Kebab zum Bankgeheimnis

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Kebab zum Bankgeheimnis
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Yusuf Yeşilöz

Kebab zum

Bankgeheimnis

Geschichten von west-östlichen Begegnungen



Yusuf Yeşilöz, geboren 1964 in einem kurdischen Dorf in Mittelanatolien, kam 1987 als Flüchtling in die Schweiz. Heute lebt er mit seiner Familie in Winterthur und arbeitet als freier Autor, Übersetzer und Filmemacher. 2007 Preis der Kulturstiftung Winterthur. Er veröffentlichte acht Bücher, zuletzt «Hochzeitsflug», «Lied aus der Ferne» und «Gegen die Flut».

www.yesiloz.ch

Inhalt

Geschichten wie im richtigen Leben

Erstmals in: Züritipp, 22.6.2001

Modernes Leben | Über eine «ekstatische» Zeitschrift

Erstmals in: WochenZeitung, 17.5.2012

«Rechnunglar icin» | Integrieren im Fachhandel

Erstmals in: WochenZeitung, 5.5.2011

DönerBox yiyecegiz | Die Wette am Gymnasium

Erstmals in: WochenZeitung, 14.6.2012

Wohnung zu vermieten | Von Schweizer Tugenden

Erstmals in: Zeitschrift «Wendekreis», Nr. 8–9, 2011

Mit Scharf zum do ässe | Über ein Kebabgeschäft mit Namen Bankgeheimnis

Erstmals in: WochenZeitung, 10.2.2011

Hahnenantwort | Kalo reist über die Grenze

Erstmals in: Züritipp (Tages-Anzeiger), 1.4.2002

Schweizer Qualität | Über «Füdli» und andere touristische Attraktionen

Erstmals in: WochenZeitung, 23.2.2012

Der Lieblingsbundesrat | Unfreiwillig zum Politologen werden

Erstmals in: WochenZeitung, 26.1.2012

Mit Uelis Augen | Über einen Sorgensammler

Erstmals in: WochenZeitung, 1.9.2011

Hühner-Integrations-Anlage | Über die Migration eines Wortes

Erstmals in: Züritipp, 25.5.2001

«Die Huere finden überall ein Loch» | Meine Reise im Grenzkorps

Erstmals in: Der Bund, 15.3.2005

Wahljahr | Was meine Grossmutter dazu sagen würde

Erstmals in: WochenZeitung, 2.6.2011

Schweizer Tugenden | Über einen globalen Exportschlager

Erstmals in: WochenZeitung, 22.12.2011

Aufklärung | Wie man mit Wohlstand die Umwelt rettet

Erstmals in: WochenZeitung, 30.6.2011

Etwa der Fifa-Blatter? | Über die Frage, wer eine grosse Persönlichkeit sei

Erstmals in: WochenZeitung, 24.11.2011

Lesen in Achtungsstellung | Über den Unterhaltungswert der Armee

Erstmals in: WochenZeitung, 9.12.2010

Tausendundein Gesicht | Über späte Einsichten beim Tschutten

Erstmals in: WochenZeitung, 12.4.2012

Offroader auf vier Beinen | Über die Vorlieben von Wüstenscheichs

Erstmals in: WochenZeitung, 22.3.2012

Der Kulturinteressierte | Wie mein Landsmann Ferhad beinahe eine Lesung besuchte

Unveröffentlicht

«Hoi, Ernscht!» | Kalo und das Gedächtnis des Grenzbeamten

Erstmals in: Züritipp, 4.1.2002

Absurde Wählerinnen | Über Nacktwandern

Erstmals in: WochenZeitung, 27.10.2011

Ein Missverständnis, das Glück brachte | Wie ich zum Wahrsager wurde

Unveröffentlicht

Eine steile Karriere | Über meine Unterhose, die in Toni Brunners Haus gewaschen wurde

Erstmals in: WochenZeitung, 22.9.2011

Der belesene Politiker | Über eine Politbegegnung im Zug

Erstmals in: WochenZeitung, 7.4.2011

Der Beduine hatte Geld | Über die Beziehungen Europas zu Arabien

Erstmals in: WochenZeitung, 10.3.2011

Ein heikles Thema | Über grosse Eier und Glarner Politiker

Erstmals in: WochenZeitung, 9.12.2010

Der Haarzopf der Prinzessin | Prüfung für Einbürgerungswillige

Erstmals in: WochenZeitung, 16.9.2010

In den iranischen Kerker! | Über anatolische Dorfbewohner, bärtige Schweizer und eine Weinkönigin

