Freiheit ohne Wenn und Aber

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Freiheit ohne Wenn und Aber
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Für meine Mutter.

GERALD GROSZ

FREIHEIT

OHNE WENN UND ABER


Umschlaggestaltung: DSR Werbeagentur Rypka GmbH, 8143 Dobl/Graz, www.rypka.at

Umschlagabb. Vorderseite: Lex Karelly Photography, Schmiedgasse 21, 8010 Graz

Wir haben uns bemüht, bei den hier verwendeten Bildern die Rechteinhaber ausfindig zu machen. Falls es dessen ungeachtet Bildrechte geben sollte, die wir nicht recherchieren konnten, bitten wir um Nachricht an den Verlag. Berechtigte Ansprüche werden im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter https://www.dnb.de abrufbar.

Erklärung des Verlages

Gerald Grosz publiziert in Zeitungen und Zeitschriften wie „Österreich“ und „Deutschland Kurier“ und tritt regelmäßig in der Sendung „Fellner LIVE!“ auf OE24.tv auf. Teile einiger im vorliegenden Buch abgedruckter Texte sind zuvor bereits in Kolumnen und Gastkommentaren veröffentlicht worden.

Hinweis: Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die zum Schutz vor Verschmutzung verwendete Einschweißfolie ist aus Polyethylen chlor- und schwefelfrei hergestellt. Diese umweltfreundliche Folie verhält sich grundwasserneutral, ist voll recyclingfähig und verbrennt in Müllverbrennungsanlagen völlig ungiftig.

Auf Wunsch senden wir Ihnen gerne kostenlos unser Verlagsverzeichnis zu:

Ares Verlag GmbH

Hofgasse 5 / Postfach 438

A-8011 Graz

Tel.: +43 (0)316/82 16 36

Fax: +43 (0)316/83 56 12

E-Mail: ares-verlag@ares-verlag.com

www.ares-verlag.com

ISBN 978-3-99081-072-9

eISBN 978-3-99081-078-1

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.

© Copyright by Ares Verlag, Graz 2021

Layout: Ecotext-Verlag Mag. G. Schneeweiß-Arnoldstein, Wien

Inhalt

Vorwort von Claudia Haider

Freiheit ohne Wenn und Aber

Einleitung

Die Freiheit der Meinung

Die Freiheit in Sicherheit

Das Recht auf soziale Freiheit

Die Freiheit der eigenen Identität

Die Freiheit der Wirtschaft

Die Freiheit des Menschen

Die Freiheit des Genius

Corona-Sommer 2020 – und die Folgen

Vorwort
von Claudia Haider

„Freiheit“. Ein Begriff, mit dem sich mein Mann Jörg Haider Zeit seines Lebens intensiv auseinandergesetzt hat. Mehr noch, die Freiheit des Einzelnen durch die Befreiung aus den Zwängen des allgegenwärtigen Parteien- und Proporzstaates war ihm mehr als 30 Jahre lang Berufung und zugleich Auftrag für sein gesamtes politisches Wirken. Im Jahr 1993 fasste er seine inhaltlichen Betrachtungen im viel beachteten Buch „Die Freiheit, die ich meine“ zusammen.

Jahrzehnte später sind seine Forderungen aktueller denn je, seine Thesen allgemeingültig geworden. Heute finden sich die inhaltlichen Standpunkte des Buches zwar in vielen programmatischen Werken wieder, doch dreht sich das Rad der Entwicklung mehr als ein Jahrzehnt nach seinem Tod wieder zurück, wir gehen wieder den Weg der Unfreiheit. Meinungsfreiheit, das Recht auf Freiheit der eigenen Identität, das Recht auf Freiheit in Sicherheit sind in Gefahr. Wahrscheinlich mehr denn je. Es sind gesellschaftliche und politische Umbrüche, die einer breiten kritischen Öffentlichkeit Kopfzerbrechen bereiten. Die Gefahr ist, dass sich der einzelne Mensch mit der Einschränkung seiner Freiheit abfindet, gleichgültig gegenüber diesem höchsten Gut der Aufklärung wird. Es freut mich daher, dass der Autor Gerald Grosz, treuer politischer Weggefährte meines Mannes, sich des Themas Freiheit in seinem nunmehr vorliegenden Werk in all den Facetten der Freiheitsbe- und -einschränkung widmet. „Freiheit ohne Wenn und Aber“ ist keine Fortsetzung der bisherigen Literatur, sondern eine gegenwärtige Bestandsaufnahme und ein flammendes Plädoyer für unsere Freiheit. Mögen sich viele dieser Gedanken annehmen und diesem Beispiel folgen.

