Perspektiven im Journalismus

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Frank Lechtenberg (Hrsg.)

Perspektiven des Journalismus

Ein Seminarband des Kurses Journalismus 2

im Sommersemester 2015

an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe


Impressum

Texte: © Copyright by Medienwerk e.V.

Umschlag: © Copyright by Katharina Nehrkorn

Verlag: Selbstverlag des Vereins Medienwerk e.V.

Am Ringofen 9

32657 Lemgo

verlag@medienwerk.tv

Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Bearbeitung: Hannah Cathrin Böker

ISBN 978-3-****-***-*

Printed in Germany, Lemgo 2016

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Herausgebers

Mobiler Journalismus

Webdoku

Redaktionsmanagement

Phänomen Landlust

Wege in den Journalismus

Die Fernsehreportage

Kriegs- und Krisenberichterstattung

Bildmanipulation im Fotojournalismus

Vorwort des Herausgebers

Neue Darstellungsformen und neue Medien existieren parallel zu den klassischen Medien wie TV, Radio oder Print. Digitale und mobile Produktionsmethoden nehmen Einfluss auf die journalistischen Inhalte und verändern die Arbeitswelt von Journalistinnen und Journalisten. Die ständige Verfügbarkeit mobiler Endgeräte sowie die Publikation im Internet haben dazu geführt, dass klassische Strukturen in der Berichterstattung sich aufgelöst haben und der Redaktionsschluss weitestgehend weggefallen ist.

Im Fach „Journalismus 2“ im Fachbereich Medienproduktion an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe richtet sich das Augenmerk auf die veränderten Gegebenheiten im Journalismus. Neben der Betrachtung klassischer Medien und ihrer Bericht-erstattungsmuster beleuchtet das Seminar auch sehr aktuelle Trends wie etwa den Bereich des Mobilen Journalismus, der inzwischen auch in großen internationalen Konferenzen wie der MoJoCon in Dublin oder bei Fernsehsendern wie der ARD seinen Niederschlag findet, wo mittlerweile flächendeckend eine MoJo-App für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeführt wurde. Gleichzeitig kann das Print-Magazin Landlust nach wie vor sehr hohe Verkaufszahlen vorweisen. Ist dies eine Frage der Zielgruppe? Produktion, Angebot und Nachfrage im Bereich werden einerseits diversifiziert, bringen dabei aber gleichzeitig Leuchtturmprojekte wie die beiden eben angesprochenen hervor.

Unter anderem aus diesen Gründen haben sich die Studierenden des Bachelorstudiengangs Medienproduktion an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe im Sommersemester 2015 gezielt mit der mobilen Berichterstattung im Hörfunk, dem Bereich Webdoku oder auch dem Phänomen des Printmagazins Landlust beschäftigt. Dabei haben sie im Semesterverlauf neben Fachvorträgen und selbst entwickelten Workshops erste eigene wissenschaftliche Artikel verfasst, von denen eine Auswahl Eingang in diesen Seminarband gefunden hat. Die einzelnen Beiträge spiegeln sowohl unterschiedliche Erfahrungen der Studierenden als auch unterschiedliche Herangehensweisen an die bearbeiteten Themen wider. Gleichzeitig sind sie eine Momentaufnahme in Zeiten der ständig voranschreitenden Medienkonvergenz.

„Perspektiven im Journalismus“ folgt dabei keiner chronologischen Agenda, sondern versucht anhand konkreter Themenfelder, sowohl die Darstellungsformen und Berichterstattungsmuster als auch den Journalistenberuf in einzelnen, ausgewählten Facetten zu beleuchten. Daher erhebt dieser Band zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit, bietet aber einen Einblick in Teilbereiche, die vielleicht in anderen Veröffentlichungen etwas zu kurz kommen.

Frank Lechtenberg

Mobiler Journalismus

Am Beispiel des Hörfunkjournalismus


Lena Werner

Einführung

Um den Beginn des mobilen Journalismus zeitlich bestimmen zu können, muss zunächst geklärt sein, worum es sich dabei überhaupt konkret handelt.

