky – inzwischen überzeugter Pazifist – wieder vermehrt für »Die Weltbühne« und wurde zudem Chefredakteur beim Satireblatt »Ulk«. Aus finanziellen Gründen arbeitete er zudem einige Monate für die Propagandazeitung »Pieron«, was er später bereute. Tucholsky engagierte sich nicht nur publizistisch, sondern auch politisch in der USPD gegen Militarismus und Faschismus.

1920 heiratete er die Ärztin Else Weil. Die grassierende Inflation zwang ihn dazu, sich einen Job in der freien Wirtschaft zu suchen, was seiner Laune wenig zuträglich war. Eine schwere Depression im Jahr 1922 soll sogar in einen Suizidversuch gemündet haben. Doch Tucholsky überwand sein Tief und durfte ab 1924 als Korrespondent für »Die Weltbühne« und die renommierte »Vossische Zeitung« nach Paris. Dort wurde der Publizist, der sich zuvor noch von seiner Frau scheiden ließ, Freimaurer. Ein halbes Jahr nach der Trennung heiratete Tucholsky Mary Gerold, die er bereits im 1. Weltkrieg kennengelernt hatte. Beide lebten nur phasenweise zusammen, wobei Tucholsky immer wieder Beziehungen mit anderen Frauen hat, sie aber später trotz der Scheidung im Jahr 1933 zu seiner Alleinerbin bestimmte.

Tucholsky sieht sich wegen seiner Artikel und ihres oft scharfen Tons immer wieder Anfeindungen und Prozessen – etwa 1928 wegen angeblicher Gotteslästerung in seinem Gedicht »Gesang der englischen Chorknaben« – ausgesetzt. 1930 zieht Tucholsky endgültig in den schwedischen Ort Hindås. Die Situation in Deutschland ist ihm unerträglich geworden. Als es 1933 zur Bücherverbrennung kommt, gehen auch seine Werke in Flammen auf. Noch im gleichen Jahr entziehen ihm die Nationalisten die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Publizist erkannte die Vorzeichen des drohenden Krieges, hatte aber inzwischen – auch wegen gesundheitlicher Probleme – resigniert. Bezeichnend dafür ist ein Auszug aus einem Brief, den er Mitte Dezember 1935 schrieb: »Mein Leben ist mir zu kostbar, mich unter einen Apfelbaum zu stellen und ihn zu bitten, Birnen zu produzieren. Ich nicht mehr. Ich habe mit diesem Land […] nichts mehr zu schaffen. Möge es verrecken – möge es Rußland erobern – ich bin damit fertig.«1 Fünf Tage später nahm der unter chronischen Magenbeschwerden leidende Publizist eine Überdosis Schlaftabletten und verstarb in einer schwedischen Klinik. Ob es sich um Selbstmord handelte, blieb ungeklärt.

WERK

Kurt Tucholsky zählte in der Zeit zwischen den Weltkriegen zu den wichtigsten und hellsichtigsten deutschen Publizisten. Er verfasste nicht nur politische Artikel, Reportagen, Rezensionen, Satiren und Glossen, sondern auch Gedichte sowie Erzählungen und sogar Texte für Lieder und das Kabarett.

Tucholsky schrieb bereits während der Schulzeit und zog etwa 1907 in seinem Werk »Märchen« – das im Satire-Magazin »Ulk« erschien – das Kunstempfinden des deutschen Kaisers durch den Kakao. Fünf Jahre spätere entstand die Erzählung »Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte«, in der er spielerisch, ironisch und provokativ den dreitägigen Ausflug eines unverheirateten Liebespaares schildert. Das Werk war zwar erfolgreich, wurde aber – besonders wegen der damals als unschicklich geltenden Thematik – auch harsch kritisiert. An Tucholskys 23. Geburtstag erschien sein erster Artikel in der Wochenzeitschrift »Die Schaubühne«, die später in »Die Weltbühne« umbenannt wurde. 1919 brachte Tucholsky mit »Fromme Gesänge« eine Sammlung von – allerdings größtenteils bereits veröffentlichten – Gedichten heraus. Der Ton ist links-liberal und antimilitaristisch (z. B. »’s is Krieg!«, »Der Kriegslieferant«), wobei sich Tucholsky den Spaß erlaubt, sie unter seinem Alias Theobald Tiger zu veröffentlichen und selbst unter einem anderen Pseudonym eine Vorrede zu verfassen.