April 2021

Freiheit ohne Wenn und Aber
Einleitung

Seit Jahrtausenden bewegt den Menschen die Sehnsucht nach individueller Freiheit, er dürstet danach, blutige Kriege und Revolutionen schlug und schlägt er dafür, opferte und lässt sein Leben auch heute noch. Jedes Volk, jede Nation, jeder Mensch sehnte und sehnt sich doch danach. Alle Epochen der Geschichte vereinen sich im ewigen Kampf der Unfreien für ihre Freiheit. War die Freiheit in der Antike ein Privileg der Oberschicht, ist sie spätestens mit der Aufklärung zumindest auf unserem Kontinent ein verbrieftes Gut, ja ein scheinbar gesichertes Grundrecht aller Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht oder ihrem Alter geworden. Freiheit, dieser heute inflationär verwendete Begriff, der uns gegenwärtig so selbstverständlich erscheint, aber in dem nun am Horizont aufziehenden Zeitalter der neuen Unfreiheit brüchiger denn je ist. Steuern wir tatsächlich auf ein neues Biedermeier zu? Nein, vielmehr stecken wir bereits mittendrin. Der diese Epoche beherrschende Ungeist eines bekannten Vertreters der Entrechtung der Bürger, Metternichs, ist in der Moderne angekommen. Die Freiheit wird wieder ein exklusives Privileg einer kleinen Minderheit, einer neuen, von allem Besitz ergreifenden „Oberschicht“, die sich über die Allgemeinheit erhebt. In allen Bereichen unseres Daseins sind wir von einer schleichenden Einschränkung unserer persönlichen Freiheit umgeben. Denn die Freiheit ist für uns selbstverständlich geworden, für die jüngeren Generationen immer da gewesen, und dieser Umstand birgt die große Gefahr des endgültigen Verlustes.

Der Mensch im 21. Jahrhundert: Wir waren so frei, uns seit der Aufklärung von der vermeintlich einengenden Religion, die übrigens auch nur Freiheit verhieß, zu entfernen, wir sind so frei, auf den Mond zu fliegen, wir nutzen die Freiheit der Wissenschaft, um Sonden auf den Mars zu schicken. Die Freiheit des Denkens brachte uns die Errungenschaften unserer Zeit in Wissenschaft, Medizin, Kunst, Kultur und Literatur. Der Wunsch nach Freiheit überwand noch in den 1990er-Jahren unter Einsatz des persönlichen Lebens der betroffenen Völker den kommunistischen Zwangsstaat Jugoslawien, überwand die Teilung Europas in West und Ost, zwang den Kommunismus in die Knie. Die freie Rede, beseelt durch den freien menschlichen Geist, ist Fundament unserer heutigen Demokratie, die wir trotz des Wissens um ihre Fehlerhaftigkeit zumindest als vornehmste und gerechteste Form, ja als Ideal unseres Zusammenlebens zu Recht und im Wissen um die Zerstörungskraft der Alternativen verehren. Verehren, aber leider nicht kraftvoll verteidigen! Denn wir sind blind geworden gegenüber den vielfältigen Gefahren, die dieser Freiheit, diesem unverbrüchlichen Wert, diesem Kitt unserer Gemeinschaft heute gegenüberstehen. Wir sind taub geworden gegenüber den politischen wie medialen Schlachtrufen, die der Freiheit entgegenschallen. Die Feinde der Freiheit sind schnell ausgemacht, wenngleich man sie mittlerweile nur unter Repressalien der alles beherrschenden Nomenklatura benennen darf. Es sind die Feinde der Freiheit der Rede, des Denkens, des Eigentums – ja, es ist eine sich als elitär empfindende Minderheit, die sich dank ihres Einflusses über die träge Mehrheit zu erheben versucht und jeden Millimeter gegen unsere Freiheit auch mithilfe des Relativismus als der hässlichen Missgeburt der Moderne erkämpfen will. Übersetzt: An jedem Tag, an dem wir uns in die Fänge der Bequemlichkeit begeben, an jedem Tag, an dem wir nur mehr das eigene Ich sehen und das „Wir“ vergessen, verlieren wir ein Stück unserer Freiheit. Wir sind müde und behäbig geworden, arrangieren uns mit den Angriffen auf unsere Freiheit. Wir merken nicht einmal mehr, wie sich dieser Wert nach unten nivelliert. Heute, im 21. Jahrhundert, glauben wir zwar noch, frei zu sein, sind es aber längst nicht mehr. Wir befinden uns aus eigenem Verschulden inmitten eines Zeitalters, in welchem der ohnedies nur noch romantisch verehrte Begriff Freiheit in höchster Gefahr, vielleicht schon verloren ist. Wir wiegen uns in einer trügerischen Sicherheit, ja fast in einer Blindheit und wahrscheinlich auch in einer Art Unglauben, dass diese Freiheit jemals in Gefahr sein könnte. Ein Blick nur wenige Jahrzehnte zurück, ein aktueller Blick auf andere Kontinente reicht, um zu wissen, wie schnell es um uns und unsere Rechte geschehen sein kann. Ein Blick in die mehr oder weniger gleichgeschalteten Medien, ein Ohr für die schablonenhaften Reden der wertelosen Politiker – sich lediglich einig in der Kultivierung ihres eigenen Egoismus – reicht, um zu sehen und zu hören, dass wir uns mit Lichtgeschwindigkeit in eine neue Form der Autokratie begeben, in der wir am Basar der politischen Kultur unsere Freiheit gegen eine neue „Sicherheit“ tauschen.

