Freigeister verändern die Welt

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Freigeister verändern die Welt
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Inhaltsverzeichnis

1  Vorwort

2  Jeder kann ein Freigeist sein Scheinwelt pur: Leben im Spielcasino Utopie vom Neubeginn Kollektiv im Burnout Raum zur Genesung Der Wert der Arbeit Vom Glauben abgefallen Das Grundeinkommen Von Mensch zu Mensch Wann ist ein Mann ein Mann? Paarenergie ist Magie

3  Mit neuem Bewusstsein aus der Krise

4  Literatur und Quellen

Petra Pliester / Jürgen Bräscher: Freigeister verändern die Welt. Mit neuem Bewusstsein aus der Krise

© 2020 Verlag Zeitenwende

Steigerstraße 64

01707 Freital OT Kleinnaundorf

www.verlag-zeitenwende.de

buecher@verlag-zeitenwende.de

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen und multimedialen Wiedergabe sowie der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten.

Covergestaltung: Verlag Zeitenwende / Susann Adam / Das Cover wurde mit Ressourcen von Freepik.com erstellt.

Erstellung E-Book: Verlag Zeitenwende

Illustrationen: Susann Adam

ISBN 978-3-945701-31-7

Über die Autoren:


Petra Pliester, geboren 1973, ist Diplom-Kauffrau (FH) und seit 2000 als Marketing- und Projektmanagerin tätig. Aus Überzeugung hat sie sich für eine berufliche Laufbahn in der alternativen Wirtschaft entschieden und arbeitet derzeit in einem Zentrum für Ayurveda-Medizin. Es ist ihr gelungen, energetische Prinzipien in das moderne Berufs- und Alltagsleben einzubringen.


Jürgen Bräscher (Jg. 1970) ist selbständiger Physiotherapeut und Feldenkrais-Lehrer. Seit 1997 gibt er Seminare und Fortbildungen. Persönliche Freiheit schätzt er über alles. Das spiegelt sich in seiner Leidenschaft für das Reisen ebenso wider wie in seinem Unterricht: Hier erfahren die Kursteilnehmer einen Rahmen ganz ohne Leistungsdruck und werden in ihrer Selbstentfaltung gefördert.

„Die Welt ist im Wandel.“

(Gandalf in „Der Herr der Ringe“)

Vorwort

Ein Leben lang träumen wir von einer anderen, einer besseren Welt. Aus diesem Grund sind seit 2016 die Freigeist-Bücher entstanden. Es sind Bücher, die Mut machen wollen, das Richtige zu tun, dem eigenen Herzen zu folgen. Jetzt, das heißt während und nach der Corona-Krise, bietet sich die gewaltige Chance, die Welt tatsächlich neu zu gestalten. Dafür ist es wichtig, eine Vision zu haben, wie diese Welt aussehen kann. Denn wer keine Vision hat, wird auch nichts Neues erschaffen.

Was diese Welt ausmacht und wie wir dorthin gelangen, haben wir schon 2018 in einer Utopie niedergeschrieben, als Teil unseres Buches „Vom Kopfkino zum Freigeist. Selbstbestimmt statt voll im Stress“. Die aktuelle Situation rund um die Corona-Pandemie ist Grund genug, dieses Gedankengut, das vor zwei Jahren noch utopisch erschien, in einem separaten, wenn auch kleinen Werk zu veröffentlichen, diesmal als Ausblick in eine mögliche Zukunft.