Erstmals in: WochenZeitung, 14.10.2010

Alte Geschichten | Kalo reist ins Dorf

Erstmals in: Züritipp, 26.7.2002

Dafür das Glück in der Liebe? | Über die Ausschaffungsinitiative

Erstmals in: WochenZeitung, 11.11.2010

«Grüezi, Herr Migrant!» | Die überfremdete Kolumne

Erstmals in: Züritipp (Tages-Anzeiger), 17.1.2003

Die Akzeptanz motiviert | Einige Bemerkungen zur Einbürgerungspraxis

Erstmals in: Tages-Anzeiger, 16.10.2000

Handschuhe für Afrika | Über ein Hilfsprojekt

Erstmals in: Züritipp, 20.7.2001

Schwalben | Über die Sehnsucht

Erstmals in: Züritipp, 27.4.2001

Ein kleiner Wunsch zum Opferfest | Ein altes Ritual in modernen Zeiten

Unveröffentlicht

Frei wie ein Geier | Wie ich der Freiheit das erste Mal begegnete

Erstmals in: Zeitschrift «Vielfalt» (heute «Voice») der Gesellschaft für bedrohte Völker, Nr. 60, September 2006

Alle unter einem Dach | Eine Überlegung zur Demokratie

Erstmals in: Züritipp, 17.8.2001

Franz, Rita und Ernscht | Wie mir von Sans-Papiers träumte

Erstmals in: Züritipp, 5.4.2002

Die Nachweise geben das Datum der Erstveröffentlichung wieder, für die Buchausgabe wurden die Beiträge überarbeitet.

Geschichten wie im richtigen Leben

Bis heute bin ich auf keinen Emigranten gestossen, der die Fremde nicht beklagt hätte. Das ist nicht nur in der Schweiz so.

Einmal sagte ein Nachbar meiner Eltern, der sich einige Jahre nach den anderen Landsleuten im Dorf angesiedelt hatte, dass er als Fremder gesehen würde selbst dann, wenn er auf den höchsten Punkt des Minaretts steigen und vierzigmal wiederholen würde, er sei ein Einheimischer.

So gesehen könnte man die Begegnungen mit dem Fremdsein mit einem Kaktus vergleichen. Man sollte ihn auf dem Nachhauseweg so zu halten wissen, dass er einen nicht sticht, bevor er blüht. Bis heute erzähle ich meistens von der schöneren Seite dieser Pflanze. Die schmerzlichen folgen vielleicht später.

Einmal sass ich in Winterthur in einem Café. Um diese spätere Vormittagszeit würden hier nur Pensionierte und Arbeitslose Kaffee trinken und dabei selten mit Noten bezahlen, sagte mir einmal die Serviererin und fragte mich, von welcher Sorte ich sei. Während ich nun also die Tageszeitungen durchblätterte, merkte ich, dass ein gut aussehender, älterer Mann mich unaufhörlich beobachtete. Weder er noch ich konnten uns wirklich auf unsere Zei tungen konzentrieren. Kurz darauf fragte er mich in vier Sprachen – Englisch, Spanisch, Französisch, sogar Serbokroatisch –, nicht aber auf Deutsch, woher ich komme. Ich, an diesem Tag gut gelaunt, entgegnete spontan, dass ich Tessiner sei.

 

Der Mann prüfte mich mit strengem Blick. Schliesslich richtete er seine Hand gegen mich.

«Nein», sagte er auf Deutsch, «Sie sehen gar nicht so aus!»

«Doch, doch. Ich komme aus dem Tessin. Ich bin ein Neffe von Franco Cavalli», gab ich gelassen zur Antwort.

Er staunte. Dann sprach er zum Nebentisch, an dem drei Frauen sassen: «Wer isch de scho wider gsi?»

«Das ist der Arzt, der seinen Lohn mit dem Spital teilt!», klärten ihn die Frauen auf.

Der Mann war einen Moment lang stumm. Dann, mich anstarrend, verkündete er mit lauter Stimme: «Hochachtung! Hochachtung!»

Er las weiter in seiner Zeitung und ich in meiner.