 

Die Freiheit ist nicht rechts, sie ist nicht links, sie muss in einer Gesellschaft immer vorn sein! Und sie ist die einzige Basis, im Wissen um die Größe dieses Wortes, für eine Weiterentwicklung unserer Zeit, unserer Gesellschaft. Der deutschbritische Politiker Lord Ralf Dahrendorf sagte einst: „Von der Freiheit ohne Wenn und Aber reden heute nur wenige. Die Mehrheit redet eher von Gerechtigkeit.“ Diese heutige Gerechtigkeit meint im Ergebnis nur Gleichheit. In dieser Gleichheit kann Freiheit nicht entstehen!

Die Freiheit ist letztlich jener Begriff, jener Wert, für den es sich auch im 21. Jahrhundert zu kämpfen lohnt, für welchen man angesichts der vielfältigen, ja fast erdrückenden Gefahren auch kämpfen muss. Dieses Buch ist eine Bestandsaufnahme und zugleich ein flammendes Plädoyer für die Freiheit in unser aller Leben!

Die Freiheit der Meinung

Die wohl am meisten gefährdet scheinende Freiheit ist in unseren Tagen die Meinungsfreiheit. Der mündige, einst meinungsfreie Mensch ist eingekesselt von den sich seit Jahrzehnten etablierenden Zwängen wider die freie Rede. Wir konsumieren die etablierten Medien, wir hören und sehen die Vertreter der politischen Nomenklatura, die in Wort und Schrift den Säulenheiligen der Freiheit unseres Kontinentes, wie Thomas Morus, Voltaire und vielen anderen, publikumswirksam huldigen und gleichzeitig deren Geist in ihrer konkreten, täglich gelebten und zur Schau gestellten Tat widersprechen, ja uns schlussendlich die Freiheit unserer Meinung rauben. Keine Ansprache dieser Vertreter eines schleichenden Meinungsdiktates, die nicht die Freiheit der Meinung und Rede einerseits publikumswirksam ehren und die dunklen Zeitalter der Diktaturen verteufeln würde, während sie in ihrem konkreten Handeln alles daran setzen, die Denk-, Meinungs- und Redefreiheit einschränken, sie zu reglementieren versuchen, sie in Wahrheit zensurieren. Denn die Meinungshoheit wird langsam, aber sicher wieder ein Gut der Mächtigen. Bildlich offenbart sich dies in der verlockenden Freiheit der neuen Medien. Facebook, YouTube, Twitter usw. gaukeln uns in allen wunderbaren Farben vor, an jedem Ort und zu jeder Zeit Herren der von uns in diese Kanäle eingespeisten Meinungen zu sein. Es ist eine Lüge, bewiesenermaßen. Es wird zensiert, es wird gesperrt, es werden nicht nur die Kanäle, es wird damit die elektronische Existenz des Betroffenen gelöscht. Alles, was nicht in den vorgegebenen Rahmen dieser gesteuerten Meinungsmonopolisten passt, darf nicht sein, findet nicht statt, wird getilgt. Der Mensch hat sich eben im Wege der Entwicklung des nun allgegenwärtigen Internets in diesem virtuellen Raum eine neue Realität, ein zusätzliches Leben geschaffen. Noch glaubt das einzelne Individuum, frei zu sein, und noch nie war die Täuschung so groß. Operiert wird auf diesen Plattformen mit den jeweiligen Geschäftsbedingungen, die uns auf den harten Boden der Realität zurückholen, dass diese Netzwerke eben keine Räume der ins Internet verlegten absoluten Meinungsfreiheit sind, sondern streng nach wirtschaftlichen Interessen – unter Einfluss der jeweiligen Regierungen – regulieren, verurteilen, tilgen. Das Leben wurde zwar ins Virtuelle verlegt, seine Freiheit durfte der Mensch, auch Nutzer genannt, aber nicht mitnehmen. Er