Damals wie heute sehen wir kollektiven Stress als einen wichtigen Auslöser der Veränderung. Wir leben in einer Gesellschaft, in der alles und alle am Limit sind. Die Menschen, die Wirtschaft, die Umwelt leiden unter dem Burnout-Syndrom. Und weil die Gemeinschaft sprichwörtlich auf dem letzten Loch pfeift, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Kollaps drohte. Nun ist er also da. Corona war lediglich die letzte Belastungsprobe, die das sensible Gleichgewicht kippen ließ, der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Doch: Der kollektive Burnout bleibt bestehen, daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Lockdown vielen Menschen vorübergehend eine Entschleunigung beschert hat. Für andere ist die Arbeitslast massiv angestiegen. Ob so oder so: Existenzielle Sorgen ziehen sich quer durch die Bevölkerung. Wir alle stehen als Gesellschaft vor einer Entscheidung: Wollen wir wirklich die Wirtschaft wieder so aufbauen wie zuvor? Die bittere Wahrheit ist, dass aus unserer ganzen Arbeit und dem Stress nichts Nachhaltiges entstanden ist, nichts, das Stabilität hat. Wenige Wochen, in denen die Wirtschaft nicht rund lief, haben genügt, um die bisherigen Strukturen ins Wanken zu bringen. Lohnt es sich, erneut unsere ganze Kraft zu investieren, um genau dasselbe wieder zu erreichen?

Ein milliardenschweres Finanzpaket in noch nie dagewesenem Umfang soll die Rettung bringen. Die Wirtschaft, allen voran die Großunternehmen, verlangt nach Fördergeldern und argumentiert damit, sie schaffe Arbeitsplätze. Dadurch entsteht ein fragiles Geflecht aus Abhängigkeiten. Schafft der Staat am Ende nicht selbst die Arbeitsplätze in einem Wirtschaftssystem, das allein nicht lebensfähig ist? Einem Schiff, das versinkt, helfen keine Finanzspritzen, der Kurs ist vorgegeben. Nur wer um keinen Preis etwas verändern möchte, hält sich noch fest entschlossen an der Titanic fest. Es ist nicht nur die Autoindustrie, die mit veralteten Technologien einen Markt bedienen will, der längst nicht mehr da ist. Halb Deutschland liegt im Dornröschenschlaf und träumt davon, den Glanz vergangener Zeiten wiederherzustellen, während der Zeitgeist etwas völlig anderes vorgibt.

Deshalb vermeiden wir in dieser Utopie ganz bewusst den Begriff „Wiederaufbau“. Viele Menschen können und möchten nicht mehr weitermachen wie bisher. Sie wollen die defekte Sprosse im Hamsterrad nicht mehr ausbessern, sondern werfen es ein für alle Mal weg. Denn ganz schleichend, während wir jahrelang einfach nur Stress hatten, haben andere unseren Lebensraum umgestaltet. Damit wohlgefühlt haben wir uns schon lange nicht mehr. Wenn wir sinnbildlich über eine neue Wohnung oder ein neues Haus sprechen, wird deutlich: Wer richtet es denn so ein, dass er sich darin nicht wohlfühlt?

Es ist an der Zeit, für uns alle passende Lebensstrukturen zu schaffen, anstatt diese von der Industrie und dem Staat gestalten zu lassen. Die Zeichen stehen auf Selbstbestimmung. Wie wertvoll unsere Freiheit ist, haben wir jüngst erlebt, als sie uns von heute auf morgen genommen wurde. Während der Krise haben wir erlebt, welche Berufe wir tatsächlich benötigen und welche Menschen da sind, wenn wir sie brauchen. Genau diese Menschen haben einen unglaublichen Einsatz für andere erbracht, sie standen ganz vorn, während die Mächtigen auf Abstand gegangen sind.

Andere haben im Job die Erfahrung gemacht, dass Dinge, die vorher unmöglich schienen, plötzlich doch möglich waren, sei es im Homeoffice zu arbeiten oder Online-Konferenzen abzuhalten, statt seine Zeit auf der Autobahn zu verbringen. Und siehe da: Viele dieser Dinge haben sich sogar bewährt.

Es ist nicht leicht, unsere Gewohnheiten abzulegen, das fängt mit den Stressmustern an. Ist es dann aber soweit, können wir über uns selbst hinauswachsen. Es ist unser Verhalten, es sind die eigenen Handlungen, die wir jetzt auf den Prüfstand stellen müssen, die es zu verändern oder anzupassen gilt. Wir selbst müssen entscheiden, ob wir eine Lüge oder die Wahrheit leben wollen, ob wir unsere Mitmenschen übervorteilen oder gerecht und wohlwollend behandeln möchten. Dieses Mal fängt die Veränderung bei uns an, indem wir beginnen, Werte, die uns wichtig sind, die uns authentisch, lebendig und frei machen, anderen Menschen vorzuleben.