In scharfen Tönen und teilweise satirisch überspitzt geißelte Tucholsky – etwa in der Artikelserie »Militaria« – in den nächsten Jahren den deutschen Militarismus. Zudem griff er die bedenkliche Anzahl von Morden an linken und liberalen Politikern – allein am 15. Januar 1919 wurden sowohl Rosa Luxemburg als auch Karl Liebknecht getötet – an und kritisierte auch immer wieder diverse Politiker, die die Gefahr von rechts nicht sehen wollten. Er selbst erkannte das drohende Verhängnis früh und rief bereits 1922 in seinem Gedicht »Rathenau«, dass er kurz nach der Ermordung des deutschen Außenministers verfasste, zum Widerstand gegen das Gesindel auf, das an »Häuser Hakenkreuze schmiert«.2

Das 1927 erschiene Werk »Ein Pyrenäenbuch« enthält nicht nur Reisebeschreibungen, sondern auch Reflexionen über deutsche Zustände. In der Artikelserie »Deutsche Richter« kritisierte Tucholsky die rechtsgerichtete deutsche Justiz. Im folgenden Jahr brachte der Publizist die Textsammlung »Mit 5 PS« – eine Anspielung auf seine Pseudonyme – heraus, in der er der markanten Figur des Herrn Wendriner entwickelte. Zusammen mit dem Grafiker John Heartfield brachte er 1929 die Textsammlung »Deutschland, Deutschland über alles« heraus, in der er alles das angreift, was er an Deutschland verabscheut. Diese Anklage kontrastierte der Publizist aber am Ende versöhnend mit seiner Liebe zur Heimat.

1931 erschien Tucholskys wohl berühmtestes Werk »Schloß Gripsholm«, in dem er Erlebnisse eines Schwedenurlaubs verarbeitete. Thematisch und stilistisch knüpfte er an »Rheinsberg« an und lässt den Ich-Erzähler einen Sommerurlaub mit seiner Freundin Lyida schildern. Diesmal thematisierte er als Provokation eine Ménage à trois und leistete sich am Beginn einen besonderen Spaß, indem er dem Roman einen fiktiven Briefwechsel mit seinem Verleger voranstellte. Im gleichen Jahr erschien in der Weltbühne die Glosse »Der bewachte Kriegsschauplatz« deren Feststellung »Soldaten sind Mörder« Gerichte noch fast acht Jahrzehnte später beschäftigen wird.

»Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.« – Goethe: Faust II

Inschrift auf Tucholskys Grab auf dem Friedhof von Mariefred, Schweden

Eigenhändige Vita Tucholskys

Für den Einbürgerungsantrag zur Erlangung der schwedischen Staatsbürgerschaft

Dr. iur. Kurt Tucholsky
Hindås, 22.1.34

Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 als Sohn des Kaufmanns Alex Tucholsky und seiner Ehefrau, Doris, geborene Tucholski, in Berlin geboren. Er besuchte Gymnasien in Stettin und in Berlin und bestand im Jahre 1909 die Reifeprüfung. Er studierte in Berlin und in Genf Jura und promovierte im Jahre 1914 in Jena cum laude mit einer Arbeit über Hypothekenrecht.

Im April 1915 wurde T. zum Heeresdienst eingezogen; er war dreieinhalb Jahre Soldat (die Papiere über seine Militärzeit liegen bei). Zuletzt ist T. Feldpolizeikommissar bei der Politischen Polizei in Rumänien gewesen.

 

Nach dem Kriege war T. unter Theodor Wolff, dem Chefredakteur des Berliner Tageblatt, Leiter der humoristischen Beilage dieses Blattes, des Ulk, vom Dezember 1918 bis zum April 1920.

Während der Inflation, als ein schriftstellerischer Verdienst in Deutschland nicht möglich gewesen ist, nahm T. eine Anstellung als Privatsekretär des früheren Finanzministers Hugo Simon an (in der Bank Bett, Simon & Co. in Berlin).

Im Jahre 1924 ging T. als fester Mitarbeiter der Berliner Wochenschrift Die Weltbühne und der Vossischen Zeitung nach Paris, wo er sich bis zum Jahre 1929 aufhielt. Er ist dort Mitglied der »Association Syndicale de la Presse étrangère« gewesen. Seine Carte d’identité liegt bei.