Ohne mein «fremdes» Aussehen in diesem Café hätte ich diese Geschichte wie viele andere wohl verpasst. Einige davon möchte ich hier erzählen.

Modernes Leben

Über eine «ekstatische» Zeitschrift

Die folgende Geschichte trug ich längere Zeit mit mir herum, und als ich dann von der jungen Frau träumte, die sie mir anvertraut hatte, entschloss ich mich, sie aufzuschreiben.

Nennen wir die junge Frau Ayla. Sie ging in einer aargauischen Kleinstadt zur Schule, und in jenem Sommer freute sie sich über den Beginn der Sommerferien. Am letzten Schultag kam ihre Busenfreundin Nadia nicht mehr zur Schule, weil sie schon in den Urlaub gefahren war.

Ayla hatte nicht nur das Mathebuch der Freundin in ihrem Schulsack, sondern auch ihre Schminktasche und eine Aufklärungszeitschrift für Mädchen. Ayla rief Nadia aufs Handy an, um zu fragen, wo sie ihre Sachen deponieren solle. Nadia lag schon am Strand und liess Ayla durch das Telefon das Meeresplätschern hören. Dieser blieb nichts anderes übrig, als auch die Zeitschrift nach Hause mitzunehmen.

Zu Hause musste Ayla ihren Koffer packen für die jährliche Reise ins anatolische Dorf in der Türkei. Sie warf alle wichtigen Sachen in den Koffer, darunter unzählige Geschenke für die vielen Cousinen. Mit Mühe und Not schloss sie ihr übervolles Gepäckstück, während ihr Vater daneben stand und das Reglement der Fluggesellschaft so gewissenhaft vorlas, als würde er aus den heiligen Schriften rezitieren: «Jeder Passagier darf nur zwanzig Kilo Reisegepäck mitnehmen!» Er hob Aylas Koffer in die Luft und seufzte: «Tochter, das sind mindestens dreissig Kilo!»

Ayla musste ihren Koffer um zehn Kilo erleichtern. Aber wie sollte sie das bewerkstelligen? Sie hatte ja nur Wichtiges eingepackt.

Der über den Koffer gebeugte Vater beäugte alles, was da wieder zum Vorschein kam, mit kritischer Miene. Plötzlich – «schnell wie ein Adler», wie Ayla sagte – griff er zu und schnappte sich die Zeitschrift, auf deren Frontseite zwei sich auf die Lippen küssende Teenager im Alter von Ayla abgebildet waren.

«Was ist denn das? Welche unverschämte Person liest sowas?», fragte er laut und vorwurfsvoll, als hätte Ayla Drogen in ihren Koffer gepackt.

Ayla sagte mit zitternder Stimme, dass diese Zeitschrift Nadia gehöre.

Der Vater war beruhigt. Es war zum Glück nicht seine gut erzogene Tochter, die ihr Taschengeld «für so etwas Ekstatisches» ausgab. Er wickelte die Zeitschrift zuerst mit spitzen Fingern in ein Papier ein und steckte sie so in eine Plastiktüte. Er fuhr zu Nadias Eltern, wo er das gefährliche Presseerzeugnis in den Briefkasten warf.

Die Ankunft der Familie im anatolischen Heimatdorf war wie immer mit schönen Begegnungen verbunden. Nach der Begrüssungszeremonie, bei der die Tränen des Wiedersehensglücks flossen, wurde Ayla von ihrer Cousine, die ungefähr gleich alt war, in ihr Zimmer eingeladen. In diesem Zimmer war inzwischen eine kleine Bibliothek eingerichtet worden, und zu Aylas Überraschung lagen da auch mehrere türkische Versionen jener Zeitschrift, die Aylas Vater im aargauischen Städtchen als «ekstatisch» bezeichnet hatte.

Diesmal war es Ayla, die aufgeregt war. Sie empfahl ihrer Cousine, die Zeitschriften so schnell wie möglich zu verstecken, bevor ihr Vater diese Gefahr entdeckte. Die Cousine konnte die Angst Aylas überhaupt nicht verstehen. Es war ihr Vater, der die Zeitschriften in der Kreisstadt für sie kaufte, wenn er jeweils donnerstags auf den Markt ging.

