Seewölfe - Piraten der Weltmeere 660

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Seewölfe - Piraten der Weltmeere 660
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-074-9

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Davis J. Harbord

Eine Crew wilder weißer Teufel

Berserkerzorn hat sie gepackt – denn ihr Schiff liegt an der Kette

Es war Hugh Lefray, der seinem Kapitän Francis Ruthland die Hiobsbotschaft überbrachte, daß die Hinrichtung der Seewölfe nicht stattgefunden hätte. Bleich und mit verzerrtem Gesicht stand er jetzt auf dem Achterdeck der „Ghost“, die an der Hafenpier von Surat lag.

„Die Bastarde sind getürmt!“ stieß er hervor. „Ihr Bordköter hat die Elefanten attackiert. Und die beiden Hurensöhne, die uns entwischt sind und noch frei herumliefen, haben ein Feuerwerk veranstaltet. Da ist eine Panik ausgebrochen. Die – die Hölle ist los in Surat …“ Keuchend verstummte er.

„Das – das ist doch nicht möglich“, stammelte Ruthland. Für einen kurzen Augenblick flackerte Angst in seinen hellen Fischaugen auf.

„Es ist aber so!“ fauchte Lefray. „Und wir sollten aus Surat verschwinden!“

„Nein.“ Ruthland hatte sich wieder gefaßt. „Der Padischah wird die Kerle verfolgen lassen – und viele Hunde sind des Hasen Tod. Sie haben keine Chance, diese Kanaillen …“

Die Hauptpersonen des Romans:

Francis Ruthland – verläßt sich zu sehr drauf, daß viele Hunde des Hasen Tod sind.

Don Juan de Alcazar – zeigt, daß er ein guter Spähtruppführer und gewiegter Stratege ist.

Edwin Carberry – hat sich zum Experten entwickelt, der Erstaunliches über Old Donegals Schnarchkünste zu berichten weiß.

Arwenack – der Schimpanse fühlt sich einsam und sorgt für Aufregung.

Philip Hasard Killigrew – auch wenn ihm und seinen Mannen Bluthunde auf der Spur sind, verliert er nicht die Ruhe.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

In der Tat, sie hatten kaum eine Chance, die vierunddreißig Arwenacks, die sich zu diesem Zeitpunkt in einer kleinen Bucht am südlichen Ufer des Tapti – eine halbe Stunde Fußmarsch östlich von Surat entfernt – versteckt hielten.

Sie befanden sich in einem fremden, feindlichen Land, ihre Schebecke war beschlagnahmt und lag bewacht in dem kleinen Nebenhafen mit den Magazinen, und sie waren unbewaffnet – bis auf die beiden Messer, über die Don Juan de Alcazar und Blacky noch verfügten, die beiden einzigen Arwenacks, die der Festnahme entgangen waren und somit die Kameraden vor der Hinrichtung hatten bewahren können.

Dem Tod waren sie also von der Schippe gesprungen. Ob die gewonnene Freiheit von Dauer sein würde, stand in den Sternen.

Sie verschnauften erst mal. Und es sprach für sie, daß sie sich als erstes den Dreck und Schweiß abwuschen, der an ihnen klebte.

Es war früher Nachmittag, die Sonne stand noch im Zenit und versengte das Land. Immerhin, die Mangrovenbäume, von denen die Bucht gesäumt war, spendeten mit ihren Kronen Schatten. Es waren überhaupt freundliche Bäume. Ihre seltsam gebogenen Stelzwurzeln luden zum Sitzen ein.

Hasard tat es und streckte die langen Beine von sich. Den breiten Rücken lehnte er gegen eine andere Wurzel, die genau in der richtigen Höhe verlief.