unterwirft sich in dieser neuen Welt auch nicht demokratischen Gesetzen, sondern politischen wie ökonomischen Interessen der monopolistischen Eigentümer. Die Zensur ist absolut, die Entscheidungen sind undurchschaubar, man ist der Willkür von Algorithmen ausgesetzt. Besorgniserregend, denn diese bunten Plattformen sind Moloche, schwarze Löcher, die uns zwar aufsaugen, aber uns „drinnen“ jegliche bürgerlichen Rechte verwehren. Natürlich muss sich auch die Meinungsfreiheit einer Ordnung unterwerfen. Und zwar nur einer: dem Strafrecht! Dies, nur dies, und nicht Mark Zuckerbergs politische Einstellung, sein persönlich und damit rein subjektiv gestalteter Moralbegriff, sollte der ideelle Gartenzaun sein, innerhalb dessen sich Meinungen, Ideen und Reden frei und ungehindert bewegen können. Das Paradoxe ist, dass wir, obwohl wir durch die neuen Medien eine neue subjektive Freiheit verspüren, in unseren Äußerungen noch nie so eingeengt waren. Und was machen die Regierungen? Sie unterstützen diese Einschränkung, sie gehen im Gleichschritt mit diesen Monopolisten auf Meinung, mit einer Verschärfung von Verhetzungsparagrafen, der Erfindung virtueller Hassdelikte. Statt sich wehrhaft als Demokraten zu beweisen, sich gegen die Begehrlichkeiten einiger Weniger zu stellen, werden von unseren bisher geltenden Gesetzen ohnedies längst umfasste und ahndbare Einzeltäter als willkommener Anlass genommen, der Meinungs- und Redefreiheit auch noch die Verfolgung durch die Justiz gegenüberzustellen. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland und der Schweiz tobt die Diskussion. Wenn man sich die jährlichen Zahlen dieser Delikte ansieht, stehen sie in keinem Vergleich zum Plan der Regierungen, mit dem vorgeschobenen Kampf gegen Hass und Hetze im Netz eigentlich die freie Meinung tilgen zu wollen. Es entsteht eine sogenannte Anlassjudikatur mit weitreichenden Folgen. Als ob man für jeden Rülpser am Stammtisch ein Gesetz gebraucht hätte, wird es uns heute als die Eier legende Wollmilchsau, als Notwendigkeit für Friede, Freude und Eierkuchen in unserer Gesellschaft verkauft.

Die gegenwärtigen Einschränkungen der Meinungsfreiheit begannen recht früh, ehrlicherweise noch vor dem Zeitalter des Internets. Es begann mit der politischen Korrektheit, die sich heute wie die Renaissance der heiligen Inquisition erhebt, um zu urteilen, um zu neutralisieren, um schlussendlich zwar nicht mehr zu verbrennen, gottlob, aber die Meinung zu unterdrücken. Die politische Korrektheit als zeitgeistiges Schutzschild vor freier Rede, als moderne Erfindung einer Minderheit, dient nicht nur dazu, in der täglichen Debatte um die Zukunft der Welt zu täuschen und zu tarnen, sie dient auch der Verfälschung der Geschichte und am Ende der Wahrheit unserer Existenz.

Heute muss sich jeder dieser Form des Meinungsdiktates unterwerfen, schon allein aus einer berechtigten Angst heraus, bei Widerspruch die eigene soziale, finanzielle oder politische Existenz zu verlieren. Die politische Korrektheit, sie kommt so vornehm und geschmeidig daher, so gut und human, so elegant und elitär, so intellektuell, sie verschafft Respekt und Autorität. Am Ende ist sie nichts von all dem, sie ist die pure Lüge, Erfindung einer Ideologie, ja hat sich selbst zur Ideologie ausgewachsen.