Da erinnerte sich Ayla, dass ihr Vater seinen jüngeren Bruder, der im Dorf geblieben war, einmal als einen bezeichnet hatte, der das moderne Leben nicht kannte, weil er nie weit gereist war.

«Rechnunglar icin»

Integrieren im Fachhandel

Ich ging in ein Computergeschäft. Kaum trat ich über die Türschwelle, kam mir ein junger, stämmiger Verkäufer entgegen und begrüsste mich überschwänglich. Schon als ich auf sein Namensschild mit dem türkischen Namen darauf sah, fragte er, ob ich ein Türke sei. Ich sagte, dass ich Türkisch könne. Der Geschäftsleiter würde es sehr schätzen, wenn man den Kunden in seiner Muttersprache bediene, sagte er und fragte höflich, ob er mit mir Türkisch sprechen dürfe. Selbstverständlich, sagte ich. Er legte die Handfläche auf einen Computer, streichelte den Apparat: «Bu Compüter süper. Aber biraz teuer. Siz Grafikkarte ve Videoschnitt und sozeugs yaparsaniz, isch nöd mega guet.»

Ich sagte ihm, dass ich nur die Textverarbeitung bedienen könne, dass ich schon deshalb nicht einen teuren Apparat zu kaufen brauche, worauf der Verkäufer mir vorschlug, dass ich doch «Migros-Clubschule de Kurs bsueche» könne. Darauf sprach er wie ein Lehrer, betonte jedes Wort: «Compi lernen isch hützutag ein Muss, weil wir in Compiziit yasiyoruz.» Ich bestätigte seine Diagnose nur mit einem Kopfnicken.

Er drehte noch eine Runde durch die Regale, summte etwas vor sich hin und blieb bei einem anderen Computer stehen. Er nahm ein Gerät in die Hand, stellte es auf den Tisch, schaltete es ein, sprach weiter. Er bot mir sogar einen Kaffee an, den ich aber dankend ablehnte. Den Kunden Kaffee anzubieten, das habe er im Geschäft eingeführt, bemerkte er mit nicht wenig Stolz. Ich sagte, dass das gut für die Kundenbindung sei. Er kam auf den Computer zurück:

«Şu yeni Compüterler billig, aber mega çok sey var druf. Zum Bispil: Skype var, telefon gratis yapiyorsun Türkiye ile. Microsoft Frontpage ile Internetseiteni umändere yapiyorsun. Microsoft Powerpoint ile zum Bispil bir Vortragi an die Wand gösteriyorsun. Microsoft Outlook ile emaillerini abrufe yapiyorsun. Microsoft Excel isch mega super Rechnunglar icin.»

Ich fand Gefallen an seinem helvetischen Türkisch und sagte meinem Landsmann, ich stamme ursprünglich aus einem Dorf, sei auch deshalb in dieser Techniksprache nicht besonders gut. Diese Begriffe auf Deutsch zu hören sei für mich wie Kreuzworträtsel in einer mir unbekannten Sprache zu lösen. Ob er mir denn erklären könne, was «Frontpage» auf Türkisch heisse. Ich doppelte nach, dass ich wirklich am Kauf interessiert sei, und anstatt von einem anderen würde ich mich lieber bei einem freundlichen Landsmann, wie er einer sei, beraten lassen.

Zuerst bedankte er sich für das entgegengebrachte Vertrauen. Dann stöhnte er laut, kratzte sich einen kurzen Moment an der Schläfe. Moment mal, rief er plötzlich aus, er rufe einen türkischen Arkadas an, der baska Filiale de Geschäftsführer sei. Er holte sein iPhone aus der Hosentasche, wählte die Nummer. Hier gebe ich sein kurzes Telefongespräch eins zu eins wieder:

«Hoi Murat, da isch Burak. Weisch, bizim huära Filialleiter mit den Chunde Muttersprache rede istiyor. Simdi bir Landsmann da, voll nöd integriert! Stell dir das vor, hey Mann! Er verstoht keis Wort Dütsch! Frontpage nedir diyor auf Türkisch. Wie chan ich ihm das erkläre? Säg mir wie?!»

Was der Kollege ihm darauf drei Minuten lang am Telefon erzählt hat, weiss ich nicht. Mir sagte der Verkäufer, dass sein Landsmann gesagt habe, in der ganzen Schweiz könne überhaupt niemand dieses Wort auf Türkisch sagen. Ich könne den Compi kaufen, und er werde mir die türkische Übersetzung des Wortes irgendwann per E-Mail schicken.

