Der Teufelsbauer

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Der Teufelsbauer
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KARL MAY

DER TEUFELSBAUER



ERZGEBIRGISCHE

DORFGESCHICHTE



Aus

KARL MAYS

GESAMMELTE WERKE

BAND 43

„AUS DUNKLEM TANN“



© Karl-May-Verlag

eISBN 978-3-7802-1332-7



KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL






Inhalt





Der Teufelsbauer






        Der Tannenhof






Feuer







Im Felsenbruch









Der Teufelsbauer

Der Tannenhof



„Reißt aus, reißt aus, der Teufelsbauer kommt!“, rief es unter einem Trupp von Schuljungen, die sich mit ihren Spielen auf der Dorfstraße breit gemacht hatten, und kaum war der ängstliche Ruf erschollen, so stob die Schar nach allen Richtungen auseinander.



„Macht rasch die Türen zu, und schlagt drei Kreuze; der Einsiedel geht durchs Dorf!“, klang es in den Häusern.



Die Fenster und Türeingänge wurden verschlossen, und nur verstohlen lugten die Köpfe der Neugierigen nach dem Mann, dessen bloßes Erscheinen die abergläubischen Dorfbewohner in Furcht zu setzen vermochte.



Es war eine große, breitschultrige Gestalt, die langsam dahergeschritten kam, den Blick finster zu Erde gesenkt und scheinbar gleichgültig gegen das verletzende Benehmen.



Aus dem Fenster eines Hauses, neben dessen Tür auf blechernem Schild das Wort ‚Ortsrichter‘ zu lesen war, schaute ein kleines, hageres und spitzes Gesicht hervor.



„Tannenbauer“, tönte es schnarrend zwischen den schmalen, breitgezogenen Lippen hervor, „geh doch nicht durchs Dorf, sondern lauf lieber dahinter weg. Du weißt schon, warum!“



Der Angeredete tat, als habe er die Beleidigung nicht vernommen, und setzte ohne Zögern seinen Weg fort.



Unter dem Torweg eines der größeren Güter lehnte ein hagerer, aber sehnig gebauter Mann, dessen kleine, grünlich schimmernden Augen unter den haarlosen und eigentümlich zwinkernden Lidern hervor neugierig die Straße beobachteten. Als er den Kommenden erblickte, veränderten sich seine Züge zu einem gehässigen Grinsen, und missmutig murmelte er vor sich hin:



„Der Teufelsbauer vom Tannenhof! Was muss denn den heute zum Sonntag aus seiner Satansklause hervorgetrieben haben? Wenn der sich sehen lässt, so gibt’s sicher ein Unglück im Dorf. Wart, ich fürcht’ mich nicht vor ihm und wird’ ihm gleich zeigen, dass ich noch immer der Alte bin!“



„Lebst du denn wirklich noch, Haubold Frieder?“, fragte er mit absichtlich erhobener Stimme, damit man ihn in der Nachbarschaft hören könne. „Hab’ gedacht, du seist längst mit dem Leibhaftigen fortgeflogen! Aber sag doch mal, wie war denn eigentlich damals die Geschichte mit meinem Bruder? Bist wohl nicht mit dabei gewesen?“



Haubold zog die Brauen enger zusammen, senkte den Kopf noch tiefer und würdigte auch diesen Zuruf keiner Antwort. Als er das scharfe, höhnische Lachen vernahm, das hinter ihm erscholl, wurden seine trotz des Alters noch immer schönen Gesichtszüge um einen Schatten bleicher, die Lippen legten sich mit herbem Ausdruck aufeinander, und aus den großen, dunklen Augen fiel ein Blitz zur Erde, in dem Verachtung und Bitterkeit mit gleicher Stärke leuchteten. Da klang es halblaut und freundlich aus einer Ecke des zu demselben Gut gehörigen Gartens: „Guten Tag, Herr Haubold!“



Verwundert blieb er stehen und hob den gesenkten Kopf empor. Am Zaun stand mit verlegenem Gesichtchen ein junges, kaum zwanzigjähriges Mädchen, das unter dem forschenden Blick des ernsten Mannes die Augen niederschlug, als habe es eine Sünde begangen.



„Grüß Gott, mein Kind!“, antwortete er freundlich. „Sag, wer bist du denn, dass du dem Teufelsbauer nicht auch den Gruß versagst?“



„Ich bin die Kathrin, und mein Vater – mein Vater, das ist – das ist der Wiesenbauer, der jetzt zu Euch geredet hat“, lautete die zögernde Antwort.