Zum ersten Male seit ihrer Flucht glitt ein Lächeln über sein scharfgeschnittenes, braungebranntes Gesicht. Er nickte Don Juan und Blacky zu und sagte: „Schätze, wir stehen tief in eurer Schuld. Wir hatten mit dem Leben bereits abgeschlossen.“

Don Juan winkte ab – nicht aus Bescheidenheit, etwas anderes bohrte in ihm, und das wollte er loswerden. In seinen grauen Augen schimmerte verhaltene Wut.

„Blacky und ich“, sagte er, „wissen jetzt, wer uns in die Pfanne gehauen hat und wem wir das alles zu verdanken haben. Sagt dir der Name Francis Ruthland etwas?“

„Ruthland – Ruthland“, murmelte Hasard, „ja, ich glaube, den Namen habe ich in London gehört, ein Kauffahrer, wenn mich nicht alles täuscht. Aber ich kenne den Mann nicht. Was hat der mit uns zu tun?“

„Dann fall jetzt nicht von deinem Sitz“, erwiderte Don Juan bissig. „Ruthland ist der Kapitän der ‚Ghost‘ – jener englischen Karavelle, die nach uns in Surat vertäute. Blacky und ich wandten uns an ihn, ob er uns helfen könne, als man euch überrumpelt und verhaftet hatte. Normalerweise kann man ja erwarten, daß Landsleute einander helfen, nicht wahr? Aber das Gegenteil war der Fall. Er ließ uns kalt abfahren – und jetzt kommt’s: Er war es, der beim Padischah vorstellig wurde und ihm kaltschnäuzig vorlog, wir seien berüchtigte Piraten, hätten auf dem Tapti die portugiesische Galeone ‚Sao Lisboa‘ überfallen und die Mannschaft niedergemetzelt. Er sei zufällig Zeuge dieser Untat geworden, habe aber nicht mehr eingreifen können. Dabei waren es er und seine Kerle, die über die ‚Sao Lisboa‘ herfielen. Er hat es geschickt auf uns abgewälzt, und der Padischah hat es geglaubt. Jetzt weißt du, warum die Inder so wild darauf waren, euch vom Leben zum Tode zu befördern. Und ich nehme verdammt an, daß das immer noch ihre Absicht ist. Wir stecken bis zum Hals in der … Na, du weißt schon! Und dieser Ruthland ist das pure Gift, mein Freund. Ein eiskalter, skrupelloser Bursche, einer, der über Leichen geht. Und die Crew, die unter ihm fährt, ist eine Bande von Galgenstricken. Sein engster Kumpan heißt Lefray, der hat ein blindes, weißliches Auge und eine Visage, daß du das Kotzen kriegst. Stimmt’s Blacky?“

„Genau.“ Blacky nickte.

Die Arwenacks hatten schweigend zugehört, aber ihre Mienen waren immer kantiger und härter geworden.

Über Hasards Nase stand eine steile Falte. Er fragte: „Was hat dieser Mann davon, gegen uns zu intrigieren?“

Don Juan lachte hart. „Der hat Verbindungen zum Hof eurer Lissy und erfahren, welchen Auftrag sie dir gegeben hat. Aber er will den großen Kuchen allein vereinnahmen – den der Indienhandel bietet. Er will das ganz große Geld machen – und dich als lästige Konkurrenz ausbooten. Und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Wirklich, ein feiner Gentleman – und so gar nicht zimperlich.“

„Verstehe“, murmelte Hasard nachdenklich. „Vielleicht sollten wir den Spieß umdrehen, uns den feinen Gentleman schnappen, vor den Padischah zerren und klarstellen, wer hier der Bösewicht ist.“

Der Profos Edwin Carberry schnalzte laut. „Meine Aufgabe, Sir. Ich sollte den feinen Gentleman vorher ein bißchen mangeln, nudeln und walken, um ihn aussagefreudig zu stimmen.“