Darüber hinaus steht sie im klaren Widerspruch zur Freiheit auf die Artikulation der Logik. Allein in Europa sehen wir täglich, wie die politische Korrektheit sich über die Wahrheit erhebt und die Freiheit der Meinung und Rede einschränkt. Wenn wir beispielsweise an das Jahr 2015 denken, dieses Annus horribilis der Gesetzlosigkeit, in dem regierende Politiker Hand in Hand mit Teddybären auf Bahnhöfen und an Grenzübergängen den Rechtsstaat außer Kraft setzten, um unter dem Schutz eines vorgeblichen Humanismus ihre Agenda des Multikulturalismus durchzusetzen: Da erklärte die politische Korrektheit als neue moralische Majestät die Richtigkeit des Handelns von Politikern gegen die eigenen Gesetze, gegen die eigene Bevölkerung, gegen die Demokratie! Sie sprach das Urteil, war Täter, Verteidiger und Richter in einem. Die Gesetze wehrten sich nicht, die Institutionen hielten die Füße still. Denn die lauten Kritiker dieser staatlich angeordneten Anomie – übrigens eine klare Mehrheit der Bevölkerung – wurden unter dem Deckmantel der politischen Korrektheit im Verbund mit Medien und Kirchen in ihrer Meinung bekämpft, als Rassisten, Ausländerfeinde, als Rechtsextreme, ja sogar als Nazis handstreichartig neutralisiert. Selbst vor diesen jenseitigen Vergleichen, also vor der Verharmlosung der Gräuel des Nationalsozialismus, der Millionen von Toten und dieses schrecklichen Leides, vor der Nennung dieser einzigartigen Ausgeburt des Bösen schreckte man nicht zurück, um Menschen in ihrer dem regierenden Establishment entgegenstehenden Meinung zu beschränken, sie dieser zu berauben, ja am Ende ihre persönliche Integrität zu diskreditieren. Die politische Korrektheit behübscht eben nicht nur, sie negiert nicht nur, nein, sie pervertiert die Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit und sorgt als neues, an die Stelle der Bevölkerung inthronisiertes Regulativ der letzten Jahrzehnte dafür, dass die Meinungsfreiheit weiter an Boden verliert. Noch mehr: Die politische Korrektheit stellt sich als neu kreierte moralische Instanz – wohlgemerkt ohne gewachsene moralische Wurzeln – einer Minderheit gegen intellektuelle Redlichkeit, gegen Naturgesetze, gegen die Wissenschaft, gegen unverbrüchliche Fakten, gegen die Geschichte und deren Erforschung, ja gegen die Logik. Der Meinung des aufgeklärten, von Natur aus in Masse leichtgläubigen, weil bequemen Menschen wird ein künstlicher, nicht prüfbarer, hauptsächlich ideologisch konstruierter Moralbegriff gegenübergestellt, der, als absolute und einzige Wahrheit schleichend anerzogen, jeglichen Widerspruch unterbinden, ja sogar kriminalisieren soll. Der Durchschnittsbürger wird unter Generalverdacht gestellt, als ob er das Wort „Nigger“ brüllend, behinderte Menschen als „Depperln“ beleidigend und Homosexuelle anpöbelnd durch die Gassen laufen würde. Die politische Korrektheit wird als Notwendigkeit dargestellt, Bürger zu Respekt und Wertschätzung zu zwingen. Im Umkehrschluss wird unterstellt, dass sich die Mehrheit der Menschen unseres Planeten von der zwischenmenschlichen Beziehung des Neandertalers nicht unterscheiden würde. In Wahrheit ist die politische Korrektheit nur die Fortsetzung aller bisherigen Versuche, die Meinungsfreiheit einzuschränken, unter dem Deckmantel, die Welt anständiger zu machen. Sie ist die neue, gegenwärtige Form des Faschismus, des Kommunismus, des Nationalsozialismus. Ja, diese Diktaturen haben es auch an sich gehabt, nicht schon zu Anbeginn ihrer katastrophalen Entwicklung den gesamten Bauchladen des Bösen, der Massenvernichtung, der Zerstörung, der Armut für alle sichtbar zu präsentieren. Diese Vernichtungsideologien zielten in ihren Anfängen vergleichsweise harmlos „nur“ auf die notwendige Einschränkung der Meinungsfreiheit ab. So wie die politische Korrektheit, die unter dem hehren Ziel, die Welt und den Menschen zu verbessern – auch hier unterscheidet sie sich nicht von den plakativen Formulierungen der Nazis und der Kommunisten –, eine neue, für alle geltende Meinung begründet. Dass sie diskreditiert, kriminalisiert, lügt und verleumdet, verschweigen die Vertreter geschickt. Wer glaubt, die Verleumdung als Mittel der Wahl, um andere Meinungen zum Verstummen zu bringen, sei eine gegenwärtige Erfindung, irrt. Alle Autokratien, und zwar wirklich alle, die sich am Ende ihres Weges als Diktaturen entfalteten, eint, in ihren Anfängen die Meinung Andersdenkender zu verleumden, um sie dann zu unterdrücken, sie zu verbieten und im Endergebnis die Andersdenkenden und -meinenden zu vernichten. Das Verbieten anderer Meinungen und das Verleumden anderer Gesinnungen waren und sind der Schuhlöffel für weiterreichende Einschränkungen, die in ihrem Finale immer auf das Ende der physischen wie psychischen Freiheit des einzelnen Bürgers abzielen.