„Der Wiesenbauer? Du bist seine Tochter und magst mich doch grüßen?“



„Ich grüß Euch gern!“ Ihr Auge hob sich und suchte wie bittend das seine. „Ich habe gehört, was der Vater sagte, und – und – “



„Und wolltest wieder gutmachen, was er Böses gesprochen hat?“



„Ja; aber bitte, nehmt mir’s net übel!“



„Wie könnte ich dir darüber zornig sein, Kathrin? Ich habe dich noch gar nicht gekannt, und vielleicht bist du besser als dein Vater. Du bist ein unschuldig Blut und kannst ja nichts dafür, dass er so große Feindschaft hegt. Hab Dank für deine gute Rede, und bleib immer so brav, wie du jetzt bist!“



Er reichte ihr die Rechte über den Zaun und wendete sich zum Gehen. Sie blickte ihm nach, solange sie es vermochte, und atmete dann, während ein zufriedenes Lächeln um den kleinen Mund spielte, tief und erleichtert auf.



„Endlich hab’ ich’s mal gewagt! Sie sind alle so schlimm mit ihm, und er ist doch so still und gelassen dabei. Vielleicht ist gar nichts wahr von dem, was die Leute von ihm sagen, und der Gustav – der Gustav ist ganz gewiss auch lieb und gut, obgleich er geradeso finster dreinschaut wie sein Oheim und kein anderer Bursche was von ihm wissen mag.“



Sie zerpflückte sinnend die Blume, die sie von der Frühmesse her noch an der Brust stecken hatte.



„Wenn man nur mal mit ihm sprechen könnte! Aber ich hab’ noch niemals gesehen, dass er mit irgendwem geredet hätte, und auf dem Tanz, da ist er erst recht nimmer zu erblicken. Es ist nur gut, dass der Vater gleich in die Stube gegangen ist und nicht hat sehen können, dass ich mit dem Tannenbauer Zwiesprache gehalten hab’. Wo der nur hingehen wird? Er kommt kaum alle Jahr mal in das Dorf, und dann wird irgendwas hervorgesucht, an dem er schuld sein soll!“



Auch der, über den sie nachdachte, konnte seine Gedanken nicht von der unerwarteten Begegnung wenden. Was hatte die Tochter seines Todfeindes veranlasst, ihn zu grüßen? War das wirklich bloß die Absicht, die Härte ihres Vaters zu mildern? Er hatte sie noch niemals gesehen oder wenigstens ihr bei einer etwaigen Begegnung keine Beachtung geschenkt, und jetzt stellte sie sich ihm auf einmal so freundlich und versöhnend gegenüber. Das musste wohl einen besonderen Grund haben. Die milde Erscheinung mit dem flehenden Auge hatte ihm, dem Verfemten, wohl getan; er sann und sann im Vorwärtsschreiten und fuhr fast erschrocken auf, als er hinter sich eine rufende Stimme vernahm:



„Was ist’s denn, Haubold, dass du vorübergehst? Ich denk’, du willst zu mir?“



Er wendete sich zurück und trat auf den Sprecher zu. Dieser hatte schon längst wartend am geöffneten Tor gestanden, dessen altersschwarze Flügel mit drei weißen, riesigen Kreuzen bemalt waren, und hielt ihm jetzt mit sichtbarem Widerstreben die Hand entgegen.



„Ach so, ja; ich war in Gedanken und hab’ da nicht bemerkt, dass ich schon bei dir bin. Aber behalte deine Hand; du gibst sie mir doch nicht gern!“



Sein Blick fiel auf die zur Abwehr bestimmten frommen Zeichen am Tor.



„Was sollen denn die Kreuze bedeuten?“, fragte er.