Nachdem T. bereits als Tourist längere Sommeraufenthalte in Schweden genommen hatte (1928 in Kivik, Skane, und fünf Monate im Jahre 1929 bei Mariefred), mietete er im Sommer 1929 eine Villa in Hindås, um sich ständig in Schweden niederzulassen. (Der Mietvertrag liegt bei.) Er bezog das Haus, das er ab 1. Oktober 1929 gemietet hat, im Januar 1930 und wohnt dort ununterbrochen bis heute. Er hat sich in Schweden schriftstellerisch oder politisch niemals betätigt. Zahlreiche Reisen, die zu seiner Information und zur Behebung eines hartnäckigen Halsleidens dienten, führten ihn nach Frankreich, nach England (Papier anliegend), nach Österreich und nach der Schweiz. Sein fester Wohnsitz ist seit Januar 1930 Hindås gewesen, wo er seinen gesamten Hausstand und seine Bibliothek hat.

T. hat im Jahre 1920 in Berlin Fräulein Dr. med. Else Weil geheiratet; die Ehe ist am 14. Februar 1924 rechtskräftig geschieden. Am 30. August 1924 hat T. Fräulein Mary Gerold geheiratet; die Ehe ist am 21. August 1933 rechtskräftig geschieden. T. hat keine Kinder sowie keine unterstützungsberechtigten Verwandten, die seinen Aufenthalt in Schweden gesetzlich teilen könnten.

Tucholsky hat zu den bestbezahlten deutschen Journalisten gehört. Seit dem Jahre 1931 hat er so gut wie nichts publiziert. Seine in Deutschland befindlichen Vermögenswerte sind laut Bekanntmachung im Deutschen Reichsanzeiger vom 25. August 1933 beschlagnahmt worden (Verlagsrechte, Honorare pp.). T. hat ein Konto bei der Skandinaviska Kredit A. B. in Göteborg, seit er in Schweden ist, und ein Konto bei der Schweizerischen Kredit-Anstalt in Zürich, um über Geld auf Reisen verfügen zu können. Er hat keinerlei Schuldverpflichtungen, wie auch die Göteborger Firmen bezeugen können, bei denen er die Einrichtung seiner Wohnung vorgenommen hat und bei denen er seinen Hausbedarf deckt.

Dass T. Angebote von Verlagen und Zeitschriften zur Zeit abgewiesen hat, hängt mit seiner literarischen Entwicklung zusammen.

Tucholsky hat seine literarische Tätigkeit mit einer kleinen Geschichte »Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte« begonnen, das im Jahre 1912 in Berlin erschienen ist und heute im 120. Tausend vorliegt. An Büchern hat er bis heute ferner erscheinen lassen:

● »Der Zeitsparer«. 1913. Vergriffen

● »Fromme Gesänge«. 1920. Vergriffen

● »Träumereien an preußischen Kaminen«. 1920. Vergriffen

● »Ein Pyrenäenbuch«. 1927. 11. Auflage

● »Mit 5 PS«. 1925. 26. Auflage

● »Das Lächeln der Mona Lisa«. 1928. 26. Auflage

● »Deutschland, Deutschland über alles«. 1929. 50. Auflage

● »Schloß Gripsholm. Eine Sommergeschichte«. 1931. 50. Auflage

● »Lerne lachen ohne zu weinen«. 1931. 20. Auflage.

Das »Deutschland«-Buch ist im Neuen Deutschen Verlag in Berlin erschienen; »Rheinsberg« bei der Singer A. G. in Berlin – alle anderen Werke bei Ernst Rowohlt in Berlin.

Im Jahre 1913 hat Tucholsky seine feste Mitarbeit an der berliner Wochenschrift Die Weltbühne begonnen, die damals noch Die Schaubühne hieß; diese Mitarbeit erstreckte sich bis zum Jahre 1931. Dem im Jahre 1926 verstorbenen Herausgeber des Blattes, Siegfried Jacobsohn, verdankt Tucholsky alles, was er geworden ist. Nach dem Tode Jacobsohns hat er das Blatt kurze Zeit selber herausgegeben, um es dann seinem Gesinnungsfreunde Carl von Ossietzky abzutreten.

Tucholsky hat sich ferner als freier Mitarbeiter für den sozialdemokratischen Vorwärts in Berlin, für die sozialdemokratische Freiheit, den Simplicissimus und die Arbeiter-Illustrierte Zeitung betätigt; er hat gelegentlich im Verlage Ullstein am Uhu, an der Berliner Illustrirten Zeitung und an der Dame mitgearbeitet.