Der Physiker und Verhaltensforscher Moshé Feldenkrais sagte einmal: „Jeder Mensch handelt nach dem Bild, das er sich von sich selbst macht.“ – Um unsere Handlungen zu verändern, ist es demnach nötig, das Bild, das wir von uns haben, zu verändern. Dafür brauchen wir nur in einen Spiegel zu blicken – und schauen wir genau hin, sehen wir vielleicht Dinge, die uns nicht gefallen. So versteht sich dieses Buch, das sich mit uns und dem gesellschaftlichen Wandel beschäftigt. Es gibt Ideen, die als Inspiration dienen, was anders sein könnte, oder Gedanken, die weitergedacht werden können. Gleichzeitig konfrontiert es uns mit unserem Verhalten, mit Eigenheiten, die wir lieber verbergen möchten. Vielleicht denken wir, sie fallen niemandem auf, doch das tun sie. Derzeit kommen Wahrheiten ans Licht und werden für alle deutlich sichtbar. Es ist das, auf das wir während der Krise die ganze Zeit warten beziehungsweise gewartet haben: Die Masken dürfen fallen.

Die Zeit ist reif, um sich selbst zu entdecken, um die Freiheit nicht nur außerhalb der eigenen vier Wände, sondern auch in sich selbst zu finden.

Wir müssen die Veränderung sein!!!

Petra Pliester und Jürgen Bräscher

Juni 2020

Jeder kann ein Freigeist sein

 

Gerade in der Corona-Krise erleben wir einen deutlichen Trend zum Rückschritt, zur Bewahrung und Wiederherstellung der alten Struktur, statt einer Neugestaltung. Der Gedanke, dass sich die alten Strukturen in Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend ändern werden, macht vielen Menschen Angst. Dank des bisherigen Systems sind sie dahin gelangt, wo sie heute sind, haben gesellschaftliche Anerkennung, Einfluss und materiellen Besitz erworben. Diesen Besitzstand möchten sie um jeden Preis wahren. Sie haben Sorge, alles zu verlieren, was sie erreicht haben, wenn es zu Veränderungen kommt.

Um die Kontrolle zu behalten und den Fortschritt zu blockieren, halten sie andere Menschen davon ab, sich weiterzuentwickeln. Ein neues Bewusstsein wird im Keim erstickt, es ist Stillstand angesagt. Denn wenn zu viele Personen auf die Idee kommen, Dinge zu hinterfragen, und beginnen, ihre Talente und Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen, wird genau die Veränderung eintreffen, die sie fürchten. Unser System funktioniert nur so lange, wie es ein Fußvolk gibt, das mitspielt. [Pliester, Petra und Bräscher, Jürgen: „Leben als Freigeist. Manipulationen durchschauen und selbstbestimmt handeln“. Dohna, 2016.]

! Der Zeitgeist gibt uns ein neues Bewusstsein vor, das von Selbstbestimmung und Freiheit geprägt ist.

Das gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftssystem wird gern als „alternativlos“ hingestellt. Doch ist das wirklich so oder fehlt uns bislang schlicht die Vision, wie es anders sein könnte?

Wir sind in der Welt, wie wir sie kennen, aufgewachsen. Oft fühlen wir uns gar nicht besonders wohl in ihr. Trotzdem haben wir sie weitgehend akzeptiert und uns mit den Umständen arrangiert. Es kommt uns gar nicht erst der Gedanke, dass es Alternativen geben könnte. Doch jede gesellschaftliche Ordnung ist ein Konsens, auf den sich die Mehrheit der Menschen geeinigt hat, sie ist nichts anderes als ein künstliches Konstrukt. Und wo Künste am Werk sind, gibt es Gestaltungsspielraum. Keine Konstruktion, so alt sie auch sein mag, kann für alle Zeit taugen. Da das Modell, das wir gegenwärtig leben, von Menschenhand geschaffen ist, lässt es sich auch von Grund auf erneuern, um Platz zu schaffen für Freigeister und ihre zeitgemäßen Träume.