Die Verleumdung und die daraufhin stattfindende Ausgrenzung als zwei der vielfältigen Folterinstrumente der politischen Korrektheit nennen sich heute Cancel Culture. Schon viele wurden zu ihrem Opfer, im deutschsprachigen Raum jüngst die höchst umstrittene Kabarettistin Lisa Eckhart. Ihr wurde Antisemitismus unterstellt, ihre Vorstellungen hat man daraufhin boykottiert. Der Begriff Cancel Culture ist neu, die Methode ist es ganz und gar nicht. Gehen wir zurück in das Jahr 1988 und die weltweite Aufregung um Salman Rushdies Werk „Die satanischen Verse“. Seine Auseinandersetzung mit dem Propheten Mohammed brachte ihm im Folgejahr das in Form einer Fatwa ausgesprochene Todesurteil durch den iranischen Ajatollah Khomeini ein, jederzeit und überall von aufrechten Muslimen zu vollstrecken. Rushdies Auftritte sind bis heute von Protesten und Drohungen begleitet, mit dem einen Ziel, ihn und seine Werke, seine kritische Rede unhörbar zu machen, ihn zur Aufgabe und zum endgültigen Rückzug zu zwingen. Insofern können sich die heutigen Vertreter der linken Cancel Culture auf die Schultern klopfen: Sie haben wenigstens diesbezüglich mit einem blutigen, antisemitischen, islamischen Terroristen und Diktator etwas gemein. Man weiß aber zumindest durch solche und ähnliche Schicksale, wes Geistes Kind die politische Korrektheit, ihre Vertreter und deren Instrumente in Wahrheit sind.

 