Neben der literarischen Arbeit hat sich Tucholsky vom Jahre 1913 bis zum Jahre 1930 Pazifist schärfster Richtung in Deutschland betätigt. Seine Betätigung in dieser Richtung bewegte sich im Rahmen der Gesetze – er ist nicht bestraft. Tucholsky hat in Deutschland und in Frankreich durch zahlreiche Vorträge für die deutschfranzösische Verständigung zu wirken versucht; er hat gegen die Kriegshetzerei gearbeitet, wo er nur konnte: mit feinen und leisen Mitteln in der Kunst und mit den gröbsten für die Massen. In diesem Kampfe ist es ihm um die Wirkung zu tun gewesen, und diese Wirkung ist bei Freund und Feind gleich stark gewesen. Da die öffentliche Meinung, wenn die Geschäfte nicht gut gehn, gern alles, was ihr nicht paßt, als »bolschewistisch« ansieht, so wurde Tucholsky mitunter als Kommunist bezeichnet. Das ist unrichtig: er war nach dem Kriege Mitglied der unabhängigen sozialdemokratischen Partei, und nach deren Verschmelzung mit der sozialdemokratischen Partei Mitglied der SPD. Andern Partein hat er nicht angehört.

Solange sich Tucholsky an Deutschland gebunden fühlte, hat er als Deutscher und in Deutschland das, was er dort für nicht gut hielt, kritisiert. Seine publizistische Tätigkeit hat im Jahre 1931, also lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, ihr vorläufiges Ende gefunden. Trotzdem wurde ihm zwei Jahre später die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Die Aberkennung erfolgte wegen der pazifistischen Tätigkeit Tucholskys; sie hat ihren Grund ferner in einem Angriff, den Tucholsky im Jahre 1931 in Versen gegen einen der Führer der Nationalsozialisten gerichtet hat. Die Aberkennung geschah unter Angriffen des deutschen Propagandaministeriums auf Tucholsky, die jedes Maß, das unter zivilisierten Menschen üblich ist, überschritten haben. Eine Antwort auf diese Angriffe ist von selten Tucholskys nicht erfolgt.

Die Aberkennung der Staatsangehörigkeit beruft sich auf ein Reichsgesetz vom 14. Juli 1933. Tucholsky hat sich weder seit diesem Tage noch überhaupt zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten öffentlich geäußert. Die Aberkennung der Staatsangehörigkeit, die als Strafe gedacht ist, stellt also einen Rechtsbruch dar, einen Bruch des obersten Grundsatzes aller Strafjustiz: nulla poena sine lege.

Dr. Tucholsky ist im Begriff, seine schwedischen Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. Er hat den Wunsch, die schwedische Staatsangehörigkeit zu erwerben, falls dies zulässig ist.