Denn mobil waren Journalisten eigentlich schon fast immer. Der Begriff „mobiler Journalismus“ beschreibt aber ganz konkret die Erstellung journalistischer Beiträge mit Hilfe eines Smartphones (vgl. Bösch 2012a). Somit beginnt mobiler Journalismus genau da, wo ein Foto, eine Audiodatei, ein Text oder ein Video mit dem Smartphone aufgenommen und veröffentlicht wird.

Für den australischen Journalismusdozenten Stephen Quinn ist klar, dass die Geburtsstunde des mobilen Journalismus auf den 17. Januar 2004 festgelegt werden kann. Dies ist exakt der Tag, an dem die New York Times zum ersten Mal ein Handyfoto auf ihrer Titelseite abgedruckt hat (vgl. Bösch 2012b: 6).

Elf Jahre später begibt sich der Bild-Reporter Paul Ronzheimer von der griechischen Insel Kos mit einer Gruppe syrischer Flüchtlinge auf den beschwerlichen Weg nach Deutschland. Die dabei entstandenen Aufnahmen werden in Echtzeit auf der Online-Plattform „Periscope“ live übertragen. Und selbstverständlich wurden auch sie mit einem Smartphone erstellt (vgl. Bild Online o.V. 2015).

Mittlerweile hat der mobile Journalismus jedoch in alle Medien Einzug gehalten. Wo vor fünf bis zehn Jahren noch ein Übertragungswagen voller Equipment und einem Kabel von der deutschen Post aus eingesetzt werden musste, um den Beitrag live im Radio übertragen zu können, ist dies mittlerweile schon mit Hilfe einer einfachen App möglich (vgl. Buhrdorf 2015).

Auf der Online-Seite des Deutschlandfunks heißt es noch 2015:

Beim Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in Hamburg spaltet der Versuch einer neuen Digitalstrategie das Haus und kostete Chefredakteure den Job. Die Entscheidung bei der "Süddeutschen Zeitung", den Leiter der Onlineredaktion zum Mitglied der Chefredaktion zu machen, löste im Frühjahr 2014 Irritation in der Branche aus. (Matzen/Rosenberg 2015)

Auch Marcus Bösch ist der Ansicht, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema „mobiler Journalismus“ noch nicht auf dem neuesten Stand sei, obwohl zum Beispiel in Afrika die niederländische Organisation „Voices of Africa“ schon seit 2006 Smartphones einsetzt, damit die Einheimischen über ihre Heimatregion berichten können (vgl. Bösch 2012b: 7).

Annika Krooß, eine freie Mitarbeiterin des WDR, äußert im Interview die Einschätzung, dass wir uns schon mitten im mobilen Journalismus befinden. Für den Leiter des WDR-Studios Detmold, Jens-Olaf Buhrdorf, stehen wir dagegen erst am Anfang (vgl. Krooß 2016; Buhrdorf 2015). Die Meinungen gehen hier, wie auch sonst überall, auseinander, wobei dies natürlich auch eine Frage der Interpretation ist. Fakt ist, dass mobiler Journalismus bereits stattfindet, und zwar sowohl im Internet als auch in den altbekannten Medien.

Im Folgenden werde ich mich zunächst damit auseinandersetzen, wie mobiler Journalismus allgemein funktioniert und wie er von den Medien eingesetzt wird. In Bezug auf den Hörfunkjournalismus werde ich dies anschließend an dem Beispiel der Multimedialen Produktions-App (MuPro) der ARD{1} konkretisieren. Des Weiteren werde ich auf verschiedene Möglichkeiten eingehen, mit dem Smartphone Audioaufnahmen zu erstellen und zu bearbeiten. Abschließend gebe ich einen Gesamtüberblick über den jetzigen Standpunkt des mobilen Journalismus und einen Ausblick auf die weitere Entwicklung.

Wie funktioniert mobiler Journalismus?

Mobiler Journalismus klingt zunächst einmal so, als bräuchte man außer seinem Smartphone eigentlich nichts Weiteres dafür. Marcus Bösch beschreibt in seinem interaktiven iPad-Buch jedoch anschaulich, dass man als Journalist immer einen Plan haben müsse und die Qualität des Journalismus auf keinen Fall unter der Benutzung des Smartphones leiden dürfe (vgl. Bösch 2012b: 13).