Die 1990er gelten als Geburtsära der politischen Korrektheit in unseren Breiten. Im Zuge der kritischen Auseinandersetzung breiter Teile der Bevölkerung mit den Auswirkungen einer zügellosen Zuwanderungspolitik, des Imports nationaler, religiöser und ethnischer Konflikte, schwappte diese politische Korrektheit als Nachgeburt politischer Strömungen der ’68er, als erklärter Feind der freien Rede von den USA aus auf unseren Kontinent. Wer beispielsweise nicht uneingeschränkt für den Multikulturalismus, die Toleranz gegenüber allem und jedem als Staatsziel Nr. 1 eintrat, sich dieser Ideologie mit Haut und Haar verschrieb, wurde a priori als Ausländerfeind diffamiert, in seiner Meinung neutralisiert. Mit in den Chor der Meinungsdiktatoren stimmten sämtliche Medien, Kunst- und Kulturschaffenden, Wirtschaftskapitäne und Promis ein, und auch die Religionsgemeinschaften ließen sich vor den Karren der vermeintlich guten Sache spannen. Jeder, der nicht stromlinienförmig in das Hochgebet der politisch verordneten Multikultigesellschaft einfiel, konnte somit von Anfang an damit rechnen, in allen wesentlichen Gesellschaftsbereichen als amoralischer, inhumaner Paria angesehen zu werden. Im Ergebnis war nicht nur die Meinungsfreiheit eingeschränkt, sondern das persönliche Fortkommen, also die Existenz, in Gefahr gebracht. Viel schlimmer traf es nur noch die medienöffentlichen Kritiker dieser Politik, die jahrelang vornehmlich von Aktivisten des linken politischen Spektrums vertreten wurde. In Österreich war es ein Jörg Haider, dessen Kritik am System ihm sogar Vergleiche mit Adolf Hitler einbrachte. Und seinen Mitstreitern wie auch seinen Wählern ging es nicht anders. Letzteren wurde zumindest rhetorisch die Zurechnungsfähigkeit abgesprochen, ja sogar das Wahlrecht infrage gestellt. In Deutschland hätte es angesichts ähnlicher, um nicht zu sagen: deckungsgleicher Ansichten und Äußerungen wohl Altkanzler Helmut Schmidt oder den bayerischen Übervater Franz Josef Strauß getroffen. Deren Glück war aber dann letztlich doch, dass sie unantastbare Säulenheilige ihrer Großparteien waren. Der FDP-Politiker Jürgen Möllemann hatte nicht so viel Glück. Seine kritischen Bemerkungen über die Konflikte im Nahen Osten trugen ihm den Vorwurf des Antisemitismus ein, seine Karriere war de facto beendet, sein früher Tod wurde vom politischen Establishment kaum beweint. Bis heute hat sich diese spezielle Form der Einschränkung der Meinungsfreiheit etabliert. Man erinnere sich in der jüngeren Vergangenheit an die Bücher eines Thilo Sarrazin, der in seinen Schriften – weit entfernt von jeder Ideologie – nur Zahlen und Fakten sprechen ließ, demografische Hochrechnungen veröffentlichte und sich rasch im Lager der Aussätzigen wiederfand. Man rufe sich auch Henryk M. Broder in Erinnerung, und seine treffende Kritik am politisch korrekten Zeitgeist. Obwohl er selbst Mitglied einer Opferfamilie der NS-Zeit ist, entblöden sich Gegner seiner Person und seiner Äußerungen nicht, ihn in die Nähe des Antisemitismus zu rücken. Ihr Ziel ist klar: Die Ansichten eines Antisemiten, eines Nazis, eines Rechtsextremen sind keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Und mit einem Verbrecher und dem rhetorischen, dem von ihm inhaltlich vertretenen „Verbrechen“ braucht man sich nicht auseinanderzusetzen. Er wird damit sozial, gesellschaftlich und finanziell für vogelfrei erklärt. Ja, um heute noch eine Meinung zu haben und diese zu vertreten, braucht man Mut.

Man vergegenwärtige sich diesbezüglich die Situation jener Kritiker am Islam, die als islamophob – als sei diese Religion eine Rasse – abgestempelt werden. Dass ebendiese Religion in ihrem Ursprung – historisch vollkommen wertfrei betrachtet – invasiv, aggressiv, frauenfeindlich und in eine aufgeklärte Gesellschaft des 21. Jahrhunderts kaum konfliktfrei integrierbar ist, darf zumindest aus Gründen der im Widerspruch zur Meinungsfreiheit und zur wissenschaftlichen Redlichkeit stehenden politischen Korrektheit nicht gesagt werden. Auch die Tatsache, dass eine Auslegung des Islam als religiöse Basis für die meisten Terroranschläge auf europäischem Boden fungiert, darf nicht mehr straffrei thematisiert werden. Und selbst kritische Gläubige des Islam selbst, die in Europa eine liberale Ausprägung ihrer Religion etablieren wollen, trifft die öffentliche Vorführung als islamophobe Verräter wie ein Fallbeil. Sie werden nicht nur von Medien, politischen Parteien und Vertretern der politischen Korrektheit angeprangert, sie werden in ihrem Leben und in letzter Konsequenz in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit beschnitten. Sie stehen in unserer Scheinwelt der absoluten Freiheit unter ständigem Polizeischutz.