DönerBox yiyecegiz

Die Wette am Gymnasium

Ich las an einer Kantonsschule aus meinen Texten. Unter den dreissig Schülern war einer mit türkisch klingendem Namen. Über diesen einzigen Namen war ich so erfreut, als hätte mir jemand an diesem Vormittag einen Goldtaler geschenkt.

Unter meinen Texten war einer über eine Begegnung mit einem jungen Computerverkäufer: Ich war in einem Computergeschäft, und der türkischstämmige Verkäufer wollte mich auf Türkisch beraten, wie es ihm sein Chef empfohlen hatte. Von allen Wörtern in seinem Türkisch waren aber mehr als die Hälfte deutsch.

Der Kantonsschüler mit dem türkischen Namen hörte sehr aufmerksam zu, und bei diesem Text über den Verkäufer lachte er viel, schüttelte den Kopf und rief mehrmals laut: «So eine Hors-Sol-Gurke!» Gemeint war nicht ich, sondern der Computerverkäufer.

Nach der Veranstaltung kam er sofort zu mir, stellte sich als Nazim vor. Ich nahm an, dass seine Eltern Bewunderer des weltbekannten Dichters Nazim Hikmet waren. Seine Mutter sei eine georgisch-stämmige Türkin, berichtete er, sein Vater zu drei Viertel Kurde. Ich fragte den jungen Nazim, was er sei.

«Ich bin … hä? … was bin ich?», sagte er stockend.

Der junge Nazim sagte, er habe alle Gedichte des Dichters Nazim gelesen, und behauptete, dass er besser Türkisch könne als der Verkäufer in meinem Text. Ich erwiderte, dass ich ihm erst glauben würde, wenn wir das überprüft hätten.

Wir sassen in der Mensa, zusammen mit seiner Freundin Jacqueline und zwei weiteren Kollegen, und schlossen eine Wette ab: Wenn Nazim in seinem Türkisch weniger deutsche Worte verwende als der Verkäufer im Text, also weniger als fünfzig Prozent, würde ich ihn und seine drei Begleiter bei Ferhad zu einer DönerBox einladen. Wenn ich die Wette gewinnen würde, müsse Nazim für mich einen zweiseitigen deutschen Text auf die Grammatikfehler prüfen.

Die Aufgabe Nazims war sehr einfach, was auch er so empfand. Er sollte seiner Mutter am Telefon erzählen, was er heute in der Schule erlebt hatte. Als er sein Telefon aus dem Rucksack holte, jubelten seine Freunde Nazim zu wie Fans einer Fussballmanschaft. Jacqueline würde den Bericht von Nazim mit ihrem iPhone aufnehmen, zur Überprüfung.

Nazim trank einen Schluck aus seiner Flasche, hustete zwei Mal, rief die Mutter an, nachdem er die Kollegen ermahnt hatte, sie dürften nicht lachen, sonst gerate er durcheinander, und sie alle würden die Wette verlieren.

«Anne, bugün bizim Schuleye bir Autor geldi. Buchlarindan ve Textlerinden vorlese yapti. Dötte isch öppis u luschtigs debii. Bir Verchäufer, so en depp! O Autor var ya. Compüter kaufe yapacak. De Depp onu berate yapiyor Türkce. Cok cok dütsch Wörter katiyor. Mischlet wie Ayran! (Da lachten er und seine Freunde laut.) Ve FrontPage nedir Türkce bilmiyor. FrontPage isch FrontPage! Egal ob Türkisch oder Chinesisch. Biz bir Wette yapiyoruz. Wenn i gewinne, DönerBox yiyecegiz arkadaslarim ile. Denn chume ii nit znacht.»

Jacqueline transkribierte die Aufzeichnung geschwind auf ein Papier, und wir zählten die Wörter. Tatsächlich waren von den fünfundsiebzig Wörtern siebenunddreissig auf Deutsch und siebenunddreissig auf Türkisch gesagt worden. Der Stichentscheid fiel dem Begriff DönerBox zu. Da die Gymnasiasten sich auch nach langer Diskussion nicht einig waren, welcher Sprache dieses Wort zuzuordnen war, endete unser Duell unentschieden. Ferhads DönerBox aber schmeckte ihnen hervorragend.

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