Denn auch bei mobilem Journalismus muss im Vorhinein genau geklärt sein, was man eigentlich mit seinen Aufnahmen erreichen möchte und wie die Umstände konkret beschaffen sind, in denen man diese Aufnahmen schlussendlich durchführt.

Zu diesem Zweck hat Bösch in seinem Buch den sogenannten MoJo-Plan (Mobiler Journalisten-Plan) aufgestellt, der auf die verschiedenen Hürden aufmerksam machen soll. Dieser Plan umfasst Fragen nach dem Auftraggeber, der Uhrzeit, dem Mobilfunknetz und allen anderen vorbereitenden Maßnahmen, die vor jeder journalistischen Tätigkeit üblich sind (vgl. Bösch 2012: 12).

 

Ein Smartphone ist zwar deutlich schneller aus der Tasche geholt als übliche Aufnahmegeräte, es ist leichter, handlicher, unauffälliger und bietet viele weitere Vorteile. Doch durch Apps und Gadgets kann die Qualität der Aufnahme stark beeinflusst werden.

Richard Koci Hernandez hat mit seinen Studenten der UC Berkeley Graduate School of Journalism einen Field Guide erstellt, der dem Nutzer einen umfassenden Überblick über sämtliche Smartphone-Zusätze für journalistische Tätigkeiten verschafft. Dort werden zum Beispiel Kamera-Apps wie „Camera Awesome“, „Photo-shop Express“ und „Filterstorm“, aber auch Audio-Apps wie „Hindenburg“ und „iRig“ erläutert. Des Weiteren werden verschiedene Stative, Lichter und Aufsetzlinsen vorgestellt, die von den Verfassern als besonders gut empfunden wurden (vgl. Koci Hernandez/Rue 2012: 2).

Dieser Field-Guide stammt jedoch bereits aus dem Jahre 2012, und die Entwicklungen schreiten rasant voran. Obwohl die meisten der Apps und Gadgets wohl immer noch aktuell sind, muss man sich als engagierter Reporter immer wieder auf den neuesten Stand der Technik bringen. Hier empfiehlt es sich, Online-Seiten wie zum Beispiel www.mobile-journalism.com zu verfolgen, auf denen immer wieder die aktuellsten technischen Neuerungen vorgestellt werden.

Doch es geht nicht nur um die perfekte audiovisuelle Aufnahme. Auch Beiträge zu schreiben, ist mit dem Smartphone möglich. Ob via E-Mail oder per CMS Wordpress – es ist heutzutage leichter, mit dem Smartphone Texte zu verfassen, als jemals zuvor. Das Smartphone kann auch als Schnittstelle zwischen Beiträgen und Zuschauern/Zuhörern dienen. So können Reporter auch Social-Media-Dienste wie Twitter und Facebook auf dem Smartphone nutzen, um mit Menschen in Kontakt zu treten und live von Events zu „twittern“ (vgl. Bösch 2012b:19).

Dass man sich beim mobilen Journalismus einen Plan machen muss und eine gute Vorbereitung und Planung hier genauso wichtig ist wie beim herkömmlichen Journalismus, sollte aus den vorangehenden Ausführungen klar geworden sein. In welchen Bereichen und bei welchen Themen die Smartphones zurzeit zum Einsatz kommen, ist die nächste Fragestellung.

Schon 2009 berichtet der Freelance-Journalist Guy Degen von einer Demonstration in Tiflis live via Smartphone. Er war zu diesem Zeitpunkt eigentlich unterwegs, um eine Reportage über Minenfelder zu drehen, als er von der Redaktion des DW-TV kontaktiert wurde, um die Demonstration im englischen Fernsehprogramm und auf der Deutschen Welle zu übertragen (vgl. Bösch 2012b: 4).

Jens-Olaf Buhrdorf berichtet im Interview von einem BBC-Kollegen, der eine Demonstration vor einer großen chinesischen Zeitung live im Internet publiziert habe, ohne dass die chinesische Polizei ihn davon abgehalten habe (vgl. Buhrdorf 2015).