Romane & Novellen

Das Lottchen

Lottchens Ankunft

Der Liebhaber: »Guten Tag, Lottchen – na, wie ist es denn –?«

Das Lottchen (hintereinanderweg): – »Guntach! Halt mal, warte mal … ich muß hier erst … wartest du schon lange? Wie? Was? Wie? Mach mir mal die Tür auf, wartest du schon lange? Wieso hast du dies Hötel genommen, wie? Na, wie gefällt dir mein Auto, Lottchen II? Ja, da staunste, was? Beinah ganz abgestottert. Wartest du schon lange? Der soll man hier meinen Koffer … nein! Den nicht! Den! Sie! Wo gehn Sie denn damit – ach so … Nein, doch nicht! Die Düse ist hier in den Regenerator gerutscht, die ist da reinge… das verstehst du nicht, na, Gott behüte vor einem Mann, der nichts von Autos versteht! Daddy, geh mal weg, ich dreh bloß mal die Felge über die Nabe – Vorsicht doch! Vorsicht doch! Da hab ich doch mein Obst im Grammophon … ja da, natürlich im Hutkarton, wo sonst? Nicht in der Schachtel – da sind die Akten für Arturs Geschäft, ich denke an meinen Mann, das tust du nicht! Sach mal dem Mann, er soll mal dies hier nehm und da hintragen – Gott, ist das ein Ochse! … Wart mal, ich muß erst die Handbremse in die Kiste für die Zündung tun, da gehört sie hin. Das verstehst du eben nicht! Na, Daddy, das kannst du dir ja nicht denken – wieso hast du dies Hötel genommen, wie? Wartest du schon lange? Daddy, das kannst du dir nicht denken, also, wie ich bei Wittenberge rechts in die Kurve gehe, da ist sone Kurve, da kommt von links, hastdunichtgesehn, ein Amerikaner angetobt, ich aber nichts wie den Volang rumgerissen, verstehste, Lottchen ist doch helle, und links, ja also links – wieso hast du aber wirklich … Daddy, jetzt sage mal auf Lottchen, wieso hast du dies Hötel genomm’? Ja, also links war eine Schafherde, paß doch mal auf, und Lottchen rin in die Schafherde. Der Hammel, der Hirt, nein, der nicht … aber vier wirkliche Hammel und dreiundachtzig Schafe hab ich … wieso bezahlt? Er mir vielleicht …! Der Mann kann sich … wo ist denn hier der Fahrstuhl? Ich hab auf der Bürgermeisterei gesacht, na, du kennst doch Lottchen! Lottchen hat gleich dem Gendarmen schöne Augen gemacht, verstehste, und da hat der Schafhirt noch einen mächtigen Anschnauzer bekommen, wegen seinen Hammeln, weil die frei rumgelaufen sind, und Lottchen durfte weiterfahren! Finnste das? Wo ist denn hier der Fahrstuhl? Was? Der funktioniert nicht? Daddy! Ich muß ja noch mal raus! Na, warte doch mal! Na, was denkst du dir denn? Ja, meinste, das Auto kann hier auf der Straße stehenbleiben? Nee, mein Lieber – Sie! Sie! Ham Sie denn hier keine Garage in der Hötelhalle … ich meine … na, ’n schönes Hötel – laß mich doch –, ich sage immer: Hötel, das ist feiner … na, ich versteh das ja nicht … also, Daddy – wo ist denn Ihre Garage? Was? Wie? Wie? Seh ich gar nicht ein – das hab ich gern: soziales Herz bei Lottchens Auto! Tragen Sie mal das Auto hier rüber, ich meine, und hier haben Sie … laß mich doch mal – ich geb ihm gar kein Geld, ich geb ihm bloß meinen kleinen Koffer, den kann er auf die andere Schulter nehmen – natürlich bezahlst du das! Na, ich vielleicht? Na, Daddy, hast du gedacht, ich wer das Auto mit aufs Zimmer nehmen? Na, nimm mirs nicht übel …! Sie –! Jetzt is er weg. Na, also komm rein. Nu steh hier nicht auf der Straße rum. Na, Lottchen hat ja unterwegs eine pikfeine Eroberung gemacht! Einen Argentinier, schlank, elegant, mit so schwarzen Augen, hat mir gleich seine Adresse gegeben, na, ich bin ja meinem Daddy treu – Daddy, die Garage kost nicht teuer, vier Mark den Tag, wie? Ist dir das zuviel? Der Fahrstuhl funktioniert nicht … Daddy, finnste das, daß der Fahrstuhl nicht funktioniert? Ist denn kein andrer Fahrstuhl – dazu komm ich extra aus Interlaken, um hier in Bremen die Treppen raufzu… Also, Daddy, das ist Quatsch, entweder ich reise als Dame, oder ich reise nicht als Dame, aber als Dame und dann nicht als Dame –? Ja, und der Argentinier, wie der nu gesehen hat, daß ich immer rein in die Hammelherde, da hat er … Daddy, wieso hast du denn dies Zimmer genommen und nicht zwei mit einem Bad in der Mitte, was? Legen Sie dahin! Daddy, bestell mal Kaffee für Lottchen, Lottchen hat so nen Durst – na, fahre du mal in einer Tour von Berlin bis Bremen, wo ist denn meine Seife? Hast du Kaffee bestellt? Hast du denn Lottchen auch noch lieb? Gib mir mal n Küßchen – aber n schönen dicken Bauch hast du dir in Belgien angefressen, kann man wohl sagen – hm … wo bleibt denn der mit dem Kaffee? Klingel mal! Der Direktor soll kommen, ich will mich beschweren! Daddy –! Jetzt hab ich vergessen, den Motor abzustellen! Frag mal, ob sie nicht n Chauffeur haben, der Motor muß sofort abgestellt werden, der läuft sonst die ganze Nacht, und mir hat der Mann gesagt, wenn nicht mehr genug Benzin im Öltank ist, dann – ach, hätt ich doch das Auto mit aufs Zimmer, nein, wär ich doch bei dem Auto geblieben! Daddy, wie lange hast du denn nu Zeit? Daddy, was sagst du denn nun, daß Lottchen wieder bei dir ist! Sag mal was! Du sagst ja gar nichts …«

Der Liebhaber (ersterbend): »Seid einig – einig – einig –!« (Er sinkt hintenüber.)

1Tucholsky, Kurt. Politische Briefe. Reinbek 1984, Seite 121.
2Tucholsky, Kurt. »Rathenau«. In: Die Weltbühne, 29. Juni 1922, S. 653.