„Denk ja nicht etwa, dass es deinetwegen ist“, lautete schnell die vorbeugende Antwort. „Es ist mir was Heimliches über meinen Stall geraten, und da habe ich die Kreide genommen und die heilige Dreifaltigkeit ans Tor geschrieben. Der Knecht wird dir’s erzählt haben.“



„Schon gut! Ich weiß genau, woran ich mit euch bin. Ihr seid einer so dumm und ungut wie der andere, sinnt euch allerlei Fixfaxerei aus über mich und macht euch einander den Unsinn solange weis, bis ihr endlich selbst an eure eigenen Lügen glaubt. Und wenn ihr dann den Karren mal tief hineingeschoben habt, so bin ich gut genug, ihn wieder rauszuziehen. Ihr seid alle miteinander keinen Kreuzer wert. Was ist’s denn, dass du so dringend nach mir geschickt hast?“



„Ja, denk dir nur, heut früh komm ich in den Stall, da liegt die Schecke am Boden und daneben auch die Kalbe, alle beide tot. Ich schicke sogleich zum Tierarzt, und als der gekommen ist, hat er da gestanden, das Sacktuch vor die Nase gehalten und weder Rat noch Tat gewusst. Und der ist doch ein Studierter; er hat zwar keine gelehrte Schule besucht wie du, als du Student warst, aber er hat heidenmäßig viel Bücher und alte, gute Schriften, und in denen hat er heute nachgeschlagen und gefunden, dass mein Stall verhext ist. Er selber kann dagegen nichts tun, hat er mir sagen lassen, und da ist der Knecht zu dir gelaufen, weil du dich auf die schwarze und weiße Magie verstehst, wie kein anderer nicht. Schau dir nur mal die drei Kühe an, die noch drin stehen; vielleicht kannst du sie mir retten!“



„Der Knecht sagte, du habest das Vieh gestern auf der Weide gehabt?“



„Ja, sie sind gestern am ganzen Tag drunten auf der Moorwiese gewesen.“



„Du bist wohl nicht recht klug, das arme Tierzeug auf das Moor zu treiben! Die große Sonnenhitze dazu; da versteht sich’s doch von selber, was draus werden muss! Was hast du denn mit den zwei toten Stücken getan?“



„Sie liegen noch drüben im Schauer. Ich werde ihnen wenigstens die Häute abziehen lassen.“



„Nach dem, was ich mir denke, hättest du sie schon längst vergraben sollen. Ich werde jetzt in den Stall gehen. Oder hast du vielleicht Angst vor mir?“



„Geh nur immer hinein, es bleibt ja doch nichts anderes übrig, und wirst mir als Schulkamerad wohl nicht noch größeren Schaden machen, als ich schon hab!“



Haubold zuckte mitleidig die Achsel, öffnete die Tür zum Stall und trat hinein. Eine dumpfe, üble Luft schlug ihm entgegen, sodass er sich fast wieder umgewendet hätte. Die drei Kühe standen an ihren Plätzen, drehten heftig die Köpfe und stießen von Zeit zu Zeit einen kurzen, stöhnenden Husten aus. Ihre Augen schwammen in Wasser; der Atem ging schnell und ängstlich, und die eingefallenen Flanken bewegten sich zitternd auf und nieder.

 



„Komm mal her“, gebot Haubold dem Bauern und strich der ihm nächststehenden Kuh mit der Hand die Seite entlang. „Hörst du, wie es knistert? Das ist der Milzbrand und keine Hexerei. Nimm dich in Acht; die Krankheit steckt auch Menschen an! Und pass auf, was ich dir sage!“



Er griff in die Tasche des Rocks und zog zwei Tüten hervor.



„Jetzt schickst du sofort zum Richter und meldest, dass der Milzbrand bei dir ist; das musst du, denn es steht so im Gesetz geschrieben. Die Scheck und die Kalbe gräbst du mit Haut und Haaren im Garten ein, so tief wie möglich und tust Kalk darauf. Und die drei Rinder hier schaffst du hinaus an die frische Luft, wenn du sie dir erhalten willst. Ich hab’ mir’s wohl gedacht, dass es der Milzbrand ist, und dir darum gleich die richtige Arznei mitgebracht. Hier kann niemand helfen, als nur wieder mal der Teufelsbauer allein, und deinem gelehrten Tierarzt magst du sagen, dass er ein Pfuscher ist! Schau her, hier sind zwei Tüten. Von der ersten gibst du alle drei Stunden einen Esslöffel voll in Wasser, und von der anderen gleich darauf halb so viel in Honig eingerührt. Aber komm nicht mit Feuer zu nah; es ist Schießpulver dabei!“



„Ich werde es so tun, Haubold; aber das von dem Milzbrand, das machst du mir doch nicht weis! Schießpulver hilft bloß gegen Teufelsspuk, und du hast dich also ganz von selber verraten. Aber hab Dank dafür – “