Die Frankfurter Allgemeine veröffentlicht auf ihrer Internetseite Handyfotos vom Kölner Domplatz, die am Silvesterabend 2015 geschossen wurden. Darauf sind explodierende Feuerwerkskörper und eine große Gruppe junger Männer zu erkennen (vgl. Böhm 2015). Im Verlauf der nächsten Tage wurden die Übergriffe auf eine große Anzahl an Frauen, die am damaligen Abend stattfanden, von sämtlichen deutschen sowie internationalen Medien intensiv diskutiert.

Flüchtlinge werden auf dem Weg von Griechenland nach Deutschland mit dem Smartphone begleitet, und in Afrika bekommen Einheimische die Chance, ihren Alltag aufzuzeichnen. Hier lässt sich wohl ein eindeutiger Trend feststellen. Smartphones werden zurzeit vor allem dazu genutzt, Krisensituationen festzuhalten und mit der Öffentlichkeit zu teilen. In solchen Situationen wäre ein großes Equipment zu auffällig, zu schwer, zu teuer oder könnte schlicht nicht mehr rechtzeitig beschafft werden.

Annika Krooß betrachtet Smartphones auch für das Lokalgeschäft des WDR{2} als eine gute Ergänzung zum Alltagsgeschäft. Sie war die Erste, die die neue Multimediale Produktions-App für die gesamte ARD im August 2015 ausprobiert hat (vgl. Krooß 2016).

Im Folgenden werde ich diese App, auch kurz MuPro genannt, ausführlicher vorstellen. Hierzu habe ich sowohl mit Annika Krooß als auch mit Jens-Olaf Buhrdorf Interviews geführt. Die MuPro wurde von der ARD entwickelt und kann von allen dazugehörigen öffentlichen Rundfunkanstalten und Reportern genutzt werden.

Multimediale Produktions-App

Die MuPro wurde für alle Reporter der ARD-Hörfunkanstalten entwickelt, um ein besonders schnelles Aufnehmen zu ermöglichen. Sie ist sowohl für das Betriebssystem iOS von Apple als auch für Android verfügbar (vgl. Buhrdorf 2015).

Die Funktionsweise

Die MuPro ähnelt von der Oberfläche her sehr stark der Broadcasting-App „Luci Live“.


Luci Live-App

Bei der MuPro gibt es zwei Schieberegler. Mit dem ersten wird die Lautstärke des Kopfhörers geregelt und mit dem zweiten die Lautstärke, beziehungsweise der Pegel, des Mikrofons. Des Weiteren befinden sich dort vier Buttons: Ein Playbutton, ein Stoppbutton, ein Aufnahmebutton und eine kleine Antenne (vgl. Buhrdorf 2015).

Zum einen ermöglicht es die App, Originaltöne (O-Töne) mit der App aufzuzeichnen, um sie dann später am Computer zu bearbeiten. Die hauptsächliche Funktion der MuPro ist es jedoch, damit live auf Sendung zu gehen. Via mobiles Internet kann durch die App eine sogenannte Live-Schalte direkt ins Radio erzeugt werden. Hierzu war bis vor wenigen Jahren noch ein großer Übertragungswagen mit entsprechendem Techniker nötig (vgl. Buhrdorf 2015).

Die Voraussetzung für eine solche Live-Schalte ist allerdings ein guter Funknetzempfang. Um eine wirklich einwandfreie Übertragung gewährleisten zu können, ist mindestens ein 3G-Empfang erforderlich. Dies stellt vor allem in ländlicheren Gegenden, wo das Funknetz weniger gut ausgebaut ist, häufig eine Schwierigkeit dar. Mittlerweile gibt es jedoch Apps, die anzeigen, wo der Netzempfang gut genug ist (vgl. Buhrdorf 2015).

Bei iOS kann die Field-Test-App durch einen Trick aufgerufen werden. Hierzu gibt man über den Zifferblock einfach „*3001#12345#*“ ein und drückt auf den grünen Anrufbutton. Dadurch wird die App aufgerufen und zeigt nun den konkreten Dezibel-Wert der Netzstärke an. Die Skala befindet sich etwa zwischen -40 dB und -120 dB, wobei -40dB einen sehr guten Netzempfang bedeutet und -120 dB einen nahezu nicht vorhandenen Empfang (vgl. Miller 2015).

Zusätzlich gibt es auch Apps, die man sich herunterladen kann, um die Netzstärke zu überprüfen. Die Online-Plattform www.chip.de hat zum Beispiel eine App namens „CHIP Netztest“ entwickelt, die man sich umsonst für sein Android-Smartphone herunterladen kann.