Scheinwelt pur: Leben im Spielcasino

In kollektivem Einvernehmen haben wir uns eine Scheinwelt geschaffen. Es ist, als lebten wir in einem riesigen Spielcasino. Über allem schwebt das Bild des großen Erfolgs. Herren im feinen Anzug und Damen in edlen Roben sitzen um den Spieltisch herum und jeder hat hohe Stapel mit Chips vor sich aufgetürmt. Da wollen wir alle hin.

Es gibt tatsächlich nur einen Tisch, an dem unsere Idole mit den vielen Chips zu finden sind. Diese Leute sitzen hier schon sehr lange und spielen ihr Spiel, garniert mit reichlich Imponiergehabe. Sie bleiben unter sich und werden dabei allmählich immer älter. Die Jüngeren schauen voller Ehrfurcht zu ihnen auf. „Wenn man dort so sitzt, weiß man, wo es im Leben langgeht“, denken sie. Wir sehen Reichtum – und das allein reicht aus, um uns zu beeindrucken. Und schon versuchen wir ebenfalls, das Spiel zu spielen, nach den Regeln des Wettkampfes, die uns alle in Gewinner und Verlierer einteilen.

Auf dem Weg zu diesem Ziel lernen wir, unser Blatt auszureizen, zu pokern und Schulden zu machen. Wir erleben Hochphasen, in denen wir ein paar Chips übrig haben. Ein anderes Mal leben wir über unsere Verhältnisse, wir schwitzen vor Angst, haben Stress und verlieren am Ende vielleicht Haus und Hof. Doch weil hier alle zocken, ist es wohl normal, dass es immer auf und nieder geht.

Schauen wir uns die Masse der Mitspieler um uns herum genauer an, vermissen wir gerade die strahlenden Persönlichkeiten, die wir uns vor unserem inneren Auge vorgestellt haben. Kein James Bond kommt zur Tür herein, umgeben von schönen und klugen Frauen. Im wahren Leben sind es doch eher die Eindrücke von Frust, Traurigkeit und Sucht, die uns begegnen.

Wenn wir genug Zeit an den Pokertischen verbracht haben, stellen wir fest, dass wir über die scheinbar erfolgreichen Personen gar nichts wissen. Was sie auszeichnet, sind ihre vielen Chips und die Kleidung. Doch sehen wir starke Persönlichkeiten mit Ausdruck, echter Weisheit und einem inneren Leuchten?

Was wir von den „Reichen und Schönen“ gelernt haben, ist zu bluffen und andere mit miesen Tricks zu übervorteilen. Dabei wissen wir weder, ob es ihnen damit gut geht, noch, ob sie es gut mit uns meinen. Ist das große Glück etwa nur ein schöner Schein, den es um jeden Preis zu wahren gilt?

Nur weil jemand schon sehr lange am Spieltisch sitzt, ist das kein Grund, ehrfürchtig zu ihm aufzuschauen. Allmählich kommt uns der Gedanke, dass es im Leben etwas anderes gibt als die Pokerrunde und das ewige Spiel um den Mammon. Wir erkennen, dass wir ein Spiel, das nicht unseres ist, so lange gespielt haben, dass wir unsere eigenen Träume auf dem Weg verdrängt haben.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Genau aus diesem Grund gibt es das Casino. Denn wie wir alle wissen, gibt es im Spielcasino nur eines, das ganz sicher ist: Die Bank gewinnt immer.

Zwischen Hoffnung und Schmerzen werden nur Spiele gespielt. Um das große Spiel für sich zu beenden, ist es essentiell, nicht nur den Spieltisch, sondern das Casino zu verlassen. Unter Menschen, die in ihrem Leben nichts anderes getan haben, als ihre Chips festzuhalten, können wir uns nicht weiterentwickeln. Den Pokertisch wird es vielleicht noch lange geben, doch indem wir ihm den Rücken kehren, ist er für uns aus den Augen und damit aus dem Sinn. Wir sind frei.