„Schon gut, schon gut! Deinen Dank, den brauch ich nicht, und deine Gescheitheit, die heile ich nicht. Was du sonst noch zu tun hast, das kannst du auch ohne mich verrichten. Leb wohl!“



Ohne auf die weiteren Reden des anderen zu achten, entfernte er sich mit raschen Schritten und schlug jetzt einen Weg ein, der ihn hinter dem Dorf die Gärten entlang nach Haus führen musste. Seine Gemütsruhe war von dem seltenen und nur aus reiner Teilnahme unternommenen Ausflug bedeutend erschüttert worden; er sehnte sich nach Einsamkeit und fand sie hier auf dem stillen Pfad eher als auf der belebten Dorfstraße, wo jede Erscheinung darauf angelegt zu sein schien, die in ihm wohnende Bitterkeit zu steigern.



Die Kirchenglocken riefen zum Nachmittagsgottesdienst. Der Eindruck ihres erhebenden Klanges wollte auch hinab in sein Herz dringen. Er blieb stehen und lauschte. Wie viele Jahre waren wohl verflossen, seit er zum letzten Mal das Gotteshaus betreten hatte? Und wer trug die Schuld, dass er die Menschen mied, sogar an dem Ort, wo die Feindschaft und der Hass des Erdenlebens niemals Zutritt finden sollten? Er strich mit der Hand über die umwölkte Stirn und schritt weiter. Die Glocken waren verstummt; jetzt erhob wohl die Orgel ihr majestätisches Brausen, und die Gemeinde stimmte eines jener Lieder an, in denen jede Strophe, jeder Vers von Liebe und vom Frieden predigt. Wer doch dieser Liebe begegnen und diesen Frieden finden könnte!



„Bist du auch wieder hier, Haubold Frieder?“, klang da eine misstönende Stimme mitten in seine Gedanken hinein. „Hab’ gedacht, du schlägst dich mit dem Teufel im Kuhstall herum! Aber sag doch mal, wie war denn eigentlich damals die Geschichte mit meinem Bruder? Bist wohl gar nicht dabei gewesen?“



Haubold fuhr herum und maß den Wiesenbauer, der jetzt mit der Ausbesserung des hinteren Gartenzauns beschäftigt war, mit zornsprühenden Blicken.



„Was bist du doch für ein schlechter Kerl, Heinemann! Wäre ich wirklich der, für den ihr mich haltet, so spräche ich jetzt den Spruch, und du solltest sehn, was darauf folgen möchte“, sagte er.



„So sprich ihn doch! Der Leibhaftige ist doch dein Gevatter und wird dir gern zu Diensten sein! Aber ich fürchte mich trotzdem nicht vor dir, und du kannst nur immer Sorge tragen, dass du mir nicht einmal in die Hände läufst. Mich wirfst du nicht vom Felsenbruch herunter, wie damals meinen Bruder, darauf darfst du dich verlassen!“



Die Adern an der Stirn des Beschuldigten traten dunkel hervor; er legte die Hand auf den Zaun und hob den Fuß, wie um hinüberzuspringen.



Da fuhr der Wiesenbauer höhnisch fort:



„Hast Recht, Haubold Frieder; wir können die Sache gleich hier ausmachen! Die Hacke hab ich schon bei der Hand, und wer ohne Erlaubnis in meinen Garten kommt, den darf ich niederschlagen. Wer des Nachts gemordet hat, gegen den muss man sich auch bei Tag wehren!“



„Nein, Wiesenbauer“, erwiderte Haubold, indem er sich mit Gewalt zur Ruhe zwang und die Hand vom Zaun nahm, „du bist mir nicht gewachsen, trotz deiner Hacke; dies weißt du ebenso gut wie ich, aber ich will mich nicht selbst an dir rächen, sondern dich dem lieben Gott überlassen. Der hat deinen Bruder getroffen und wird auch dich zu finden wissen!“



Er ging.



„Der Teufelsbauer fürchtet sich!“, rief es unter höhnischem Lachen hinter ihm. „Lauf nur zu! Vor deinem Advokaten, dem Herrgott, hab’ ich keine Angst, und du, du kommst mir schon noch hin, wo ich dich haben will!“



Trotz der sommerlichen Hitze, die auf der Gegend lag, fühlte der Tannenbauer bei dieser Lästerung einen kalten Schauer über seinen Körper gehen. Er dachte nicht mehr an Glockenklang und Orgelton; in seinem Herzen hatte die weiche Stimmung der alten Bitterkeit wieder Raum gegeben; er verdoppelte seine Schritte, um so schnell wie möglich von der Stelle zu kommen, die den unversöhnlichsten seiner Feinde trug, und atmete leichter und freier auf, als er endlich das Dorf hinter sich hatte und in den Fahrweg einbog, der nach dem ‚Teufelshof‘ führte.