Der WDR stellt die MuPro auf einem iPhone 6s Plus mit einem dazugehörigen Mikrofon ständig bereit. Dabei handelt es sich um eine komplette Aufnahmeeinheit, die somit ohne weiteres Equipment einsetzbar ist. Zudem finden auch Schulungen für die Reporter statt. Es gibt jedoch Unterschiede in der Bedienung zwischen Android und iOS, welche hier bedacht werden müssen (vgl. Buhrdorf 2015).

Wobei es sich meinem Eindruck nach immer mehr herausstellt, dass iOS da ziemlich die Nase vorn hat. (Buhrdorf 2015)

Im August 2015 wurde die MuPro-App von Annika Krooß bei einer Reportage über den „Ötzi-Walk“ in Detmold zum ersten Mal getestet.

Die Praxis

Beim Ötzi-Walk handelte es sich um ein Reiseexperiment des LVR-Landesmuseums Bonn, bei dem zwei Männer und eine Frau in Steinzeitkleidung vom Lippischen Landesmuseum Detmold über Herne zum Landesmuseum Bonn wanderten (vgl. Müller 2015).

Auf ihrem Weg schliefen die drei Teilnehmer nur in natürlichen Unterschlüpfen und nahmen ausschließlich Nahrung zu sich, die sie selbst aus der Natur gewannen. Im Landesmuseum Detmold gab es eine große Eröffnungsfeier, bei der viele Gäste anwesend waren. Annika Krooß interviewte hierzu im Landesmuseum einige der Teilnehmer – einen offiziellen Vertreter und ein Besucherpaar –, und das Interview wurde live vom WDR 5 übertragen (vgl. Krooß 2016).

Darin erzählt sie, dass ihr eigens zur ersten Benutzung der MuPro-App ein Techniker zur Seite gestellt worden sei. Da die App jedoch sehr leicht zu bedienen ist, brauchte dieser lediglich dafür zu sorgen, dass alles reibungslos verlief, und Krooß nahm alle Einstellungen selbstständig vor. Da sie jedoch befürchtete, das Smartphone aus Versehen auszuschalten oder zu verstellen, wurde es für diesen Ersteinsatz auf einem Tisch platziert (vgl. Krooß 2016).

Die Umstände für die Erstbenutzung der App waren für Krooß sehr günstig. Oft seien Reporter nicht in der Lage, ihre Interviewpartner an einen Tisch zu setzen, und müssten daher zwischen ihnen hin- und herlaufen. Dies sei allerdings mit einem Smartphone in der Hand, einem Mikrofon und vielleicht noch zusätzlichen Notizen sehr umständlich (vgl. Krooß 2016).

Jens-Olaf Buhrdorf sieht die grundsätzlich einfache Einsatzweise der MuPro-App als großen Vorteil an (vgl. Buhrdorf 2015). Dank der App genügt es, wenn ein einzelner Reporter damit unterwegs ist; ein großes Technikteam wird nicht mehr benötigt. Dies kann für den Reporter jedoch auch zum Nachteil werden. Herkömmliche Übertragungsmittel ermöglichten es ihm, sich ausschließlich auf die Inhalte seines Beitrags zu konzentrieren. Nun muss er jedoch die Technik selbst verstehen und einsetzen können. Selbstverständlich sind viele Reporter dazu in der Lage, Ton selbst aufzunehmen und zu schneiden; da jedoch die Entwicklung rasant verläuft, müssen sie sich sehr häufig auf neue Bedienungsweisen umstellen (vgl. Krooß 2016).

Sowohl Jens-Olaf Buhrdorf als auch Annika Krooß betrachten die MuPro-App als gute Ergänzung für den alltäglichen Bedarf (vgl. Buhrdorf 2015; Krooß 2016). Viele Reporter besitzen jedoch gute Aufnahmegeräte, mit denen sie teilweise schon sehr lange und daher auch lieber arbeiten. Es kommt auch eher selten vor, dass im Tagesgeschäft ein Ereignis den Reporter zwingt, sofort von zu Hause aus dorthin zu fahren. In den meisten Fällen besteht die Möglichkeit, die Sprachaufzeichnungen im Studio zu erstellen und zu schneiden. Die Bedienung des Schnittprogramms ist am Computer deutlich einfacher (vgl. Krooß 2016).