„Unsinn!“ fauchte Don Juan. „Von einem solchen Unternehmen rate ich dringend ab. Das führt zu nichts. Wir sind als Piraten abgestempelt, und ich halte diesen Padischah nicht für einen Mann, der zugibt, daß ihm ein Irrtum unterlaufen ist. Kann er sich auch gar nicht leisten in seiner gottgleichen Position. Das würde seine Autorität untergraben. Außerdem haben wir diese verdammten Sprachschwierigkeiten. Wer weiß, was der Dolmetscher übersetzt, wenn wir ihm zu verklaren versuchen, wie sich die Sache wirklich verhält! Vielleicht ist er längst von Ruthland bestochen worden.“

„Hm“, äußerte Hasard und rieb sich die Nase, „von diesem Mister Padischah habe ich auch nicht gerade den besten Eindruck, zumal er uns nicht mal die Möglichkeit einer Verteidigung gegen diese Vorwürfe gegeben hat. Er hat uns aufgrund einer angeblichen Zeugenaussage zum Tode verurteilt, ohne die tatsächlichen Fakten zu prüfen. Das spricht nicht für ihn oder für seinen Willen, die Wahrheit herauszufinden. Na gut, dann sollten wir diesen Plan fallenlassen und begraben.“ Hasard grinste zu Carberry hinüber, der breit und wuchtig an einer Stelzwurzel lehnte. „Tut mir leid, Ed, aber zu mangeln, zu nudeln und zu walken gibt’s noch jede Menge, wie ich das sehe, und zwar für jeden von uns, nicht nur für dich …“

Der Profos unterbrach. „Nur bin ich der beste Mangler, Nudler und Walker unter diesen Affenärschen von Arwenacks mit, ähem, Ausnahme von dir natürlich.“

„Ich fühle mich geehrt“, sagte Hasard bemessen, konnte aber nicht verhindern, daß die Arwenacks zu grollen begannen. Aber das Grollen bezog sich nicht auf ihn, sondern auf den Profos.

Ausgerechnet der Kutscher, der einige Nummern kleiner als der Profos war – auch in der Breite –, brachte es wieder auf den Punkt.

Mit Würde erklärte er: „Mit Mangeln, Nudeln und Walken sind große Schlachten noch nie geschlagen worden, sondern immer nur mit Köpfchen!“ Und er demonstrierte dies, indem er mit dem rechten Zeigefinger mehrmals an die rechte Seite seiner gewölbten und sehr hohen Stirn tippte. In letzter Zeit waren dem Kutscher ein paar Haare über der Stirn ausgefallen, was selbige interessant verlängerte.

 

Wenn er erwartet hatte, daß der Profos losböllern würde, dann hatte er sich getäuscht.

„Ei der Daus“, sagte der Profos freundlich, „du sprichst mir aus dem Seelchen, Kutscherlein.“

„Ähem“, erwiderte der Kutscher irritiert.

Hasard schaltete sich, ein, bevor sich das Problem, wer der beste Mangler, Nudler und Walker „unter diesen Affenärschen“ sei, zum Disput entwickelte.

Er sagte: „Unter den gegebenen Umständen halte ich es für besser, daß wir uns zuerst unsere Schebecke zurückholen. Ohne segelbaren Untersatz sind wir hier verraten und verkauft. Danach sehen wir weiter. Allerdings habe ich nicht die Absicht, Ruthland und Genossen ungeschoren zu lassen. Oder ist jemand anderer Ansicht?“

Die Mannen verneinten.

Don Juan sagte: „In Ordnung, Sir. Erst die Schebecke, aber dann sollte ein gewisser feiner Gentleman begreifen, daß er ein niederträchtiger Bastard ist. Und wie packen wir es an?“

Hasard wurde einer Antwort enthoben. Drüben auf der anderen Flußseite stiegen ein paar Reiher auf, die auf der Suche nach Beute durch das Brackwasser gewatet waren. Entfernt im Westen klang Hundegebell auf. Plymmie, die Wolfshündin der Arwenacks, war hochgeschnellt, hatte die Ohren aufgestellt und begann zu knurren.