Was uns davon abhält, ist der Gedanke: „Wenn ich das Casino verlasse, gehe ich ins Nichts.“ Doch sobald wir den Mut dazu aufbringen, bemerken wir auf einmal, dass wir nicht allein sind. Außerhalb der Scheinwelt gibt es viel mehr Menschen als wir dachten und ihnen geht es ähnlich wie uns. Unser Weg hat uns somit nicht ins Nirgendwo geführt, sondern in einen Kreativraum, in dem etwas Neues entstehen kann.

Genau dort, wo „nichts“ ist, gibt es keine Spiele, denen wir von Kindesbeinen an ausgesetzt waren. Damit öffnen wir ein neues Lernfeld, in dem Menschen plötzlich Zeit haben, Zeit zum Nachdenken, Zeit, um Mensch zu sein und um eigene Ideen zu verwirklichen. Sie können von Mensch zu Mensch miteinander agieren, voneinander lernen und ihr Leben neu gestalten. Damit ist es nicht mehr nötig, uns in Gewinner- und Verlierertypen einzuteilen, wir können jetzt alle Gewinner sein.

Kraft unseres Bewusstseins kann jeder Einzelne von uns ein Puzzleteil zu einem großen gesellschaftlichen Bild beitragen. Indem wir Neues ausprobieren, es wieder verwerfen oder es aufgreifen und weiterentwickeln, kann für uns alle eine neue Wirklichkeit entstehen. Damit haben wir unserem Verhalten eine wirkliche Alternative hinzugefügt, die grundlegende Lebensbedingungen verändert.

Längst sind nicht mehr alle Menschen im Spielfieber. Für weit mehr Personen als wir vermuten funktioniert das bestehende Lebensmodell in unserer Gesellschaft nicht mehr. Diese Menschen probieren bereits neue Möglichkeiten für sich aus und sind schon in diesen Prozess eingebunden.

! Wir steuern auf einen strukturellen Umbau in unserer Gesellschaft zu.

Ein Teil der Menschen ignoriert diese Tatsache. Kein Wunder: Genau diese Menschen haben im Spielcasino schon eine Menge Chips angehäuft und profitieren davon.

In der Vergangenheit wurden Erneuerungen und Wirtschaftswunder stets durch einen Krieg ausgelöst. Die Musikband „Erste Allgemeine Verunsicherung“ hat das in ihrem Song „Neandertal“ sehr treffend formuliert:

„Seit Menschengedenken wird aufgebaut,

damit man es nachher wieder niederhaut.

Aus Blut und Schutt und nach jedem Krieg,

die Wirtschaft wie Phönix aus der Asche stieg.“

[Erste Allgemeine Verunsicherung: „Neandertal“. Von Thomas Spitzer. Watumba. Electrola (Universal Music), 1991. CD.]

So ist die gängige Praxis, da bildet die Corona-Krise keine Ausnahme. Wir leben in einem ewigen Kreislauf, in dem sich ständig die gleichen Dinge wiederholen. Es ist nicht so, dass früher alles besser war. Trotzdem leben die Mode- oder Einrichtungsstile der vergangenen Jahrzehnte in regelmäßigen Abständen wieder neu auf, und auch politisch bekommen wir seit Jahrzehnten die gleichen Themen serviert. Selbst im Filmgeschäft werden die alten Geschichten ständig aufgewärmt und neu verpackt, sei es als Remake oder als Fortsetzung. Was einmal Erfolg hatte, kann auch nochmal funktionieren.

Ein gutes Beispiel ist der Star-Wars-Kult. In dieser Filmreihe dreht sich alles um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, gewürzt mit einem Familiendrama und dem Mysterium der Jedi, jenen Menschen, die vollkommen im Einklang mit sich selbst sind. Dafür haben sie ein langes Training absolviert. Dank ihrer Ausbildung verfügen die Jedi über einen Zugang zu ihren inneren Fähigkeiten und sind in der Lage, sie zu nutzen. Dieses Potential macht natürlich neugierig.