Somit wird die MuPro in der Regel nicht zur reinen Aufzeichnung von O-Tönen verwendet (vgl. Krooß 2016). In der App zu schneiden, ist zwar möglich, aber aufgrund der relativ kleinen Oberfläche nicht besonders komfortabel (vgl. Buhrdorf 2015). Die Methode, Live-Übertragungen über das Internet zu tätigen, setzt sich jedoch schon seit Jahren durch, ob über den Laptop oder, nun deutlich einfacher, über eine Smartphone-App (vgl. Krooß 2016). Dies ist ohne Übertragungswagen deutlich unkomplizierter, und zudem minimiert sich der Personalaufwand für die Funkanstalten immens.

Testaufnahmen mit verschiedenen Smartphones

Die Broadcasting-App Luci Live, die mit der MuPro fast identisch ist, kann von jedermann zu einem entsprechenden Preis aus dem Netz heruntergeladen werden. Für zurzeit ca. 250 Euro erhält man eine Vollversion der App, mit der man aufnehmen, schneiden und live auf Sendung gehen kann. Des Weiteren gibt es eine „Lite“-Variante für ca. 22 Euro, mit der man ausschließlich live auf Sendung gehen kann (vgl. www.luci.eu 30.01.2016).

Bisher bin ich fast ausschließlich auf die Live-Übertragungsmöglichkeiten mit einem Smartphone eingegangen, obwohl sowohl die MuPro-App als auch Luci Live eine Aufnahme- und Schnittfunktion besitzen. Es gibt auch Apps, die sich ausschließlich auf diese Funktionen konzentrieren. In einem Kurz-Workshop mit Studenten des Fachs „Journalismus 2“ der Hochschule Ostwestfalen-Lippe habe ich zwei dieser Apps einem Praxistest unterzogen.

Um die Funktionsweise und Qualität möglichst gut bewerten zu können, wurden auch Aufnahmen mit einem professionellen Mikrofon und der einfachen Diktierfunktion eines Smartphones getätigt. Es wurden fünf Kleingruppen gebildet, die jeweils Audioaufnahmen unter verschiedenen Bedingungen machten.

Testgruppe 1: „ASR“ –App auf einem Samsung Galaxy Note 2

Testgruppe 2: Yellowtec iXm Recording Mikrofon

Testgruppe 3: Diktierfunktion eines Galaxy S5 mini

Testgruppe 4: Hindenburg Field Recorder Lite mit iPhone 5s

 

Testgruppe 5: Hindenburg Field Recorder Lite mit iPhone 5s und einem iRig-Zusatzmikrofon

Bei der ASR-App handelt es sich um eine einfache Sprachaufnahme-App, die kostenlos über den Google-Play-Store heruntergeladen wurde. Der Hindenburg Field Recorder Lite kann über den App-Store ebenfalls umsonst heruntergeladen werden. Als Vollversion ist der Hindenburg Field Recorder für ca. 30 Euro im App-Store erhältlich. Mit beiden Versionen können die Audiodateien auch in der App geschnitten und bearbeitet werden. Die „Lite“-Version hat eine kleinere Auswahl an Codecs und Funktionen. Des Weiteren ist die maximale Aufnahmelänge am Stück hier auf eine Minute begrenzt.

Testgruppe 1 bis 3 tätigten die Audioaufnahmen mit dem Smartphone oder Mikrofon und schnitten sie anschließend am Computer, ohne die Qualität zu verändern. Testgruppe 4 und 5 schnitten ihr Audiomaterial in der Hindenburg-App. Anschließend wurden alle Gruppen dazu aufgefordert, sowohl die Qualität der Audioaufnahmen als auch den Workflow{3} zu bewerten.

Testgruppe 1 beschrieb ihre Aufnahmen als nicht sendefähig. Die Qualität war hier fast noch schlechter als mit der einfachen Diktierfunktion des Smartphones. Zudem war der Workflow bei dieser Testgruppe am kompliziertesten. Die Aufnahmen wurden von der ASR-App im „ogg“-Format gespeichert, das das Schnittprogramm „Logic“ wiederum nicht lesen konnte. Daher mussten die Dateien zuerst konvertiert werden, was den Arbeitsablauf deutlich verlängerte.