„Die Jagd beginnt“, sagte Hasard gelassen. „Sie haben Bluthunde, wie ihr wißt. An die zweihundert Yards flußabwärts von hier liegt eine Insel, die ihr sicherlich alle gesehen habt, als wir hierherflüchteten. Wir lassen uns zu ihr treiben, verstecken uns dort und warten ab. Alles klar?“

Die Männer nickten. Eine Minute später war die Bucht leer. Den Tapti abwärts trieben verrottete Baumstämme, Buschwerk oder Schilfbüschel. Merkwürdigerweise steuerten sie alle die südliche Uferseite der kleinen Insel an, die ebenfalls dicht von Mangroven bestanden war. Daß sich dort vierunddreißig Männer und ein Hund an Land schlängelten, sah niemand, am allerwenigsten jene zehn Kerle, die jenseits der Insel hinter dem nördlichen Flußufer fünf jaulenden und hechelnden Bluthunden folgten.

Der Mann, der die Kerle anführte, hieß Akabar. Sie gehörten zur Palastgarde des Padischahs und waren auf die von ihm ausgesetzte Belohnung für die Ergreifung der weißen Teufel so scharf wie ihre Bluthunde auf Fleischbrocken. In der Regel durften die Bestien das Wild, das sie stellten – Mensch oder Tier –, zur Belohnung verspeisen.

In diesem Fall allerdings hatte der Padischah strengen Befehl gegeben, die Flüchtigen lebend beizubringen, denn Ungeheuerliches war geschehen: Noch nie war es einem zum Tode Verurteilten gelungen, vor der Hinrichtung, die für die Surater einem Volksfest gleichkam, zu entfliehen. Und wenn sich der Padischah die Ehre gab, in höchsteigener Person einer Hinrichtung beizuwohnen und sich dem Volk zu zeigen, dann unterstrich dies die Bedeutung des Strafvollzugs.

Aber zweiunddreißig zum Tode verurteilte weiße Männer waren geflohen.

Zweiunddreißig.

Sie hatten die Zeremonie zu einem Popanz werden lassen!

Und der hohe Gebieter selbst hatte die Flucht ergreifen müssen, weil ein Wolfshund gewütet und tödliches Feuer sich nach allen Seiten ausgebreitet hatte; weil die Todes-Elefanten in Panik geraten waren und alles niedergetrampelt hatten und niemand in der Lage gewesen war, das Chaos zu verhindern.

Der so unendlich hoch über dem Volk thronende Padischah war gedemütigt worden!

Das war mehr als Gottesfrevel – wie dieser Gott auch immer heißen mochte, ob Shiva, Vishnu, Allah oder gar Buddha.

Es hieß, der hohe Gebieter habe geschäumt vor Wut, und die edelsten Blumen in seinem Prachtgarten mit dem Krummschwert geköpft.

Ja, sie sollten also lebend eingebracht werden, diese flüchtigen weißen Teufel. Und die Rache des Padischahs würde fürchterlich sein. Man munkelte von entsetzlichen Marterstrafen, die nicht sofort zum Tode führten.

Akabar aus der Palastgarde hatte den Rang eines Oberhundeführers. Ihm oblag es, die Bestien zu betreuen, zu drillen und abzurichten – für die Jagd auf Mensch und Tier. Er und seine neun Hundeführer waren in enganliegende grüne Hosen gekleidet. Darüber trugen sie dunkelblaue Röcke und Turbane von gleicher Farbe. Ihre Hüften umschlossen gelbe Schärpen, in denen Krummschwerter steckten.

Aufgrund dieser einheitlichen Kleidung war in und um Surat bekannt, wer sie waren und welche „hohen“ Positionen sie im Palast des Gebieters innehatten. Wo sie auftraten, wich man ihnen geflissentlich aus. Fast immer hatten sie ihre Bestien dabei. Deren Anblick reichte schon, sich schleunigst zu verdrücken. Diese sabbernden Tiere mit den blutunterlaufenen Augen waren in Surat der Kinderschreck.