Nachdem in Episode VI die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse geschlagen war, trat endlich Frieden ein. [Vgl. Abrams, J.J.: „Star Wars: Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. USA 1983.] Die Fangemeinde wartete sehnsüchtig auf eine Fortsetzung. Welche Einflüsse der Jedi werden die Menschen verändert haben? Wie wird eine neue, bessere Welt aussehen? Man sollte meinen, dass nun das Aufleben einer Hochkultur beginnt, in der ein Jedi-Training so selbstverständlich ist wie bei uns die Schulbildung. Jeder Mensch hätte so die Chance, das eigene Bewusstsein zu entdecken, seine innere Stärke zu entfalten und seine mentalen Fähigkeiten auszubilden. Hier hätte es in Episode VII eine riesige Spielwiese für wirklich neue Ideen und Geschichten gegeben. [ Vgl. Marquand, Richard: „Star Wars: Episode VII: Das Erwachen der Macht“. USA 2015.] Doch dazu kam es nicht. Selbst diejenigen Fans, die dem Jedi-Aspekt kein großes Interesse entgegenbrachten, wurden bitter enttäuscht. Denn eines hatte sicher niemand erwartet: Dass die Geschichte der Episode IV nahezu identisch wiederholt wird. [Vgl. Lucas, George: „Star Wars: Episode IV: Eine neue Hoffnung“. USA 1977.] Mit anderen Worten: Es herrscht wieder Krieg, das Universum muss erneut vor dem Bösen gerettet werden. Doch mit welchem Ziel eigentlich, wenn einfach alles wieder von vorn beginnt, sobald Frieden herrscht? Immerhin drückt sich ein neues Bewusstsein, die sogenannte „Macht“, durch ein Gefühl aus, das Soldaten davon abhält, dem Schießbefehl auf Zivilisten Folge zu leisten. Offenbar können sich selbst die hoch bezahlten kreativen Köpfe der einstigen Traumfabrik Hollywood keine Welt vorstellen, in der nicht immer nur gekämpft wird. An einem zu geringen Budget liegt es sicher nicht, dass uns die Drehbücher lediglich in eine neue Runde auf der Endlosschleife hineinführen.

Es ist wie im wahren Leben: Bevor der Corona-Virus sich verbreitete, war die Gesellschaft bereits auf dem Weg in ein neues Bewusstsein. Die Fridays-for-Future-Bewegung übte Druck auf die Regierungen aus, die Klimaziele ernst zu nehmen, das Thema Plastik-Vermeidung war in aller Munde und gesunde, biologische Ernährung hatte sich zum Mega-Trend entwickelt. Die Hoffnung auf eine bessere Welt glimmte am Horizont, dann kam die Corona-Krise und wir wurden kollektiv auf Null zurückgeworfen. Bemerken Sie die Parallelen?

Derzeit steht die Menschheit wieder einmal vor der Entscheidung, in welche Richtung sie geht. Unsere Regierung möchte erneut in die Endlosschleife eintreten. Sie strebt danach, die Wirtschaft nach den alten Regeln wieder aufzubauen und stellt dafür ein milliardenschweres Konjunkturpaket bereit. Damit will sie – koste es, was es wolle – ein System aufrecht erhalten, das schon vorher für die Menschen, die darin leben, nicht mehr funktioniert hat.

! Wieder bleibt die Frage offen, wie die Vision einer neuen Welt eigentlich aussehen könnte.

Die Erneuerung wird unweigerlich auf uns zukommen, daran wird auch die Ignoranz der Machthabenden nichts ändern. Offenbar stellt sie etwas buchstäblich Unvorstellbares dar. Damit ist nicht gemeint, dass wir lediglich die alten Karten neu mischen. Wir werden völlig andere Karten einsetzen als bisher und die Art, wie wir spielen, revolutionieren.

Es wird unser Verhalten sein, das sich von Grund auf verändert. Denn wenn wir erst gelernt haben loszulassen, werden wir erfahren, welche Gedanken und Ideen tatsächlich in uns stecken. In einer guten körperlichen und geistigen Verfassung können wir wieder zu träumen beginnen, so wie wir es als Kinder getan haben. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir eine Vision für ein besseres Miteinander in unserer Gesellschaft entwickeln und leben.

 
Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?