Testgruppe 2 befand die Qualität des Yellowtec-Mikrofons für sehr gut. Eine SD-Karte, auf der die Aufnahmen automatisch gespeichert werden, ist hier direkt im Mikrofon untergebracht. Dies machte den Workflow äußerst simpel. Das Mikrofon ist sehr gut auf den Sprecher gerichtet und blendet Hintergrundgeräusche weitestgehend aus.

Die Aufnahmen von Testgruppe 3 wurden ebenfalls als sendefähig bewertet. Das Schneiden im Hindenburg Field Recorder Lite wurde als grundsätzlich einfach empfunden, aufgrund des kleinen Bildschirm jedoch als etwas umständlich. Des Weiteren wurde der hohe Akkuverbrauch der App bemängelt.

Testgruppe 4 befand die Aufnahme mit der Diktierfunktion für sehr einfach und simpel. Die Audiodateien mussten nach der Aufnahme lediglich auf den Computer übertragen werden und konnten anschließend auf herkömmliche Weise bearbeitet werden. Die Möglichkeiten der Aussteuerung wurden jedoch bemängelt. Die Qualität der Aufnahmen war durchaus sendefähig, variierte jedoch je nach Aufnahmeort und Lautstärke der Hintergrundgeräusche stark.

Testgruppe 5 hatte fast identische Voraussetzungen wie Testgruppe 3. Hier wurde lediglich ein iRig-Mikrofon an das Smartphone angeschlossen, wodurch die Qualität der Aufnahmen grundsätzlich als hochwertiger empfunden wurde. Allerdings wird ein Windschutz benötigt. Ohne den Windschutz waren vor allem Atemgeräusche und harte Konsonanten stark verzerrt.

Anschließend wurden die Aufnahmen in einer Vorlesung des Fachs „Journalismus 1“ vorgespielt, um die Qualität neutral bewerten zu können. In dem Raum befanden sich ca. 50 Studenten, und die Aufnahmen wurden ihnen vorgespielt, ohne vorher zu erwähnen, mit welchem Gerät welche Aufnahme getätigt worden war. Im Anschluss erfolgte eine Live-Umfrage zur Bewertung.

Die hier erfolgte Umfrage stellt lediglich eine Stichprobe dar und hält Umfragestandards nicht stand. Sie soll eine grobe Einschätzung der Aufzeichnungsqualität durch Dritte ermöglichen. Die Studenten wurden gefragt, welche Aufnahme sie am hochwertigsten fanden.

Testgruppe 1 2%

Testgruppe 2 47%

Testgruppe 3 23%

Testgruppe 4 45%

Testgruppe 5 4%

Umfrage vom 04.01.2016 im Kurs Journalismus 1 des Fachbereich 2 der Hochschule Ostwestfalen-Lippe

In der Umfrage entsprechen Aufnahme 1 bis 5 auch den Testgruppen 1 bis 5. Es lässt sich deutlich erkennen, dass die Aufnahmen mit dem Yellowtec-Mikrofon und die Diktierfunktion des Samsung Galaxy S5 mini am besten abgeschnitten haben. Auch die Aufnahmen mit dem Hindenburg Field Recorder Lite wurden von 23% als beste Aufnahme gewählt.

In diesem Zusammenhang muss allerdings angemerkt werden, dass die Aufnahmequalität der Smartphones sehr verschieden war, was einen besonders großen Einfluss auf die Qualität hatte. Bei Testgruppe 5 gab es, wie schon erwähnt, aufgrund des fehlenden Windschutzes sehr störende Geräusche, wodurch die Bewertung stark beeinflusst wurde.

Allgemein kann hier jedoch festgestellt werden, dass mit einem entsprechend guten Smartphone auch qualitativ hochwertige Aufnahmen erstellt werden können, die für den Sendebetrieb einsatzfähig sind. Der Schnitt ist auf dem Smartphone zwar etwas umständlich, kann jedoch durch das entsprechend zugehörige Schnittprogramm auf dem Computer leicht ergänzt werden.