Akabar und seine Kerle verkörperten Macht. Sie genossen es, wenn man sich vor ihnen duckte. Das spielten sie aus, weil sie sich wiederum vor dem Gebieter und jenen ducken mußten, die nach der Palastordnung über ihnen standen – und es standen eine ganze Menge über ihnen. Im Grunde waren sie kleine Leuchten im Palastbereich, aber draußen konnten sie als Tiger auftreten.

Jetzt wuchs ihre Wichtigkeit immens, weil nur abgerichtete Bluthunde in der Lage waren, Spuren der Flüchtigen aufzunehmen. Doch es war gar nicht mal so sehr die Fährte der weißen Teufel, sondern vielmehr der Geruch des fremden Hundes, der sie auf die richtige Fährte gebracht hatte.

Als ihnen der in die empfindlichen Nasen gestiegen war – auf dem Marktplatz, wo die Hinrichtung hatte stattfinden sollen –, da waren sie schier verrückt geworden. Darum hatte Akabar beschlossen, je zwei Hundeführer für ein Tier einzusetzen. Und er hatte seinen Bestien das Maul zubinden lassen – eingedenk der Order des Gebieters, die Flüchtigen lebend einzufangen. Im Notfall konnte die Maulbindung mit einem Ruck gelöst werden.

Na ja, wenn einer von den zweiunddreißig weißen Teufeln zerfleischt wurde, dann blieben immer noch einunddreißig, die man allmählich zu Tode bringen konnte. Der hohe Gebieter würde das verstehen.

So dachte Akabar, während der Rüde des Rudels ihn und seine anderen Hundeführer über den Dschungelpfad ostwärts zerrte. Die vier anderen Paare folgten dichtauf.

Sie glaubten nicht, in eine Falle zu stolpern. Und sie bedachten auch nicht, daß sie mit zehn Mann in der Minderzahl gegenüber zweiunddreißig Gegnern waren, die bereits im Verlies des Palastes gezeigt hatten, von was für einem Kaliber sie waren.

Nein, weil sie gewohnt waren, daß sich die Leute von Surat vor ihnen duckten, fühlten sie sich mächtig stark und hielten sich für unüberwindlich.

Außerdem wollten eben sie es sein, die das hohe Kopfgeld für die Ergreifung der weißen Teufel kassierten.

Eigene Machtherrlichkeit, Überschätzung ihrer Kampfkraft und Geldgier vernebelten ihnen den Verstand. Nach ihrer Meinung waren die Flüchtigen schon so gut wie gefangen. Das war nur eine Frage der Zeit.

So gerieten sie an das Flußufer der Bucht, in der die Arwenacks gerastet hatten. Und damit nahm die Jagd erst mal ein Ende. Die Schöpfung hatte versäumt, die Hunderasse mit Schnüffelnasen fürs Wasser auszustatten. Da lief gar nichts mehr.

Die Bestien zerrten hierhin und dorthin, der Rüde knurrte die Stelzwurzeln an, auf denen Philip Hasard Killigrew gesessen und die Beine ausgestreckt hatte, zwei andere orteten den Platz, an dem sich Plymmie niedergelassen hatte, hoben ein Bein und benäßten diese Stätte, und die anderen beiden schnüffelten in der Luft herum, aber die trug ihren Nasen auch nichts zu, weil ein leichter Wind flußabwärts wehte.

Akabar, ein stiernackiger Mensch mit einem schwarzen Schnauzbart, war kein schneller Denker, aber sein Verstand reichte, um zu erkennen, daß ihr Wild in den Fluß geflohen war. Zwar können Fische flußaufwärts schwimmen, aber Menschen hätte es zuviel Kraft gekostet, gegen die Strömung anzukämpfen. Insofern folgerte Akabar, daß sich ihr Wild flußabwärts gewandt hatte.

Jinnah, einer der anderen Hundeführer, dachte schneller als sein Meister und sagte: „Sie haben sich zu der Insel treiben lassen.“

„Weiß ich selbst!“ fuhr ihn Akabar an.