Dieser lag seitwärts im freien Feld. Zu beiden Seiten des Eingangs erhoben sich zwei mächtige Tannen, die weit über die Firste des Daches ragten und der Besitzung ihren ursprünglichen Namen gegeben hatten, wie auch die Innschrift bezeugte, die einer der früheren Bauern in den Schlussstein des hochgewölbten Torweges hatte graben lassen:




Dies Haus, das steht in Gottes Hand



Und wird zum ‚Tannenhof‘ genannt!




Auf einer der Moosbänke, die sich um die Füße der Bäume zogen, saß ein junger Mann, der so eifrig mit Lesen beschäftigt war, dass er Haubold erst bemerkte, als dieser schon vor ihm stand. Er schloss das Buch und erhob sich.



„Was hast du hier zu lesen, Gustav?“, fragte der Angekommene.



„Es ist das Gesangsbuch, Oheim.“



„Warum gehst du denn nicht lieber in die Kirche?“



„Ich mag nicht! Der liebe Gott ist allweil hier beim Tannenhof auch, und vielleicht noch lieber als in dem Haus, wo sie singen und beten und doch nichts vom rechten Frommtun wissen.“



Der Bauer legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihm tief in die Augen.



„Armer Bub! Hast du auch schon von dem Gift trinken müssen, das schlimmer ist als Schlangensaft? Hör, Gustav, wir wollen hier bei uns recht lieb und gut miteinander sein, dann brauchen uns die anderen nicht zu kümmern!“



Der Blick des Jünglings drang durch die rasch aufsteigende Feuchtigkeit mit dem Ausdruck der herzlichsten Liebe zu ihm herüber.



„Oheim, du weißt, wie hoch dich alle hier im Hause halten, darum sollst du dich nicht immer so einsam stellen, sondern mehr bei uns sein als in deinem alten Turm, an den der Heinemann das Teufelsbild gezeichnet hat!“



„Der Wiesenbauer ist’s gewesen? Ich hab’ mir’s wohl gedacht! Woher hast du es erfahren?“



„Von der Magd, die hat es heut daheim gehört. Soll ich das Bild vielleicht mit Lehm überstreichen?“



„Nein, lass es stehn! Ich hab’ vorhin den Streit dem besten Anwalt übergeben, und der wird sicher dafür sorgen, dass grad derjenige, der mir den Schimpf hingemalt hat, ihn selber wegtut.“



Er trat in das Haus. Im Flur drehte er sich noch einmal zurück.



„Es wird wohl heut noch ein Gewitter geben. Hast du vielleicht noch Garben auf dem Feld?“



„Ja. Aber die Wagen sind schon vorgezogen, und sobald die Kirche aus ist, hol’ ich, was noch draußen liegt.“



„Gut, ich konnte mir’s denken, dass ich dir so was nicht erst zu sagen brauche.“



Ohne in eine der Stuben zu treten, schritt er durch den Flur und Hof hinaus nach dem Garten. Dieser wurde von einer hohen, massiven Steinmauer eingefasst und stieß mit seinem hinteren Ende an eine alte, halbverwitterte Turmruine. Sie war jedenfalls das letzte Überbleibsel eines längst zerfallenen, mittelalterlichen Bauwerkes und hatte, so weit man nur zurückzudenken vermochte, stets den sich zur Ruhe setzenden Tannenbauern als Auszüglerwohnung gedient. Es ging von ihr die Sage, dass hier ein Ritter gehaust habe, der seine Seele dem Teufel verschrieben hatte und von diesem auch geholt worden sei. Seit dieser Zeit litt es niemand in dem zusammengebröckelten Gemäuer, und der Ort wurde von jedermann gemieden, bis der erste Haubold kam, den Hof erbaute und die Ruine mit in den Bereich des Gartens zog. Da er sich vor dem Spuk nicht fürchtete, schrieb man ihm geheime Künste zu, die sich auch auf seine Nachkommen vererbten. Diese hatten es stets verstanden, sich bei den Bewo

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