Und genau diese Entwicklung – zumindest in der anfänglich abgeschwächten Form, nur die Meinung und Rede des anderen zu diskreditieren – erleben wir seit 2020, dem Jahr des allgemein verordneten Corona-Diktats auf Basis einer zuvor geschickt verbreiteten Hysterie und Angst. Diese Pandemie führt uns vor Augen, wie verletzlich unsere Freiheit geworden ist, wie teilbar, wie relativierbar sie ist, und wie sie binnen weniger Wochen ohne große Widerstände eingeschränkt wird, wie leichtfertig der einzelne Mensch auf seine Grundrechte verzichtet, sie herschenkt aus Angst vor der abstrakten Gefahr, die Politik und Medien gezielt auf die Spitze treiben. Niemals hätte ich es im 21. Jahrhundert in all dem von allen Seiten beschworenen Geist der Freiheit für möglich gehalten, dass der einzelne Bürger seine Freiheitsrechte freiwillig hergibt, sich in eine neue Normalität begibt, in der er mühsam um seine alten Rechte bitten und betteln muss. Man quält eben den Bürger so lange, bis ihm jedes Mittel recht erscheint. Auch das seiner eigenen Entrechtung.

Aller Anfang war das Virus und das staatlich verordnete Diktat, dass es sich hierbei um eine Furcht einflößende, alles dahinraffende, also absolut tödliche Erkrankung handele. Jeder Widerspruch war zwecklos, denn die Kritik an den im Frühjahr 2020 einsetzenden Maßnahmen wurde prompt als Hochverrat von Sozialdarwinisten, also schrecklichen Individuen, denen Menschenleben nichts wert sind, die die Freiheit nur im Tod der anderen sehen, abgetan. Die Panik wurde von der Politik mittels der größtenteils gleichgeschalteten Medienlandschaft – Ausnahmen bestätigen die Regel – verordnet, man musste glaubhaft Angst verspüren, ja die oktroyierte Panik inhalieren und sich öffentlich dazu bekennen, denn alles andere wäre unsolidarisch gewesen. Der logische Hausverstand, eine mit Augenmaß und Besonnenheit vorgebrachte und vorgenommene Einordnung dieser Erkrankung und des absehbaren Risikos für die Menschheit wurden pauschal als drastische, verantwortungslose Leugnung der doch so fürchterlichen Wahrheit abqualifiziert und in ihrer Dimension der Krankheit selbst gleichgesetzt. Allein der anfängliche Vergleich zwischen Corona und Grippe wurde als verschwörerisch, als staatsgefährdend abgetan. Heute wird klar, das Corona-Virus – Mutationen hin oder her – lässt 99,8 % der Menschen erfolgreich gesunden. Für 0,2 %, vor allem für schwer vorerkrankte und alte Menschen, endet die Infektion tödlich. Also sind wir exakt bei der Letalität der Grippe, der saisonalen Influenza. Auf eine Richtigstellung der medialen und politischen Giftmischer, auf eine Entschuldigung gegenüber den Verleumdeten wartet man bis heute vergeblich.

Es begann auch hier mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit durch jene, die in einer Art von moralischer Selbstüberhöhung die Einheitsmeinung zu dieser Corona-Hysterie prägten. Auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit folgte die staatlich organisierte Bevormundung. Die Regierung diktierte nun dem verdutzten Bürger, was für ihn gut und was für ihn schlecht sei. Die Freiheit des Lebens und das damit verbundene Risiko wurden ihm abgenommen. Es folgte die Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten wie des Demonstrationsrechtes, eigentlich als unantastbar geltender Bestandteil der Europäischen Menschenrechtskonvention, und endete mit Zwängen in Form des Eingriffes in die persönliche Unversehrtheit von Menschen durch eine Zwangsimpfung. Es begann mit der Einschränkung der Meinung, der sichtbaren Anlegung eines Maulkorbes, es folgte das Ende der Freiheit auf Arbeit. Und mit dem Finale des mit den Maßnahmen einhergehenden Verlustes des Wohlstandes jedes Einzelnen endete die Freiheit des jeweiligen Menschen in seiner Gesamtheit. Wer nicht die verordnete Regierungsmeinung vertritt, wird zum Freiwild erklärt, als „COVIDiot“ abgestempelt, und selbst die althergebrachte Nazikeule wurde aus der Rumpelkammer der politischen Auseinandersetzungen der 1990er zurückgeholt und musste herhalten. Die Corona-Diskussion führte selbst den unkritischen, obrigkeitsgläubigen Teilen der Bevölkerung vor Augen, wie schnell sich das Rad der Unfreiheit zu drehen beginnt, wie angreifbar dieser Wert über Nacht wird. Ein kleines Virus, die geschürte Angst ob seiner gesundheitlichen Folgen, infektiöser als das Virus selbst, und den Globus hebt es aus den Angeln.