Auf diesen Jinnah mußte er aufpassen, der wollte gern selbst Oberhundeführer werden und neidete ihm den hohen Posten.

„Und?“ fragte Jinnah spitz. „Was willst du jetzt tun?“

„Was würdest zu denn tun?“ fragte Akabar tückisch. Er ärgerte sich, weil ihm nichts einfiel. Und schwimmen fiel ja wohl aus – er konnte es auch gar nicht. Wasser war ihm zuwider. Menschen, die sich hineinwagten oder darauf mit Booten fuhren, waren ihm ein Rätsel. Man konnte es trinken und sich damit waschen, wobei letzteres ihm gleichfalls ein Greuel war.

Jinnah grinste. Akabar war ein Großmaul, im Hirn hatte er vermutlich Hirse, und es waren allenfalls die Köter, von denen er was verstand. Sicherlich war er selbst der Sohn einer Hündin, die von einem Ziegenbock gedeckt worden war.

Ich werde, dachte Jinnah, den Sekretär des Padischahs mit dem Geld schmieren, das wir erhalten, wenn wir die weißen Teufel gefangen haben. Und da werde ich ihm sagen, daß ich es war, der diese Verfolgung in die richtigen Bahnen lenkte – weil ich denken kann! Und dann werde ich den Posten Akabars übernehmen. Das wird der Sekretär regeln. Und er wird meinen Vorschlag begrüßen, diesen Dummbart Akabar in die Kaste der Staubfeger zu überstellen.

Jinnah sagte sehr laut und sehr deutlich, damit es auch die anderen Hundeführer hörten: „Etwas oberhalb dieser Bucht stehen die Hütten der Fischer. Wir beschlagnahmen einfach ihre Boote, fahren flußabwärts zu der Insel und fangen die weißen Teufel ein. So einfach ist das!“

„Genau, das war mein Plan“, fauchte Akabar.

Jinnah zog die Augenbrauen hoch. „So? Dann hättest du das ja sagen können, als ich dich fragte, was du jetzt tun willst.“

„Hüte deine Zunge, Jinnah!“ schnappte Akabar. „Sonst könnte es passieren, daß sie dir abgeschnitten wird.“

Da wußte Jinnah, daß er einen Todfeind hatte, aber einen dummen Todfeind.

„Gut, daß du mir das sagst, Akabar“, erwiderte er kühl.

„Vorwärts!“ brüllte Akabar, wandte sich ab und kehrte mit seinem Begleiter und dem Rüden auf den Dschungelpfad zurück, der weiter nach Osten verlief. Und dort am Tapti, zehn Minuten Fußmarsch von der Bucht entfernt, lag die winzige Ansiedlung der Fischer.

Die Bestien jaulten und hechelten und empfingen Tritte und Knüffe. Sie begriffen nicht, warum man die Bucht verlassen und eine Richtung eingeschlagen hatte, die sich von dem starken Geruch des fremden Hundes und des anderen Wildes entfernte.

Sogar der Rüde, Führer des Rudels, sträubte sich, aber da schlug ihm Akabar was ans Maul, und da wußte das Tier, daß es sich zu fügen hatte.

Akabar „erzog“ seine Meute mit Zuckerbrot und Peitsche, aber mehr mit Peitsche als mit Zuckerbrot. Es befriedigte ihn, wenn er zuschlagen konnte. Und wenn er das tat, dann hatte er die Peitsche in der linken Hand, in der rechten jedoch den Fleischbatzen. Und jedes Mal, wenn sie danach schnappten, entschwand er, aber gleichzeitig fetzten die langen Riemen der Peitsche um ihre Läufe und rissen sie um. Auf diese Weise gefesselt, drosch Akabar ihnen die Pranke auf die Nasen, die so empfindlich waren. Den Fleischbatzen reichte er ihnen zum Nachtisch.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?